L 5 KA 779/02

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KA 03914/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 779/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Gesamthonorars der Kläger für das Quartal 4/00 im Streit, insbesondere ob die Kläger die Frist zur Erhebung des Widerspruchs ohne Verschulden versäumt haben.

Die Kläger sind als Urologen niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung in G. zugelassen. Mit Bescheid vom 9. April 2001, der nach den Angaben der Beklagten am 23.04.2001 zur Post gegeben wurde und der den Klägern nach ihrem eigenen Vortrag im Klageverfahren am 30. April 2001 zugegangen ist, setzte die Beklagte das den Klägern zustehende Gesamthonorar für das Quartal 4/00 fest.

Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 31. Mai 2001 - Poststempel 1.6.2001, Eingang bei der Beklagten am 5. Juni 2001 - Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2001 - ohne zuvor wegen Wiedereinsetzungsgründen nachgefragt zu haben - als verfristet zurückwies. Bei Eingang des Widerspruchsschreibens am 5. Juni 2001 sei die Widerspruchsfrist bereits abgelaufen gewesen. Die Kläger hätten auch nicht vorgetragen, ohne Verschulden an der Einhaltung der Widerspruchsfrist gehindert gewesen zu sein.

Dagegen erhoben die Kläger am 3. August 2001 Klage vor dem SG. Zur Begründung führten sie an, der Widerspruch sei fristgerecht erhoben worden. Der Bescheid über die Gesamthonorarabrechnung für das Quartal 4/00 sei nach ihren Unterlagen am 30. April 2001 eingegangen. Man habe daher am 31. Mai 2001 mit dem Vermerk, man lege "fristgerecht" gegen den Gesamthonorarabrechnungsbescheid Widerspruch ein, nach Überzeugung der Kläger auch fristgerecht Widerspruch erhoben. Die zuständige Mitarbeiterin, Frau P., die dem für die Abrechnung zuständigen Kläger Dr. B. das Widerspruchsschreiben vorgelegt habe und die ausschließlich beauftragt gewesen sei, dafür Sorge zutragen, dass Widersprüche fristgerecht erhoben würden, habe das Schreiben vom 31. Mai 2001 selbst verfasst. Für den Kläger Dr. B. habe es keine Veranlassung gegeben, an der Richtigkeit der dortigen Angaben, insbesondere an der rechtzeitigen Einlegung des Widerspruchs zu zweifeln. Ihn treffe an der Verfristung kein Verschulden, er dürfe sich zur Widerspruchseinlegung geschulter Mitarbeiter bedienen.

Mit Gerichtsbescheid vom 31. Januar 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unbegründet, da der Honorarabrechnungsbescheid für das Quartal 4/00 bestandskräftig geworden sei, denn die Kläger hätten verspätet Widerspruch erhoben. Die Beklagte habe daher zu Recht dem Widerspruch nicht stattgegeben. Die Widerspruchsfrist sei nach Zugang am 30. April 2001 am 30. Mai 2001 abgelaufen. Das Widerspruchsschreiben der Kläger datiere vom 31. Mai 2001 und sei erst am 5. Juni 2001 und damit verspätet bei der Beklagten eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei nicht zu gewähren, denn dies setze voraus, dass jemand glaubhaft ohne Verschulden gehindert gewesen sei, eine gesetzliche Verfahrensfrist - hier die Widerspruchsfrist - einzuhalten. Dies sei bei den Klägern jedoch nicht der Fall, denn mit dem erst am 31. Mai 2001 - und damit nach Ablauf der Widerspruchsfrist - verfassten und am Folgetag zur Post aufgegebenen Widerspruchsschreiben hätten die Kläger die Widerspruchsfrist erkennbar nicht einhalten können. Soweit dem Kläger Dr. B. "nicht bekannt (war), zu welchem Zeitpunkt der Ausgangsbescheid in der Praxis eingegangen war", beruhe dies auf einem von den Klägern zu vertretenden Organisationsverschulden und rechtfertige deshalb keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sonstige Wiedereinsetzungsgründe hätten die Kläger weder vorgetragen noch seien solche sonst ersichtlich.

Gegen den dem Klägerbevollmächtigten am 5. Februar 2002 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 5. März 2002 Berufung eingelegt und diese erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat durch Bezugnahme auf den bisherigen Vortrag begründet.

Die Kläger beantragen (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31. Januar 2002 aufzuheben und ihnen wegen Versäumung der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, den Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 9. April 2001 für das Quartal 4/00 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juli 2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Honorarstreichungen im vollem Umfang zu vergüten, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, die Honoraransprüche der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 1000 DM, seit 2. Januar 2002 500 EUR, ist überschritten. Die hier im Streit stehenden Kürzungen im Gesamthonorarbescheid für das Quartal 4/00 betragen rund 36 000 Punkte.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte den Widerspruch der Kläger als verfristet zurückgewiesen.

Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid Bezug genommen. Insoweit wird auf eine weitere Darstellung der Gründe verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).

Entgegen der Auffassung der Kläger trifft sie an der Verfristung ein Verschulden. Da Widersprüche in Arztpraxen eher seltene Vorgänge sind, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass die regelmäßig in ärztlichen Hilfsberufen ausgebildeten Mitarbeiter in der Lage sind, Widerspruchsfristen zu berechnen. Dass hier eine Schulung der Mitarbeiterin P. stattgefunden hatte, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Die gegenüber dem SG angekündigte eidesstattliche Versicherung ist nicht vorgelegt worden. Aber auch eine Schulung der Mitarbeiterin würde am Verschulden der Kläger nichts ändern. Zu den Organisationspflichten eines Anwalts gehört nicht nur eine Fristen-, sondern auch eine Erledigungs- bzw. Ausgangskontrolle. Nichts anderes gilt für Ärzte. Nach eigenem Vortrag hat der innerhalb der Gemeinschaftspraxis zuständige Dr. B. keinerlei Kontrolle ausgeübt, sondern sich blind darauf verlassen, seine Mitarbeiterin werde die Frist schon einhalten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung, da dieses Verfahren vor dem In-Kraft-Treten der Neuregelung in § 197a SGG zum 2. Januar 2002 bereits (jedenfalls vor dem SG) anhängig war; auf den Zeitpunkt der Einlegung der Berufung kommt es insoweit nicht an. § 197a SGG i. d. F. des 6.SGG ÄndG vom 17. August 2001 ist daher nicht anzuwenden (Urt. des BSG vom 30. Januar 2002 –B 6 KA 12/01 R und B 6 KA 73/00 R- sowie Beschluss vom 30. August 2002 –B 13 SF 1/02 S-; vgl. auch Beschluss des BSG vom 8. August 2002 -B 3 P 3/02 R-). Der Senat hält insoweit im Hinblick auf die sich mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des BSG an seiner bisherigen anders lautenden Rechtsprechung (Urt. vom 8. Mai 2002 –L 5 KA 5/02 -) nicht mehr fest.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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