Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 75/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1550/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. März 2005 abgeändert und der Bescheid des Beklagten vom 30. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 in vollem Umfang aufgehoben.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (noch) um die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX).
Mit Bescheid vom 02. August 2001 waren bei der am 10. September 1957 geborenen Klägerin wegen "Inkomplette Beinlähmungen beidseits mit Teil-Harnblasen- und Mastdarminkontinenz" ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen G, B und aG festgestellt worden. Dem Bescheid lag der Bericht des Klinikums O. vom 27. März 2001 über die stationäre Behandlung vom 25. Januar bis 20. Februar 2001 sowie der Entlassungsbericht vom 13. Juni 2001 der vom 20. Februar bis 31. Mai 2001 in der S.-Klinik B. K. durchgeführten Rehabilitation (Reha) zugrunde. Danach war bei der Klägerin am 27. Januar 2001 durch Laminektomie ein bis in den Sakralkanal reichendes intraspinales Hämangiom in Höhe des Brustwirbelkörpers (BWK) 12 entfernt worden; bei Verlegung der Klägerin fanden sich noch progrediente linksbetonte ausstrahlende Schmerzen, Parästhesien und Zehenheber und -senkerparesen sowie Blasen- und Mastdarmstörungen. Zum Reha-Verlauf bzw. zum -ergebnis ist in dem angegebenen Entlassungsbericht ausgeführt, dass nach deutlicher Besserung der neurogenen Blasenentleerungsstörungen ein Katheterisieren nur noch einmal täglich erforderlich sei; auch die Mastdarmentleerungsstörung habe eine langsame Besserungstendenz gezeigt. Im Behandlungsverlauf sei es zudem auch zu einer Schmerzreduktion gekommen. Im Bereich der Mobilität habe die Klägerin nach Schienenversorgung zuletzt am Rollator kurze Strecken und eine Treppe mit Hilfe bewältigen können; für größere Strecken habe sie jedoch weiterhin einen Rollstuhl benötigt, den sie selbstständig betätigen könne. Auf dieser Grundlage hatte der Ärztliche Dienst des Beklagten bei den Behinderungen "Inkomplette Beinlähmungen beidseits mit Teil-Harnblasen- und Mastdarminkontinenz" einen GdB von 100 seit 08. März 2001 (Antragsdatum) als nachgewiesen angesehen.
Im Rahmen der für Juli 2002 vorgesehenen Nachprüfung zog der Beklagte das "Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI" bei, das von Dr. Z. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg nach einem am 24. Juli 2002 durchgeführten Hausbesuch unter dem 26. Juli 2002 erstattet worden war. Darin wird bei der Klägerin eine linksbetonte Paraparese beschrieben, wobei ein freies Stehen nicht möglich und ein Aufstehen und Gehen in der Ebene nur mit dem Rollator möglich sei. Darüber hinaus wird eine Harn- und Stuhlinkontinenz bei Blasen- und Mastdarmlähmung beschrieben. Der Beklagte zog ferner den unter dem 3. April 2002 erstellten Entlassungsbericht der Kliniken S. bei, wo die Klägerin vom 05. Februar bis 19. März 2002 im Rahmen einer Reha-Maßnahme stationär behandelt worden war. Als Entlassungsdiagnosen sind eine linksbetonte Paraparese der Beine sowie passagere Harnblasen- und Mastdarmlähmungen angegeben. Als Reha-Ergebnis wird dargelegt, dass die Klägerin zuletzt an zwei Unterarmgehstützen eine kurze Strecke habe zurücklegen können, ihr jedoch der Rollator sicherer geblieben sei. Der Beklagte veranlasste eine gutachtliche Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes, der eine "Inkomplette Paraparese" sah, die er mit einem GdB von 80 bewertete; die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG sah er nicht als erfüllt. Zur Begründung war ausgeführt, es sei eine Besserung der neurologischen Symptomatik eingetreten, wobei die Tenoränderung darauf beruhe, dass die Klägerin, wie sich aus dem Entlassungsbericht vom 03. April 2002 ergebe, harn- und stuhlkontinent sei. Im Übrigen sei die Gehfähigkeit nicht aufs Schwerste eingeschränkt. Zu der deshalb beabsichtigten Neufeststellung (GdB nunmehr 80; Entziehung des Merkzeichens aG) angehört, machte die Klägerin geltend, sie sei weiterhin gehbehindert und könne sich nach wie vor nur mit einem Rollator fortbewegen. Die Beklagte holte die am 30. Januar 2003 eingegangene Stellungnahme der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. (ohne Datum) ein, die über weiterhin bestehende therapieresistente radikuläre Schmerzen, tiefe Sensibilitätsstörungen, eine Blasen- und Mastdarmlähmung, eine Muskelatrophie sowie eine links betonte Paraparese (Fußheber- und -senkerparese rechts, Zehenheber- und -senkerplegie links) mit Gehbehinderung berichtete, wobei eine Gehmöglichkeit auf kurzer Strecke nur mit dem Rollator bestehe. Beigefügt war der Bericht des Facharztes für Neurochirurgie Dr. S. vom 14. Oktober 2001 über die am 11. Oktober 2001 erfolgte Vorstellung; anamnestisch war darin ausgeführt, die Klägerin könne sich mit dem Rollator über lange Strecken wieder fortbewegen und auch die Kontinenz sei wieder hergestellt. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes, der an seiner bisherigen Einschätzung festhielt, und nach nochmaliger Anhörung der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2003 unter Aufhebung des Bescheids vom 02. August 2001 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) den GdB ab 05. Mai 2003 mit nur noch 80 fest und führte weiter aus, die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG lägen nicht mehr vor. Im Sinne des § 48 SGB X sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten, wobei die jetzt vorliegende Funktionsbeeinträchtigung "Inkomplette Paraparese" lediglich noch einen GdB von 80 rechtfertige. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihre gesundheitliche Situation habe sich nicht verbessert. Sie legte das an ihren Bevollmächtigten gerichtete Schreiben der Dr. K. vom 14. August 2003 vor, wonach aufgrund weiterhin bestehender Paraparesen beider Beine mit radikulären therapieresistenten Schmerzen eine hochgradige Einschränkung der Gehstrecke auf ca. 80 bis 100 m bestehe und sie sich in der Wohnung ebenso wie außerhalb nur mit dem Rollator fortbewegen könne. Nach nochmaliger Hinzuziehung seines Ärztlichen Dienstes, der die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht als erfüllt sah, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2003 zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 09. Januar 2004 schriftlich durch Fernkopie beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage, mit der sie im Wesentlichen geltend machte, seit Erlass des Bescheids vom 02. August 2001 seien in ihrem gesundheitlichen Zustand keine wesentlichen Verbesserungen eingetreten, was auch durch die Ausführungen der Dr. K. in ihrem Schreiben vom 14. August 2003 bestätigt werde. Der Beklagte habe nicht die Unterschiede deutlich gemacht, die einerseits zu einem GdB von 100 geführt haben, jetzt andererseits aber nur noch einen solchen von 80 rechtfertigten. Nachdem nunmehr auch Folgeschäden, insbesondere eine Änderung der Stellung der Füße festzustellen seien, müsse vielmehr von einer Verschlechterung ihres Zustandes ausgegangen werden. Nachdem ihr GdB weiterhin mit 100 zu bewerten sei, habe sie das Vergleichsangebot des Beklagten nicht annehmen können. Der Beklagte trat der Klage zunächst unter Vorlage seiner Verwaltungsakten mit dem Hinweis entgegen, die aktenkundigen Berichte dokumentierten eine wesentliche Besserung der gesundheitlichen Situation und zeigten, was die beschriebene Gehstrecke anbelange auf, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens aG nicht vorlägen. Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30. November 2004 unterbreitete er der Klägerin ein Vergleichsangebot, wonach bei Erledigung des Rechtsstreits festgestellt werde, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG über den 04. Mai 2003 hinaus weiterhin erfüllt seien. In der zugrunde liegenden Stellungnahme ist ausgeführt, dass nach Aktenlage eine wesentliche Besserung der Gehfähigkeit nicht ersichtlich sei, jedoch die Reduktion des GdB auf 80 begründet sei, nachdem die Kontinenz wieder habe hergestellt werden können. Mit Gerichtsbescheid vom 11. März 2005 verurteilte das SG den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen, bei der Klägerin über den 04. Mai 2003 hinaus eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen aG) festzustellen. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 23. März 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Am 20. April 2005 hat die Klägerin dagegen schriftlich durch Fernkopie beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG sei ebenso wie der Beklagte eine Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb der GdB von 100 auf 80 habe herabgesetzt werden können, nachdem sich ihre Situation tatsächlich nicht verbessert habe. Bei ihr lägen nach wie vor Beeinträchtigungen vor, die einen GdB von 100 rechtfertigten. Eine Besserung der neurologischen Symptomatik, insbesondere eine Wiederherstellung der Kontinenz, sei nicht erreicht worden, wie sich aus den beigefügten Arztbriefen ergebe; insoweit legte sie den Bericht des Facharztes für Urologie Dr. B. vom 08. August 2005, den Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. M.-S. vom 02. September 2005 sowie den Kurzbericht des Klinikums O., Urologie und Kinderurologie, über die ambulante Behandlung am 04. Oktober 2005 vor. Auch in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2006 sei bestätigt worden, dass weiterhin eine neurogene Blasenstörung vorliege; damit sei unstreitig, dass nach wie vor eine Inkontinenz bestehe. Ihrer Klage sei deshalb statt zu geben. Da von Beklagtenseite bereits bestätigt worden sei, dass hinsichtlich der Gehfähigkeit eine wesentliche Änderung nicht nachgewiesen werden könne, seien die weiteren Ausführungen in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2006, wonach sich statt einer distal betonten schweren Parese des linken Beines sowie Fußheber- und -senkerparesen beidseits nun nur noch für das linke Bein motorische Ausfälle beschreiben ließen, unbeachtlich. Allein schon die eingeschränkte Gehfähigkeit rechtfertige einen GdB von mindestens 80; die neurogene Blasenstörung sei zusätzlich zu berücksichtigen. Weshalb die Inkontinenz bei der Neufestsetzung des GdB auf 80 bereits berücksichtigt sein soll, sei nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 22. Juni 2006, wonach das jetzige Zustandsbild einer unvollständigen Lendenmarkschädigung mit Teillähmung beider Beine und Störungen der Blasen/Mastdarmfunktion schon von Anbeginn an maximal mit einem GdB von 80 zu bewerten gewesen wäre, stelle sich im Übrigen die Frage, ob eine Korrektur der früheren Entscheidung nach § 45 SGB X überhaupt möglich sei. Der Beratungsarzt "unterstelle" im Übrigen lediglich eine wesentliche Besserung, insbesondere der motorischen Komponente. Nachgewiesen sei eine solche jedoch nicht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. März 2005 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 in vollem Umfang aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig, da durch die Besserung der neurologischen Symptomatik eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Hierzu hat er die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 15. Dezember 2005, 15. Februar, 22. Juni und 12. September 2006 vorgelegt, die hinreichend deutlich machten, worin versorgungsmedizinisch eine Besserung zu sehen sei.
Das Gericht hat vom Klinikum O., Urologie und Kinderurologie, den Arztbrief vom 17. Oktober 2005 über die bei der Klägerin am 04. Oktober 2005 durchgeführte urodynamische Untersuchung beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet.
Das SG hätte die Klage, soweit zwischen den Beteiligten die Herabstufung des GdB von 100 auf 80 im Streit stand, nicht abweisen dürfen. Vielmehr hätte es den Bescheid vom 30. April 2003 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 in vollem Umfang aufheben müssen. Denn dieser war insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Entziehung des Merkzeichen aG rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse hätte der Beklagte auch den mit Bescheid vom 02. August 2001 mit 100 festgesetzten GdB nicht auf 80 herabsetzen dürfen.
Rechtsgrundlage für die vom Beklagten vorgenommene Neufestsetzung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der bindenden Feststellung einerseits und der angefochtenen Neufeststellung andererseits zugrunde gelegen hat. Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob sich im Gesundheitszustand der Klägerin, wie er dem Bescheid vom 02. August 2001 zugrunde gelegen hat, im Vergleich zu dem Zustand, wie er zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung am 30. April 2003 bestanden hat, eine wesentliche Besserung feststellen lässt, die es rechtfertigt, anstelle des bisherigen GdB von 100 nunmehr lediglich noch einen solchen von 80 festzustellen.
Dies ist zu verneinen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass sich die Auswirkungen der mit Bescheid vom 02. August 2001 festgestellten Leiden der Klägerin, die mit "Inkomplette Beinlähmungen beidseits mit Teil-Harnblasen- und Mastdarm- inkontinenz" bezeichnet wurden, in einem rechtserheblichen Umfang gebessert haben. Worin diese Besserung zum Ausdruck kommt, hat insbesondere auch der Beklagte im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht deutlich machen können. Er hat die erforderliche wesentliche Besserung im Gesundheitszustand zunächst mit einer Besserung der neurologischen Symptomatik, und zwar mit der Wiederherstellung der Kontinenz begründet, was eine Herabsetzung des GdB auf 80 rechtfertige. Darüber hinaus hat er bei der gegebenen Befundsituation die strengen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht mehr als erfüllt angesehen und das entsprechende Merkzeichen deshalb entzogen. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte, was die Entziehung des Merkzeichen aG anbelangt, seine zuvor getroffene Einschätzung jedoch nicht aufrecht erhalten, nachdem mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30. November 2004 dargelegt worden war, dass eine wesentliche Besserung der Gehfähigkeit nicht belegt sei. Damit geht im Sinne des Vorbringens der Klägerin auch die Beklagte selbst davon aus, dass im Hinblick auf die Auswirkungen der Teillähmung beider Beine seit der Entscheidung vom 02. August 2001 keine wesentliche Besserung der Gehfähigkeit eingetreten ist. Soweit die Herabsetzung des GdB angesichts dessen noch mit der vom Beklagten zur Begründung herangezogenen Wiedererlangung der Kontinenz gerechtfertigt werden könnte, haben die im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen die zugrunde gelegte Annahme jedoch gerade nicht bestätigt. Soweit der Beklagte seiner Einschätzung die Wiedererlangung der Kontinenz zugrunde gelegt hat, hat er sich zunächst auf die Ausführungen in dem Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 03. April 2002 gestützt, in dem unter Bezugnahme auf einen Bericht über die Vorstellung der Klägerin bei Dr. S. im Oktober 2001 ausgeführt ist, sie sei seinerzeit in der Lage gewesen, sich mit dem Rollator über längere Strecken fortzubewegen und auch die Kontinenz sei wieder hergestellt gewesen. Der im Zusammenhang mit der Anhörung der Klägerin dann beigezogene Bericht des Dr. S. vom 14. Oktober 2001 enthielt in der Tat entsprechende anamnestische Angaben der Klägerin und bestätigte damit die entsprechenden Ausführungen in dem erwähnten Entlassungsbericht. Allerdings finden sich für den Zeitraum ab Oktober 2001 keine weiteren Belege für die Richtigkeit dieser Tatsache. So sind selbst in dem angesprochenen Entlassungsbericht, der die Behandlung im Februar/März 2002 betrifft, als Diagnosen noch eine passagere Harnblasen- und Mastdarmlähmung aufgeführt. Auch in dem vier Monate später erstatteten Pflegegutachten des Dr. Z. vom MDK wird für den Untersuchungszeitpunkt am 24. Juli 2002 noch über eine Harn- und Stuhlinkontinenz berichtet, deren Fortbestehen die behandelnde Hausärztin Dr. K. auch noch im Januar 2003 im Rahmen ihres Befundberichts gegenüber dem Beklagten bestätigt hat. Auch der im Berufungsverfahren beigezogene Arztbrief des Klinikums O. vom 17. Oktober 2005, in dem über eine ambulante Behandlung der Klägerin vom 04. Oktober 2005 berichtet wird, enthält die anamnestischen Angaben über das Fortbestehen der entsprechenden Störungen seit der Operation. Der Senat sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit all dieser Hinweise auf das Weiterbestehen der Inkontinenz zu zweifeln. Entsprechend hat sich sinngemäß schließlich auch der Beklagte mit Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Dezember 2005 geäußert, in der im Hinblick auf den erwähnten Arztbrief des Klinikums O. die Entleerungsstörung der Blase mit einem Teil-GdB von 20 bewertet und damit als fortbestehend erachtet wurde. Angesichts dessen ist nicht festzustellen, dass bei der Klägerin die Kontinenz wieder hergestellt wurde und dadurch bedingt im Gesundheitszustand eine so wesentliche Besserung eingetreten ist, die eine Reduzierung des GdB rechtfertigen würde.
Soweit der Beklagte im Hinblick auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 15. Dezember 2005 aus dem Bericht des Dr. M.-S. vom 02. September 2005 eine deutliche Besserung der Symptomatik hinsichtlich der Lähmungen ableitet, vermag der Senat dieser Einschätzung schon deshalb nicht zu folgen, weil dem nur sehr kurz gehaltenen Bericht keine konkreten Befunde zu entnehmen sind und, ohne dass erkennbar wäre, auf welchen Zeitpunkt sich die entsprechenden Angaben beziehen, ganz allgemein lediglich von "Problemen mit dem Wasserlassen und der Mastdarmleerung" seit der Operation berichtet wird. Auch den weiteren Ausführungen in dieser Stellungnahme vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die für die Richtigkeit der Annahme einer wesentlichen Besserung sprechen. Denn auch aus dem Hinweis, die im Arztbrief des Klinikums O. angegebenen Entleerungsstörungen der Blase seien unter Anwendung der Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) als leicht bis stärker ausgeprägt einzuschätzen und seien mit einem GdB von 20 zu bewerten, woraus keine Änderung des GdB von 80 resultiere, da die neurogenen Funktionsstörungen bereits mitberücksichtigt seien, lässt sich eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Situation nicht ableiten.
Demgegenüber teilt der Senat jedoch die Beurteilungen, die in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 15. Februar, 22. Juni und 12. September 2006 zum Ausdruck kommen, dass nämlich das jetzige Zustandsbild einer unvollständigen Lendenmarkschädigung mit Teillähmung beider Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion nach den AHP maximal mit einem GdB von 80 zu bewerten ist und ein GdB von 100, wie er mit Bescheid vom 02. August 2001 festgestellt wurde, lediglich bei einer vollständigen Lendenmarksschädigung mit vollständiger Lähmung der Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion gerechtfertigt wäre. Ein derart schwerwiegendes Zustandsbild, das einen GdB von 100 rechtfertigen würde, liegt bei der Klägerin in der Tat derzeit nicht vor. Allerdings hat ein solches Krankheitsbild mit vollständiger Lähmung beider Beine auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung des GdB im August 2001 nicht vorgelegen. Vielmehr hätte der seinerzeitige durch Teillähmungen der Beine geprägte Zustand ebenso wie der nunmehr zu objektivierende lediglich einen GdB von 80 gerechtfertigt. Dies macht deutlich, dass eine Neufeststellung nicht wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt sein kann, sondern allenfalls im Rahmen des § 45 SGB X wegen einer bereits anfänglich fehlerhaft vorgenommenen Einstufung in Betracht gekommen wäre.
Da nach alledem eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht festzustellen ist und die Rücknahme des angefochtenen Bescheids mangels Ermessensausübung auch nicht auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützt werden kann, war der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich der Herabsetzung des GdB rechtswidrig und daher aufzuheben. Das angefochtene Urteil des SG war daher abzuändern und die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten (noch) um die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX).
Mit Bescheid vom 02. August 2001 waren bei der am 10. September 1957 geborenen Klägerin wegen "Inkomplette Beinlähmungen beidseits mit Teil-Harnblasen- und Mastdarminkontinenz" ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen G, B und aG festgestellt worden. Dem Bescheid lag der Bericht des Klinikums O. vom 27. März 2001 über die stationäre Behandlung vom 25. Januar bis 20. Februar 2001 sowie der Entlassungsbericht vom 13. Juni 2001 der vom 20. Februar bis 31. Mai 2001 in der S.-Klinik B. K. durchgeführten Rehabilitation (Reha) zugrunde. Danach war bei der Klägerin am 27. Januar 2001 durch Laminektomie ein bis in den Sakralkanal reichendes intraspinales Hämangiom in Höhe des Brustwirbelkörpers (BWK) 12 entfernt worden; bei Verlegung der Klägerin fanden sich noch progrediente linksbetonte ausstrahlende Schmerzen, Parästhesien und Zehenheber und -senkerparesen sowie Blasen- und Mastdarmstörungen. Zum Reha-Verlauf bzw. zum -ergebnis ist in dem angegebenen Entlassungsbericht ausgeführt, dass nach deutlicher Besserung der neurogenen Blasenentleerungsstörungen ein Katheterisieren nur noch einmal täglich erforderlich sei; auch die Mastdarmentleerungsstörung habe eine langsame Besserungstendenz gezeigt. Im Behandlungsverlauf sei es zudem auch zu einer Schmerzreduktion gekommen. Im Bereich der Mobilität habe die Klägerin nach Schienenversorgung zuletzt am Rollator kurze Strecken und eine Treppe mit Hilfe bewältigen können; für größere Strecken habe sie jedoch weiterhin einen Rollstuhl benötigt, den sie selbstständig betätigen könne. Auf dieser Grundlage hatte der Ärztliche Dienst des Beklagten bei den Behinderungen "Inkomplette Beinlähmungen beidseits mit Teil-Harnblasen- und Mastdarminkontinenz" einen GdB von 100 seit 08. März 2001 (Antragsdatum) als nachgewiesen angesehen.
Im Rahmen der für Juli 2002 vorgesehenen Nachprüfung zog der Beklagte das "Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI" bei, das von Dr. Z. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg nach einem am 24. Juli 2002 durchgeführten Hausbesuch unter dem 26. Juli 2002 erstattet worden war. Darin wird bei der Klägerin eine linksbetonte Paraparese beschrieben, wobei ein freies Stehen nicht möglich und ein Aufstehen und Gehen in der Ebene nur mit dem Rollator möglich sei. Darüber hinaus wird eine Harn- und Stuhlinkontinenz bei Blasen- und Mastdarmlähmung beschrieben. Der Beklagte zog ferner den unter dem 3. April 2002 erstellten Entlassungsbericht der Kliniken S. bei, wo die Klägerin vom 05. Februar bis 19. März 2002 im Rahmen einer Reha-Maßnahme stationär behandelt worden war. Als Entlassungsdiagnosen sind eine linksbetonte Paraparese der Beine sowie passagere Harnblasen- und Mastdarmlähmungen angegeben. Als Reha-Ergebnis wird dargelegt, dass die Klägerin zuletzt an zwei Unterarmgehstützen eine kurze Strecke habe zurücklegen können, ihr jedoch der Rollator sicherer geblieben sei. Der Beklagte veranlasste eine gutachtliche Stellungnahme ihres Ärztlichen Dienstes, der eine "Inkomplette Paraparese" sah, die er mit einem GdB von 80 bewertete; die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG sah er nicht als erfüllt. Zur Begründung war ausgeführt, es sei eine Besserung der neurologischen Symptomatik eingetreten, wobei die Tenoränderung darauf beruhe, dass die Klägerin, wie sich aus dem Entlassungsbericht vom 03. April 2002 ergebe, harn- und stuhlkontinent sei. Im Übrigen sei die Gehfähigkeit nicht aufs Schwerste eingeschränkt. Zu der deshalb beabsichtigten Neufeststellung (GdB nunmehr 80; Entziehung des Merkzeichens aG) angehört, machte die Klägerin geltend, sie sei weiterhin gehbehindert und könne sich nach wie vor nur mit einem Rollator fortbewegen. Die Beklagte holte die am 30. Januar 2003 eingegangene Stellungnahme der behandelnden Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. (ohne Datum) ein, die über weiterhin bestehende therapieresistente radikuläre Schmerzen, tiefe Sensibilitätsstörungen, eine Blasen- und Mastdarmlähmung, eine Muskelatrophie sowie eine links betonte Paraparese (Fußheber- und -senkerparese rechts, Zehenheber- und -senkerplegie links) mit Gehbehinderung berichtete, wobei eine Gehmöglichkeit auf kurzer Strecke nur mit dem Rollator bestehe. Beigefügt war der Bericht des Facharztes für Neurochirurgie Dr. S. vom 14. Oktober 2001 über die am 11. Oktober 2001 erfolgte Vorstellung; anamnestisch war darin ausgeführt, die Klägerin könne sich mit dem Rollator über lange Strecken wieder fortbewegen und auch die Kontinenz sei wieder hergestellt. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme seines Ärztlichen Dienstes, der an seiner bisherigen Einschätzung festhielt, und nach nochmaliger Anhörung der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2003 unter Aufhebung des Bescheids vom 02. August 2001 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) den GdB ab 05. Mai 2003 mit nur noch 80 fest und führte weiter aus, die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG lägen nicht mehr vor. Im Sinne des § 48 SGB X sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten, wobei die jetzt vorliegende Funktionsbeeinträchtigung "Inkomplette Paraparese" lediglich noch einen GdB von 80 rechtfertige. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, ihre gesundheitliche Situation habe sich nicht verbessert. Sie legte das an ihren Bevollmächtigten gerichtete Schreiben der Dr. K. vom 14. August 2003 vor, wonach aufgrund weiterhin bestehender Paraparesen beider Beine mit radikulären therapieresistenten Schmerzen eine hochgradige Einschränkung der Gehstrecke auf ca. 80 bis 100 m bestehe und sie sich in der Wohnung ebenso wie außerhalb nur mit dem Rollator fortbewegen könne. Nach nochmaliger Hinzuziehung seines Ärztlichen Dienstes, der die Voraussetzungen für das Merkzeichen aG nicht als erfüllt sah, wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2003 zurück.
Dagegen erhob die Klägerin am 09. Januar 2004 schriftlich durch Fernkopie beim Sozialgericht (SG) Freiburg Klage, mit der sie im Wesentlichen geltend machte, seit Erlass des Bescheids vom 02. August 2001 seien in ihrem gesundheitlichen Zustand keine wesentlichen Verbesserungen eingetreten, was auch durch die Ausführungen der Dr. K. in ihrem Schreiben vom 14. August 2003 bestätigt werde. Der Beklagte habe nicht die Unterschiede deutlich gemacht, die einerseits zu einem GdB von 100 geführt haben, jetzt andererseits aber nur noch einen solchen von 80 rechtfertigten. Nachdem nunmehr auch Folgeschäden, insbesondere eine Änderung der Stellung der Füße festzustellen seien, müsse vielmehr von einer Verschlechterung ihres Zustandes ausgegangen werden. Nachdem ihr GdB weiterhin mit 100 zu bewerten sei, habe sie das Vergleichsangebot des Beklagten nicht annehmen können. Der Beklagte trat der Klage zunächst unter Vorlage seiner Verwaltungsakten mit dem Hinweis entgegen, die aktenkundigen Berichte dokumentierten eine wesentliche Besserung der gesundheitlichen Situation und zeigten, was die beschriebene Gehstrecke anbelange auf, dass die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens aG nicht vorlägen. Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30. November 2004 unterbreitete er der Klägerin ein Vergleichsangebot, wonach bei Erledigung des Rechtsstreits festgestellt werde, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG über den 04. Mai 2003 hinaus weiterhin erfüllt seien. In der zugrunde liegenden Stellungnahme ist ausgeführt, dass nach Aktenlage eine wesentliche Besserung der Gehfähigkeit nicht ersichtlich sei, jedoch die Reduktion des GdB auf 80 begründet sei, nachdem die Kontinenz wieder habe hergestellt werden können. Mit Gerichtsbescheid vom 11. März 2005 verurteilte das SG den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen, bei der Klägerin über den 04. Mai 2003 hinaus eine außergewöhnliche Gehbehinderung (Merkzeichen aG) festzustellen. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 23. März 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.
Am 20. April 2005 hat die Klägerin dagegen schriftlich durch Fernkopie beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und vorgetragen, das SG sei ebenso wie der Beklagte eine Begründung dafür schuldig geblieben, weshalb der GdB von 100 auf 80 habe herabgesetzt werden können, nachdem sich ihre Situation tatsächlich nicht verbessert habe. Bei ihr lägen nach wie vor Beeinträchtigungen vor, die einen GdB von 100 rechtfertigten. Eine Besserung der neurologischen Symptomatik, insbesondere eine Wiederherstellung der Kontinenz, sei nicht erreicht worden, wie sich aus den beigefügten Arztbriefen ergebe; insoweit legte sie den Bericht des Facharztes für Urologie Dr. B. vom 08. August 2005, den Bericht des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. M.-S. vom 02. September 2005 sowie den Kurzbericht des Klinikums O., Urologie und Kinderurologie, über die ambulante Behandlung am 04. Oktober 2005 vor. Auch in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2006 sei bestätigt worden, dass weiterhin eine neurogene Blasenstörung vorliege; damit sei unstreitig, dass nach wie vor eine Inkontinenz bestehe. Ihrer Klage sei deshalb statt zu geben. Da von Beklagtenseite bereits bestätigt worden sei, dass hinsichtlich der Gehfähigkeit eine wesentliche Änderung nicht nachgewiesen werden könne, seien die weiteren Ausführungen in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2006, wonach sich statt einer distal betonten schweren Parese des linken Beines sowie Fußheber- und -senkerparesen beidseits nun nur noch für das linke Bein motorische Ausfälle beschreiben ließen, unbeachtlich. Allein schon die eingeschränkte Gehfähigkeit rechtfertige einen GdB von mindestens 80; die neurogene Blasenstörung sei zusätzlich zu berücksichtigen. Weshalb die Inkontinenz bei der Neufestsetzung des GdB auf 80 bereits berücksichtigt sein soll, sei nicht nachvollziehbar. Im Hinblick auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 22. Juni 2006, wonach das jetzige Zustandsbild einer unvollständigen Lendenmarkschädigung mit Teillähmung beider Beine und Störungen der Blasen/Mastdarmfunktion schon von Anbeginn an maximal mit einem GdB von 80 zu bewerten gewesen wäre, stelle sich im Übrigen die Frage, ob eine Korrektur der früheren Entscheidung nach § 45 SGB X überhaupt möglich sei. Der Beratungsarzt "unterstelle" im Übrigen lediglich eine wesentliche Besserung, insbesondere der motorischen Komponente. Nachgewiesen sei eine solche jedoch nicht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 11. März 2005 abzuändern und den Bescheid des Beklagten vom 30. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 in vollem Umfang aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig, da durch die Besserung der neurologischen Symptomatik eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten sei. Hierzu hat er die versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 15. Dezember 2005, 15. Februar, 22. Juni und 12. September 2006 vorgelegt, die hinreichend deutlich machten, worin versorgungsmedizinisch eine Besserung zu sehen sei.
Das Gericht hat vom Klinikum O., Urologie und Kinderurologie, den Arztbrief vom 17. Oktober 2005 über die bei der Klägerin am 04. Oktober 2005 durchgeführte urodynamische Untersuchung beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist auch begründet.
Das SG hätte die Klage, soweit zwischen den Beteiligten die Herabstufung des GdB von 100 auf 80 im Streit stand, nicht abweisen dürfen. Vielmehr hätte es den Bescheid vom 30. April 2003 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2003 in vollem Umfang aufheben müssen. Denn dieser war insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Entziehung des Merkzeichen aG rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse hätte der Beklagte auch den mit Bescheid vom 02. August 2001 mit 100 festgesetzten GdB nicht auf 80 herabsetzen dürfen.
Rechtsgrundlage für die vom Beklagten vorgenommene Neufestsetzung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, ist durch einen Vergleich des Zustandes zu ermitteln, wie er bei der bindenden Feststellung einerseits und der angefochtenen Neufeststellung andererseits zugrunde gelegen hat. Demnach ist vorliegend zu prüfen, ob sich im Gesundheitszustand der Klägerin, wie er dem Bescheid vom 02. August 2001 zugrunde gelegen hat, im Vergleich zu dem Zustand, wie er zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung am 30. April 2003 bestanden hat, eine wesentliche Besserung feststellen lässt, die es rechtfertigt, anstelle des bisherigen GdB von 100 nunmehr lediglich noch einen solchen von 80 festzustellen.
Dies ist zu verneinen. Der Senat vermag nicht festzustellen, dass sich die Auswirkungen der mit Bescheid vom 02. August 2001 festgestellten Leiden der Klägerin, die mit "Inkomplette Beinlähmungen beidseits mit Teil-Harnblasen- und Mastdarm- inkontinenz" bezeichnet wurden, in einem rechtserheblichen Umfang gebessert haben. Worin diese Besserung zum Ausdruck kommt, hat insbesondere auch der Beklagte im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht deutlich machen können. Er hat die erforderliche wesentliche Besserung im Gesundheitszustand zunächst mit einer Besserung der neurologischen Symptomatik, und zwar mit der Wiederherstellung der Kontinenz begründet, was eine Herabsetzung des GdB auf 80 rechtfertige. Darüber hinaus hat er bei der gegebenen Befundsituation die strengen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht mehr als erfüllt angesehen und das entsprechende Merkzeichen deshalb entzogen. Im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte, was die Entziehung des Merkzeichen aG anbelangt, seine zuvor getroffene Einschätzung jedoch nicht aufrecht erhalten, nachdem mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 30. November 2004 dargelegt worden war, dass eine wesentliche Besserung der Gehfähigkeit nicht belegt sei. Damit geht im Sinne des Vorbringens der Klägerin auch die Beklagte selbst davon aus, dass im Hinblick auf die Auswirkungen der Teillähmung beider Beine seit der Entscheidung vom 02. August 2001 keine wesentliche Besserung der Gehfähigkeit eingetreten ist. Soweit die Herabsetzung des GdB angesichts dessen noch mit der vom Beklagten zur Begründung herangezogenen Wiedererlangung der Kontinenz gerechtfertigt werden könnte, haben die im gerichtlichen Verfahren durchgeführten Ermittlungen die zugrunde gelegte Annahme jedoch gerade nicht bestätigt. Soweit der Beklagte seiner Einschätzung die Wiedererlangung der Kontinenz zugrunde gelegt hat, hat er sich zunächst auf die Ausführungen in dem Entlassungsbericht der Kliniken S. vom 03. April 2002 gestützt, in dem unter Bezugnahme auf einen Bericht über die Vorstellung der Klägerin bei Dr. S. im Oktober 2001 ausgeführt ist, sie sei seinerzeit in der Lage gewesen, sich mit dem Rollator über längere Strecken fortzubewegen und auch die Kontinenz sei wieder hergestellt gewesen. Der im Zusammenhang mit der Anhörung der Klägerin dann beigezogene Bericht des Dr. S. vom 14. Oktober 2001 enthielt in der Tat entsprechende anamnestische Angaben der Klägerin und bestätigte damit die entsprechenden Ausführungen in dem erwähnten Entlassungsbericht. Allerdings finden sich für den Zeitraum ab Oktober 2001 keine weiteren Belege für die Richtigkeit dieser Tatsache. So sind selbst in dem angesprochenen Entlassungsbericht, der die Behandlung im Februar/März 2002 betrifft, als Diagnosen noch eine passagere Harnblasen- und Mastdarmlähmung aufgeführt. Auch in dem vier Monate später erstatteten Pflegegutachten des Dr. Z. vom MDK wird für den Untersuchungszeitpunkt am 24. Juli 2002 noch über eine Harn- und Stuhlinkontinenz berichtet, deren Fortbestehen die behandelnde Hausärztin Dr. K. auch noch im Januar 2003 im Rahmen ihres Befundberichts gegenüber dem Beklagten bestätigt hat. Auch der im Berufungsverfahren beigezogene Arztbrief des Klinikums O. vom 17. Oktober 2005, in dem über eine ambulante Behandlung der Klägerin vom 04. Oktober 2005 berichtet wird, enthält die anamnestischen Angaben über das Fortbestehen der entsprechenden Störungen seit der Operation. Der Senat sieht keine Veranlassung, an der Richtigkeit all dieser Hinweise auf das Weiterbestehen der Inkontinenz zu zweifeln. Entsprechend hat sich sinngemäß schließlich auch der Beklagte mit Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Dezember 2005 geäußert, in der im Hinblick auf den erwähnten Arztbrief des Klinikums O. die Entleerungsstörung der Blase mit einem Teil-GdB von 20 bewertet und damit als fortbestehend erachtet wurde. Angesichts dessen ist nicht festzustellen, dass bei der Klägerin die Kontinenz wieder hergestellt wurde und dadurch bedingt im Gesundheitszustand eine so wesentliche Besserung eingetreten ist, die eine Reduzierung des GdB rechtfertigen würde.
Soweit der Beklagte im Hinblick auf die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 15. Dezember 2005 aus dem Bericht des Dr. M.-S. vom 02. September 2005 eine deutliche Besserung der Symptomatik hinsichtlich der Lähmungen ableitet, vermag der Senat dieser Einschätzung schon deshalb nicht zu folgen, weil dem nur sehr kurz gehaltenen Bericht keine konkreten Befunde zu entnehmen sind und, ohne dass erkennbar wäre, auf welchen Zeitpunkt sich die entsprechenden Angaben beziehen, ganz allgemein lediglich von "Problemen mit dem Wasserlassen und der Mastdarmleerung" seit der Operation berichtet wird. Auch den weiteren Ausführungen in dieser Stellungnahme vermag der Senat keine Gesichtspunkte zu entnehmen, die für die Richtigkeit der Annahme einer wesentlichen Besserung sprechen. Denn auch aus dem Hinweis, die im Arztbrief des Klinikums O. angegebenen Entleerungsstörungen der Blase seien unter Anwendung der Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2004 (AHP) als leicht bis stärker ausgeprägt einzuschätzen und seien mit einem GdB von 20 zu bewerten, woraus keine Änderung des GdB von 80 resultiere, da die neurogenen Funktionsstörungen bereits mitberücksichtigt seien, lässt sich eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Situation nicht ableiten.
Demgegenüber teilt der Senat jedoch die Beurteilungen, die in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 15. Februar, 22. Juni und 12. September 2006 zum Ausdruck kommen, dass nämlich das jetzige Zustandsbild einer unvollständigen Lendenmarkschädigung mit Teillähmung beider Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion nach den AHP maximal mit einem GdB von 80 zu bewerten ist und ein GdB von 100, wie er mit Bescheid vom 02. August 2001 festgestellt wurde, lediglich bei einer vollständigen Lendenmarksschädigung mit vollständiger Lähmung der Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion gerechtfertigt wäre. Ein derart schwerwiegendes Zustandsbild, das einen GdB von 100 rechtfertigen würde, liegt bei der Klägerin in der Tat derzeit nicht vor. Allerdings hat ein solches Krankheitsbild mit vollständiger Lähmung beider Beine auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Feststellung des GdB im August 2001 nicht vorgelegen. Vielmehr hätte der seinerzeitige durch Teillähmungen der Beine geprägte Zustand ebenso wie der nunmehr zu objektivierende lediglich einen GdB von 80 gerechtfertigt. Dies macht deutlich, dass eine Neufeststellung nicht wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt sein kann, sondern allenfalls im Rahmen des § 45 SGB X wegen einer bereits anfänglich fehlerhaft vorgenommenen Einstufung in Betracht gekommen wäre.
Da nach alledem eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nicht festzustellen ist und die Rücknahme des angefochtenen Bescheids mangels Ermessensausübung auch nicht auf § 45 Abs. 1 SGB X gestützt werden kann, war der angefochtene Bescheid auch hinsichtlich der Herabsetzung des GdB rechtswidrig und daher aufzuheben. Das angefochtene Urteil des SG war daher abzuändern und die angefochtenen Bescheide in vollem Umfang aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
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