Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 1434/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2298/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. April 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung des Nachteilsausgleich G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) stellte zuletzt für den 1949 geborenen Kläger mit Bescheid vom 11. Juli 2001 den Grad der Behinderung (GdB) mit 50 seit 5. Februar 2001 fest. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. D.-L. vom 29. Juni 2001 zugrunde, in welcher degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), eine Allergie (Teil-GdB 10) sowie psychovegetative Störungen und eine Depression (Teil-GdB 30) als Behinderungen in Ansatz gebracht wurden und der Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt wurde. Am 20. September 2001 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB und die Feststellung des Nachteilsausgleichs G. Diesen Antrag lehnte das VA mit Bescheid vom 3. Dezember 2001 unter Berücksichtigung des eingeholten Befundscheins des Facharztes für Orthopädie Dr. L. vom 15. Oktober 2001 und der vä Stellungnahme von Dr. K. vom 24. November 2001 ab.
Am 6. Februar 2002 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung seines GdB und führte zur Begründung aus, seine Allergie habe sich verschlimmert und neu aufgetreten sei eine Hüftarthrose sowie eine Gehbehinderung. Das VA holte die Befundscheine der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 15. Februar 2002 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 8. Mai 2002 ein. Beigefügt waren der Arztbrief des Facharztes für Neurologie Dr. T. vom 6. Februar 2001, der Arztbrief von Dr. L. vom 18. September 2000, das sozialmedizinische Gutachten von Dr. K.vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1999 sowie auszugsweise ein für die K. Lebensversicherung AG von Dr. S. unter dem 28. Oktober 1999 erstellter Befundbericht. Dr. M. brachte in der vä Stellungnahme vom 29. Juli 2002 als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, muskuläre Verspannungen und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 30), eine Allergie (Teil-GdB 20), psychovegetative Störungen, eine Depression und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 40) sowie eine Gebrauchseinschränkung beider Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen (Teil-GdB 20) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 60 und führte aus, der Gebrauch von Unterarm-Gehstützen sei nicht durch objektivierte Befunddefizite gestützt und führe nicht zum Nachteilsausgleich G. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 6. August 2002 den GdB mit 60 seit 6. Februar 2002 fest und lehnte die Feststellung des Nachteilsausgleichs G ab.
Hiergegen erhob Dr. L. für den Kläger am 23. August 2002 Widerspruch und führte aus, durch die Arthrosen der tragenden Gelenke liege eine erhebliche Gehbehinderung vor und außerdem bestehe eine Störung der Orientierungsfähigkeit. Das VA holte den Befundschein von Dr. L. vom 6. Februar 2003 ein. Dr. L. führte u. a. aus, beim Kläger komme es zu wiederkehrenden thorakalen und kostotransversalen Blockierungszuständen. Hauptproblem sei die Lumboischialgie links bei doppelter Bandscheibenprotrusion L 4 / 5 und L 6 / S 1. Es bestehe ein gemischtes neurologisches Ausfallsbild mit Fußheberschwäche und Ausfall des Achillessehnenreflexes. Durch die Störung der neuromuskulären Übertragung sei eine nachvollziehbare Gehbehinderung gegeben. Hierzu führte Dr. C. in der vä Stellungnahme vom 19. März 2003 aus, der Befund sei sehr ungenau und so abgefasst, dass ihm nicht zu entnehmen sei, auf welcher Seite die Fußhebeschwäche aufgetreten sei und ob es sich um eine Teillähmung des Wadenbeinnervs oder um eine komplette Lähmung handle. Die gesamten Funktionsausfälle an der Lendenwirbelsäule (LWS) und an den Beinen erreichten nicht für sich alleine einen GdB von 50, sodass der Nachteilsausgleich G nicht vorgeschlagen werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 wies der Beklagten den Widerspruch zurück. Die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bedingten für sich allein keinen GdB von wenigstens 50. Darüber hinaus könnten die Behinderungen des Klägers an den unteren Gliedmaßen auch einer Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- und Fußgelenks in ungünstiger Stellung nicht gleichgestellt werden. Keine der an den Beinen und an der LWS festgestellten Behinderungen wirke sich auf die Gehfähigkeit in besonderem Maße aus. Eine andere Entscheidung lasse sich auch unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden inneren Leiden nicht begründen, da das Ausmaß dieser Behinderung sich nicht zusätzlich entscheidend auf das Gehvermögen auswirke. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass der Kläger trotz seiner Behinderung durchaus noch in der Lage sei, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Die Feststellung des Nachteilsausgleichs G sei deshalb abzulehnen.
Hiergegen erhob der Kläger am 30. April 2003 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Vorgelegt wurde eine Übersicht über die von Dr. T. zwischen November 2000 und April 2003 erhobenen Befunde, eine allgemeine Übersicht über die zwischen Dezember 1998 und Mai 2003 gestellten Diagnosen sowie der Allergiepass des Klägers.
Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. L. vom 26. Januar 2004, von Dr. H. vom 28. Januar 2004, der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Akupunktur Dr. H. vom 18. Februar 2004 und von Dr. T. vom 27. Mai 2004 ein. Beigefügt waren die Arztbriefe der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums a. W. vom 23. November 2003, des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 6. September 2003, von Dr. L. vom 23. Juli 2003 und 6. April 2001, der Medizinischen Klinik der R.-Klinik B. vom 2. April 2003, des Hautarztes und Allergologen Dr. S. vom 14. Juni 2002, der Hautklinik des Klinikums a. G. in H. vom 22. Januar 2003, von Dr. T. vom 5. April 2001, 6. Februar 2001 und 3. Dezember 2000, von Dr. H. vom 30. Januar 2002 und 30. Mai 2001 und der ärztliche Entlassungsbericht der B.-Klinik in B. K. vom 3. Juli 2000.
Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 2. April 2004 vor.
Das SG hat sodann das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. R. vom 27. Dezember 2004 eingeholt. Dr. R. führte aus, die gesamte Anamneseerhebung und Untersuchung sei unter dem Eindruck einer massiven Aggravation bis hin zum Ausmaß der Simulation gestanden. Zwar fänden sich leichte neurologische Befundauffälligkeiten. Der Patellasehnenreflex rechts fehle und sei links abgeschwächt. Die Achillessehnenreflexe fehlten beiderseits. Jedoch ließen sich keine Zeichen einer floriden Wurzelschädigung finden. Weder Paresen noch nennenswerte Funktionsstörungen ließen sich wirklich glaubhaft feststellen. Dagegen imponiere eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und dem Verhalten bei der Anamneseerhebung, der körperlichen Untersuchung sowie dem objektiven neurologischen und vor allem neurophysiologischen Befund. Sämtliche neurophysiologische Zusatzuntersuchungen sprächen nämlich nicht für relevante Schädigungen lumbaler Nervenwurzeln, peripherer Nerven, der Muskulatur oder auch des zentralen Nervensystems. In psychischer Hinsicht habe sich der Kläger in der gesamten Untersuchung insgesamt recht adäquat verhalten. Es bestünden keine Hinweise für eine anders geartete und darüber hinausgehende psychische Erkrankung, etwa im Sinne einer endogenen Depression, einer psychotischen Erkrankung und einer endogenen Psychose. Eine Persönlichkeitsstörung möge zwar vorliegen, führe aber nicht zu funktionsrelevanten Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit. Insbesondere durch die unauffälligen neurophysiologischen Untersuchungen sei eine funktionell relevante Schädigung mit Funktionsstörungen im Bereich des motorischen und sensorischen Systems nicht nachweisbar. Dies erkläre auch, warum der Kläger im Stande sei, zwei Stunden lang zu stehen, sich mit voller Kraft auf die Unterarmgehstütze zu stützen und dreimonatige Reisen in die Türkei unter Mitnahme eines Kraftfahrzeuges durchzuführen. Dessen ungeachtet sei es sehr gut möglich, dass der Kläger je nach Situation Gehunfähigkeit, Schmerzen oder das Erfordernis von Hilfsmitteln demonstriere, um Unterstützung und Zuwendung zu finden. Dr. R. gelangte zu der Einschätzung, der Kläger sei im Stande, ohne Benutzung eines Hilfsmittels weitgehend frei und unauffällig zu laufen und sich sowohl innerhalb geschlossener Räume als auch im allgemeinen Straßenverkehr zu bewegen. Er könne ortsübliche Gehstrecken zu Fuß ohne Weiteres bewältigen, da keine glaubhaften, objektivierbaren und überzeugenden Befunde erhoben worden seien, die anderes vermuten lassen würden.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2005 wies das SG die Klage ab.
Gegen den ihm am 4. Mai 2005 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 30. Mai 2005 Berufung eingelegt. Er hat das Attest von Dr. L. vom 31. Mai 2005 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. April 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 6. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 abzuändern und den Nachteilsausgleich G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Arztes für Orthopädie, Chirotherapie und Betriebsmedizin Dr. B. vom 6. März 2006 eingeholt. Der Sachverständige hat ein Halswirbelsäulen (HWS)-Syndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen mit beginnenden Foramenstenosierungen mit blockierungsabhängigen Cephalgien, verbunden mit funktioneller Vertebralis-Basilaris-Insuffizienz, mit dadurch ausgelösten kurzzeitigen Schwindelerscheinungen und funktionell mehr sensibler Brachialgie wechselseitig sowie reaktiv mittelgradiger Funktionseinschränkung (Teil-GdB 20), eine beginnende humero-ulnare Ellbogengelenksarthrose links ohne funktionelle Einschränkung (Teil-GdB 10) sowie ein chronisches LWS-Syndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen als Diskopathien mit funktionellen Wurzelreizbeschwerden rechts durch Bandscheibenvorfall sowie Bandscheibenvorwölbungen in Höhe L 3 / S 1 mit überhälftiger Funktionseinschränkung und als Folge davon eine habituelle Funktions- und Belastungsinsuffizienz des rechten Beines unter dringendem Verdacht einer Psychosomatisierung (Teil-GdB 30) diagnostiziert. Dr. B. hat den Gesamt-GdB auf 40 geschätzt und ausgeführt, die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr sei durch die bestehende Belastungsinsuffizienz des rechten Beines sowohl substantiell durch das bandscheibenbedingte Wurzelreizgeschehen als auch durch die neuro-psychiatrisch festzustellende Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik im Sinne der reaktiven Depression habituell erheblich beeinträchtigt. Dadurch sei die Wegstrecke im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werde, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten vom Kläger zurückzulegen. Auch überwögen die Zeichen einer Anpassungsstörung mit depressiver Komponente, die sich über Jahre hin bis hin zur Gewöhnung manifestiert habe. Insofern sei von einem psychiatrisch festzustellenden Motivationsverlust auszugehen und damit die Wegstrecke von 2 km in der Gehdauer von einer halben Stunde zwar zu wünschen, aber nicht realisierbar, zumal bisher nahezu alle therapeutischen Ansätze zu keiner Leistungssteigerung geführt hätten. Abschließend hat Dr. B. erläutert, bei seiner Beurteilung habe er sich mehr von realen Gesichtspunkten d. h. seinen Untersuchungsergebnissen auf orthopädischem Fachgebiet vor dem Hintergrund der psycho-vegetativen Störung leiten lassen, als von therapeutisch nicht realisierbaren Wunschvorstellungen. Dem Gutachten beigefügt war der Arztbrief des Radiologen Dr. W. vom 2. März 2004.
Hierzu hat der Beklagte ausgeführt, letztlich komme auch der orthopädische Gutachter nur auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zur Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G, was er mit einem Motivationsverlust des Klägers begründe. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der vor dem SG gehörte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. für sein Fachgebiet die Voraussetzung des Nachteilsausgleichs G mit überzeugender Begründung verneine. Nachdem die Gerichtsgutachter auf ihrem jeweiligen Fachgebiet die Voraussetzungen des streitigen Nachteilsausgleichs verneint hätten, werde am Antrag auf Zurückweisung festgehalten.
Im Rahmen des am 19. Mai 2006 stattgefundenen Erörterungstermins hat der Kläger die Atteste von Dr. L. vom 15. Mai 2006 und von Dr. H. vom 16. Mai 2006 vorgelegt und ebenso wie der Beklagte einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht haben der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 6. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 die Feststellung des Nachteilsausgleichs G abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2005 abgewiesen.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung sind insoweit seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, 19 Abs. 4, S. 26).
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Auch bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AP niedergelegt sind.
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 138). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.9 S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 89).
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind nach den AP bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (AP, 30 Abs. 5 Satz 1, S. 138).
Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn sich die Behinderten im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (AP, 30 Abs. 5 Satz 2, S. 138).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger nach Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Denn es liegen keine auf die Gehfähigkeit sich auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen. Insoweit verweist der Senat auf das Gutachten von Dr. B. vom 6. März 2006. Der Sachverständige hat für das von ihm diagnostizierte chronische LWS-Syndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen als Diskopathien mit funktionellen Wurzelreizbeschwerden rechts durch Bandscheibenvorfall sowie Bandscheibenvorwölbungen in Höhe L 3 / S 1 mit überheftiger Funktionseinschränkung den GdB mit 30 eingeschätzt. Somit fand die Einschätzung in den vä Stellungnahmen von Dr. M. vom 29. Juli 2002 und Dr. C. vom 19. März 2003 ihre Bestätigung. Beim Kläger liegen auch keine Behinderungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die sich an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Zwar hat Dr. B. in seinem Gutachten vom 6. März 2002 ausgeführt, Folge des chronischen LWS-Syndroms sei eine Funktions- und Belastungsinsuffizienz des rechten Beines. Dr. B. hat diese Einschränkung jedoch als eine habituelle Funktions- und Belastungsinsuffizienz umschrieben und den "dringenden" Verdacht einer Psychosomatisierung geäußert. Mithin ist auch nach Ansicht von Dr. B. das eingeschränkte Gehverhalten des Klägers nicht auf seine orthopädischen Leiden zurückzuführen. Beim Kläger liegen auch keine inneren Leiden vor, die sein Gehvermögen einschränken. Eine Atembehinderung oder eine Niereninsuffizienz sind nicht aktenkundig. Zwar hat der Kläger im März 2003 einen Hinterwandinfarkt erlitten. Im Städtischen Klinikum K. gelang jedoch eine Rekanalisation mit Stentimplantation. Die weitere stationäre Behandlung in der R.-Klinik B. bis zum 24. März 2003 war komplikationslos. Seitdem wurden keine Hinweise auf eine relevante Herzleistungsminderung aktenkundig.
Beim Kläger liegen auch keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor. Er ist weder seh- noch hörbehindert. Auch liegt beim Kläger keine geistige Behinderung mit einem GdB von mindestens 80 vor.
Der Senat geht unter Würdigung des gesamten Akteninhalts und insbesondere der Gutachten von Dr. R. und Dr. B. davon aus, dass der Kläger objektiv in der Lage wäre, eine Gehstrecke von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zurückzulegen. In diesem Zusammenhang weist der Senat insbesondere auf die von Dr. R. und Dr. B. objektivierten Befunde hin. So hat insbesondere Dr. R. dargelegt, dass er keine Zeichen einer floriden Wurzelschädigung, keine Paresen und keine nennenswerten Funktionsstörungen habe feststellen können. Dagegen habe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und dem Verhalten des Klägers bei der Anamneseerhebung, der körperlichen Untersuchung sowie im objektiven neurologischen und vor allem neurophysiologischen Befund imponiert. Für wesentlich erachtet der Senat vor allem die Einschätzung von Dr. R., wonach sämtliche neurophysiologischen Zusatzuntersuchungen nicht für relevante Schädigungen lumbaler Nervenwurzeln, peripherer Nerven, der Muskulatur oder des zentralen Nervensystems gesprochen haben. Dieses Gutachtensergebnis in Zusammenschau mit den von Dr. B. als nicht besonders gravierend dargestellten Befunden auf orthopädischem Fachgebiet hat den Senat davon überzeugt, dass keine zum Nachteilsausgleich G führende Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers vorliegt.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G. Deshalb hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Feststellung des Nachteilsausgleich G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr).
Das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) stellte zuletzt für den 1949 geborenen Kläger mit Bescheid vom 11. Juli 2001 den Grad der Behinderung (GdB) mit 50 seit 5. Februar 2001 fest. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. D.-L. vom 29. Juni 2001 zugrunde, in welcher degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, ein Bandscheibenschaden und Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB 30), eine Allergie (Teil-GdB 10) sowie psychovegetative Störungen und eine Depression (Teil-GdB 30) als Behinderungen in Ansatz gebracht wurden und der Gesamt-GdB mit 50 eingeschätzt wurde. Am 20. September 2001 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB und die Feststellung des Nachteilsausgleichs G. Diesen Antrag lehnte das VA mit Bescheid vom 3. Dezember 2001 unter Berücksichtigung des eingeholten Befundscheins des Facharztes für Orthopädie Dr. L. vom 15. Oktober 2001 und der vä Stellungnahme von Dr. K. vom 24. November 2001 ab.
Am 6. Februar 2002 beantragte der Kläger erneut die Erhöhung seines GdB und führte zur Begründung aus, seine Allergie habe sich verschlimmert und neu aufgetreten sei eine Hüftarthrose sowie eine Gehbehinderung. Das VA holte die Befundscheine der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. vom 15. Februar 2002 und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H. vom 8. Mai 2002 ein. Beigefügt waren der Arztbrief des Facharztes für Neurologie Dr. T. vom 6. Februar 2001, der Arztbrief von Dr. L. vom 18. September 2000, das sozialmedizinische Gutachten von Dr. K.vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1999 sowie auszugsweise ein für die K. Lebensversicherung AG von Dr. S. unter dem 28. Oktober 1999 erstellter Befundbericht. Dr. M. brachte in der vä Stellungnahme vom 29. Juli 2002 als Behinderungen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, einen Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen, muskuläre Verspannungen und ein Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 30), eine Allergie (Teil-GdB 20), psychovegetative Störungen, eine Depression und ein chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 40) sowie eine Gebrauchseinschränkung beider Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen (Teil-GdB 20) in Ansatz, bewertete den Gesamt-GdB mit 60 und führte aus, der Gebrauch von Unterarm-Gehstützen sei nicht durch objektivierte Befunddefizite gestützt und führe nicht zum Nachteilsausgleich G. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 6. August 2002 den GdB mit 60 seit 6. Februar 2002 fest und lehnte die Feststellung des Nachteilsausgleichs G ab.
Hiergegen erhob Dr. L. für den Kläger am 23. August 2002 Widerspruch und führte aus, durch die Arthrosen der tragenden Gelenke liege eine erhebliche Gehbehinderung vor und außerdem bestehe eine Störung der Orientierungsfähigkeit. Das VA holte den Befundschein von Dr. L. vom 6. Februar 2003 ein. Dr. L. führte u. a. aus, beim Kläger komme es zu wiederkehrenden thorakalen und kostotransversalen Blockierungszuständen. Hauptproblem sei die Lumboischialgie links bei doppelter Bandscheibenprotrusion L 4 / 5 und L 6 / S 1. Es bestehe ein gemischtes neurologisches Ausfallsbild mit Fußheberschwäche und Ausfall des Achillessehnenreflexes. Durch die Störung der neuromuskulären Übertragung sei eine nachvollziehbare Gehbehinderung gegeben. Hierzu führte Dr. C. in der vä Stellungnahme vom 19. März 2003 aus, der Befund sei sehr ungenau und so abgefasst, dass ihm nicht zu entnehmen sei, auf welcher Seite die Fußhebeschwäche aufgetreten sei und ob es sich um eine Teillähmung des Wadenbeinnervs oder um eine komplette Lähmung handle. Die gesamten Funktionsausfälle an der Lendenwirbelsäule (LWS) und an den Beinen erreichten nicht für sich alleine einen GdB von 50, sodass der Nachteilsausgleich G nicht vorgeschlagen werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2003 wies der Beklagten den Widerspruch zurück. Die sich auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bedingten für sich allein keinen GdB von wenigstens 50. Darüber hinaus könnten die Behinderungen des Klägers an den unteren Gliedmaßen auch einer Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- und Fußgelenks in ungünstiger Stellung nicht gleichgestellt werden. Keine der an den Beinen und an der LWS festgestellten Behinderungen wirke sich auf die Gehfähigkeit in besonderem Maße aus. Eine andere Entscheidung lasse sich auch unter Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden inneren Leiden nicht begründen, da das Ausmaß dieser Behinderung sich nicht zusätzlich entscheidend auf das Gehvermögen auswirke. Zusammenfassend sei somit festzustellen, dass der Kläger trotz seiner Behinderung durchaus noch in der Lage sei, ohne erhebliche Schwierigkeiten und ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt würden. Die Feststellung des Nachteilsausgleichs G sei deshalb abzulehnen.
Hiergegen erhob der Kläger am 30. April 2003 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Vorgelegt wurde eine Übersicht über die von Dr. T. zwischen November 2000 und April 2003 erhobenen Befunde, eine allgemeine Übersicht über die zwischen Dezember 1998 und Mai 2003 gestellten Diagnosen sowie der Allergiepass des Klägers.
Das SG holte die sachverständigen Zeugenauskünfte von Dr. L. vom 26. Januar 2004, von Dr. H. vom 28. Januar 2004, der Fachärztin für Allgemeinmedizin und Akupunktur Dr. H. vom 18. Februar 2004 und von Dr. T. vom 27. Mai 2004 ein. Beigefügt waren die Arztbriefe der Klinik für Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums a. W. vom 23. November 2003, des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. J. vom 6. September 2003, von Dr. L. vom 23. Juli 2003 und 6. April 2001, der Medizinischen Klinik der R.-Klinik B. vom 2. April 2003, des Hautarztes und Allergologen Dr. S. vom 14. Juni 2002, der Hautklinik des Klinikums a. G. in H. vom 22. Januar 2003, von Dr. T. vom 5. April 2001, 6. Februar 2001 und 3. Dezember 2000, von Dr. H. vom 30. Januar 2002 und 30. Mai 2001 und der ärztliche Entlassungsbericht der B.-Klinik in B. K. vom 3. Juli 2000.
Hierzu legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 2. April 2004 vor.
Das SG hat sodann das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Dr. R. vom 27. Dezember 2004 eingeholt. Dr. R. führte aus, die gesamte Anamneseerhebung und Untersuchung sei unter dem Eindruck einer massiven Aggravation bis hin zum Ausmaß der Simulation gestanden. Zwar fänden sich leichte neurologische Befundauffälligkeiten. Der Patellasehnenreflex rechts fehle und sei links abgeschwächt. Die Achillessehnenreflexe fehlten beiderseits. Jedoch ließen sich keine Zeichen einer floriden Wurzelschädigung finden. Weder Paresen noch nennenswerte Funktionsstörungen ließen sich wirklich glaubhaft feststellen. Dagegen imponiere eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und dem Verhalten bei der Anamneseerhebung, der körperlichen Untersuchung sowie dem objektiven neurologischen und vor allem neurophysiologischen Befund. Sämtliche neurophysiologische Zusatzuntersuchungen sprächen nämlich nicht für relevante Schädigungen lumbaler Nervenwurzeln, peripherer Nerven, der Muskulatur oder auch des zentralen Nervensystems. In psychischer Hinsicht habe sich der Kläger in der gesamten Untersuchung insgesamt recht adäquat verhalten. Es bestünden keine Hinweise für eine anders geartete und darüber hinausgehende psychische Erkrankung, etwa im Sinne einer endogenen Depression, einer psychotischen Erkrankung und einer endogenen Psychose. Eine Persönlichkeitsstörung möge zwar vorliegen, führe aber nicht zu funktionsrelevanten Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit. Insbesondere durch die unauffälligen neurophysiologischen Untersuchungen sei eine funktionell relevante Schädigung mit Funktionsstörungen im Bereich des motorischen und sensorischen Systems nicht nachweisbar. Dies erkläre auch, warum der Kläger im Stande sei, zwei Stunden lang zu stehen, sich mit voller Kraft auf die Unterarmgehstütze zu stützen und dreimonatige Reisen in die Türkei unter Mitnahme eines Kraftfahrzeuges durchzuführen. Dessen ungeachtet sei es sehr gut möglich, dass der Kläger je nach Situation Gehunfähigkeit, Schmerzen oder das Erfordernis von Hilfsmitteln demonstriere, um Unterstützung und Zuwendung zu finden. Dr. R. gelangte zu der Einschätzung, der Kläger sei im Stande, ohne Benutzung eines Hilfsmittels weitgehend frei und unauffällig zu laufen und sich sowohl innerhalb geschlossener Räume als auch im allgemeinen Straßenverkehr zu bewegen. Er könne ortsübliche Gehstrecken zu Fuß ohne Weiteres bewältigen, da keine glaubhaften, objektivierbaren und überzeugenden Befunde erhoben worden seien, die anderes vermuten lassen würden.
Mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2005 wies das SG die Klage ab.
Gegen den ihm am 4. Mai 2005 zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 30. Mai 2005 Berufung eingelegt. Er hat das Attest von Dr. L. vom 31. Mai 2005 vorgelegt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. April 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 6. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 abzuändern und den Nachteilsausgleich G festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Arztes für Orthopädie, Chirotherapie und Betriebsmedizin Dr. B. vom 6. März 2006 eingeholt. Der Sachverständige hat ein Halswirbelsäulen (HWS)-Syndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen mit beginnenden Foramenstenosierungen mit blockierungsabhängigen Cephalgien, verbunden mit funktioneller Vertebralis-Basilaris-Insuffizienz, mit dadurch ausgelösten kurzzeitigen Schwindelerscheinungen und funktionell mehr sensibler Brachialgie wechselseitig sowie reaktiv mittelgradiger Funktionseinschränkung (Teil-GdB 20), eine beginnende humero-ulnare Ellbogengelenksarthrose links ohne funktionelle Einschränkung (Teil-GdB 10) sowie ein chronisches LWS-Syndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen als Diskopathien mit funktionellen Wurzelreizbeschwerden rechts durch Bandscheibenvorfall sowie Bandscheibenvorwölbungen in Höhe L 3 / S 1 mit überhälftiger Funktionseinschränkung und als Folge davon eine habituelle Funktions- und Belastungsinsuffizienz des rechten Beines unter dringendem Verdacht einer Psychosomatisierung (Teil-GdB 30) diagnostiziert. Dr. B. hat den Gesamt-GdB auf 40 geschätzt und ausgeführt, die Bewegungsfähigkeit des Klägers im Straßenverkehr sei durch die bestehende Belastungsinsuffizienz des rechten Beines sowohl substantiell durch das bandscheibenbedingte Wurzelreizgeschehen als auch durch die neuro-psychiatrisch festzustellende Anpassungsstörung mit emotionaler Symptomatik im Sinne der reaktiven Depression habituell erheblich beeinträchtigt. Dadurch sei die Wegstrecke im Ortsverkehr, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werde, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten vom Kläger zurückzulegen. Auch überwögen die Zeichen einer Anpassungsstörung mit depressiver Komponente, die sich über Jahre hin bis hin zur Gewöhnung manifestiert habe. Insofern sei von einem psychiatrisch festzustellenden Motivationsverlust auszugehen und damit die Wegstrecke von 2 km in der Gehdauer von einer halben Stunde zwar zu wünschen, aber nicht realisierbar, zumal bisher nahezu alle therapeutischen Ansätze zu keiner Leistungssteigerung geführt hätten. Abschließend hat Dr. B. erläutert, bei seiner Beurteilung habe er sich mehr von realen Gesichtspunkten d. h. seinen Untersuchungsergebnissen auf orthopädischem Fachgebiet vor dem Hintergrund der psycho-vegetativen Störung leiten lassen, als von therapeutisch nicht realisierbaren Wunschvorstellungen. Dem Gutachten beigefügt war der Arztbrief des Radiologen Dr. W. vom 2. März 2004.
Hierzu hat der Beklagte ausgeführt, letztlich komme auch der orthopädische Gutachter nur auf dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet zur Zuerkennung des Nachteilsausgleichs G, was er mit einem Motivationsverlust des Klägers begründe. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass der vor dem SG gehörte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. für sein Fachgebiet die Voraussetzung des Nachteilsausgleichs G mit überzeugender Begründung verneine. Nachdem die Gerichtsgutachter auf ihrem jeweiligen Fachgebiet die Voraussetzungen des streitigen Nachteilsausgleichs verneint hätten, werde am Antrag auf Zurückweisung festgehalten.
Im Rahmen des am 19. Mai 2006 stattgefundenen Erörterungstermins hat der Kläger die Atteste von Dr. L. vom 15. Mai 2006 und von Dr. H. vom 16. Mai 2006 vorgelegt und ebenso wie der Beklagte einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht haben der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 6. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2003 die Feststellung des Nachteilsausgleichs G abgelehnt und das SG die hiergegen gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. April 2005 abgewiesen.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung sind insoweit seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des BVG zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB oder eines Nachteilsausgleichs. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, 19 Abs. 4, S. 26).
Nach § 145 Abs. 1 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert. In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist gemäß § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, wer in Folge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.
Auch bei der Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vorliegt, orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den AP niedergelegt sind.
Als Wegstrecken, welche im Ortsverkehr - ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall - üblicherweise noch zurückgelegt werden, gelten solche von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten (BSG, Urteil vom 10. Dezember 1987 - 9a RVs 11/87 - SozR 3870 § 60 SchwbG Nr. 2). Nach den AP kann eine derartige Einschränkung des Gehvermögens angenommen werden, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS bestehen, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen (AP, 30 Abs. 3 Satz 1, S. 137). Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei einem GdB von unter 50 auch gegeben sein, wenn sich diese Behinderungen an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B bei einer Versteifung des Hüft-, Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung oder arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40 (AP, 30 Abs. 3 Satz 2, S. 138). Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.9 S. 71) und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades (AP, 30 Abs. 3 Satz 3, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 68) anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen (AP, 30 Abs. 3 Satz 4, S. 138 i. V. m. AP 26.8 S. 89).
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind nach den AP bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70, bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr - Beendigung der Gehörlosenschule) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt (AP, 30 Abs. 5 Satz 1, S. 138).
Bei geistig Behinderten sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn sich die Behinderten im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (AP, 30 Abs. 5 Satz 2, S. 138).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger nach Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G.
Denn es liegen keine auf die Gehfähigkeit sich auswirkenden Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die für sich einen GdB um wenigstens 50 bedingen. Insoweit verweist der Senat auf das Gutachten von Dr. B. vom 6. März 2006. Der Sachverständige hat für das von ihm diagnostizierte chronische LWS-Syndrom bei Fehlstatik und degenerativen Veränderungen als Diskopathien mit funktionellen Wurzelreizbeschwerden rechts durch Bandscheibenvorfall sowie Bandscheibenvorwölbungen in Höhe L 3 / S 1 mit überheftiger Funktionseinschränkung den GdB mit 30 eingeschätzt. Somit fand die Einschätzung in den vä Stellungnahmen von Dr. M. vom 29. Juli 2002 und Dr. C. vom 19. März 2003 ihre Bestätigung. Beim Kläger liegen auch keine Behinderungen der unteren Gliedmaßen und/oder der LWS vor, die sich an den unteren Gliedmaßen auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Zwar hat Dr. B. in seinem Gutachten vom 6. März 2002 ausgeführt, Folge des chronischen LWS-Syndroms sei eine Funktions- und Belastungsinsuffizienz des rechten Beines. Dr. B. hat diese Einschränkung jedoch als eine habituelle Funktions- und Belastungsinsuffizienz umschrieben und den "dringenden" Verdacht einer Psychosomatisierung geäußert. Mithin ist auch nach Ansicht von Dr. B. das eingeschränkte Gehverhalten des Klägers nicht auf seine orthopädischen Leiden zurückzuführen. Beim Kläger liegen auch keine inneren Leiden vor, die sein Gehvermögen einschränken. Eine Atembehinderung oder eine Niereninsuffizienz sind nicht aktenkundig. Zwar hat der Kläger im März 2003 einen Hinterwandinfarkt erlitten. Im Städtischen Klinikum K. gelang jedoch eine Rekanalisation mit Stentimplantation. Die weitere stationäre Behandlung in der R.-Klinik B. bis zum 24. März 2003 war komplikationslos. Seitdem wurden keine Hinweise auf eine relevante Herzleistungsminderung aktenkundig.
Beim Kläger liegen auch keine Störungen der Orientierungsfähigkeit vor. Er ist weder seh- noch hörbehindert. Auch liegt beim Kläger keine geistige Behinderung mit einem GdB von mindestens 80 vor.
Der Senat geht unter Würdigung des gesamten Akteninhalts und insbesondere der Gutachten von Dr. R. und Dr. B. davon aus, dass der Kläger objektiv in der Lage wäre, eine Gehstrecke von maximal 2 km bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zurückzulegen. In diesem Zusammenhang weist der Senat insbesondere auf die von Dr. R. und Dr. B. objektivierten Befunde hin. So hat insbesondere Dr. R. dargelegt, dass er keine Zeichen einer floriden Wurzelschädigung, keine Paresen und keine nennenswerten Funktionsstörungen habe feststellen können. Dagegen habe eine erhebliche Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und dem Verhalten des Klägers bei der Anamneseerhebung, der körperlichen Untersuchung sowie im objektiven neurologischen und vor allem neurophysiologischen Befund imponiert. Für wesentlich erachtet der Senat vor allem die Einschätzung von Dr. R., wonach sämtliche neurophysiologischen Zusatzuntersuchungen nicht für relevante Schädigungen lumbaler Nervenwurzeln, peripherer Nerven, der Muskulatur oder des zentralen Nervensystems gesprochen haben. Dieses Gutachtensergebnis in Zusammenschau mit den von Dr. B. als nicht besonders gravierend dargestellten Befunden auf orthopädischem Fachgebiet hat den Senat davon überzeugt, dass keine zum Nachteilsausgleich G führende Einschränkung der Gehfähigkeit des Klägers vorliegt.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G. Deshalb hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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