L 2 U 3869/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 4269/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 3869/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Juni 2006 aufgehoben; die Klagen werden abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Tod des Versicherten R. H. (im Folgenden V.) "infolge" einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit eintrat.

Der 1958 geborene V. war der langjährige Lebensgefährte der Klägerin zu 1) und Vater des 1986 geborenen Klägers zu 2). Er war als Maschinist bei der C. P. GmbH & Co. KG beschäftigt und bediente seit 8 Jahren eine mobile Betonbrechanlage, wobei er das zu brechende Material mit einem Bagger in eine ebene Mulde (Beschickungstrichter) der Maschine schaufelte, von der aus es über einen Grizzly-Rüttelspeiser in den trichterförmigen Brecher befördert wurde. Am Todestag (13. September 2004) stand die mobile Anlage auf dem Hof des Recycling-Betriebes B ... V. begann um 7 Uhr mit der Arbeit. Kurz vor 12 Uhr bemerkte ein Arbeiter der Firma B. (I. Z., im Folgenden Z.), dass das Förderband an dem Brecher nicht mehr richtig lief. Auf Nachfrage des Z. und dessen Chef erklärte V., das Band funktioniere nicht mehr richtig, er müsse die Maschine reinigen, damit diese repariert werden könne, und werde sich mit seinem Arbeitgeber in Verbindung setzen, um zu klären, ob die Maschine abgeholt oder ob auf dem Hof repariert werden könne. Anschließend gingen alle zusammen zur Mittagspause ins Büro. Etwa um 12:45 Uhr ging V. wieder zur Maschine und setzte die Reinigungsarbeiten fort. Kurz vor 15 Uhr kam V. ins Büro, trank etwas und ging kurz nach 15 Uhr wieder zur Maschine zurück und arbeitete weiter. Um 16 Uhr fand Z. den V. in der Brecheranlage; auf der Rüttelspeiserfläche stand ein Kanister, der - wie die späteren Untersuchungen ergaben - ein Lösungsmittel enthielt. Der Notarzt konnte nur noch den Tod des V. feststellen (s. hierzu polizeiliche Vernehmung des Z. und des A. B. (B.) vom 13. September 2004). Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass V. kopfüber im Brecherschaft steckend verstorben war. Das aus dem Steinbrecher führende Förderband war der Länge nach aufgeschlitzt; den dies verursachenden Eisenträger hatte V. aus der Maschine entfernt und an der Anlage hinter anderen Metallteilen abgelegt. Die Brecheranlage war von ihrer Arbeitsposition einige Meter entfernt worden. Eine Meldung des Schadens an den Arbeitgeber war unterblieben, obwohl V. mit einem Handy ausgestattet war. Die Obduktion des V. ergab, dass er an den Folgen eines schweren stumpfen Polytraumas verstorben ist. Im knapp 60 ml bräunlichen Speisebrei mit bröckeligen Bestandteilen (Mageninhalt) setzte sich im Asservatengefäß nach kurzer Zeit an der Oberfläche eine ölig-gelbliche, stark nach Lösungsmittel riechende Flüssigkeit in einer Menge von ca. 10 ml ab, im Zwölffingerdarm wurde eine gleichartige Flüssigkeit in einer Menge von ca. 15 ml gefunden, im ersten Drittel des Dünndarms befand sich ebenfalls ein gelblich-öliger, flüssiger, stark nach Lösungsmittel riechender Inhalt, der nicht zu quantifizieren war. Nach dem Gutachten der Dres. Schm. und J., Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg, vom 12. Oktober 2004 sprechen die mitgeteilten Umstände am Leichenfundort und die Befunde gegen eine unfallmäßige Aufnahme dieser Substanz; die Annahme eines reinen Unfallgeschehens bzw. Arbeitsunfalls sei somit nach der Obduktion nicht haltbar. Im Gutachten vom 1. Dezember 2004 gelangten Prof. Dr. P. (Ärztlicher Direktor des zuvor genannten Instituts) und Dr. Schm. zum Ergebnis, dass die asservierte Flüssigkeit der aus dem Kanister entspreche. Es handelte sich um ein Kohlenstoffgemisch, wie es in Lösungs- und Verdünnungsmitteln vorkommt. Die Substanzen wirkten lokal reizend, bei Inhalation könne ein Rauschzustand eintreten. Symptome einer akuten Vergiftung seien vor allem Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, in höherer Dosierung könne eine Bewusstseinstrübung bis hin zum Koma sowie Krämpfe auftreten. Die wesentliche Gefahr bei oraler Aufnahme sei Erbrechen, da die Substanzen hierbei in die Atemwege und Lungen gelangen könnten, was zu einem toxischen Ödem und zu schweren Lungenentzündungen führe. Die gefundene Menge sei bezogen auf das Körpergewicht zu gering, um erhebliche systemtoxische Wirkung zu entfalten. Ein toxisches Lungenödem oder eine Lungenentzündung habe nicht vorgelegen (s. auch chemisch-toxikologisches Gutachten von Prof. Dr. P./Dr. W. 28. Dezember 2004). Die kriminaltechnische Untersuchung ergab, dass sich Schuhspuren sowie Wischspuren an der Kante zum Brecher befanden. Anhand der Schalterstellungen wurde festgestellt, dass zum Unfallzeitpunkt die Grizzly-Rüttelspeiserfläche ausgeschaltet, die übrige Anlage mit Brecher und Stahlbrechbacke (im Standbetrieb mit ca. 850 Umdrehungen s. Bl. 88 der Verw.-Akten) sowie das defekte Förderband angeschaltet waren. Nach kriminaltechnischer Einschätzung war V. bei laufender Brecheranlage in den Beschickungstrichter gestiegen und hat an der Kante des Rüttelspeisers zum Brecher gestanden oder gekniet. Der Kanister mit Flüssigkeit stand in der Mitte des Rüttelspeisers, wobei eine Verwendung des Inhalts an der Maschine nicht festgestellt werden konnte. Weder in der Brechanlage noch im Beschickungstrichter wurden mechanisches Reinigungswerkzeug wie Brecheisen oder Schaufel etc. vorgefunden. Auf sowie am Ende des Hauptförderbandes wurden größere Blutantragungen im Erdreich festgestellt; dort lag auch die von V. getragene Mütze (s. kriminaltechnischer Spurenbericht von KOK H. vom 28. September 2004). Im Ermittlungsbericht vom 8. Oktober 2004 gelangte die Polizeidirektion F. zum Ergebnis, es habe nicht abschließend geklärt werden können, ob V. durch einen Arbeitsunfall zu Tode gekommen sei oder ob er in suizidaler Absicht gehandelt habe. Hinweise auf Fremdeinwirkungen ergaben sich nicht. Mit den Bescheiden vom 24. März 2005 lehnte die Beklagte gegenüber den Klägern Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da nicht zweifelsfrei nachgewiesen sei, dass sich der Unfall in Folge einer versicherten Tätigkeit ereignet habe. Die Widersprüche der Kläger blieben nach weiteren Ermittlungen der Beklagten (Einholung eines Vorerkrankungsverzeichnisses der IHK E.en, eines Berichts des Kreiskrankenhauses E.en vom 13. Februar 2004 sowie einer Auskunft des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Mund vom 20. Juli 2005) ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 13. September 2005).

Am 14. Oktober 2005 haben die Kläger Klagen zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und vorgetragen, die objektiv feststellbaren Umstände, das Auftreten des Unfalls auf der Betriebsstätte während der Arbeitszeit des V. und an der Maschine, für die V. seit Jahren zuständig gewesen sei, sprächen ebenso wie die Beobachtungen der Zeugen Z. und B. dafür, dass ein Arbeitsunfall vorliege; im Übrigen schließe selbst verbotswidriges Handeln den Versicherungsschutz nicht aus. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme vom 13. Juni 2006 hat der Arbeitgeber des V. ausgesagt, das Förderband von etwa 1 m Breite sei auf einer Länge von etwa 6 m völlig zerrissen gewesen. Ein solcher Defekt könne nicht selbst repariert werden. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit habe V. aber weder ihn noch sonst jemanden im Büro angerufen. Das Versetzen der Anlage um etwa 10 m könne mit der Entfernung des den Schaden verursachenden Eisenteils zusammenhängen. Ungewöhnlich erscheine ihm auch die besonders gründliche Reinigung der Anlage, die nur notwendig sei, wenn sie nicht - wie hier - an Ort und Stelle zu reparieren gewesen wäre. Es gebe auch keinen Grund, sich an der Brecheröffnung aufzuhalten, wenn das Eisen heraußen sei. Er könne aber nicht ausschließen, dass V. geprüft habe, ob das Eisen einen Schaden am Brecher verursacht habe; möglich sei auch, dass V. dort mit der Schaufel zu Gange gewesen sei, um Steine wegzuräumen, wobei er dann aber vorher die Anlage hätte ausschalten müssen. Der Kanister sei ihm unbekannt und im Betrieb nicht verwendet worden. Mit Beschluss vom 14. Juni 2006 hat das SG die Verfahren S 10 U 4269/05 und S 10 U 4270/05 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Mit Urteil vom 20. Juni 2006 hat es die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) Bestattungskosten und dem Kläger zu 2) Hinterbliebenenrente nach dem Tode des V. - jeweils - im gesetzlichen Umfang zu gewähren; auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 10. Juli 2006 zugestellte Urteil hat sie am 2. August 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Handlungstendenz im Unfallzeitpunkt stehe nicht fest. V. habe kein Arbeitsgerät dabei gehabt. In dem Bereich der Brecheranlage habe auch keine Beschädigung vorgelegen. Für die Nitroverdünnung habe es an der gesamten Anlage keine Verwendung gegeben. Dass V. bis zuletzt versicherte Tätigkeiten ausgeübt habe, sei entgegen dem SG nicht nachgewiesen. Dass er zwischen 15 und 16 Uhr eigenwirtschaftliche Tätigkeiten verrichtet habe, ergebe sich daraus, dass er die Beschädigung des Förderbandes seinem Arbeitgeber noch nicht gemeldet habe. Für eine Selbsttötung könnte sprechen, dass V. erhebliche Krebsängste, Beziehungsprobleme und Probleme mit dem Arbeitgeber gehabt habe.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 20. Juni 2006 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie tragen vor, eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eine eigenwirtschaftliche Verrichtung sei nicht erwiesen, weshalb das angefochtene Urteil zu Recht ergangen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akte der Staatsanwaltschaft Freiburg - 520 UJs 2227/04 - sowie die Prozessakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die zulässige Berufung (§ 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), § 144 Abs. 1 SGG, dessen Beschränkungen nicht vorliegen, sowie § 151 SGG) ist begründet. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht zur Leistung verurteilt, denn der Tod des V. ist nicht "infolge" eines Arbeitsunfalls eingetreten.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 24. März 2005, mit denen die Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) - jegliche - Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat.

Auf die im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) i.V.m. der Feststellungsklage (55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) geltend gemachten Ansprüche finden die Vorschriften des seit 1. Januar 1997 geltenden Sozialgesetzbuchs Siebtes Buch (SGB VII) Anwendung, weil der streitbefangene Unfall nach dessen Inkrafttreten eingetreten ist.

Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche auf "Bestattungskosten" (Klägerin zu 1)) und Hinterbliebenenrente (Kläger zu 2)) ist § 63 i.V.m. §§ 64 und 67 SGB VII. Danach haben Hinterbliebene u.a. Anspruch auf Sterbegeld und Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung (Abs. 1 Nr. 1 und 2) sowie auf Hinterbliebenenrente; im Einzelnen sind diese Ansprüche sowie der berechtigte Personenkreis in § 64 (Sterbegeld und Erstattung von Überführungskosten) und § 67 (Waisenrente) geregelt. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch nach § 63 Abs. 2 SGB VII, dass der Tod "infolge" eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (letztere kommen bei vorliegendem Sachverhalt nicht in Betracht). Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zurechnungszusammenhang). Dieser Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zur Zeit des Unfalls ausgeübten Verrichtung ist wertend zu ermitteln, in dem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (s. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, B 2 U 24/03 R m.w.N.). Für die wertende Entscheidung, ob die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, kommt der Handlungstendenz des grundsätzlich Versicherten, so wie sie durch die objektiven Umstände des Einzelfalls bestätigt wird, besondere Bedeutung zu. Denn aufgrund der Handlungstendenz kann beurteilt werden, ob der versicherte Arbeitnehmer mit seiner konkreten Verrichtung zur Zeit des Unfalls eine auf seinem Arbeitsvertrag beruhende, dem Unternehmen dienende und damit unter Versicherungsschutz stehende Tätigkeit ausüben wollte. Bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie dem V., sind Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zu Grunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit und stehen mit ihr in dem erforderlichen sachlichen Zusammenhang. Dies bedeutet aber nicht, dass alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstags auf der Arbeitsstätte versichert sind, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen sog. Betriebsbann nur in der Schifffahrt (§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt (BSG a.a.O. m.w.N.). Typischerweise und in der Regel unversichert sind daher höchstpersönliche Verrichtungen, wie z. B. Essen, oder private, eigenwirtschaftliche, wie z. B. Einkaufen. Sie führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit auch in der Regel zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes. Eine Einschränkung der Unterbrechung des Versicherungsschutzes macht die Rechtsprechung jedoch bei der gemischten Tätigkeit oder einer unwesentlichen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit; in beiden Fällen besteht der Versicherungsschutz fort. Dabei liegt eine gemischte Tätigkeit vor, wenn eine Verrichtung untrennbar sowohl unversicherten privaten als auch versicherten Zwecken dient. Versicherungsschutz bei einer gemischten Tätigkeit besteht, wenn sie dem Unternehmen zwar nicht überwiegend, aber doch wesentlich zu dienen bestimmt ist, wobei hier das entscheidende Abgrenzungskriterium ist, ob die Tätigkeit hypothetisch auch dann vorgenommen worden wäre, wenn der private Zweck entfallen wäre (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - m.w.N. veröffentlicht in Juris). Bei der - privaten Verrichtungen dienenden - Unterbrechung unterscheidet die Rechtsprechung zwischen erheblichen und unerheblichen Unterbrechungen. Während einer privaten Zwecken dienenden erheblichen Unterbrechung besteht kein Versicherungsschutz. Dagegen liegt eine privaten Zwecken dienende unerhebliche Unterbrechung vor, wenn die Unterbrechung zeitlich und räumlich nur ganz geringfügig ist und einer Verrichtung dient, die "im Vorbeigehen" und "ganz nebenher" erledigt wird. Sie darf nach natürlicher Betrachtungsweise und in Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nur zu einer geringfügigen, tatsächlichen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit geführt haben (BSG a.a.O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat V. am 13. September 2004 keinen Arbeitsunfall erlitten. Seine versicherte Tätigkeit an diesem Tag bestand zunächst darin, Bauschutt und Beton mit Hilfe der mobilen Betonbrechanlage zu brechen. Diese Tätigkeit hat V. spätestens um 12 Uhr des Unfalltages beendet, da ein Eisenträger das Förderband beschädigt hatte. Dies ergibt sich für den Senat aus der polizeilichen Vernehmung des Z., der bereits kurz vor 12 Uhr bemerkt hatte, dass das Förderband nicht mehr richtig lief, was V. auf Nachfrage bestätigt hat.

Der Senat sieht darüber hinaus - ebenso wie das SG - auch die nachfolgenden Reinigungsarbeiten grundsätzlich als Bestandteil der versicherten Tätigkeit des V. an, denn nach der Aussage des Arbeitgebers des V. war er für die Anlage verantwortlich, er hielt sie "in Schuss", was im Falle einer notwendigen Reparatur auch die erforderliche Reinigung beinhaltete.

Gleichwohl vermag der Senat nicht festzustellen, dass V. unmittelbar vor seinem Tod eine versicherte Tätigkeit verrichtet hat, weil nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass er beim Einstieg in den Beschickungstrichter und danach noch Reinigungsarbeiten oder sonstige dem Betrieb dienenden Verrichtungen vorgenommen hat. Die dem Tod des V. vorhergehenden Verrichtungen, nämlich der Einstieg in den Beschickungstrichter mit dem das Lösungsmittel enthaltenen Kanister sowie das Trinken des Lösungsmittels haben seine bis dahin ausgeübte versicherte Tätigkeit unterbrochen. Ein betrieblicher Bezug dieser Verrichtungen ist nicht erkennbar; das Lösungsmittel ist von V. für die Reinigung der Anlage nicht benutzt worden - das belegt der kriminaltechnische Spurenbericht vom 28. September 2004 -. Der Arbeitgeber hat weder den Kanister gekannt noch konnte er eine Verwendung hierfür benennen. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsbeamten I. ist die Verwendung von Nitroverdünnung an der Anlage durch die Bedienungs- und Wartungsanleitung ausdrücklich untersagt. Das ist V., der die Maschine - nach der Aussage des Arbeitgebers - seit 8 Jahren bediente, auch bekannt gewesen, sodass es keinen betrieblichen Grund für das Verbringen des Kanisters in den Beschickungstrichter gegeben hat. Noch weniger gab es einen betrieblichen Grund für das Trinken des Lösungsmittels. Vielmehr hat sich V. hiermit bewusst selbst Schaden zugefügt, sodass dieser Handlung jeglicher betrieblicher Bezug abzusprechen ist. Weiteres Indiz dafür, dass V. nach dem Einsteigen in den Beschickungstrichter keine versicherte Tätigkeit, insbesondere keine Reinigungsarbeiten, mehr verrichtet hat, ist das Fehlen von Reinigungsgerät. In V.’s unmittelbarer Umgebung ist nichts gefunden worden, was auf bis zuletzt durchgeführte Reinigungsarbeiten hindeutet. Schließlich kann auch das den Bandschaden verursachende Eisenteil nicht der Grund für den Aufenthalt des V. im Beschickungstrichter und am Brecher gewesen sein. Denn dieses hatte V. bereits entfernt und an der Anlage hinter anderen Metallteilen abgelegt. In Würdigung der Gesamtumstände kommt der Senat daher zu dem Ergebnis, dass V. mit dem Einsteigen in den Beschickungstrichter und dem Trinken des Lösungsmittels seine versicherte Tätigkeit unterbrochen und eine private Verrichtung vorgenommen hat, die unmittelbar zu seinem Tod geführt hat, ohne dass objektiv Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er nach der privaten nochmal eine dem Betrieb dienliche Verrichtung durchgeführt hätte. Der Tod des V. ist somit nicht "infolge" eines Versicherungsfalls - hier Arbeitsunfall - eingetreten. Anders als im vom SG zitierten Urteil des BSG a.a.O. ist vorliegend eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eine private Verrichtung nachgewiesen dadurch, dass V. das Lösungsmittel in nicht unerheblicher Menge getrunken hat, wohingegen im zitierten Fall nicht erwiesen war, dass der Versicherte Kirschen gegessen hatte bzw. essen wollte. Demgegenüber ergeben sich für eine Wiederaufnahme einer betrieblichen Verrichtung (versicherte Tätigkeit) - wie oben dargelegt - keine objektiven Anhaltspunkte; dies geht in Anwendung des im Sozialversicherungsrecht geltenden Grundsatzes der objektiven Beweislast zu Lasten der Kläger, da die versicherte Tätigkeit ein anspruchsbegründendes Merkmal darstellt.

Da somit die Grundvoraussetzung für eine Leistung nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VII nicht erfüllt ist, braucht auf das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 64 und 67 SGB VII nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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