Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 2057/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 4255/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur fehlenden Arbeitslosigkeit wegen Nichterfüllung
geforderter Eigenbemühungen.
geforderter Eigenbemühungen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. April 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 2003 und die Pflicht zur Erstattung des geleisteten Betrages von 785,68 EUR.
Die 1950 geborene Klägerin ist schon seit geraumer Zeit arbeitslos und bezog nach Unterhaltsgeld und Anschlussunterhaltsgeld ab 20. Juli 2000 wieder Alhi; zuletzt wurde ihr aufgrund ihres Fortzahlungsantrages vom 21. November 2002 und Kurzantrages vom 5. Februar 2003 mit Bescheid vom 11. Februar 2003 ab 12. März 2003 Alhi bewilligt. Der wöchentliche Leistungssatz belief sich im hier streitigen Zeitraum auf 119,56 EUR. Bei einem Vorsprachetermin bei der Agentur für Arbeit R. (AfA) am 1. April 2003 wurde der Klägerin laut Beratungsvermerk eine schriftliche Belehrung zu § 119 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) - unter anderem zu den notwendigen Eigenbemühungen bei Arbeitslosigkeit und bei Nichtbeachtung eintretenden Rechtsfolgen - ausgehändigt und verlangt, dass die Klägerin sechs Nachweise über telefonische Kurzbewerbungen bei Arbeitgebern und zehn Nachweise über persönliche Vorstellungen in Betrieben/ Vorstellungsgesprächen sowie durch Vorlage von entsprechenden Zeitungsanzeigen bzw. SIS-Ausdrucke Nachweise über eigene Bemühungen in Form von Sichtung von Stellenangeboten im SIS-Computer der AfA bzw. Stellenangebote in Wochenblättern zu führen hatte; die Klägerin hatte die Aushändigung der Aufforderung zum Nachweis über Eigenbemühungen mit Unterschrift bestätigt. Als Termin, an dem Nachweise vorzulegen waren, wurde der 16. Mai 2003 bestimmt. Die Klägerin wurde darüber hinaus mündlich zu ihren konkreten Eigenbemühungen befragt und über die Notwendigkeit und die Vorgehensweise der AfA bei Eigenbemühungen belehrt. Am 16. Mai 2003 sprach die Klägerin wiederum persönlich bei der AfA vor und legte eine Liste mit fünf schriftlichen Bewerbungen bei Arbeitgebern vor. Laut Bewerbungstagebuch hatte sich die Klägerin drei mal mit Datum 6. Mai 2003 und zwei mal mit Datum 14. Mai 2003 schriftlich bei Arbeitgebern beworben. Bei dieser Vorsprache wurde sie erneut zum Nachweis von Eigenbemühungen in dem von ihr bereits ab 1. April 2003 schriftlich geforderten Umfange aufgefordert; als Termin, bis zu dem nunmehr die Eigenbemühungen nachzuweisen waren, wurde der 27. Juni 2003 festgelegt. Mit Bescheid vom 23. Mai 2003 hob die AfA die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 2003 auf und verpflichtete zur Erstattung des Betrages von 785,68 EUR. Die Klägerin habe sich nicht in ausreichendem Maß um die Beendigung der Beschäftigungslosigkeit bemüht und habe deshalb keinen Leistungsanspruch. Ihren am 17. Juni 2003 erhobenen Widerspruch wies die AfA mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2003 zurück. Sie habe für den Zeitraum 1. April bis 15. Mai 2003 lediglich Nachweise über drei Bewerbungen vorgelegt. Es seien somit weder vollständige Nachweislisten über sechs telefonische Kurzbewerbungen, über 10 persönliche Vorstellungen in Betrieben noch über ausgewertete Stellenangebote in Tageszeitungen und im SIS-Computer sowie entsprechende SIS-Ausdrucke vorgelegt worden.
Am 21. Juli 2003 hat die Klägerin zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Sie habe sich ausreichend in dem ihr zumutbaren Maße um Arbeitsstellen bemüht. Die Aufforderung zu sechs telefonischen Kurzbewerbungen und zehn persönlichen Vorstellungen in Betrieben sei überzogen gewesen. Mit fünf nachgewiesenen schriftlichen Bewerbungen habe sie zumindest grundsätzlich Eigenbemühungen unternommen. Sie sei Langzeitarbeitslose mit schlechter beruflicher Grundlage und nur schwer vermittelbar. Sie habe auch sprachliche Schwierigkeiten. Im übrigen sei ihr die gesamte Tragweite des Vorgangs am 1. April 2003 mit einer Fristsetzung für den Nachweis von Eigenbemühungen und den Folgen eines Verstoßes hiergegen nicht bewusst gewesen. In der Vergangenheit habe sie es immer wieder alleine geschafft, Arbeitsstellen zu finden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung am 21. April 2005 vor dem SG hat die Klägerin erklärt, sie habe das Formular vom 1. April 2003 nicht durchgelesen; sie habe nicht gewusst, dass sie zum festgesetzten Tag alles habe mitbringen müssen. Durch Urteil vom 21. April 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei konkret und unmissverständlich auf das Verlangen von Eigenbemühungen hingewiesen worden. Die ihr beschriebenen Folgen, sollte sie nicht die geforderten Eigenbemühungen leisten, seien ihr klar gewesen. Sie habe sich am 6. Mai 2003 drei mal und am 14. Mai 2003 zwei mal beworben. Der Klägerin sei bewusst gewesen, welche Eigenbemühungen bis zum 16. Mai 2003 gefordert gewesen seien. Die am 16. Mai 2003 vorgelegten fünf Bewerbungen genügten nicht dem Umfang der geforderten Eigenbemühungen. Die Belehrung der Klägerin sei ordnungsgemäß erfolgt.
Gegen das den Bevollmächtigten der Klägerin am 10. August 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. September 2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie beruft sich auf ihre Begründung im Klageverfahren. Sie habe am 16. Mai 2003 fünf Bewerbungen vorgelegt. Damit habe sie belegt, dass sie ernsthaft an einer Arbeitssuche interessiert gewesen sei. Es fehle an einer ausdrücklichen und zumutbaren Konkretisierung der geforderten Eigenbemühungen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. April 2005 und den Bescheid vom 1.April 2003 sowie den Bescheid vom 23. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheid vom 9. Juli 2003 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 1. April 2003 abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Nachdem mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 das Ruhen des Verfahren angeordnet war, hat es die Beklagte am 23. August 2006 wieder angerufen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 5 AL 2057/03) sowie die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 3726/05, L 13 AL 4255/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin und die Klage wegen des Bescheids vom 1. April 2003 haben keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden der AfA die Bewilligungsentscheidung über Alhi für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 2003 aufheben und den gezahlten Betrag von 785,68 EUR zur Erstattung fordern durfte.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2003. Gegenstand ist außerdem das Schreiben der Beklagten vom 1. April 2003, mit dem diese die Klägerin zu bestimmten Eigenbemühungen und zur Vorlage entsprechender Nachweise aufgefordert hat. Zwar handelt es sich bei dem Inhalt des Schreibens der Sache nach wie bei einem Arbeitsangebot der Bundesagentur für Arbeit bzw. einem Weiterbildungsangebot der Bundesagentur für Arbeit im Vorfeld einer Sperrzeitregelung nicht um Verfügungen im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), sondern lediglich um Maßnahmen, die eine eventuelle spätere unmittelbare Bewilligung der Alhi bzw. die Aufhebung einer Bewilligung betreffende Regelung erst vorbereiten sollen (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-4300 § 119 Nr. 3; a. A. Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr. 245; siehe auch zum vergleichbaren Problem der Meldeaufforderung Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 336 a Rz 36 f, Stand Juli 2005). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen; denn die Beklagte hat das Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die dieses formal zu einem Verwaltungsakt macht (vgl. BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr. 1). Obwohl sich die Klägerin nicht ausdrücklich mit ihrem Widerspruch und der Klage gegen die Verfügung der Beklagten über die Vorlage bestimmter Eigenbemühungen und die Vorlage entsprechender Nachweise gewandt hat, ist bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl. zum sog. "Meistbegünstigungsprinzip" Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr. 16 m. w. N. zur Rechtsprechung) davon auszugehen, dass die Klägerin bereits mit dem Widerspruch eine Überprüfung dieses seinerzeit schon bestandskräftigen (§ 77 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Formal-Verwaltungsakts für den Fall begehrt hat, dass er für die Entscheidung über die Aufhebung der Alhi-Bewilligung von Bedeutung ist, und deshalb, auch wenn die Beklagte hierauf im Widerspruchsbescheid nicht ausdrücklich eingegangen ist, nicht der Erlass eines (weiteren) Widerspruchsbescheids als Klagevoraussetzung gefordert werden kann (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23). Gegenstand des nächstinstanzlichen Berufungsverfahrens ist automatisch auch dieser Bescheid.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2003 ist nicht bereits wegen Verstoßes gegen allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen, etwa eine unterbliebene Anhörung der Klägerin (§ 24 SGB X) begründet. Die Anhörung der Klägerin ist spätestens im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dadurch nachgeholt worden, dass die Beklagte im Aufhebungsbescheid vom 23. Mai 2003 alle für sie maßgeblichen Gesichtspunkte aufgeführt und somit der Klägerin hinreichend Gelegenheit gegeben hat, vor Erlass des Widerspruchsbescheids Stellung zu nehmen (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X).
Verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 14. Februar 2003 ist § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X für atypische Fälle gebotene Ermessensausübung ("soll" aufgehoben werden) ist im Bereich des Arbeitsförderungsrechts nicht anzuwenden (vgl. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Der Anspruch der Klägerin auf Alg ist aus den im folgenden darzulegenden Gründen mit dem Tag der Vorsprache vom 1. April 2003, kraft Gesetzes entfallen; dies hat jedenfalls bis zum seitens der AfA gewählten Datum des 16. Mai 2003 weitergewirkt.
Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zählt die Arbeitslosigkeit (vgl. § 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Wesentlicher rechtlicher Bestandteil der Arbeitslosigkeit ist die Beschäftigungssuche (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier noch anzuwendenen ursprünglichen Fassung - seit 1. Januar 1998 - sucht eine Beschäftigung, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) hat den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs. 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen (Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift). Auf Verlangen des Arbeitsamtes hat der Arbeitslose seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist (Abs. 5 Satz 2). Mit der erwiesenen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen ist der Anspruch auf Alhi weggefallen; die durch Gesetz vom 23. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I S. 2848) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingeführte Sperrzeitregelung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III neuer Fassung) ist hier noch nicht anzuwenden.
Welche Eigenbemühungen mit welcher Intensität und Häufigkeit der Arbeitslose unternehmen muss, ist gesetzlich allerdings nicht geregelt. Deshalb muss aus Gründen der Verfassungskonformität im Hinblick auf die Unbestimmtheit des Gesetzeswortlauts in § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Konkretisierung der Eigenbemühungsverpflichtung durch entsprechende Hinweise der Beklagten erfolgen (vgl. BSG am a.a.O.). Aufgrund des Gesetzeswortlauts ("besonders") und der gravierenden Rechtsfolgen einer Verkennung des Umfangs der Eigenbemühungen sind an diese Hinweispflicht, die sich über den Wortlaut der Norm hinaus als Konkretisierungspflicht darstellt, hohe Anforderungen zu stellen: Die Agentur für Arbeit muss den Arbeitslosen darauf hinweisen, welche Eigenbemühungen von ihm im einzelnen erwartet werden. Jede Konkretisierung der Pflicht zur Eigenbemühungen ist - selbst wenn sie nicht wie vorliegend als Form- Verwaltungsakt ergangen sein sollte - wie ein Verwaltungsakt nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen (vgl. BSG a.a.O.); zur Bestimmung des Inhalts kommt es weder darauf an, was die Beklagte zum Ausdruck bringen wollte, noch wie sie vom Empfänger individuell verstanden worden ist. Letzteres ist nur für das Verschulden bedeutsam. Da die AfA im Schreiben vom 1. April 2003 mit eindeutigen Formulierungen die Art der von der Klägerin verlangten Eigenbemühungen zum Ausdruck gebracht hat, ist aus objektivem Empfängerhorizont klar erkennbar, was die Beklagte von der Klägerin verlangt hat: sechs telefonische Kurzbewerbungen mit entsprechender Nachweisliste über diese Bewerbungen, zehn persönliche Vorstellungen in Betrieben mit entsprechender Nachweisliste sowie die Auswertung von Stellenangeboten in Wochenblättern mit Vorlage der entsprechenden Zeitungsanzeigen als Nachweis und schließlich die Sichtung der Stellenangebote im SIS-Computer in der Agentur für Arbeit mit Vorlage der entsprechenden SIS-Ausdrucke zum Nachweis. Diese Eigenbemühungen hatte die Klägerin in der Zeit vom 2. April bis 16. Mai 2003 vorzunehmen, wobei hier nicht vorgeschrieben wurde, zu welchem Zeitpunkt genau sie welche und in welchen Zeitabschnitten sie wieviele Eigenbemühungen zu unternehmen hatte. Darüber hinaus muss sich die Konkretisierung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 1. April 2003 am Maßstab der Zumutbarkeit messen lassen: Einem Arbeitslosen können keine unzumutbaren (und damit rechtswidrigen) Eigenbemühungen abverlangt werden (BSG a.a.O.). Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, in einem Zeitraum von sechseinhalb Wochen sechs telefonische Kurzbewerbungen und zehn persönliche Vorstellungen bei Arbeitgebern zu unternehmen sowie die Auswertung von Stellenangeboten in Wöchenblättern bzw. im SIS-Computer im Arbeitsamt, ist jedoch unter keinem denkbaren Aspekt unzumutbar. Die gilt vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Die konkreten Eigenbemühungen - auch der Anzahl nach - konnten der Klägerin - und zwar während einer Zeit, die üblicherweise im Vergleich zu anderen Monaten nicht durch erhöhte Arbeitslosigkeit bzw. erhöhten Arbeitsplatzmangel geprägt ist - als Alhi-Empfängerin durchaus abverlangt werden. Da die Beklagte keine Vorgaben gemacht hatte, in welchen Zeitabschnitten die Klägerin welche konkreten Eigenbemühungen vorzunehmen hatte, war es der Klägerin möglich und damit zumutbar, selbst die Entscheidung darüber zu treffen, wann sie welche Eigenbemühungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens von sechseinhalb Wochen vornahm. Im übrigen handelt es sich bei der Klägerin um eine "Langzeitarbeitslose", weshalb eine Aktivierung der Klägerin gerade sinnvoll erscheinen musste. Außerdem folgt aus dem Beratungsvermerk der Beklagten vom 1. April 2003, dass bei der Besprechung ihrer beruflichen Situation und der Erfragung konkreter Eigenbemühungen durch den Sachbearbeiter die Klägerin lediglich auf eine Bewerbung bei der Firma St. GmbH und Co KG in T. verweisen konnte. Soweit die AfA neben persönlichen Vorstellungen in Betrieben - der Anzahl nach gleich bleibend - auch Vorstellungsgespräche als Eigenbemühungen verlangt hat, stößt auch diese Konkretisierung der Verpflichtung zu Eigenbemühungen letztlich nicht auf Bedenken. Zwar hat es die Klägerin nicht allein in der Hand, ob sie zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wird. Allerdings ist bei Anlegung eines objektiven Empfängershorizonts diese Aufforderung der Beklagten dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitslose das zu unternehmen hat, was regelmäßig der Einladung zu Vorstellungsgesprächen vorangeht, nämlich - mündliche oder schriftliche - Bewerbungen. So hat es die Klägerin im übrigen auch verstanden; sie hat sich nämlich fünf mal schriftlich beworben, was insoweit von ihr - wenn auch der Anzahl nach nicht genügend - verlangt war.
Die Klägerin hat die von ihr geforderten Eigenbemühungen zum größten Teil weder der Art nach noch der Anzahl nach unternommen. Sie hat sich ausweislich des Bewerbungstagebuches (Bl. 669 der Leistungsakte) mit drei schriftlichen Bewerbungen vom 6. Mai 2003 und zwei schriftlichen Bewerbungen vom 14. Mai 2003 bei möglichen Arbeitgebern beworben. Diese Form der Eigenbemühungen war zwar bei objektivem Empfängerhorizont durch die Aufforderung zu Vorstellungsgesprächen von ihr verlangt. Die von ihr unternommenen Bewerbungen genügen jedoch der Anzahl nach nicht dem, was die Beklagte mit Schreiben vom 1. April 2003 der Klägerin als vorzunehmende Eigenbemühungen vorgegeben hat. Im übrigen hat die Klägerin nicht - wozu sie aufgefordert war - Stellenangebote in Wochenblättern bzw. die Stellenangebote im SIS-Computer des AfA ausgewertet; sie hat keine einzige Zeitungsanzeige bzw. keinen SIS-Ausdruck bis 16. Mai 2003 vorgelegt. Auch hat sie sich nicht telefonisch bei Arbeitgebern beworben. Im Hinblick auf das Nichterfüllen der ihr aufgegebenen Eigenbemühungen hat die Klägerin auch schuldhaft gehandelt. Für die Anspruchsvoraussetzung gewordene Obliegenheit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen erforderlich (BSG a.a.O.; BSGE 86, 147, 150 = SozR 3-4300 § 156 Nr. 1). Es genügt jede Art von Fahrlässigkeit (vgl. BSG SozR 4-4300 § 140 Nr. 1 = BSGE 95, 8 ff; BSG a.a.O.). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aus ihr nicht zurechenbaren Umständen nicht in der Lage gewesen sein soll, die von ihr geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen bzw. Nachweise darüber vorzulegen. Abzustellen ist mithin auf die individuellen Fähigkeiten der Klägerin. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin sich darüber im Klaren war, dass und welche Eigenbemühungen von ihr verlangt werden, dass sie über die von ihr unternommenen Eigenbemühungen Nachweise bis zum 16.Mai 2003 vorzulegen hatte und welche Rechtsfolgen aus der Nichtvornahme der Eigenbemühungen für sie erwuchsen. Aus dem Beratungsvermerk vom 1. April 2003 ergibt sich, dass der Sachbearbeiter der Klägerin das Erfordernis von zu unternehmenden Eigenbemühungen und das Vorgehen diesbezüglich mündlich erläutert hat. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin diese Erläuterungen verstanden hat, da sie schließlich - aber nur zu geringem Anteil - die geforderten Eigenbemühungen unternommen hat und hierüber exakt zu dem Zeitpunkt, der bestimmt war, nämlich zum 16. Mai 2003, Nachweise vorgelegt hat. Der Umstand, dass die Klägerin das Schreiben vom 1. April 2003 nicht gelesen hat, vermag sie nicht zu entlasten, sondern ist gerade im Sinne eines schuldhaften Verhaltens der Klägerin zu werten. Wenn bei der Klägerin nach der mündlichen Erläuterung am 1. April 2003 im Hinblick auf die geforderten Eigenbemühungen noch Unklarheiten bestanden haben sollten, hätte für die Klägerin gerade mittels der schriftlichen Konkretisierung der von ihr geforderten Eigenbemühungen die Möglichkeit bestanden, sich letzte Klarheit zu verschaffen. Der Umstand, dass in der Rechtsfolgenbelehrung im Schreiben vom 1. April 2003 im ersten und dritten Absatz Bezug genommen wird auf einen auf der "Vorderseite genannten Nachweistermin", bis zu welchem die Nachweise vorgelegt werden sollten, obwohl sich dieser Datumshinweis auf Seite 2 des Schreibens befunden hat, ändert nichts am schuldhaften Verhalten der Klägerin. Zum einen hat die Klägerin ja das Schreiben vom 1. April 2003 nach eigener Einlassung gar nicht gelesen, weshalb sich diese "Unklarheit" nicht auswirken konnte. Zum anderen handelt es sich trotzdem um eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung. Aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens vom 1. April 2003 erschließen sich unzweifelhaft die Rechtsfolgen und die gesetzte Frist, zu der die vorgenommenen Eigenbemühungen nachzuweisen waren.
Da die Klägerin am 1. April 2003 mündlich über die Rechtsfolgen belehrt wurde und darüber hinaus das mit erschöpfender und verständlicher Rechtsfolgenbelehrung versehene Schreiben vom 1. April 2004 ausgehändigt erhalten hat, hat sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X grob fahrlässig gehandelt; es sind schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden und nicht beachtet worden, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. etwa BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Persönlichkeitsstruktur und Bildungsstand der Klägerin haben diese nicht gehindert, die - mit Rechtsfolgenbelehrung versehenen - Hinweise im Schreiben vom 1. April 2003 zu verstehen.
Die Pflicht zur Erstattung von 785,68 EUR (46 Kalendertage zu je 17,08 EUR) folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Über Modalitäten der Erstattung nach Rechtskraft dieser Entscheidung ist nicht zu befinden (ständige Rechtsprechung).
Aus alldem folgt auch, dass der Bescheid vom 1. April 2003 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Ein Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheids bestand nicht.
Zur Zulassung der Revision hat der Senat keinen Anlass gesehen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGB) noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht oder auf dieser Abweichung beruht (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 2003 und die Pflicht zur Erstattung des geleisteten Betrages von 785,68 EUR.
Die 1950 geborene Klägerin ist schon seit geraumer Zeit arbeitslos und bezog nach Unterhaltsgeld und Anschlussunterhaltsgeld ab 20. Juli 2000 wieder Alhi; zuletzt wurde ihr aufgrund ihres Fortzahlungsantrages vom 21. November 2002 und Kurzantrages vom 5. Februar 2003 mit Bescheid vom 11. Februar 2003 ab 12. März 2003 Alhi bewilligt. Der wöchentliche Leistungssatz belief sich im hier streitigen Zeitraum auf 119,56 EUR. Bei einem Vorsprachetermin bei der Agentur für Arbeit R. (AfA) am 1. April 2003 wurde der Klägerin laut Beratungsvermerk eine schriftliche Belehrung zu § 119 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) - unter anderem zu den notwendigen Eigenbemühungen bei Arbeitslosigkeit und bei Nichtbeachtung eintretenden Rechtsfolgen - ausgehändigt und verlangt, dass die Klägerin sechs Nachweise über telefonische Kurzbewerbungen bei Arbeitgebern und zehn Nachweise über persönliche Vorstellungen in Betrieben/ Vorstellungsgesprächen sowie durch Vorlage von entsprechenden Zeitungsanzeigen bzw. SIS-Ausdrucke Nachweise über eigene Bemühungen in Form von Sichtung von Stellenangeboten im SIS-Computer der AfA bzw. Stellenangebote in Wochenblättern zu führen hatte; die Klägerin hatte die Aushändigung der Aufforderung zum Nachweis über Eigenbemühungen mit Unterschrift bestätigt. Als Termin, an dem Nachweise vorzulegen waren, wurde der 16. Mai 2003 bestimmt. Die Klägerin wurde darüber hinaus mündlich zu ihren konkreten Eigenbemühungen befragt und über die Notwendigkeit und die Vorgehensweise der AfA bei Eigenbemühungen belehrt. Am 16. Mai 2003 sprach die Klägerin wiederum persönlich bei der AfA vor und legte eine Liste mit fünf schriftlichen Bewerbungen bei Arbeitgebern vor. Laut Bewerbungstagebuch hatte sich die Klägerin drei mal mit Datum 6. Mai 2003 und zwei mal mit Datum 14. Mai 2003 schriftlich bei Arbeitgebern beworben. Bei dieser Vorsprache wurde sie erneut zum Nachweis von Eigenbemühungen in dem von ihr bereits ab 1. April 2003 schriftlich geforderten Umfange aufgefordert; als Termin, bis zu dem nunmehr die Eigenbemühungen nachzuweisen waren, wurde der 27. Juni 2003 festgelegt. Mit Bescheid vom 23. Mai 2003 hob die AfA die Bewilligungsentscheidung für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 2003 auf und verpflichtete zur Erstattung des Betrages von 785,68 EUR. Die Klägerin habe sich nicht in ausreichendem Maß um die Beendigung der Beschäftigungslosigkeit bemüht und habe deshalb keinen Leistungsanspruch. Ihren am 17. Juni 2003 erhobenen Widerspruch wies die AfA mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2003 zurück. Sie habe für den Zeitraum 1. April bis 15. Mai 2003 lediglich Nachweise über drei Bewerbungen vorgelegt. Es seien somit weder vollständige Nachweislisten über sechs telefonische Kurzbewerbungen, über 10 persönliche Vorstellungen in Betrieben noch über ausgewertete Stellenangebote in Tageszeitungen und im SIS-Computer sowie entsprechende SIS-Ausdrucke vorgelegt worden.
Am 21. Juli 2003 hat die Klägerin zum Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Sie habe sich ausreichend in dem ihr zumutbaren Maße um Arbeitsstellen bemüht. Die Aufforderung zu sechs telefonischen Kurzbewerbungen und zehn persönlichen Vorstellungen in Betrieben sei überzogen gewesen. Mit fünf nachgewiesenen schriftlichen Bewerbungen habe sie zumindest grundsätzlich Eigenbemühungen unternommen. Sie sei Langzeitarbeitslose mit schlechter beruflicher Grundlage und nur schwer vermittelbar. Sie habe auch sprachliche Schwierigkeiten. Im übrigen sei ihr die gesamte Tragweite des Vorgangs am 1. April 2003 mit einer Fristsetzung für den Nachweis von Eigenbemühungen und den Folgen eines Verstoßes hiergegen nicht bewusst gewesen. In der Vergangenheit habe sie es immer wieder alleine geschafft, Arbeitsstellen zu finden. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung am 21. April 2005 vor dem SG hat die Klägerin erklärt, sie habe das Formular vom 1. April 2003 nicht durchgelesen; sie habe nicht gewusst, dass sie zum festgesetzten Tag alles habe mitbringen müssen. Durch Urteil vom 21. April 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei konkret und unmissverständlich auf das Verlangen von Eigenbemühungen hingewiesen worden. Die ihr beschriebenen Folgen, sollte sie nicht die geforderten Eigenbemühungen leisten, seien ihr klar gewesen. Sie habe sich am 6. Mai 2003 drei mal und am 14. Mai 2003 zwei mal beworben. Der Klägerin sei bewusst gewesen, welche Eigenbemühungen bis zum 16. Mai 2003 gefordert gewesen seien. Die am 16. Mai 2003 vorgelegten fünf Bewerbungen genügten nicht dem Umfang der geforderten Eigenbemühungen. Die Belehrung der Klägerin sei ordnungsgemäß erfolgt.
Gegen das den Bevollmächtigten der Klägerin am 10. August 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Klägerin am 7. September 2005 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie beruft sich auf ihre Begründung im Klageverfahren. Sie habe am 16. Mai 2003 fünf Bewerbungen vorgelegt. Damit habe sie belegt, dass sie ernsthaft an einer Arbeitssuche interessiert gewesen sei. Es fehle an einer ausdrücklichen und zumutbaren Konkretisierung der geforderten Eigenbemühungen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. April 2005 und den Bescheid vom 1.April 2003 sowie den Bescheid vom 23. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheid vom 9. Juli 2003 aufzuheben, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 1. April 2003 abzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Nachdem mit Beschluss vom 27. Oktober 2005 das Ruhen des Verfahren angeordnet war, hat es die Beklagte am 23. August 2006 wieder angerufen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 5 AL 2057/03) sowie die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 3726/05, L 13 AL 4255/06) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin und die Klage wegen des Bescheids vom 1. April 2003 haben keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden der AfA die Bewilligungsentscheidung über Alhi für die Zeit vom 1. April bis 16. Mai 2003 aufheben und den gezahlten Betrag von 785,68 EUR zur Erstattung fordern durfte.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Juli 2003. Gegenstand ist außerdem das Schreiben der Beklagten vom 1. April 2003, mit dem diese die Klägerin zu bestimmten Eigenbemühungen und zur Vorlage entsprechender Nachweise aufgefordert hat. Zwar handelt es sich bei dem Inhalt des Schreibens der Sache nach wie bei einem Arbeitsangebot der Bundesagentur für Arbeit bzw. einem Weiterbildungsangebot der Bundesagentur für Arbeit im Vorfeld einer Sperrzeitregelung nicht um Verfügungen im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), sondern lediglich um Maßnahmen, die eine eventuelle spätere unmittelbare Bewilligung der Alhi bzw. die Aufhebung einer Bewilligung betreffende Regelung erst vorbereiten sollen (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 4-4300 § 119 Nr. 3; a. A. Valgolio in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 10 RdNr. 245; siehe auch zum vergleichbaren Problem der Meldeaufforderung Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 336 a Rz 36 f, Stand Juli 2005). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen; denn die Beklagte hat das Schreiben mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, die dieses formal zu einem Verwaltungsakt macht (vgl. BSGE 91, 68 = SozR 4-1300 § 31 Nr. 1). Obwohl sich die Klägerin nicht ausdrücklich mit ihrem Widerspruch und der Klage gegen die Verfügung der Beklagten über die Vorlage bestimmter Eigenbemühungen und die Vorlage entsprechender Nachweise gewandt hat, ist bei verständiger Würdigung ihres Begehrens (vgl. zum sog. "Meistbegünstigungsprinzip" Eicher in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 40 RdNr. 16 m. w. N. zur Rechtsprechung) davon auszugehen, dass die Klägerin bereits mit dem Widerspruch eine Überprüfung dieses seinerzeit schon bestandskräftigen (§ 77 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Formal-Verwaltungsakts für den Fall begehrt hat, dass er für die Entscheidung über die Aufhebung der Alhi-Bewilligung von Bedeutung ist, und deshalb, auch wenn die Beklagte hierauf im Widerspruchsbescheid nicht ausdrücklich eingegangen ist, nicht der Erlass eines (weiteren) Widerspruchsbescheids als Klagevoraussetzung gefordert werden kann (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 23). Gegenstand des nächstinstanzlichen Berufungsverfahrens ist automatisch auch dieser Bescheid.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juli 2003 ist nicht bereits wegen Verstoßes gegen allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen, etwa eine unterbliebene Anhörung der Klägerin (§ 24 SGB X) begründet. Die Anhörung der Klägerin ist spätestens im Rahmen des Widerspruchsverfahrens dadurch nachgeholt worden, dass die Beklagte im Aufhebungsbescheid vom 23. Mai 2003 alle für sie maßgeblichen Gesichtspunkte aufgeführt und somit der Klägerin hinreichend Gelegenheit gegeben hat, vor Erlass des Widerspruchsbescheids Stellung zu nehmen (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 SGB X).
Verfahrensrechtliche Grundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 14. Februar 2003 ist § 48 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 4 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X für atypische Fälle gebotene Ermessensausübung ("soll" aufgehoben werden) ist im Bereich des Arbeitsförderungsrechts nicht anzuwenden (vgl. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Der Anspruch der Klägerin auf Alg ist aus den im folgenden darzulegenden Gründen mit dem Tag der Vorsprache vom 1. April 2003, kraft Gesetzes entfallen; dies hat jedenfalls bis zum seitens der AfA gewählten Datum des 16. Mai 2003 weitergewirkt.
Zu den Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi zählt die Arbeitslosigkeit (vgl. § 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Wesentlicher rechtlicher Bestandteil der Arbeitslosigkeit ist die Beschäftigungssuche (vgl. § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier noch anzuwendenen ursprünglichen Fassung - seit 1. Januar 1998 - sucht eine Beschäftigung, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Das Arbeitsamt (jetzt Agentur für Arbeit) hat den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs. 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen (Abs. 5 Satz 1 der Vorschrift). Auf Verlangen des Arbeitsamtes hat der Arbeitslose seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist (Abs. 5 Satz 2). Mit der erwiesenen Nichterfüllung dieser Verpflichtungen ist der Anspruch auf Alhi weggefallen; die durch Gesetz vom 23. Dezember 2003 (Bundesgesetzblatt I S. 2848) mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingeführte Sperrzeitregelung (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB III neuer Fassung) ist hier noch nicht anzuwenden.
Welche Eigenbemühungen mit welcher Intensität und Häufigkeit der Arbeitslose unternehmen muss, ist gesetzlich allerdings nicht geregelt. Deshalb muss aus Gründen der Verfassungskonformität im Hinblick auf die Unbestimmtheit des Gesetzeswortlauts in § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Konkretisierung der Eigenbemühungsverpflichtung durch entsprechende Hinweise der Beklagten erfolgen (vgl. BSG am a.a.O.). Aufgrund des Gesetzeswortlauts ("besonders") und der gravierenden Rechtsfolgen einer Verkennung des Umfangs der Eigenbemühungen sind an diese Hinweispflicht, die sich über den Wortlaut der Norm hinaus als Konkretisierungspflicht darstellt, hohe Anforderungen zu stellen: Die Agentur für Arbeit muss den Arbeitslosen darauf hinweisen, welche Eigenbemühungen von ihm im einzelnen erwartet werden. Jede Konkretisierung der Pflicht zur Eigenbemühungen ist - selbst wenn sie nicht wie vorliegend als Form- Verwaltungsakt ergangen sein sollte - wie ein Verwaltungsakt nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen (vgl. BSG a.a.O.); zur Bestimmung des Inhalts kommt es weder darauf an, was die Beklagte zum Ausdruck bringen wollte, noch wie sie vom Empfänger individuell verstanden worden ist. Letzteres ist nur für das Verschulden bedeutsam. Da die AfA im Schreiben vom 1. April 2003 mit eindeutigen Formulierungen die Art der von der Klägerin verlangten Eigenbemühungen zum Ausdruck gebracht hat, ist aus objektivem Empfängerhorizont klar erkennbar, was die Beklagte von der Klägerin verlangt hat: sechs telefonische Kurzbewerbungen mit entsprechender Nachweisliste über diese Bewerbungen, zehn persönliche Vorstellungen in Betrieben mit entsprechender Nachweisliste sowie die Auswertung von Stellenangeboten in Wochenblättern mit Vorlage der entsprechenden Zeitungsanzeigen als Nachweis und schließlich die Sichtung der Stellenangebote im SIS-Computer in der Agentur für Arbeit mit Vorlage der entsprechenden SIS-Ausdrucke zum Nachweis. Diese Eigenbemühungen hatte die Klägerin in der Zeit vom 2. April bis 16. Mai 2003 vorzunehmen, wobei hier nicht vorgeschrieben wurde, zu welchem Zeitpunkt genau sie welche und in welchen Zeitabschnitten sie wieviele Eigenbemühungen zu unternehmen hatte. Darüber hinaus muss sich die Konkretisierung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 1. April 2003 am Maßstab der Zumutbarkeit messen lassen: Einem Arbeitslosen können keine unzumutbaren (und damit rechtswidrigen) Eigenbemühungen abverlangt werden (BSG a.a.O.). Die Aufforderung der Beklagten an die Klägerin, in einem Zeitraum von sechseinhalb Wochen sechs telefonische Kurzbewerbungen und zehn persönliche Vorstellungen bei Arbeitgebern zu unternehmen sowie die Auswertung von Stellenangeboten in Wöchenblättern bzw. im SIS-Computer im Arbeitsamt, ist jedoch unter keinem denkbaren Aspekt unzumutbar. Die gilt vor allem unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Die konkreten Eigenbemühungen - auch der Anzahl nach - konnten der Klägerin - und zwar während einer Zeit, die üblicherweise im Vergleich zu anderen Monaten nicht durch erhöhte Arbeitslosigkeit bzw. erhöhten Arbeitsplatzmangel geprägt ist - als Alhi-Empfängerin durchaus abverlangt werden. Da die Beklagte keine Vorgaben gemacht hatte, in welchen Zeitabschnitten die Klägerin welche konkreten Eigenbemühungen vorzunehmen hatte, war es der Klägerin möglich und damit zumutbar, selbst die Entscheidung darüber zu treffen, wann sie welche Eigenbemühungen innerhalb des vorgegebenen Rahmens von sechseinhalb Wochen vornahm. Im übrigen handelt es sich bei der Klägerin um eine "Langzeitarbeitslose", weshalb eine Aktivierung der Klägerin gerade sinnvoll erscheinen musste. Außerdem folgt aus dem Beratungsvermerk der Beklagten vom 1. April 2003, dass bei der Besprechung ihrer beruflichen Situation und der Erfragung konkreter Eigenbemühungen durch den Sachbearbeiter die Klägerin lediglich auf eine Bewerbung bei der Firma St. GmbH und Co KG in T. verweisen konnte. Soweit die AfA neben persönlichen Vorstellungen in Betrieben - der Anzahl nach gleich bleibend - auch Vorstellungsgespräche als Eigenbemühungen verlangt hat, stößt auch diese Konkretisierung der Verpflichtung zu Eigenbemühungen letztlich nicht auf Bedenken. Zwar hat es die Klägerin nicht allein in der Hand, ob sie zu Vorstellungsgesprächen eingeladen wird. Allerdings ist bei Anlegung eines objektiven Empfängershorizonts diese Aufforderung der Beklagten dahingehend zu verstehen, dass der Arbeitslose das zu unternehmen hat, was regelmäßig der Einladung zu Vorstellungsgesprächen vorangeht, nämlich - mündliche oder schriftliche - Bewerbungen. So hat es die Klägerin im übrigen auch verstanden; sie hat sich nämlich fünf mal schriftlich beworben, was insoweit von ihr - wenn auch der Anzahl nach nicht genügend - verlangt war.
Die Klägerin hat die von ihr geforderten Eigenbemühungen zum größten Teil weder der Art nach noch der Anzahl nach unternommen. Sie hat sich ausweislich des Bewerbungstagebuches (Bl. 669 der Leistungsakte) mit drei schriftlichen Bewerbungen vom 6. Mai 2003 und zwei schriftlichen Bewerbungen vom 14. Mai 2003 bei möglichen Arbeitgebern beworben. Diese Form der Eigenbemühungen war zwar bei objektivem Empfängerhorizont durch die Aufforderung zu Vorstellungsgesprächen von ihr verlangt. Die von ihr unternommenen Bewerbungen genügen jedoch der Anzahl nach nicht dem, was die Beklagte mit Schreiben vom 1. April 2003 der Klägerin als vorzunehmende Eigenbemühungen vorgegeben hat. Im übrigen hat die Klägerin nicht - wozu sie aufgefordert war - Stellenangebote in Wochenblättern bzw. die Stellenangebote im SIS-Computer des AfA ausgewertet; sie hat keine einzige Zeitungsanzeige bzw. keinen SIS-Ausdruck bis 16. Mai 2003 vorgelegt. Auch hat sie sich nicht telefonisch bei Arbeitgebern beworben. Im Hinblick auf das Nichterfüllen der ihr aufgegebenen Eigenbemühungen hat die Klägerin auch schuldhaft gehandelt. Für die Anspruchsvoraussetzung gewordene Obliegenheit des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen erforderlich (BSG a.a.O.; BSGE 86, 147, 150 = SozR 3-4300 § 156 Nr. 1). Es genügt jede Art von Fahrlässigkeit (vgl. BSG SozR 4-4300 § 140 Nr. 1 = BSGE 95, 8 ff; BSG a.a.O.). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aus ihr nicht zurechenbaren Umständen nicht in der Lage gewesen sein soll, die von ihr geforderten Eigenbemühungen vorzunehmen bzw. Nachweise darüber vorzulegen. Abzustellen ist mithin auf die individuellen Fähigkeiten der Klägerin. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin sich darüber im Klaren war, dass und welche Eigenbemühungen von ihr verlangt werden, dass sie über die von ihr unternommenen Eigenbemühungen Nachweise bis zum 16.Mai 2003 vorzulegen hatte und welche Rechtsfolgen aus der Nichtvornahme der Eigenbemühungen für sie erwuchsen. Aus dem Beratungsvermerk vom 1. April 2003 ergibt sich, dass der Sachbearbeiter der Klägerin das Erfordernis von zu unternehmenden Eigenbemühungen und das Vorgehen diesbezüglich mündlich erläutert hat. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin diese Erläuterungen verstanden hat, da sie schließlich - aber nur zu geringem Anteil - die geforderten Eigenbemühungen unternommen hat und hierüber exakt zu dem Zeitpunkt, der bestimmt war, nämlich zum 16. Mai 2003, Nachweise vorgelegt hat. Der Umstand, dass die Klägerin das Schreiben vom 1. April 2003 nicht gelesen hat, vermag sie nicht zu entlasten, sondern ist gerade im Sinne eines schuldhaften Verhaltens der Klägerin zu werten. Wenn bei der Klägerin nach der mündlichen Erläuterung am 1. April 2003 im Hinblick auf die geforderten Eigenbemühungen noch Unklarheiten bestanden haben sollten, hätte für die Klägerin gerade mittels der schriftlichen Konkretisierung der von ihr geforderten Eigenbemühungen die Möglichkeit bestanden, sich letzte Klarheit zu verschaffen. Der Umstand, dass in der Rechtsfolgenbelehrung im Schreiben vom 1. April 2003 im ersten und dritten Absatz Bezug genommen wird auf einen auf der "Vorderseite genannten Nachweistermin", bis zu welchem die Nachweise vorgelegt werden sollten, obwohl sich dieser Datumshinweis auf Seite 2 des Schreibens befunden hat, ändert nichts am schuldhaften Verhalten der Klägerin. Zum einen hat die Klägerin ja das Schreiben vom 1. April 2003 nach eigener Einlassung gar nicht gelesen, weshalb sich diese "Unklarheit" nicht auswirken konnte. Zum anderen handelt es sich trotzdem um eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung. Aus dem Gesamtzusammenhang des Schreibens vom 1. April 2003 erschließen sich unzweifelhaft die Rechtsfolgen und die gesetzte Frist, zu der die vorgenommenen Eigenbemühungen nachzuweisen waren.
Da die Klägerin am 1. April 2003 mündlich über die Rechtsfolgen belehrt wurde und darüber hinaus das mit erschöpfender und verständlicher Rechtsfolgenbelehrung versehene Schreiben vom 1. April 2004 ausgehändigt erhalten hat, hat sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X grob fahrlässig gehandelt; es sind schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden und nicht beachtet worden, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 62, 32, 35 = SozR 4100 § 71 Nr. 2). Das Maß der Fahrlässigkeit ist nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff, vgl. etwa BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Persönlichkeitsstruktur und Bildungsstand der Klägerin haben diese nicht gehindert, die - mit Rechtsfolgenbelehrung versehenen - Hinweise im Schreiben vom 1. April 2003 zu verstehen.
Die Pflicht zur Erstattung von 785,68 EUR (46 Kalendertage zu je 17,08 EUR) folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Über Modalitäten der Erstattung nach Rechtskraft dieser Entscheidung ist nicht zu befinden (ständige Rechtsprechung).
Aus alldem folgt auch, dass der Bescheid vom 1. April 2003 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Ein Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheids bestand nicht.
Zur Zulassung der Revision hat der Senat keinen Anlass gesehen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGB) noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht oder auf dieser Abweichung beruht (vgl. § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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