Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 4892/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4337/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin verpflichtet ist, der beklagten Bundesagentur 66.635,79 DM für den Zeitraum vom 28.02.1994 bis 25.02.1996 nach der früheren Bestimmung des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu erstatten.
Die am 1936 geborene Arbeitnehmerin (im Folgenden: AN) war seit dem 01.03.1976 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Montagehelferin. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Induktionslötmaschinen zu bestücken, den automatischen Lötvorgang zu überwachen und Sichtkontrollen durchzuführen. Auch musste sie die Induktionslötanlage umstellen und Störungen beheben. Die Arbeit wurde in geschlossenen Räumen im Schichtdienst (Früh- und Spätschicht) und überwiegend im Sitzen verrichtet, war aber mit häufigem Bücken verbunden. Außerdem erfolgte die Arbeit unter Zeitdruck, d.h. im Akkord bzw. am Fließband. Am 23.06.1993 schloss die Klägerin mit AN eine Ausscheidensvereinbarung, durch welche das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31.10.1993 gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wurde. Dabei gingen die Vertragsparteien davon aus, dass AN ab 01.03.1996 ein Altersruhegeld beziehen werde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses konnte AN gemäß des seinerzeit gültigen Manteltarifvertrages der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Am 19.10.1993 beantragte AN bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). In ihrer Stellungnahme gegenüber der Beklagten führte AN aus, das Arbeitsverhältnis sei u.a. aus gesundheitlichen Gründen gelöst worden. Auf die Frage der Beklagten im Antrag nach gesundheitlichen Einschränkungen wurde von AN nichts eingetragen. In einer von der Klägerin ausgestellten Arbeitsbescheinigung wird ausgeführt, bei AN habe es lediglich im Zeitraum vom 17.04.1990 bis 05.06.1990 eine Unterbrechung der Zahlung von Arbeitsentgelt gegeben, weil AN Krankengeld bezogen habe. Auf Anforderung der Beklagten legte AN ein ärztliches Attest vor, nachdem AN infolge rezidivierender Wirbelsäulenbeschwerden und Beschwerden in den Schultergelenken ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben könne.
Mit Bescheid vom 18.01.1994 stellte die Beklagte AN gegenüber eine Sperrzeit von zwölf Wochen und eine Minderung des Anspruchs auf Alg um 72 Tage fest. Ab 24.01.1994 gewährte sie AN Alg in Höhe von wöchentlich 387,00 DM (Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0/Leistungstabelle 1994). Ab Vollendung des 58. Lebensjahres erfolgte die Leistungsgewährung unter den Voraussetzungen des § 105c AFG. Der wöchentliche Leistungssatz belief sich ab 01.11.1994 auf 395,00 DM und ab 01.11.1995 auf 388,80 DM. Ab dem 01.03.1996 bezog AN Altersrente für Frauen.
Die Beklagte informierte die Klägerin mit Anhörungsschreiben vom 18.01.1994 über die Erstattungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 128 AFG. Die beigefügte Arbeitsplatzbeschreibung wurde von der Klägerin am 11.02.1994 an die Beklagte mit der Angabe zurückgesandt, AN habe in den letzten beiden Beschäftigungsjahren folgende Fehlzeiten gehabt: 10.03. bis 16.04.1992, 21.07. bis 31.07.1992, 04.11. bis 20.11.1992 und 03.05. bis 13.05.1993. Im Anhörungsverfahren machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung bei AN vorlägen. Im Übrigen seien für das Ausscheiden von AN betriebliche Gründe i.S.v. § 1 Abs. 3 S. 2 Kündigungsschutzgesetz entscheidend gewesen.
Im Anschluss daran ließ die Beklagte AN arbeitsamtsärztlich untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 24.11.1994/24.01.1995 legte der Arbeitsamtsarzt K. dar, dass AN an Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule ohne Nervenausfälle und Bewegungsstörungen, bekannter Gicht mit Befall der Großzehengrundgelenke, Übergewicht, bekanntem Bluthochdruck und Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke leide. Der angegebene Bluthochdruck erweise sich als medikamentös ausreichend eingestellt. Insgesamt müsse von einer Behandelbarkeit der angegebenen Beschwerden ausgegangen werden. Folgende Arbeiten könnten von AN nicht mehr verrichtet werden: Arbeiten unter Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und bei Temperaturschwankungen, Arbeiten, die mit häufigem Bücken verbunden seien sowie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 6 bis 7 kg. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin noch leichte Arbeiten und zeitweise auch mittelschwere Arbeiten in geschlossenen, temperierten Räumen und in Tagesschicht vollschichtig verrichten. Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass AN zum Zeitpunkt der Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses auf nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig im krankenversicherungsrechtlichen Sinn gewesen sei. Ergänzend führte er nach telefonischer Anfrage bei der für AN zuständigen Krankenkasse am 09.08.1995 aus, dass AN zum letzten Mal am 17.09.1993 krank geschrieben gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Kündigung am 31.10.1993 habe keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Dies gelte auch für das restliche Jahr 1993 sowie das gesamte Jahr 1994. Für eine Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Monaten bzw. über sechs Monate fänden sich keine Hinweise.
Die Beklagte verlangte von der Klägerin mit Grundlagenbescheid und Abrechnungsbescheid vom 03.07.1995 die Erstattung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ab dem 28.02.1994 bis zum 31.03.1995 in Höhe von insgesamt 35.156,94 DM.
Dagegen legte die Klägerin am 12.07.1995 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie u.a. aus, es sei nicht auszuschließen, dass AN die Voraussetzungen für den Bezug einer anderen Sozialleistung erfülle; die Nichterweislichkeit schließe einen Erstattungsanspruch aus (Bl. 44 bis 49 der Verwaltungsakte).
In der Folge forderte die Beklagte mit Abrechnungsbescheid vom 06.12.1995 für den Zeitraum vom 01.04.1995 bis 30.09.1995 einen Erstattungsbetrag in Höhe von 17.433,29 DM und mit Abrechnungsbescheid vom 03.09.1996 für den Zeitraum vom 01.10.1995 bis 26.12.1995 einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 14.069,78 DM. Mit Änderungsbescheid vom 15.10.1996 zum Bescheid vom 03.09.1996 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.10.1995 bis 25.02.1996 Erstattung in Höhe von 14.293,86 DM.
Mit Schreiben vom 24.08.1998 befragte die Beklagte AN, ob sie arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen sei oder andere Sozialleistungen bezogen habe. Die Beklagte wies in diesem Schreiben darauf hin, dass eine Antwort nur erforderlich sei, wenn entsprechende Angaben gemacht werden könnten. Eine Antwort von AN erhielt die Beklagte nicht.
Nach Durchführung einer Anhörung (Schreiben vom 03.11.1998) der Klägerin erließ die Beklagte am 11.12.1998 einen Ersetzungsbescheid, der den gesamten Erstattungszeitraum vom 28.02.1994 bis 25.02.1996 umfasst und die Erstattungsforderung auf 66.536,79 DM festsetzt.
Nachdem die Beklagte der Klägerin einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hatte, den die Klägerin jedoch ablehnte, wies die Beklagte den am 12.07.1995 eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.1999 zurück.
Am 19.08.1999 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2000 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. dargelegt, die Erstattungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 128 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2044). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestünden nicht. Der Ersetzungsbescheid sei verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die bei Erstattungsbescheiden grundsätzlich erforderliche Anhörung sei durchgeführt worden. Die grundsätzlich bestehende Erstattungspflicht trete im vorliegenden Fall ein, weil keiner der in § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 7 AFG beschriebenen Ausnahmetatbestände vorliege. Das Urteil ist der Klägerin am 28.12.2000 zugestellt worden.
Am 03.01.2001 hat die Klägerin Berufung eingelegt (L 8 AL 32/01) und diese mit Schriftsatz vom 23.04.2001 (Bl. 23/57 der Akte L 8 AL 32/01) ausführlich begründet.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. Z. hat mit Schreiben vom 27.09.2001 mitgeteilt, er habe AN am 13.02.1997 wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule behandelt. Die Behandlung habe vom 13.02. bis 17.03.1997 gedauert. Am 19.12.1997 habe er AN einmalig wegen linksseitigen Vorfußbeschwerden bzw. Schmerzen in der Großzehe behandelt und am 11.02.1998 habe er sie zur Operation eines Hallux rigidus beiderseits eingewiesen. Über den weiteren Verlauf der Operation sei ihm nichts bekannt. Während dieses Behandlungszeitraumes habe er keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für AN ausgestellt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin D. hat am 13.03.2002 angegeben, er habe AN zuletzt am 20.12.1993 behandelt. Der Internist Dr. M. hat am 09.04.2002 angegeben, bei ihm sei AN in der Zeit vom 05.10.1994 bis 01.03.1996 in Behandlung gewesen. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Adipositas, Gicht, Hochdruck, Arthrose, Wirbelsäulenbeschwerden und Knöchelödeme. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er nicht ausgestellt.
Auf Anfrage des Senats haben sich die Beteiligten mit einer Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde mit dem Aktenzeichen 1 BvR 846/02 einverstanden erklärt. Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 12.02.2003 ausgesetzt.
Mit einem am 20.10.2005 beim LSG eingegangenen Schreiben hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht am 09.09.2005 über die Verfassungsbeschwerde entschieden habe. Diese sei nicht zur Entscheidung angenommen worden. Sie bitte deshalb, das Berufungsverfahren (L 8 AL 4337/05) fortzuführen.
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, im vorliegenden Fall werde die Berufung insbesondere darauf gestützt, dass angesichts der extrem hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten von AN auszuschließen sei, dass eine Weiterarbeit möglich gewesen wäre. Einzuräumen sei, dass durch die Gerichtsbarkeit umfangreiche Versuche unternommen worden seien, den Sachverhalt aufzuklären. Nachdem aber ein gesichertes Ergebnis nicht habe gefunden werden können, gehe dies zu Lasten der Beklagten. Zur Verfahrensvereinfachung werde vorgeschlagen, dass die Beklagte ihre Forderung prozentual ermäßigt. Von der Höhe her werde der Prozentsatz für angemessen erachtet, der sich aus dem Verhältnis "mögliche Arbeitstage" zu "Arbeitsunfähigkeitstage" ergibt. Maßstab soll der Zeitraum von 1990 bis 1993 sein. Die Beklagte hat diesen Vorschlag abgelehnt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es treffe zwar zu, dass AN Tätigkeiten unter Zeitdruck, in Früh- und Spätschicht und mit häufigem Bücken nicht mehr zumutbar gewesen seien. Bei Arbeitslosen werde die Arbeitsunfähigkeit aber nicht an der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit gemessen, sondern an dem Tätigkeitsbereich, der für eine Vermittlung in Betracht komme. AN habe nach dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten noch leichte bis mittelschwere Arbeit vollschichtig verrichten können. Keiner der befragten Ärzte habe AN als dauerhaft nicht leistungsfähig oder gar als erwerbsunfähig angesehen. Aber auch dann, wenn man die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf die Zeit der Arbeitslosigkeit übertragen wollte, wäre die Berechnung der Klägerin zu beanstanden, weil der Erstattungszeitraum zwei Jahre betrage und somit allenfalls die (geringeren) Arbeitsunfähigkeitstage der letzten beiden Jahre des Arbeitsverhältnisses (November 1991 bis Oktober 1993) berücksichtigt werden könnten. Die Beklagte sei aber nicht bereit, die Erstattungsforderung unter Zugrundelegung fiktiver Arbeitsunfähigkeitszeiten prozentual zu mindern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die für AN bei der Beklagten geführten Leistungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 11.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.1999. Der Bescheid vom 11.12.1998 ersetzt die vorangegangenen Bescheide und wurde deshalb gemäß § 86 SGG Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt gegen den Bescheid vom 03.07.1995 noch anhängig gewesenen Widerspruchsverfahrens. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig.
Die gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Anhörung der Klägerin ist erfolgt. Ein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Anhörungsfehler liegt nicht vor. Mit Schreiben vom 03.11.1998 (Bl. 99 der Verwaltungsakte) hat die Beklagte (noch einmal) der Klägerin mitgeteilt, für welchen Zeitraum, in welcher Höhe und aufgrund welcher Rechtsvorschrift sie eine Erstattung von der Klägerin verlangen wird. Der Klägerin ist Einsicht in die Verwaltungsakten angeboten worden und die Klägerin ist auch darauf hingewiesen worden, dass AN zu Veränderungen des Gesundheitszustandes befragt worden sei, diese Befragung aber ergebnislos geblieben sei. Dem Schreiben war ein Berechnungsbogen beigefügt, in dem die Berechnung der Erstattungsforderung für verschiedene Zeiträume dargelegt wird. Damit hat die Beklagte die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angehört.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), und zwar für die Zeit bis 31.12.1995 in der ab 01.08.1994 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 26 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1994 vom 26.07.1994 (BGBl I S. 1786) und für die Zeit ab 01.06.1996 in der Fassung des Art. 10 Nr. 5 des Gesetzes vom 15.12.1995 (BGBl I. S. 1824). Die Regelung in § 128 AFG ist erst durch Art 11 Nr. 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I S. 594) mit Wirkung ab 01.04.1997 aufgehoben worden (Art 83 Abs. 3 AFRG). Der Bezugszeitraum im vorliegenden Verfahren erstreckt sich vom 28.02.1994 bis zum 25.02.1996.
Nach § 128 Abs. 1 S. 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 4 AFG genannten Leistungen - dazu zählen u.a. Krankengeld und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 128 Abs. 1 S. 2 AFG). Eine Erstattungspflicht entfällt ferner, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG), er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG) oder er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs. 1 S.2 Nr. 5 AFG). Soweit Alg zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie - für die Zeit ab 01.01.1996 - zur sozialen Pflegeversicherung ein (§ 128 Abs. 4 AFG).
Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin sind erfüllt. Die am 28.02.1936 geborene AN war vom 01.03.1976 bis 31.10.1993 durchgehend bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beitragspflichtig beschäftigt. Sie hatte zu Beginn des Erstattungszeitraums am 28.02.1994 das 58. Lebensjahr vollendet und auch die geforderte Beschäftigungszeit bei der Klägerin zurückgelegt.
Auch die negativen Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs. 1 S. AFG schließen die Erstattung nicht aus. AN ist erst im Jahre 1993 arbeitslos geworden und damit nach Vollendung des 56. Lebensjahres. Auch standen ihr im Zeitraum vom 28.02.1994 bis zum 25.02.1996 keine der in § 128 Abs. 1 S. 2 AFG erwähnten Leistungen zu.
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten vorgenommenen Sachverhaltsaufklärung war AN in der Zeit von Februar 1994 bis März 1996 noch in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Montagehelferin vollschichtig zu verrichten. Damit war sie weder arbeitsunfähig noch berufsunfähig noch erwerbsunfähig und hatte deshalb keinen Anspruch auf Krankengeld oder Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit.
Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass AN in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit öfters arbeitsunfähig krank war. So belief sich die Zahl der Tage, an denen die Klägerin arbeitsunfähig war 1990 auf 114, 1991 auf 60 und 1992 auf 66. Auch ergibt sich aus dem Gutachten des Arbeitsamtsarztes K., dass AN ihre letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ohne weiteres zumutbar war. Denn nach seinem Gutachten sollte AN folgende Arbeiten nicht mehr verrichten: Arbeiten unter Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und bei Temperaturschwankungen, Arbeiten, die mit häufigem Bücken verbunden sind sowie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 6 bis 7 kg. An sich wäre ihr damit die Tätigkeit als Montagehelferin nicht mehr zumutbar. Andererseits war AN in der Zeit vom 01.01.1993 bis zum 31.10.1993 nur noch an 11 Tagen arbeitsunfähig krank. Zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Klägerin war sie nicht krank geschrieben. Die von ihr tatsächlich erbrachte Leistung widerlegt daher die sich aufgrund der Begutachtung ergebende Schlussfolgerung. Der tatsächlich verrichteten Arbeit kommt im Hinblick auf die Bewertung des Leistungsvermögens eine größere Bedeutung zu als die Beurteilung anhand der erhobenen Befunde. Dies gilt umso mehr als sich aus dem Gutachten des Arztes K. keine gravierenden Gesundheitsstörungen ergeben. Danach war eine Wirbelsäulenfehlhaltung mit Rückenmuskelverspannungen nachweisbar, es fanden sich aber keine Hinweise auf Nervenausfälle und Bewegungsstörungen. Zwar konnte auch eine Neigung zu Gichtanfällen bestätigt werden, doch waren von der Gicht hauptsächlich die Großzehengrundgelenke befallen. Der Bluthochdruck erwies sich als medikamentös ausreichend eingestellt. Aus diesen Gesundheitsstörungen ergeben sich keine Funktionseinschränkungen, die den Schluss zulassen, dass AN ihre zuletzt konkret verrichtete Tätigkeit nicht mehr hätte ausüben können.
Hinzu kommt, dass Maßstab und Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von AN iSd § 44 SGB V bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar ihre konkrete Tätigkeit war, die sie zuletzt verrichtet hat. Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz innehaben, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Bietet der Arbeitgeber jedoch im Rahmen seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts seinem Arbeitnehmer in zulässiger Weise eine andere, ihm gesundheitlich zumutbare Tätigkeit an, liegt Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor (BSG 07.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 3). Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie AN nicht hat anderweitig einsetzen können. Angesichts der Größe des Unternehmens der Klägerin liegt eine fehlende Umsetzungsmöglichkeit auch nicht nahe (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Frage eines außerordentlichen Kündigungsrechts BSG 07.02.2002 - B 7 AL 102/00 R - SozR 3-4100 § 128 Nr. 15 RdNr. 46).
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zunächst insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früheren Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten nach der Funktion des Krankengeldes zu bemessen ist (BSG 07.12.2004 aaO RdNr. 16). Bei AN ist zu berücksichtigen, dass sie in keinem anerkannten Ausbildungsberuf tätig war. Sie konnte deshalb in den Jahren 1994 bis 1996 auf alle Tätigkeiten einer Montagehelferin verwiesen werden. Da sie nach Ansicht des Senats aber schon ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit noch hätte ausüben können, gilt dies erst recht für die in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten. Denn eine Arbeitsunfähigkeit von AN ließe sich - wenn überhaupt - nur mit den besonderen Bedingungen (Schichtdienst, häufiges Bücken, Akkord) des zuletzt konkret ausgeübten Arbeitsplatzes begründen, nicht aber mit der Art ihrer Tätigkeit als Montagehelferin. Daher kann offen bleiben, ob die Entscheidung des BSG vom 04.04.2006 (B 1 KR 21/05 R) zu § 44 SGB V für die Zeit vor In-Kraft-Treten des SGB III am 01.01.1998 auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Das BSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitloser alle Arbeiten sind, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Die Zumutbarkeit ist insoweit auch krankenversicherungsrechtlich ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit an § 121 SGB III zu messen, wenn sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung ohne ausdrücklichen Hinweis auf gesundheitliche Einschränkungen zur Verfügung stellt (BSG aaO RdNr. 17ff).
Die Ermittlungen, die der Senat durchgeführt hat, bestätigen die Leistungsfähigkeit von AN für solche Tätigkeiten in der Zeit von 1994 bis März 1996. Der Orthopäde Dr. Z. berichtete lediglich über Behandlungen von AN in der Zeit ab Februar 1997, also nach dem maßgeblichen Zeitraum (Schreiben vom 27.09.2001). Beim Allgemeinarzt D. war AN zuletzt am 20.12.1993 in Behandlung (Schreiben vom 13.03.2002). Der Internist Dr. M. hat am 09.04.2002 angegeben, bei ihm sei AN in der Zeit vom 05.10.1994 bis 01.03.1996 in Behandlung gewesen. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Adipositas, Gicht, Hochdruck, Arthrose, Wirbelsäulenbeschwerden und Knöchelödeme. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er nicht ausgestellt. Aus dieser Aussage ergeben sich gegenüber den Feststellungen im Gutachten des Herrn K. keine neuen Gesichtspunkte. Sämtliche von Dr. M. genannten Diagnosen waren auch damals schon bekannt. Daraus folgt für den Senat, dass die Klägerin in ihrer bisherigen Tätigkeit sowie allgemein als Montagehelferin noch vollschichtig leistungsfähig war. Deshalb kann auch offen bleiben, ob sich die Arbeitsunfähigkeit von AN bereits in den Jahren 1994 bis 1996 nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung richtete (vgl. hierzu BSG 07.12.2004 aaO).
Die Regelung des § 128 AFG in der hier maßgeblichen Fassung ist nach Ansicht des Senats mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Die diesbezüglichen Angriffe der Klägerin gegen diese Regelung sind spätestens mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.09.2005 - 1 BvR 620/01 - (NZA 2005, 1401) obsolet geworden. Das BVerfG hat insbesondere auch klargestellt, dass der Umstand, dass der frühere Arbeitnehmer (hier: AN) Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG erhalten hat, die besondere Verantwortung des Arbeitsgebers für dessen Arbeitslosigkeit nicht entfallen lässt. Das BVerfG hat ferner die Rechtsprechung des BSG, wonach § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar ist, ebenfalls als mit dem GG vereinbar erklärt. Damit scheidet ein Wegfall der Erstattungspflicht der Klägerin nach der genannten Bestimmung sowie auch nach § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG im vorliegenden Fall aus. Denn die Klägerin und AN haben das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags aufgelöst.
Die Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Einwände gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Auch ist der Senat davon überzeugt, dass AN die Leistungen, die sie Erstattungszeitraum von der Beklagten erhalten hat, nach Grund und Höhe zu Recht bezogen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung, da die Klage bereits am 19.08.1999 erhoben worden und der Rechtsstreit damit vor dem In-Kraft-Treten des 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) am 02.01.2002 rechtshängig geworden ist (Art 17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin verpflichtet ist, der beklagten Bundesagentur 66.635,79 DM für den Zeitraum vom 28.02.1994 bis 25.02.1996 nach der früheren Bestimmung des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zu erstatten.
Die am 1936 geborene Arbeitnehmerin (im Folgenden: AN) war seit dem 01.03.1976 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Montagehelferin. Zu ihren Aufgaben gehörte es, Induktionslötmaschinen zu bestücken, den automatischen Lötvorgang zu überwachen und Sichtkontrollen durchzuführen. Auch musste sie die Induktionslötanlage umstellen und Störungen beheben. Die Arbeit wurde in geschlossenen Räumen im Schichtdienst (Früh- und Spätschicht) und überwiegend im Sitzen verrichtet, war aber mit häufigem Bücken verbunden. Außerdem erfolgte die Arbeit unter Zeitdruck, d.h. im Akkord bzw. am Fließband. Am 23.06.1993 schloss die Klägerin mit AN eine Ausscheidensvereinbarung, durch welche das Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 31.10.1993 gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst wurde. Dabei gingen die Vertragsparteien davon aus, dass AN ab 01.03.1996 ein Altersruhegeld beziehen werde. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses konnte AN gemäß des seinerzeit gültigen Manteltarifvertrages der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Am 19.10.1993 beantragte AN bei der Beklagten die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). In ihrer Stellungnahme gegenüber der Beklagten führte AN aus, das Arbeitsverhältnis sei u.a. aus gesundheitlichen Gründen gelöst worden. Auf die Frage der Beklagten im Antrag nach gesundheitlichen Einschränkungen wurde von AN nichts eingetragen. In einer von der Klägerin ausgestellten Arbeitsbescheinigung wird ausgeführt, bei AN habe es lediglich im Zeitraum vom 17.04.1990 bis 05.06.1990 eine Unterbrechung der Zahlung von Arbeitsentgelt gegeben, weil AN Krankengeld bezogen habe. Auf Anforderung der Beklagten legte AN ein ärztliches Attest vor, nachdem AN infolge rezidivierender Wirbelsäulenbeschwerden und Beschwerden in den Schultergelenken ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben könne.
Mit Bescheid vom 18.01.1994 stellte die Beklagte AN gegenüber eine Sperrzeit von zwölf Wochen und eine Minderung des Anspruchs auf Alg um 72 Tage fest. Ab 24.01.1994 gewährte sie AN Alg in Höhe von wöchentlich 387,00 DM (Leistungsgruppe A/Kindermerkmal 0/Leistungstabelle 1994). Ab Vollendung des 58. Lebensjahres erfolgte die Leistungsgewährung unter den Voraussetzungen des § 105c AFG. Der wöchentliche Leistungssatz belief sich ab 01.11.1994 auf 395,00 DM und ab 01.11.1995 auf 388,80 DM. Ab dem 01.03.1996 bezog AN Altersrente für Frauen.
Die Beklagte informierte die Klägerin mit Anhörungsschreiben vom 18.01.1994 über die Erstattungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 128 AFG. Die beigefügte Arbeitsplatzbeschreibung wurde von der Klägerin am 11.02.1994 an die Beklagte mit der Angabe zurückgesandt, AN habe in den letzten beiden Beschäftigungsjahren folgende Fehlzeiten gehabt: 10.03. bis 16.04.1992, 21.07. bis 31.07.1992, 04.11. bis 20.11.1992 und 03.05. bis 13.05.1993. Im Anhörungsverfahren machte die Klägerin geltend, die Beklagte habe zu ermitteln, ob die Voraussetzungen für eine andere Sozialleistung bei AN vorlägen. Im Übrigen seien für das Ausscheiden von AN betriebliche Gründe i.S.v. § 1 Abs. 3 S. 2 Kündigungsschutzgesetz entscheidend gewesen.
Im Anschluss daran ließ die Beklagte AN arbeitsamtsärztlich untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 24.11.1994/24.01.1995 legte der Arbeitsamtsarzt K. dar, dass AN an Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule ohne Nervenausfälle und Bewegungsstörungen, bekannter Gicht mit Befall der Großzehengrundgelenke, Übergewicht, bekanntem Bluthochdruck und Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke leide. Der angegebene Bluthochdruck erweise sich als medikamentös ausreichend eingestellt. Insgesamt müsse von einer Behandelbarkeit der angegebenen Beschwerden ausgegangen werden. Folgende Arbeiten könnten von AN nicht mehr verrichtet werden: Arbeiten unter Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und bei Temperaturschwankungen, Arbeiten, die mit häufigem Bücken verbunden seien sowie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 6 bis 7 kg. Bei Beachtung dieser Einschränkungen könne die Klägerin noch leichte Arbeiten und zeitweise auch mittelschwere Arbeiten in geschlossenen, temperierten Räumen und in Tagesschicht vollschichtig verrichten. Es lägen keine Hinweise dafür vor, dass AN zum Zeitpunkt der Beendigung des letzten Arbeitsverhältnisses auf nicht absehbare Zeit arbeitsunfähig im krankenversicherungsrechtlichen Sinn gewesen sei. Ergänzend führte er nach telefonischer Anfrage bei der für AN zuständigen Krankenkasse am 09.08.1995 aus, dass AN zum letzten Mal am 17.09.1993 krank geschrieben gewesen sei. Zum Zeitpunkt der Kündigung am 31.10.1993 habe keine Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Dies gelte auch für das restliche Jahr 1993 sowie das gesamte Jahr 1994. Für eine Arbeitsunfähigkeit bis zu sechs Monaten bzw. über sechs Monate fänden sich keine Hinweise.
Die Beklagte verlangte von der Klägerin mit Grundlagenbescheid und Abrechnungsbescheid vom 03.07.1995 die Erstattung von Leistungen der Arbeitslosenversicherung sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung ab dem 28.02.1994 bis zum 31.03.1995 in Höhe von insgesamt 35.156,94 DM.
Dagegen legte die Klägerin am 12.07.1995 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie u.a. aus, es sei nicht auszuschließen, dass AN die Voraussetzungen für den Bezug einer anderen Sozialleistung erfülle; die Nichterweislichkeit schließe einen Erstattungsanspruch aus (Bl. 44 bis 49 der Verwaltungsakte).
In der Folge forderte die Beklagte mit Abrechnungsbescheid vom 06.12.1995 für den Zeitraum vom 01.04.1995 bis 30.09.1995 einen Erstattungsbetrag in Höhe von 17.433,29 DM und mit Abrechnungsbescheid vom 03.09.1996 für den Zeitraum vom 01.10.1995 bis 26.12.1995 einen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 14.069,78 DM. Mit Änderungsbescheid vom 15.10.1996 zum Bescheid vom 03.09.1996 forderte die Beklagte von der Klägerin für die Zeit vom 01.10.1995 bis 25.02.1996 Erstattung in Höhe von 14.293,86 DM.
Mit Schreiben vom 24.08.1998 befragte die Beklagte AN, ob sie arbeitsunfähig krank geschrieben gewesen sei oder andere Sozialleistungen bezogen habe. Die Beklagte wies in diesem Schreiben darauf hin, dass eine Antwort nur erforderlich sei, wenn entsprechende Angaben gemacht werden könnten. Eine Antwort von AN erhielt die Beklagte nicht.
Nach Durchführung einer Anhörung (Schreiben vom 03.11.1998) der Klägerin erließ die Beklagte am 11.12.1998 einen Ersetzungsbescheid, der den gesamten Erstattungszeitraum vom 28.02.1994 bis 25.02.1996 umfasst und die Erstattungsforderung auf 66.536,79 DM festsetzt.
Nachdem die Beklagte der Klägerin einen Vergleichsvorschlag unterbreitet hatte, den die Klägerin jedoch ablehnte, wies die Beklagte den am 12.07.1995 eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.1999 zurück.
Am 19.08.1999 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2000 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es u.a. dargelegt, die Erstattungspflicht der Klägerin ergebe sich aus § 128 AFG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18.12.1992 (BGBl. I S. 2044). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung bestünden nicht. Der Ersetzungsbescheid sei verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden. Die bei Erstattungsbescheiden grundsätzlich erforderliche Anhörung sei durchgeführt worden. Die grundsätzlich bestehende Erstattungspflicht trete im vorliegenden Fall ein, weil keiner der in § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 7 AFG beschriebenen Ausnahmetatbestände vorliege. Das Urteil ist der Klägerin am 28.12.2000 zugestellt worden.
Am 03.01.2001 hat die Klägerin Berufung eingelegt (L 8 AL 32/01) und diese mit Schriftsatz vom 23.04.2001 (Bl. 23/57 der Akte L 8 AL 32/01) ausführlich begründet.
Der Senat hat schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. Z. hat mit Schreiben vom 27.09.2001 mitgeteilt, er habe AN am 13.02.1997 wegen Beschwerden an der Halswirbelsäule behandelt. Die Behandlung habe vom 13.02. bis 17.03.1997 gedauert. Am 19.12.1997 habe er AN einmalig wegen linksseitigen Vorfußbeschwerden bzw. Schmerzen in der Großzehe behandelt und am 11.02.1998 habe er sie zur Operation eines Hallux rigidus beiderseits eingewiesen. Über den weiteren Verlauf der Operation sei ihm nichts bekannt. Während dieses Behandlungszeitraumes habe er keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für AN ausgestellt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin D. hat am 13.03.2002 angegeben, er habe AN zuletzt am 20.12.1993 behandelt. Der Internist Dr. M. hat am 09.04.2002 angegeben, bei ihm sei AN in der Zeit vom 05.10.1994 bis 01.03.1996 in Behandlung gewesen. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Adipositas, Gicht, Hochdruck, Arthrose, Wirbelsäulenbeschwerden und Knöchelödeme. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er nicht ausgestellt.
Auf Anfrage des Senats haben sich die Beteiligten mit einer Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über die beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfassungsbeschwerde mit dem Aktenzeichen 1 BvR 846/02 einverstanden erklärt. Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 12.02.2003 ausgesetzt.
Mit einem am 20.10.2005 beim LSG eingegangenen Schreiben hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht am 09.09.2005 über die Verfassungsbeschwerde entschieden habe. Diese sei nicht zur Entscheidung angenommen worden. Sie bitte deshalb, das Berufungsverfahren (L 8 AL 4337/05) fortzuführen.
Die Klägerin hat darauf hingewiesen, im vorliegenden Fall werde die Berufung insbesondere darauf gestützt, dass angesichts der extrem hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten von AN auszuschließen sei, dass eine Weiterarbeit möglich gewesen wäre. Einzuräumen sei, dass durch die Gerichtsbarkeit umfangreiche Versuche unternommen worden seien, den Sachverhalt aufzuklären. Nachdem aber ein gesichertes Ergebnis nicht habe gefunden werden können, gehe dies zu Lasten der Beklagten. Zur Verfahrensvereinfachung werde vorgeschlagen, dass die Beklagte ihre Forderung prozentual ermäßigt. Von der Höhe her werde der Prozentsatz für angemessen erachtet, der sich aus dem Verhältnis "mögliche Arbeitstage" zu "Arbeitsunfähigkeitstage" ergibt. Maßstab soll der Zeitraum von 1990 bis 1993 sein. Die Beklagte hat diesen Vorschlag abgelehnt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. November 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Es treffe zwar zu, dass AN Tätigkeiten unter Zeitdruck, in Früh- und Spätschicht und mit häufigem Bücken nicht mehr zumutbar gewesen seien. Bei Arbeitslosen werde die Arbeitsunfähigkeit aber nicht an der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit gemessen, sondern an dem Tätigkeitsbereich, der für eine Vermittlung in Betracht komme. AN habe nach dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten noch leichte bis mittelschwere Arbeit vollschichtig verrichten können. Keiner der befragten Ärzte habe AN als dauerhaft nicht leistungsfähig oder gar als erwerbsunfähig angesehen. Aber auch dann, wenn man die Arbeitsunfähigkeitszeiten auf die Zeit der Arbeitslosigkeit übertragen wollte, wäre die Berechnung der Klägerin zu beanstanden, weil der Erstattungszeitraum zwei Jahre betrage und somit allenfalls die (geringeren) Arbeitsunfähigkeitstage der letzten beiden Jahre des Arbeitsverhältnisses (November 1991 bis Oktober 1993) berücksichtigt werden könnten. Die Beklagte sei aber nicht bereit, die Erstattungsforderung unter Zugrundelegung fiktiver Arbeitsunfähigkeitszeiten prozentual zu mindern.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die für AN bei der Beklagten geführten Leistungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gemäß den §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 11.12.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.1999. Der Bescheid vom 11.12.1998 ersetzt die vorangegangenen Bescheide und wurde deshalb gemäß § 86 SGG Gegenstand des zu diesem Zeitpunkt gegen den Bescheid vom 03.07.1995 noch anhängig gewesenen Widerspruchsverfahrens. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig.
Die gemäß § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erforderliche Anhörung der Klägerin ist erfolgt. Ein zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führender Anhörungsfehler liegt nicht vor. Mit Schreiben vom 03.11.1998 (Bl. 99 der Verwaltungsakte) hat die Beklagte (noch einmal) der Klägerin mitgeteilt, für welchen Zeitraum, in welcher Höhe und aufgrund welcher Rechtsvorschrift sie eine Erstattung von der Klägerin verlangen wird. Der Klägerin ist Einsicht in die Verwaltungsakten angeboten worden und die Klägerin ist auch darauf hingewiesen worden, dass AN zu Veränderungen des Gesundheitszustandes befragt worden sei, diese Befragung aber ergebnislos geblieben sei. Dem Schreiben war ein Berechnungsbogen beigefügt, in dem die Berechnung der Erstattungsforderung für verschiedene Zeiträume dargelegt wird. Damit hat die Beklagte die Klägerin in rechtlich nicht zu beanstandender Weise angehört.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), und zwar für die Zeit bis 31.12.1995 in der ab 01.08.1994 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 26 des Beschäftigungsförderungsgesetzes 1994 vom 26.07.1994 (BGBl I S. 1786) und für die Zeit ab 01.06.1996 in der Fassung des Art. 10 Nr. 5 des Gesetzes vom 15.12.1995 (BGBl I. S. 1824). Die Regelung in § 128 AFG ist erst durch Art 11 Nr. 27 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.03.1997 (BGBl I S. 594) mit Wirkung ab 01.04.1997 aufgehoben worden (Art 83 Abs. 3 AFRG). Der Bezugszeitraum im vorliegenden Verfahren erstreckt sich vom 28.02.1994 bis zum 25.02.1996.
Nach § 128 Abs. 1 S. 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt (jetzt: Bundesagentur) vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 4 AFG genannten Leistungen - dazu zählen u.a. Krankengeld und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 128 Abs. 1 S. 2 AFG). Eine Erstattungspflicht entfällt ferner, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG), er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG) oder er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs. 1 S.2 Nr. 5 AFG). Soweit Alg zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie - für die Zeit ab 01.01.1996 - zur sozialen Pflegeversicherung ein (§ 128 Abs. 4 AFG).
Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin sind erfüllt. Die am 28.02.1936 geborene AN war vom 01.03.1976 bis 31.10.1993 durchgehend bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin beitragspflichtig beschäftigt. Sie hatte zu Beginn des Erstattungszeitraums am 28.02.1994 das 58. Lebensjahr vollendet und auch die geforderte Beschäftigungszeit bei der Klägerin zurückgelegt.
Auch die negativen Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs. 1 S. AFG schließen die Erstattung nicht aus. AN ist erst im Jahre 1993 arbeitslos geworden und damit nach Vollendung des 56. Lebensjahres. Auch standen ihr im Zeitraum vom 28.02.1994 bis zum 25.02.1996 keine der in § 128 Abs. 1 S. 2 AFG erwähnten Leistungen zu.
Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten vorgenommenen Sachverhaltsaufklärung war AN in der Zeit von Februar 1994 bis März 1996 noch in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Montagehelferin vollschichtig zu verrichten. Damit war sie weder arbeitsunfähig noch berufsunfähig noch erwerbsunfähig und hatte deshalb keinen Anspruch auf Krankengeld oder Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit.
Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass AN in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit öfters arbeitsunfähig krank war. So belief sich die Zahl der Tage, an denen die Klägerin arbeitsunfähig war 1990 auf 114, 1991 auf 60 und 1992 auf 66. Auch ergibt sich aus dem Gutachten des Arbeitsamtsarztes K., dass AN ihre letzte Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ohne weiteres zumutbar war. Denn nach seinem Gutachten sollte AN folgende Arbeiten nicht mehr verrichten: Arbeiten unter Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), Arbeiten in Nässe, Kälte, Zugluft und bei Temperaturschwankungen, Arbeiten, die mit häufigem Bücken verbunden sind sowie Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 6 bis 7 kg. An sich wäre ihr damit die Tätigkeit als Montagehelferin nicht mehr zumutbar. Andererseits war AN in der Zeit vom 01.01.1993 bis zum 31.10.1993 nur noch an 11 Tagen arbeitsunfähig krank. Zum Zeitpunkt der Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Klägerin war sie nicht krank geschrieben. Die von ihr tatsächlich erbrachte Leistung widerlegt daher die sich aufgrund der Begutachtung ergebende Schlussfolgerung. Der tatsächlich verrichteten Arbeit kommt im Hinblick auf die Bewertung des Leistungsvermögens eine größere Bedeutung zu als die Beurteilung anhand der erhobenen Befunde. Dies gilt umso mehr als sich aus dem Gutachten des Arztes K. keine gravierenden Gesundheitsstörungen ergeben. Danach war eine Wirbelsäulenfehlhaltung mit Rückenmuskelverspannungen nachweisbar, es fanden sich aber keine Hinweise auf Nervenausfälle und Bewegungsstörungen. Zwar konnte auch eine Neigung zu Gichtanfällen bestätigt werden, doch waren von der Gicht hauptsächlich die Großzehengrundgelenke befallen. Der Bluthochdruck erwies sich als medikamentös ausreichend eingestellt. Aus diesen Gesundheitsstörungen ergeben sich keine Funktionseinschränkungen, die den Schluss zulassen, dass AN ihre zuletzt konkret verrichtete Tätigkeit nicht mehr hätte ausüben können.
Hinzu kommt, dass Maßstab und Bezugspunkt für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit von AN iSd § 44 SGB V bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar ihre konkrete Tätigkeit war, die sie zuletzt verrichtet hat. Bei Versicherten, die im Zeitpunkt der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit in einem Arbeitsverhältnis stehen und einen Arbeitsplatz innehaben, liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn diese Versicherten die an ihren Arbeitsplatz gestellten beruflichen Anforderungen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erfüllen können. Bietet der Arbeitgeber jedoch im Rahmen seines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts seinem Arbeitnehmer in zulässiger Weise eine andere, ihm gesundheitlich zumutbare Tätigkeit an, liegt Arbeitsunfähigkeit nicht mehr vor (BSG 07.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 3). Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass sie AN nicht hat anderweitig einsetzen können. Angesichts der Größe des Unternehmens der Klägerin liegt eine fehlende Umsetzungsmöglichkeit auch nicht nahe (vgl. zu diesem Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Frage eines außerordentlichen Kündigungsrechts BSG 07.02.2002 - B 7 AL 102/00 R - SozR 3-4100 § 128 Nr. 15 RdNr. 46).
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zunächst insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früheren Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf gemäß der ständigen Rechtsprechung des BSG nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten nach der Funktion des Krankengeldes zu bemessen ist (BSG 07.12.2004 aaO RdNr. 16). Bei AN ist zu berücksichtigen, dass sie in keinem anerkannten Ausbildungsberuf tätig war. Sie konnte deshalb in den Jahren 1994 bis 1996 auf alle Tätigkeiten einer Montagehelferin verwiesen werden. Da sie nach Ansicht des Senats aber schon ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit noch hätte ausüben können, gilt dies erst recht für die in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten. Denn eine Arbeitsunfähigkeit von AN ließe sich - wenn überhaupt - nur mit den besonderen Bedingungen (Schichtdienst, häufiges Bücken, Akkord) des zuletzt konkret ausgeübten Arbeitsplatzes begründen, nicht aber mit der Art ihrer Tätigkeit als Montagehelferin. Daher kann offen bleiben, ob die Entscheidung des BSG vom 04.04.2006 (B 1 KR 21/05 R) zu § 44 SGB V für die Zeit vor In-Kraft-Treten des SGB III am 01.01.1998 auf den vorliegenden Fall anwendbar ist. Das BSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitloser alle Arbeiten sind, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Die Zumutbarkeit ist insoweit auch krankenversicherungsrechtlich ab dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit an § 121 SGB III zu messen, wenn sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung ohne ausdrücklichen Hinweis auf gesundheitliche Einschränkungen zur Verfügung stellt (BSG aaO RdNr. 17ff).
Die Ermittlungen, die der Senat durchgeführt hat, bestätigen die Leistungsfähigkeit von AN für solche Tätigkeiten in der Zeit von 1994 bis März 1996. Der Orthopäde Dr. Z. berichtete lediglich über Behandlungen von AN in der Zeit ab Februar 1997, also nach dem maßgeblichen Zeitraum (Schreiben vom 27.09.2001). Beim Allgemeinarzt D. war AN zuletzt am 20.12.1993 in Behandlung (Schreiben vom 13.03.2002). Der Internist Dr. M. hat am 09.04.2002 angegeben, bei ihm sei AN in der Zeit vom 05.10.1994 bis 01.03.1996 in Behandlung gewesen. Er habe folgende Diagnosen gestellt: Adipositas, Gicht, Hochdruck, Arthrose, Wirbelsäulenbeschwerden und Knöchelödeme. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er nicht ausgestellt. Aus dieser Aussage ergeben sich gegenüber den Feststellungen im Gutachten des Herrn K. keine neuen Gesichtspunkte. Sämtliche von Dr. M. genannten Diagnosen waren auch damals schon bekannt. Daraus folgt für den Senat, dass die Klägerin in ihrer bisherigen Tätigkeit sowie allgemein als Montagehelferin noch vollschichtig leistungsfähig war. Deshalb kann auch offen bleiben, ob sich die Arbeitsunfähigkeit von AN bereits in den Jahren 1994 bis 1996 nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung richtete (vgl. hierzu BSG 07.12.2004 aaO).
Die Regelung des § 128 AFG in der hier maßgeblichen Fassung ist nach Ansicht des Senats mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Die diesbezüglichen Angriffe der Klägerin gegen diese Regelung sind spätestens mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.09.2005 - 1 BvR 620/01 - (NZA 2005, 1401) obsolet geworden. Das BVerfG hat insbesondere auch klargestellt, dass der Umstand, dass der frühere Arbeitnehmer (hier: AN) Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG erhalten hat, die besondere Verantwortung des Arbeitsgebers für dessen Arbeitslosigkeit nicht entfallen lässt. Das BVerfG hat ferner die Rechtsprechung des BSG, wonach § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar ist, ebenfalls als mit dem GG vereinbar erklärt. Damit scheidet ein Wegfall der Erstattungspflicht der Klägerin nach der genannten Bestimmung sowie auch nach § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG im vorliegenden Fall aus. Denn die Klägerin und AN haben das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags aufgelöst.
Die Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Einwände gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Auch ist der Senat davon überzeugt, dass AN die Leistungen, die sie Erstattungszeitraum von der Beklagten erhalten hat, nach Grund und Höhe zu Recht bezogen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung, da die Klage bereits am 19.08.1999 erhoben worden und der Rechtsstreit damit vor dem In-Kraft-Treten des 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) am 02.01.2002 rechtshängig geworden ist (Art 17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG).
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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