L 8 AL 4435/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 1481/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4435/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Pflicht zur Erstattung des ihrem früheren Arbeitnehmer Wilfried Kraus (AN) von der Beklagten gezahlten Arbeitslosengeldes sowie der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung für den Zeitraum vom 17.08.1997 bis 28.06.1999.

Der am 1939 geborene AN war von 1966 bis 29.03.1997 (zuletzt) als Versuchsingenieur im Werk S-U bei den Firmen M-B AG bzw. D-B AG, den Rechtsvorgängerinnen der Klägerin, beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde am 16.12.1996 mit Wirkung zum 29.03.1997 durch einen Auflösungsvertrag beendet. AN erhielt aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von DM 123.589,00. Von Oktober 1996 bis Ende März 1997 erhielt AN ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von insgesamt DM 72.356,00.

AN meldete sich am 01.04.1997 beim Arbeitsamt (AA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Er hielt seine Vermittlungsfähigkeit für nicht eingeschränkt. Als Grund für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses wurden gesundheitliche Probleme aufgrund einer verringerten Dauerbelastbarkeit durch Bronchitis und einer eingeschränkten Funktion der Bauchspeicheldrüse angegeben.

Mit Bescheid vom 05.05.1997 stellte das AA den Eintritt einer Sperrzeit vom 30.03.1997 bis 21.06.1997 (zwölf Wochen) mit einer Minderung der Anspruchsdauer um 208 Kalendertage fest. Außerdem wurde festgestellt, dass der Anspruch vom 30.03. bis 25.07.1997 ruht. Da AN eine Abfindung erhalten hatte, stellte die Beklagte ferner fest, dass der Anspruch des AN auf Alg nach § 117a AFG ruht und sich um weitere 22 Wochentage mindert, sodass sich die ursprüngliche Anspruchsdauer von 832 Tagen auf 602 Tagen verminderte. Die Anspruchsdauer verlängerte sich dann aufgrund der Anpassung an die ab 01.01.1998 erfolgte Umstellung der Berechnungsweise (Zahlung von Alg für sieben Tage einer Kalenderwoche statt bisher sechs) um 78 Tage. Vom 26.07.1997 bis 28.06.1999 bezog AN Alg; die Leistung belief sich ab 26.07.1997 auf 759 DM wöchentlich bzw. 126,50 DM täglich (Bemessungsentgelt 1910 DM, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, Leistungstabelle 1997), ab 01.10.1998 auf 779,03 DM wöchentlich bzw. 111,29 DM täglich (Bemessungsentgelt 1960 DM, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, Leistungstabelle 1998) und ab 01.01.1999 auf 707,49 DM wöchentlich bzw. 101,07 DM täglich (Bemessungsentgelt 1980 DM, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1, Leistungstabelle 1999). Seit 01.09.1999 erhält AN Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Nach einer Anhörung der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.1997 fest, die von der Klägerin vorgetragenen Umstände rechtfertigten nicht den Nichteintritt der Erstattungspflicht nach § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin am 30.06.1997 Widerspruch ein. Nach einer weiteren Anhörung der Klägerin erließ die Beklagte den Bescheid vom 02.12.1997. Darin entscheid sie, dass die Klägerin verpflichtet ist, ab 17.08.1997 für längstens 624 Tage das AN gezahlte Alg sowie die darauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung zu erstatten. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 22.12.1997 Widerspruch ein.

Das AA befragte AN mit Schreiben vom 16.12.1997 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse seit der Arbeitslosmeldung. Dieser gab am 12.01.1998 an, seit seiner Arbeitslosmeldung seien keine Änderungen in seinem Gesundheitszustand eingetreten.

Mit Bescheid vom 27.04.1998 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin Erstattung für die Zeit vom 17.08.1997 bis 10.12.1997 in Höhe von insgesamt 20.539,66 DM (Bl. 40 der Verwaltungsakte) und mit Bescheid vom 15.06.1998 (Bl. 48 der Verwaltungsakte) Erstattung für den Zeitraum vom 11.12.1997 bis 31.03.1998 in Höhe von insgesamt 20.156,42 DM geltend. Beiden Bescheiden gingen Anhörungsschreiben der Beklagten (vom 16.12.1997 und 30.04.1998) voraus, in denen u.a. über Grund und Höhe der Erstattungsforderung informiert worden war.

Auf Fragen der Beklagten teilte AN am 07.08.98 mit, eine Veränderung seines Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten.

Mit Bescheid vom 10.09.1998 (Bl. 64 der Verwaltungsakte) wurde - nach einer Anhörung vom 04.08.1998 - Erstattung für die Zeit vom 01.04.1998 bis 30.06.1998 in Höhe von insgesamt 22.240,03 DM geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 01.10.1998 wurde AN erneut befragt und er gab am 13.10.98 an, eine Veränderung seines Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Auf weitere Nachfrage der Beklagten teilte AN mit, in den letzten zwei Jahren seines Beschäftigungsverhältnisses habe er krankheitsbedingte Fehlzeiten in Höhe von ca. 1 Woche wegen Bronchitis gehabt.

Mit Bescheid vom 01.03.1999 (Bl. 96 der Verwaltungsakte) verlangte die Beklagte von der Klägerin - nach Anhörung vom 27.01.1999 - Erstattung für den Zeitraum vom 01.08.1998 bis 30.09.1998 in Höhe von 11.089,43 DM.

Auf weitere Befragung des AN teilte dieser am 24.03.1999 mit, eine Veränderung seines Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Die gleiche Auskunft erteilte er am 07.05.1999.

Mit Bescheid vom 11.05.1999 (Bl. 122 der Verwaltungsakte) machte die Beklagte Erstattung für die Zeit vom 01.10. bis 31.12.1998 in Höhe von 16.783,27 DM geltend. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 21.05.1999 Widerspruch ein. Die Beklagte bestätigte den Eingang des Widerspruchs und übersandte der Klägerin Kopien der von AN erteilten Auskünfte.

Am 05.07.1999 teilte AN der Beklagten erneut mit, eine Veränderung seines Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Nach Anhörungen vom 05.07.1999 und 03.08.1999 verlangte die Beklagte mit Bescheid vom 03.11.1999 (Bl. 141 der Verwaltungsakte) von der Klägerin Erstattung für die Zeit vom 01.01. bis 28.06.1999 in Höhe von 32.797,42 DM. Auch gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2000 (Bl. 150 der Verwaltungsakte) hob die Beklagte den Grundlagenbescheid vom 02.12.1997 auf und setzte die Erstattungsforderung für die Zeit vom 17.08.1997 bis 28.06.1999 auf insgesamt 123.582,67 DM fest; im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Höhe der Erstattungsforderung sei zu korrigieren gewesen, da die Berechnung zum Bescheid vom 11.05.1999 die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie eine Nachzahlung des Arbeitslosengeldes nicht beachtet habe.

Am 14.03.2000 erhob die Klägerin hiergegen Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) und wandte sich insgesamt gegen ihre Erstattungspflicht für den Zeitraum vom 17.08.1997 bis 28.06.1999.

Das SG befragte AN nach Erkrankungen und dem Bezug von Sozialleistungen im Erstattungszeitraum. AN teilte mit, für seine Tätigkeit als Versuchsleiter (Tätigkeit als Teamleiter) sei eine volle geistige und körperliche Gesundheit Voraussetzung gewesen. Durch die Bronchitis und die eingeschränkte Funktion der Bauchspeicheldrüse habe er zeitweise erhöhte Temperatur durch Infektanfälligkeit sowie raschere Ermüdung verspürt. Der Arzt habe ihm nicht zur Arbeitsplatzaufgabe geraten, sondern die Lösung des Arbeitsverhältnisses über den Aufhebungsvertrag sei auf eigene Entscheidung hin erfolgt, da für ihn unsicher gewesen sei, wie sich die Probleme weiter entwickeln würden. Im Erstattungszeitraum vom 17.08.1997 bis 28.06.1999 sei er nicht krank gewesen. Ab September 1997 habe er ein Medikament zur Unterstützung der Funktion der Bauchspeicheldrüse eingenommen und dies sei bis jetzt erfolgt, wodurch er einen stabileren Gesundheitszustand erhalten habe. In ärztlicher Behandlung habe er bei Dr. Leisner/Dr. S. in Kirchheim gestanden.

Anschließend hörte das SG Dr. L.und Dr. S. als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. L.teilte dem SG am 04.07.2000 mit, er habe AN im genannten Zeitraum (17.08.1997 bis 28.06.1999) zweimal bei einer Sonographie (Ultraschalluntersuchung) der Bauchorgane untersucht. Beide Male seien außer einer Verfettung der Bauchspeicheldrüse keine relevanten pathologischen Befunde zu erheben gewesen. Weiteren Kontakt habe er - nach seinen Unterlagen zu urteilen - mit AN in diesem Zeitraum nicht gehabt. Infolgedessen könne er zu den vom SG gestellten Fragen keine weiteren Angaben machen und verweise auf das Schreiben seines Kollegen Dr. S ...

Dr. S. - Arzt für Allgemeinmedizin - teilte am 26.06.2000 mit, AN sei bei ihm seit dem 09.08.1994 in Behandlung. Seine Beschwerdeschilderungen seien seiner Ansicht nach ganz überwiegend Ausdruck eines somatisierten, zumindest mittelgradigen vital gestörten depressiven Syndroms, wobei seine Lebenssituation auch zu charakterisieren wäre durch ein schwieriges soziales Umfeld. AN habe ihn in regelmäßigen Abständen aufgesucht, wobei die Untersuchungen keine hinreichenden Hinweise für organisch fassbare Ursachen ergeben hätten. Da sich die Beschwerden des AN einander sehr ähnelten und immer auffallend nicht organisch zu verifizieren gewesen seien, habe er nicht immer sämtliche vorgetragenen Beschwerden im Einzelnen notiert. Aus diesem Grund falle es schwer, ganz konkret zu konkreten Zeiträumen Stellung zu nehmen. Er sei nie davon ausgegangen, dass AN in einem Arbeitsverhältnis stehe und könne sich nicht vorstellen, dass AN im genannten Zeitraum aufgrund der o.g. Diagnose in der Lage gewesen wäre, in nennenswerter Regelmäßigkeit einem Arbeitsverhältnis nachzugehen, wobei sicherlich eine nicht unerhebliche Diskrepanz zwischen der oberflächlich betrachteten Fassade des AN und seinem subjektiven Empfinden bestehe.

Auf weitere Nachfrage des SG teilte Dr. S. am 27.07.2000 mit, aus seiner Kenntnis des psychischen Zustandes und der Person des AN heraus würde er attestieren, dass AN über den gesamten Zeitraum als Teamleiter/Versuchsingenieur arbeitsunfähig gewesen sei. Einzelne Zeiträume anzugeben sei daher nicht sinnvoll. Die Diagnosen wären: somatoforme autonome Funktionsstörung; Zustand nach Abhängigkeitssyndrom durch Alkohol; Verdacht auf emotional instabile Persönlichkeitsstörung.

Auf Anfrage des SG teilte die Klägerin mit Schreiben vom 04.12.2000 die krankheitsbedingten, mit einer Arbeitsunfähigkeit verbundenen Fehltagen in den letzten Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses mit. Danach sei AN 1995 an 1 Arbeitstag, 1996 an 2 Arbeitstagen und 1997 an 0 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank gewesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.06.2002 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des der Klägerin am 16.07.2002 zugestellten Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.

Am 14.08.2002 hat die Klägerin Berufung eingelegt (L 8 AL 3029/02) und diese mit Schreiben vom 12.08.2002 (Bl 1 bis 32 der Akte L 8 AL 3029/02) ausführlich begründet.

Der Senat hat Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat mit seinem Schreiben vom 09.12.2002 mitgeteilt, im Zeitraum vom 17.08.1997 bis 28.06.1999 habe er AN, da keine Änderung der Beschwerden vorgelegen habe, nicht weiter untersucht und Befunde erhoben, sondern lediglich gesprächsweise psychosozial betreut. Zwei Ultraschalluntersuchungen bei Dr. L.hätten keine Auffälligkeiten ergeben. Der Senat hat außerdem AN schriftlich als Zeugen zu Erkrankungen, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und zu Sozialleistungen befragt. Dieser hat mitgeteilt, in dem Zeitraum vom 17.08.1997 bis 28.06.1999 habe er an stark reduzierter Funktion der Bauchspeicheldrüse, an Bronchitis, Nasen- bzw. Rachenentzündungen (Nebenhöhlenvereiterungen) gelitten und sei in Behandlung bei Dr. S./Dr. L.sowie dem HNO-Arzt Dr. S. gewesen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe er nicht beantragt, da er in diesem Zeitraum ohne Arbeit gewesen sei.

Mit Beschluss vom 27.02.2004 hat der Senat das Verfahren ausgesetzt, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. Nach Ergehen dieser Entscheidung ist das Verfahren wieder fortgesetzt worden (L 8 AL 4435/05).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Juni 2002 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. April 1997, 15. Juni 1998, 10. September 1998, 1. März 1999, 11. Mai 1999 und 3. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Im Erörterungstermin vom 29.09.2006 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG sowie die AN betreffende Leistungsakte des AA Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind rechtmäßig. Der Beklagten stehen die geltend gemachten Erstattungsansprüche zu.

Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten sind formell rechtmäßig.

Die Beklagte hat die Klägerin vor Erlass der angefochtenen Bescheide jeweils angehört. Die Anhörung ist auch ordnungsgemäß gewesen. Im Rahmen der Anhörung muss das AA der Klägerin nur die Gelegenheit einräumen, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen zu äußern. In den Anhörungsschreiben sind der Erstattungszeitraum, die AN erbrachten Leistungen sowie die Voraussetzungen, unter denen die Erstattungspflicht nicht eintritt, jeweils aufgeführt worden.

Die Entscheidungen der Beklagten sind auch materiell rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 128 AFG (idF des Gesetzes zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18.12.1992, BGBl I 2044), der gemäß § 431 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 242x Abs. 6 und Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AFG (jeweils idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594) hier anzuwenden ist, weil AN innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage vor dem 01.04.1997 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat (vgl. BSG 20.06.2002 - B 7 AL 8/01 R - juris).

Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der BA vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn der am 17.08.1939 geborene AN war von 1966 bis 29.03.1997 bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beitragspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde auch nicht vor Vollendung des 56. Lebensjahres (am 16.08.1995) des Arbeitslosen beendet (§ 128 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 1 1. Alternative AFG). Umgekehrt ist gemäß § 431 Abs. 2 SGB III hier die Nachfolgevorschrift § 147 a SGB III noch nicht anwendbar, weil sowohl der Anspruch auf Alg vor dem 01.04.1999 entstanden wie auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor dem 10.02.1999 vereinbart worden ist.

Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 4 AFG genannten Leistungen - dazu zählen u.a. Krankengeld und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 128 Abs. 1 S. 2 AFG). Eine Erstattungspflicht entfällt ferner, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG), er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG) oder er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs. 1 S.2 Nr. 5 AFG). Soweit Alg zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ein (§ 128 Abs. 4 AFG).

Nach dem Ergebnis der vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen sowie unter Berücksichtigung der im Verwaltungsverfahren von der Beklagten vorgenommenen Sachverhaltsaufklärung war AN in der Zeit von August 1997 bis Juni 1999 noch in der Lage, seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Versuchsingenieur vollschichtig zu verrichten. Damit war er weder arbeitsunfähig noch berufsunfähig noch erwerbsunfähig und hatte deshalb keinen Anspruch auf Krankengeld oder Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Dies hat das SG zutreffend entschieden. Der Senat schließt sich dieser Bewertung an.

Aus der Beurteilung von Dr. S. (u.a. Schreiben vom 27.07.2000) lässt sich nicht ableiten, dass AN während des Erstattungszeitraumes arbeitsunfähig krank bzw. erwerbsgemindert gewesen wäre. Denn zu berücksichtigen ist, dass AN von Dr. S. während des Erstattungszeitraumes nicht untersucht worden ist. Dr. S. hat deshalb auch keine Befunde erhoben, wie er dies in seinem Schreiben vom 09.12.2002 an den Senat ausdrücklich mitgeteilt hat. Außerdem hat Dr. S. darauf hingewiesen, dass keine Änderung, insbesondere keine Verschlimmerung in der Zeit nach Beendigung der Arbeitstätigkeit bei AN eingetreten sei. Daraus und aus dem Umstand, dass Dr. S. AN seit 1994 - und damit auch noch mehrere Jahre hindurch, als AN beschäftigt gewesen ist - gekannt und untersucht hat, ihn aber nie arbeitsunfähig krank geschrieben hat, ergibt sich die Schlussfolgerung, dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der AN im Erstattungszeitraum (17.08.1997 bis 28.06.1999) arbeitsunfähig krank oder erwerbsgemindert gewesen ist. Hinzu kommt, dass nach Angaben des AN dieser nach fachärztlicher Untersuchung ab September 1997 ein neues Medikament zur Unterstützung der Funktion der Bauchspeicheldrüse verschrieben bekommen hat, das ihm "einen stabileren Gesundheitszustand bis heute" (Angaben des AN vom 26.05.2000) - also über den gesamten Erstattungszeitraum - gebracht hat. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der AN im Erstattungszeitraum keinen Anspruch auf eine alternative Sozialleistung gehabt hat, aufgrund derer die Erstattungspflicht der Beklagten hätte entfallen können.

Die Regelung des §128 AFG in der hier maßgeblichen Fassung ist nach Ansicht des Senats mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Die diesbezüglichen Angriffe der Klägerin gegen diese Regelung sind spätestens mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.09.2005 - 1 BvR 620/01 - (NZA 2005, 1401) obsolet geworden. Das BVerfG hat insbesondere auch klargestellt, dass der Umstand, dass der frühere Arbeitnehmer Alg unter den erleichterten Voraussetzungen des § 105c AFG erhalten hat, die besondere Verantwortung des Arbeitsgebers für dessen Arbeitslosigkeit nicht entfallen lässt. Das BVerfG hat ferner die Rechtsprechung des BSG, wonach § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar ist, ebenfalls als mit dem GG vereinbar erklärt. Damit scheidet ein Wegfall der Erstattungspflicht der Klägerin nach der genannten Bestimmung sowie auch nach § 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG im vorliegenden Fall aus. Denn die Klägerin und AN haben das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags aufgelöst.

Die Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Einwände gegen die von der Beklagten vorgenommene Berechnung hat die Klägerin nicht vorgetragen. Auch ist der Senat davon überzeugt, dass AN die Leistungen, die sie Erstattungszeitraum von der Beklagten erhalten hat, nach Grund und Höhe zu Recht bezogen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung, da die Klage bereits am 14.03.2000 erhoben worden und der Rechtsstreit damit vor dem In-Kraft-Treten des 6. SGGÄndG vom 17.08.2001 (BGBl I S. 2144) am 02.01.2002 rechtshängig geworden ist (Art 17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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