Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 P 4587/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 3194/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) vom 01. April 2004 bis 10. September 2005 zusteht.
Der am 1958 geborene verheiratete Kläger, der Vater von drei Kindern ist, ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er war als Gabelstaplerfahrer tätig. Am 09. Februar 2004 erlitt er einen linkshirnigen Mediainsult mit armbetonter Hemiparese rechts. Nach der stationären Akutbehandlung im Krankenhaus W.-T. wurde der Kläger zunächst vom 19. Februar bis 01. April 2004 stationär in den Kliniken S. (Neurologisches Fach- und Rehabilitationskrankenhaus) in G. weiterbehandelt (vgl. Arztbrief des Facharztes für Neurologie, Sozialmedizin - Rehabilitationswesen Dr. R. vom 30. März 2004). Nach ambulanter Fortführung von Physiotherapie, Bobath-Kursen sowie Ergo- und Sprachtherapie und stationären Behandlungen vom 19. bis 22. August 2004 im Fachkrankenhaus St. B. (Arztbrief des Chefarztes Dr. D. vom 12. Oktober 2004) sowie vom 23. bis 30. Dezember 2004 im Spital W. (Arztbrief des Chefarztes der Abteilung Innere Medizin Dr. J. vom 28. Januar 2005) fand erneut eine stationäre Behandlung in den Kliniken S. vom 08. August bis 10. September 2005 (Arztbrief des Dr. R. vom 07. Oktober 2005) statt. Seit 01. März 2004 bezog der Kläger Krankengeld. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg gewährt ihm seit 01. November 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seit 25. März 2004 besteht beim Kläger nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 bei gleichzeitiger Anerkennung des Merkzeichens G (Bescheid des Landratsamts Waldshut vom 05. April 2005).
Am 28. April 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Er reichte eine "Hilfebedarfsermittlung der grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Verrichtungen" vom 27. April 2004 ein. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung, die am 01. Juli 2004 durch die Pflegefachkraft We. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in W. durchgeführt wurde. Im Gutachten vom 27. Juli 2004 führte die Gutachterin aus, der Kläger könne ohne Hilfe selbstständig gehen; bei bestehender Schwäche der rechten Hand benötige er Teilhilfe bei pflegerischen Verrichtungen. Sie stellte einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt 34 Minuten pro Tag fest, und zwar 18 Minuten für die Körperpflege, neun Minuten für die Ernährung und sieben Minuten für die Mobilität. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03. August 2004 die Leistungsgewährung ab, weil die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vorlägen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er bedürfe schon morgens nach dem Aufstehen Hilfe. Er sei nicht in der Lage, die alltägliche Hygiene allein zu bewältigen. Hilfe sei erforderlich beim Waschen, beim Duschen oder beim Baden. Er sei auch nicht in der Lage, sich allein auszuziehen. Die notwendige Kraft, sich die Hosen anzuziehen oder einen Pullover über den Kopf zu ziehen, habe er nicht. Er könne auch einen Reißverschluss ebenso wenig selbstständig zubekommen wie Hosen- oder Hemdknöpfe. Er benötige Hilfe beim Einnehmen der Mahlzeiten, da er Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Kartoffeln nicht selbst mit dem Messer schneiden könne. Selbst das Anheben einer Tasse bereite ihm solche Mühe, dass er dazu die linke Hand benutzen müsse. Er sei ausschließlich Rechtshänder. Die Beklagte veranlasste die erneute Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung, die nun am 27. September 2004 durch die Pflegefachkraft D. vom MDK in W.-T. durchgeführt wurde. Im daraufhin erstatteten Gutachten vom 28. September 2004 wurde ausgeführt, beim Kläger sei die linke Körperhälfte gut beweglich. Es bestehe eine Halbseitenschwäche rechts, vor allem Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich. Rechts sei der Faustschluss nicht komplett möglich, die rechte Hand könne aber bewegt werden. Auch der rechte Arm könne angehoben werden. Der Nackengriff sei rechts aber nicht komplett. In der rechten Körperhälfte einschließlich des Gesichts bestünden Gefühlsstörungen. Das Aufstehen erfolge selbstständig; auch das Gehen sei in der Wohnung ohne Hilfsmittel und ohne wesentliche Auffälligkeiten möglich. Die Gutachterin schätzte den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit insgesamt 31 Minuten pro Tag ein, nämlich 15 Minuten bei der Körperpflege, neun Minuten bei der Ernährung und sieben Minuten bei der Mobilität. Der Widerspruch des Klägers blieb danach erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 30. November 2004, der dem Kläger am 02. Dezember 2004 zugestellt wurde).
Deswegen erhob der Kläger am 27. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg. Er machte geltend, morgens bestehe bei ihm für die Grundpflege schon ein Hilfebedarf von mindestens 30 Minuten, nämlich für Duschen, Zahnpflege, Wasserlassen/Stuhlgang, Ankleiden, Kämmen und Rasieren, und abends ein solcher von mindestens 20 Minuten, nämlich für Entkleiden, WC, Zahnpflege und Einnahme von Tabletten. Für die mundgerechte Zubereitung der Ernährung seien ebenfalls morgens, mittags und abends 30 Minuten erforderlich. Die notwendigen Verrichtungen könnten nicht im Schnellverfahren abgewickelt werden. Allein das Duschen mit nachfolgendem Abtrocknen dauere morgens mindestens 15 Minuten. Das Waschen dann abends dauere 10 Minuten. Für das An- und Entkleiden kämen noch mindestens zehn Minuten pro Tag hinzu. Ferner erfordere die Hilfe beim Stuhlgang/Wasserlassen morgens und abends, bei der Zahnpflege ebenfalls morgens und abends sowie beim Kämmen nochmals 15 Minuten. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Das SG erhob ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. Gr. vom 20. April 2005 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. November 2005; der Sachverständige stellte beim Kläger einen täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt 33 Minuten (Körperpflege 19 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität acht Minuten) fest. Dagegen erhob der Kläger Einwendungen (vgl. Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2005 und vom 07. Februar 2006).
Das SG wies mit Urteil vom 10. Mai 2006 die Klage ab. Es führte aus, ein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten für die Grundpflege sei nicht feststellbar. Auch wenn im Hinblick auf die Schätzung des Sachverständigen Dr. Gr. die Notwendigkeit der Korrektur gewisser Zeitansätze nach oben bestehe, ergebe sich höchstens eine Grundpflegezeit von 41 Minuten pro Tag. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Mai 2006 zugestellten Urteils Bezug genommen.
Dagegen hat der Kläger am 23. Juni 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, die Voraussetzungen der Pflegestufe I hätten jedenfalls bis 10. September 2005 vorgelegen. Denn bis zur damaligen Entlassung aus der zweiten Behandlung in den Kliniken S. sei er mit der rechten Hand noch stark behindert gewesen. Erst dann sei die Hypästhesie im Bereich des rechten Armes sowie die Sensibilitätsstörung im Bereich der restlichen rechten Körperhälfte zurückgegangen, weshalb es zu einer Verbesserung der koordinativen Leistungen sowie der Feinmotorik der rechten Hand gekommen sei. In der streitigen Zeit habe seine Ehefrau für die Hilfe 105 Minuten pro Tag benötigt. Zwar habe das SG die Zeitvorgaben des Sachverständigen Dr. Gr. korrigiert, jedoch nicht den Mut gefunden, den bei ihm tatsächlich vorhandenen Zeitbedarf in Ansatz zu bringen. Für die Nassrasur bei ihm als Rechtshänder müsse ein Hilfebedarf von täglich zehn Minuten angesetzt werden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass er täglich zweimal die Toilette habe aufsuchen müssen, nicht jedoch nur einmal. Auch für das An- und Auskleiden müsse ein täglicher Zeitaufwand von zwölf Minuten angesetzt werden, die auch der Gesetzgeber vorgebe. Ebenfalls sei ein Zeitaufwand von zehn Minuten geboten gewesen, soweit es um die mundgerechte Zubereitung der Mahlzeiten gegangen sei. Erst ab 11. September 2005 könne eine Reduzierung des Hilfebedarfs bejaht werden. Der Kläger hat verschiedene Unterlagen eingereicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2004 zu verurteilen, ihm vom 01. April 2004 bis 10. September 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.
Der Berichterstatter des Senats hat schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. D. vom 24. August 2006 sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. O. vom 06. September 2006 eingeholt und ferner die den Kläger betreffenden Renten- und Rehabilitationsakten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Dem Kläger steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, für die hier im Hinblick auf den auf diese Zeit eingeschränkten Leistungsantrag im Berufungsverfahren streitige Zeit vom 01. April 2004 bis 10. September 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I nicht zu, weil die Voraussetzungen der Pflegestufe I nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 SGB XI nicht vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 03. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2004 ist insoweit nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Der Kläger hat im Berufungsverfahren sein Leistungsbegehren auf die Zeit bis zum 10. September 2005 (Ende der zweiten stationären Rehabilitationsbehandlung in den Kliniken S.) beschränkt. Auch der Senat vermag im Hinblick einerseits auf die Gutachten der Pflegefachkräfte We. (Untersuchung am 01. Juli 2004) vom 27. Juli 2004 und D. (Untersuchung am 27. September 2004) vom 28. September 2004 und andererseits auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Gr. (Untersuchung am 02. März 2005) vom 20. April 2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. November 2005 nicht festzustellen, dass bis zum 10. September 2005 noch ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten pro Tag vorgelegen hat. Denn keiner der Gutachter bzw. Sachverständiger hat einen Hilfebedarf in diesem Umfang festgestellt. Dieser Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten pro Tag ergibt sich auch nicht, wenn, wie vom SG angenommen, noch ein weiterer Zeitbedarf von allenfalls acht Minuten pro Tag zu dem vom Sachverständigen Dr. Gr. festgestellten Hilfebedarf von 33 Minuten addiert wird. Dabei stellt der Senat durchaus auch in Rechnung, dass der Kläger beim Einsatz des rechten Armes und der rechten Hand im täglichen Leben ab 01. April 2004 noch deutlich reduziert war. Der Senat berücksichtigt jedoch, dass auch Dr. Gr. darauf hingewiesen hat, dass es beim Kläger nur zu einer inkompletten Lähmung gekommen war. Von einer völligen Funktionslosigkeit des rechten Armes und der rechten Hand, wie sie bei der Aufnahme in den Kliniken S. am 19. Februar 2004 bestanden hatte, konnte schon am 01. April 2004 nach dem Arztbrief des Dr. R. vom 30. März 2004 nicht mehr ausgegangen werden. Zu Unrecht geht der Kläger auch davon aus, dass die Richtwerte der Begutachtungs-Richtlinien jeweils auch dann in voller Höhe angesetzt bzw. ausgeschöpft werden müssten, wenn es bei ihm nicht um die volle Übernahme einer Verrichtung, wie beispielsweise beim An- und Auskleiden sowie beim Rasieren geht. Die Befragungen der behandelnden Ärzte im Berufungsverfahren haben auch keine Bestätigung dafür ergeben, dass der Kläger in der streitigen Zeit wöchentliche Arztbesuche hat durchführen müssen, bei denen er der Begleitung bedurft hätte.
Die Feststellung eines bestimmten GdB nach dem SGB XI sagt auch nichts über das Vorliegen einer Pflegestufe aus. Mithin ergibt sich die Bejahung der Pflegestufe I hier in der streitigen Zeit nicht daraus, dass beim Kläger aufgrund des Bescheids des Landratsamts Waldshut vom 05. April 2005 seit 25. März 2004 ein GdB von 90 wegen Schlaganfallfolgen, Halbseitenlähmung rechts, Sprechstörung, Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, seelische Störung, Herzrhythmusstörungen und chronische Magenschleimhautentzündung festgestellt und das Merkzeichen G anerkannt ist. Die Bejahung der Pflegestufe I ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg seit 01. November 2004, also auch im streitigen Zeitraum, Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Auch insoweit haben das Vorliegen voller Erwerbsminderung im Sinne des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) sowie erhebliche Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI unterschiedliche Voraussetzungen.
Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens, das sich auch nur auf die Zeit bis zum 10. September 2005 hätte beziehen können, war nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob dem Kläger Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) vom 01. April 2004 bis 10. September 2005 zusteht.
Der am 1958 geborene verheiratete Kläger, der Vater von drei Kindern ist, ist bei der Beklagten pflegeversichert. Er war als Gabelstaplerfahrer tätig. Am 09. Februar 2004 erlitt er einen linkshirnigen Mediainsult mit armbetonter Hemiparese rechts. Nach der stationären Akutbehandlung im Krankenhaus W.-T. wurde der Kläger zunächst vom 19. Februar bis 01. April 2004 stationär in den Kliniken S. (Neurologisches Fach- und Rehabilitationskrankenhaus) in G. weiterbehandelt (vgl. Arztbrief des Facharztes für Neurologie, Sozialmedizin - Rehabilitationswesen Dr. R. vom 30. März 2004). Nach ambulanter Fortführung von Physiotherapie, Bobath-Kursen sowie Ergo- und Sprachtherapie und stationären Behandlungen vom 19. bis 22. August 2004 im Fachkrankenhaus St. B. (Arztbrief des Chefarztes Dr. D. vom 12. Oktober 2004) sowie vom 23. bis 30. Dezember 2004 im Spital W. (Arztbrief des Chefarztes der Abteilung Innere Medizin Dr. J. vom 28. Januar 2005) fand erneut eine stationäre Behandlung in den Kliniken S. vom 08. August bis 10. September 2005 (Arztbrief des Dr. R. vom 07. Oktober 2005) statt. Seit 01. März 2004 bezog der Kläger Krankengeld. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg gewährt ihm seit 01. November 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seit 25. März 2004 besteht beim Kläger nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) ein Grad der Behinderung (GdB) von 90 bei gleichzeitiger Anerkennung des Merkzeichens G (Bescheid des Landratsamts Waldshut vom 05. April 2005).
Am 28. April 2004 beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen der Pflegeversicherung. Er reichte eine "Hilfebedarfsermittlung der grundpflegerischen und hauswirtschaftlichen Verrichtungen" vom 27. April 2004 ein. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung, die am 01. Juli 2004 durch die Pflegefachkraft We. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in W. durchgeführt wurde. Im Gutachten vom 27. Juli 2004 führte die Gutachterin aus, der Kläger könne ohne Hilfe selbstständig gehen; bei bestehender Schwäche der rechten Hand benötige er Teilhilfe bei pflegerischen Verrichtungen. Sie stellte einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt 34 Minuten pro Tag fest, und zwar 18 Minuten für die Körperpflege, neun Minuten für die Ernährung und sieben Minuten für die Mobilität. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 03. August 2004 die Leistungsgewährung ab, weil die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht vorlägen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er bedürfe schon morgens nach dem Aufstehen Hilfe. Er sei nicht in der Lage, die alltägliche Hygiene allein zu bewältigen. Hilfe sei erforderlich beim Waschen, beim Duschen oder beim Baden. Er sei auch nicht in der Lage, sich allein auszuziehen. Die notwendige Kraft, sich die Hosen anzuziehen oder einen Pullover über den Kopf zu ziehen, habe er nicht. Er könne auch einen Reißverschluss ebenso wenig selbstständig zubekommen wie Hosen- oder Hemdknöpfe. Er benötige Hilfe beim Einnehmen der Mahlzeiten, da er Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Kartoffeln nicht selbst mit dem Messer schneiden könne. Selbst das Anheben einer Tasse bereite ihm solche Mühe, dass er dazu die linke Hand benutzen müsse. Er sei ausschließlich Rechtshänder. Die Beklagte veranlasste die erneute Untersuchung des Klägers in seiner häuslichen Umgebung, die nun am 27. September 2004 durch die Pflegefachkraft D. vom MDK in W.-T. durchgeführt wurde. Im daraufhin erstatteten Gutachten vom 28. September 2004 wurde ausgeführt, beim Kläger sei die linke Körperhälfte gut beweglich. Es bestehe eine Halbseitenschwäche rechts, vor allem Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich. Rechts sei der Faustschluss nicht komplett möglich, die rechte Hand könne aber bewegt werden. Auch der rechte Arm könne angehoben werden. Der Nackengriff sei rechts aber nicht komplett. In der rechten Körperhälfte einschließlich des Gesichts bestünden Gefühlsstörungen. Das Aufstehen erfolge selbstständig; auch das Gehen sei in der Wohnung ohne Hilfsmittel und ohne wesentliche Auffälligkeiten möglich. Die Gutachterin schätzte den Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege mit insgesamt 31 Minuten pro Tag ein, nämlich 15 Minuten bei der Körperpflege, neun Minuten bei der Ernährung und sieben Minuten bei der Mobilität. Der Widerspruch des Klägers blieb danach erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 30. November 2004, der dem Kläger am 02. Dezember 2004 zugestellt wurde).
Deswegen erhob der Kläger am 27. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg. Er machte geltend, morgens bestehe bei ihm für die Grundpflege schon ein Hilfebedarf von mindestens 30 Minuten, nämlich für Duschen, Zahnpflege, Wasserlassen/Stuhlgang, Ankleiden, Kämmen und Rasieren, und abends ein solcher von mindestens 20 Minuten, nämlich für Entkleiden, WC, Zahnpflege und Einnahme von Tabletten. Für die mundgerechte Zubereitung der Ernährung seien ebenfalls morgens, mittags und abends 30 Minuten erforderlich. Die notwendigen Verrichtungen könnten nicht im Schnellverfahren abgewickelt werden. Allein das Duschen mit nachfolgendem Abtrocknen dauere morgens mindestens 15 Minuten. Das Waschen dann abends dauere 10 Minuten. Für das An- und Entkleiden kämen noch mindestens zehn Minuten pro Tag hinzu. Ferner erfordere die Hilfe beim Stuhlgang/Wasserlassen morgens und abends, bei der Zahnpflege ebenfalls morgens und abends sowie beim Kämmen nochmals 15 Minuten. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Das SG erhob ein Sachverständigengutachten des Facharztes für Allgemeinmedizin und Innere Medizin Dr. Gr. vom 20. April 2005 mit einer ergänzenden Stellungnahme vom 15. November 2005; der Sachverständige stellte beim Kläger einen täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von insgesamt 33 Minuten (Körperpflege 19 Minuten, Ernährung sechs Minuten, Mobilität acht Minuten) fest. Dagegen erhob der Kläger Einwendungen (vgl. Schriftsätze seines Prozessbevollmächtigten vom 28. Juni 2005 und vom 07. Februar 2006).
Das SG wies mit Urteil vom 10. Mai 2006 die Klage ab. Es führte aus, ein Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten für die Grundpflege sei nicht feststellbar. Auch wenn im Hinblick auf die Schätzung des Sachverständigen Dr. Gr. die Notwendigkeit der Korrektur gewisser Zeitansätze nach oben bestehe, ergebe sich höchstens eine Grundpflegezeit von 41 Minuten pro Tag. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Mai 2006 zugestellten Urteils Bezug genommen.
Dagegen hat der Kläger am 23. Juni 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Er trägt vor, die Voraussetzungen der Pflegestufe I hätten jedenfalls bis 10. September 2005 vorgelegen. Denn bis zur damaligen Entlassung aus der zweiten Behandlung in den Kliniken S. sei er mit der rechten Hand noch stark behindert gewesen. Erst dann sei die Hypästhesie im Bereich des rechten Armes sowie die Sensibilitätsstörung im Bereich der restlichen rechten Körperhälfte zurückgegangen, weshalb es zu einer Verbesserung der koordinativen Leistungen sowie der Feinmotorik der rechten Hand gekommen sei. In der streitigen Zeit habe seine Ehefrau für die Hilfe 105 Minuten pro Tag benötigt. Zwar habe das SG die Zeitvorgaben des Sachverständigen Dr. Gr. korrigiert, jedoch nicht den Mut gefunden, den bei ihm tatsächlich vorhandenen Zeitbedarf in Ansatz zu bringen. Für die Nassrasur bei ihm als Rechtshänder müsse ein Hilfebedarf von täglich zehn Minuten angesetzt werden. Ferner sei zu berücksichtigen, dass er täglich zweimal die Toilette habe aufsuchen müssen, nicht jedoch nur einmal. Auch für das An- und Auskleiden müsse ein täglicher Zeitaufwand von zwölf Minuten angesetzt werden, die auch der Gesetzgeber vorgebe. Ebenfalls sei ein Zeitaufwand von zehn Minuten geboten gewesen, soweit es um die mundgerechte Zubereitung der Mahlzeiten gegangen sei. Erst ab 11. September 2005 könne eine Reduzierung des Hilfebedarfs bejaht werden. Der Kläger hat verschiedene Unterlagen eingereicht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10. Mai 2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2004 zu verurteilen, ihm vom 01. April 2004 bis 10. September 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.
Der Berichterstatter des Senats hat schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. D. vom 24. August 2006 sowie des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. O. vom 06. September 2006 eingeholt und ferner die den Kläger betreffenden Renten- und Rehabilitationsakten der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten, die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet.
Dem Kläger steht, wie das SG zutreffend entschieden hat, für die hier im Hinblick auf den auf diese Zeit eingeschränkten Leistungsantrag im Berufungsverfahren streitige Zeit vom 01. April 2004 bis 10. September 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I nicht zu, weil die Voraussetzungen der Pflegestufe I nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 SGB XI nicht vorliegen. Der Bescheid der Beklagten vom 03. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2004 ist insoweit nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Der Kläger hat im Berufungsverfahren sein Leistungsbegehren auf die Zeit bis zum 10. September 2005 (Ende der zweiten stationären Rehabilitationsbehandlung in den Kliniken S.) beschränkt. Auch der Senat vermag im Hinblick einerseits auf die Gutachten der Pflegefachkräfte We. (Untersuchung am 01. Juli 2004) vom 27. Juli 2004 und D. (Untersuchung am 27. September 2004) vom 28. September 2004 und andererseits auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Gr. (Untersuchung am 02. März 2005) vom 20. April 2005 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. November 2005 nicht festzustellen, dass bis zum 10. September 2005 noch ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten pro Tag vorgelegen hat. Denn keiner der Gutachter bzw. Sachverständiger hat einen Hilfebedarf in diesem Umfang festgestellt. Dieser Hilfebedarf von mehr als 45 Minuten pro Tag ergibt sich auch nicht, wenn, wie vom SG angenommen, noch ein weiterer Zeitbedarf von allenfalls acht Minuten pro Tag zu dem vom Sachverständigen Dr. Gr. festgestellten Hilfebedarf von 33 Minuten addiert wird. Dabei stellt der Senat durchaus auch in Rechnung, dass der Kläger beim Einsatz des rechten Armes und der rechten Hand im täglichen Leben ab 01. April 2004 noch deutlich reduziert war. Der Senat berücksichtigt jedoch, dass auch Dr. Gr. darauf hingewiesen hat, dass es beim Kläger nur zu einer inkompletten Lähmung gekommen war. Von einer völligen Funktionslosigkeit des rechten Armes und der rechten Hand, wie sie bei der Aufnahme in den Kliniken S. am 19. Februar 2004 bestanden hatte, konnte schon am 01. April 2004 nach dem Arztbrief des Dr. R. vom 30. März 2004 nicht mehr ausgegangen werden. Zu Unrecht geht der Kläger auch davon aus, dass die Richtwerte der Begutachtungs-Richtlinien jeweils auch dann in voller Höhe angesetzt bzw. ausgeschöpft werden müssten, wenn es bei ihm nicht um die volle Übernahme einer Verrichtung, wie beispielsweise beim An- und Auskleiden sowie beim Rasieren geht. Die Befragungen der behandelnden Ärzte im Berufungsverfahren haben auch keine Bestätigung dafür ergeben, dass der Kläger in der streitigen Zeit wöchentliche Arztbesuche hat durchführen müssen, bei denen er der Begleitung bedurft hätte.
Die Feststellung eines bestimmten GdB nach dem SGB XI sagt auch nichts über das Vorliegen einer Pflegestufe aus. Mithin ergibt sich die Bejahung der Pflegestufe I hier in der streitigen Zeit nicht daraus, dass beim Kläger aufgrund des Bescheids des Landratsamts Waldshut vom 05. April 2005 seit 25. März 2004 ein GdB von 90 wegen Schlaganfallfolgen, Halbseitenlähmung rechts, Sprechstörung, Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, seelische Störung, Herzrhythmusstörungen und chronische Magenschleimhautentzündung festgestellt und das Merkzeichen G anerkannt ist. Die Bejahung der Pflegestufe I ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger von der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg seit 01. November 2004, also auch im streitigen Zeitraum, Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Auch insoweit haben das Vorliegen voller Erwerbsminderung im Sinne des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) sowie erhebliche Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI unterschiedliche Voraussetzungen.
Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens, das sich auch nur auf die Zeit bis zum 10. September 2005 hätte beziehen können, war nicht geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
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