L 10 U 377/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 377/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens L 10 U 4766/04, mit welchem der Kläger die Anerkennung und Entschädigung seiner Gesundheitsbeeinträchtigungen als Berufskrankheit (BK) bzw. als Folgen eines Arbeitsunfalls begehrte.

Der am 1955 geborene Kläger war bis 30. Juni 2003 als Betriebs- und Schichtschlosser bei der Firma BC C. P. T. GmbH (später: ETIMEX Technical Components GmbH) in R. beschäftigt. Mit Telefax vom 12. Mai 2000 teilte er der Beklagten mit, dass er am 9. Mai 2000 nach dem Reinigen eines Speicherkopfes einer Blasmaschine in einem schlecht belüfteten Raum bei 250º Celsius das Gleichgewicht verloren und bewusstlos wegen eines Kreislaufzusammenbruchs zu Boden gefallen sei. Telefonisch gab der Kläger an, er leide unter einer vergrößerten Leber, Vergesslichkeit, Atembeschwerden sowie Schwindelerscheinungen und Ohnmacht. Nach dem Wechseln der Blasköpfe sei er jedes mal bis zu sechs Wochen krank gewesen. Während seiner Betriebszugehörigkeit habe er schon mehrere Kreislaufzusammenbrüche gehabt.

Die Beklagte nahm Ermittlungen auf, befragte die behandelnden Ärzte, ließ den Arbeitsplatz des Klägers durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) besichtigen sowie den Kläger und Mitarbeiter befragen und holte ein Gutachten bei Prof. Dr. H. , Facharzt für Arbeits- und Sozialmedizin, ein (keine Gesundheitsstörung im Zusammenhang mit dem Vorfall im Mai 2000 objektivierbar; keine BK). Mit Bescheid vom 26. September 2001 und Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2001 lehnte die Beklagte es ab, eine BK nach Nr. 1201, 1302, 1317, 4301, 4302 und 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen und hierfür sowie nach § 3 BKV Leistungen zu erbringen.

Auf seine hiergegen gerichtete Klage bei dem Sozialgericht Ulm (S 3 U 690/02) wurden sachverständige Zeugenaussagen der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Kläger legte eine Vielzahl weiterer ärztlicher Unterlagen in Kopie vor. Der Toxikologe Prof. Dr. W. erstattete auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten (BK Nr. 1302 wahrscheinlich) mit Zusatzgutachten des Lungenarztes Dr. S ... Die Beklagte legte Stellungnahmen von Dr. L. (TAD) vor (keine geeignete Exposition gegenüber schädigenden Berufstoffen der BK Nr. 1302 nachweisbar). Mit Urteil vom 20. Oktober 2004 wies das Sozialgericht die Klage ab. Eine BK der Nrn. 1201, 1317, 4301, 4302 und 5101 scheide mangels nachgewiesener Erkrankung aus; für eine BK Nr. 1302 fehle die geeignete Exposition.

Die hiergegen eingelegte Berufung wies der Senat mit Beschluss vom 15. Februar 2005 (L 10 U 4766/04) - im Wesentlichen aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung - zurück. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wurde mit Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juni 2005 (B 2 U 75/05 B) als unzulässig verworfen.

Am 18. Januar 2007 hat der Kläger die Wiederaufnahme der Klage beantragt. Der Beschluss vom 15. Februar 2005 sei in verleumderischer Art und Weise sowie Befangenheit der Richter ohne Rücksicht auf geltende internationale Menschenrechte ohne mündliche Verhandlung abgewiesen worden. Das Landesversorgungsamt habe seine Behinderung (mit einem Grad der Behinderung - GdB - von 40 v. H.) anerkannt.

Der Kläger hat ein Attest des Arztes für Allgemeinmedizin S. sowie weitere ärztliche und sonstige Unterlagen in Kopie vorgelegt.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Beschluss des Senats vom 15. Februar 2005 aufzuheben, das Berufungsverfahren wieder aufzunehmen, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 26. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Dezember 2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung seiner gesundheitlichen Beschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 1201, 1302, 1317, 4301, 4302 und 5101 der Anlage zur BKV und unter Anerkennung des Vorfalles vom 9. Mai 2000 als Arbeitsunfall die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 20. Oktober 2004 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage auf Wiederaufnahme, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist bereits unzulässig, da kein Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet worden ist.

Ein rechtskräftig beendetes Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden (§ 179 Abs. 1 SGG ).

Gemäß § 578 Abs. 1 ZPO kann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens durch die Restitutionsklage (§ 580 ZPO) und die Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) erfolgen. § 578 Abs. 1 ZPO erfasst auch Beschlüsse (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 179 Rdnr. 3). Der hier angefochtene Beschluss des Senats vom 15. Februar 2005 ist mit der Verwerfung der Nichtzulassung der Revision durch das BSG rechtskräftig geworden. Da dieser Beschluss mit der Wiederaufnahmeklage angegriffen wird, ist das Landessozialgericht für die Klage auf Wiederaufnahme zuständig (§ 584 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO).

Nach § 579 Abs. 1 ZPO findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (Nr. 2), wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) und wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4). In den Fällen der Nr. 1 und 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte (§ 579 Abs. 2 ZPO).

Nach § 580 ZPO findet die Restitutionsklage statt, wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat (Nr. 1), wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war (Nr. 2), wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat (Nr. 3), wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist (Nr. 4), wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat (Nr. 5), wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist (Nr. 6) sowie wenn die Partei ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil (Nr. 7 Buchst. a) oder eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde (Nr. 7 Buchst. b). In den Fällen des § 580 Nr. 1 bis 5 ZPO findet die Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann (§ 581 Abs. 1 ZPO).

Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist (vgl. § 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Fehlt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (Satz 2 der Vorschrift).

Zur Statthaftigkeit der Klage gehört auch, dass der Kläger das Vorliegen eines zulässigen Wiederaufnahmegrundes schlüssig behauptet hat (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Juli 2003, B 10 LW 8/03 B , Meyer-Ladewig, a. a. O. § 179 Rdnr. 9). Dies ist hier nicht geschehen. Der bloße Hinweis auf die "Befangenheit der Richter" macht das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrunds nach § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht schlüssig. Insoweit fehlt jeglicher Vortrag zu einem früheren Verfahren über ein Ablehnungsgesuch.

Die vom Kläger in Kopie vorgelegten Unterlagen lassen keinen Wiederaufnahmegrund nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO erkennen. Es handelt sich teilweise um ältere ärztliche Unterlagen, teilweise um Schriftverkehr des Klägers aus einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht und mit seinen früheren Anwälten sowie gegenüber den Petitionsausschüssen des Deutschen Bundestages und des Landtags von Baden-Württemberg. Der vorgelegte Bescheid des Versorgungsamts beschreibt teilweise für die begehrten BKen möglicherweise erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen. Soweit dies der Fall ist, waren die Diagnosen aber im Vorverfahren entweder schon bekannt (das hyperreagible Bronchialsystem durch das Zusatzgutachten von Dr. S. ) oder sind zu unspezifisch ("Hauterkrankung" im Vergleich zu den Anforderungen der BK Nr. 5101). Das ärztliche Attest des Arztes S. gibt einige der - bereits bekannten - gesundheitlichen Beschwerden des Klägers wieder, ohne Aussagen zu einem beruflichen Zusammenhang zu enthalten. Zudem hätte der Kläger die Klage auf Wiederaufnahme des Verfahrens innerhalb einer Notfrist eines Monats erheben müssen, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem er von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des (hier:) angefochtenen Beschlusses (§ 586 Abs. 1 und 2 ZPO). Der Bescheid des Versorgungsamts stammt aber vom 10. August 2006; der Kläger hat nicht vorgetragen, noch ist sonst ersichtlich, dass dieser ihm nicht zeitnah bekannt gegeben worden ist. Das Attest des Arztes S. stammt vom 24. April 2006 und der Kläger hat dieses, wie die in Kopie anliegende Quittung zeigt, bereits am 28. April 2006 erhalten.

Vor allem aber hat eine Urkunde dann keinen urkundlichen Beweiswert im Sinne des § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO, wenn sie - wie offensichtlich hier - nur dazu dient, neue Beweismittel in den Rechtsstreit einzuführen und die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zu ermöglichen, die im Vorprozess nicht benannt worden sind (BSG, Urteil vom 14. November 1968, 10 RV 471/65 in BSGE 29, 10, 14).

Die übrigen Wiederaufnahmegründe der §§ 579, 580 ZPO sind nicht einmal im Ansatz erkennbar. Gleiches gilt für den Wiederaufnahmegrund des § 179 Abs. 2 SGG, wonach die Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig ist, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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