L 10 U 5126/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 424/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5126/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Gewährung von Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalles.

Der am 1953 geborene Kläger, der eine Diskothek betrieb, erlitt am 19. September 1999 gegen 1:20 Uhr einen Arbeitsunfall, als er bei einem Kontrollgang auf dem Parkplatz vor seiner Diskothek von einem Gast niedergestochen wurde. Hierbei erlitt er eine ca. 15 cm lange Schnitt-/Stichwunde im linken Unter- bzw. Mittelbauch in der Nähe des Nabels, die im Fettgewebe endete. Die Wunde wurde zunächst revidiert und verschlossen. Der Kläger war bis 23. September 1999 in stationärer Behandlung und ab 12. Oktober 1999 wieder arbeitsfähig (Mitteilung des Chirurgen Dr. Sch. vom 18. November 1999 der die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) über die 13. Woche auf unter 10 v. H. schätzte). Bis 11. Oktober 1999 gewährte die Beklagte Verletztengeld. Am 22. Oktober 1999 stellte sich der Kläger erstmals wegen massiver Schlafstörungen und Albträumen bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vor, der ihn in der Folge nur in längeren Abständen ("quartalsmäßig") sah und medikamentös behandelte. Ab 13. Juli 2002 behandelte ihn die Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, N.-M. wegen "posttraumatischer Belastungsstörung" (PTB) und "schwerer reaktiver depressiver Entwicklung".

Am 9. Juli 2002 beantragte der Kläger die Gewährung von Verletztenrente, da er unter unfallbedingten psychischen Störungen leide. Außerdem habe er aufgrund verordneter Arzneimittel stark an Gewicht zugenommen, wodurch es auch zu einem Bandscheibenvorfall gekommen sei.

Mit Bescheid vom 10. März 2003 und Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2004 lehnte die Beklagte Leistungen wegen psychischer Beschwerden ab, da keine unfallbedingte PTB und keine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Grade vorliege. Die psychischen Beschwerden seien nicht auf den Unfall zurückzuführen.

Dem lagen Berichte des Dr. W. (Klagen über Angstzustände, Schlafstörungen und Albträume; insgesamt Hinweise für eine leichtergradige PTB) und der Ärztin N.-M. (PTB bei Zustand nach Messerstich-Trauma), eine nervenärztliche Stellungnahme des Dr. Sch.(wegen der vom üblichen Verlauf stark abweichenden Entwicklung der psychischen Auffälligkeiten - eine PTB müsste eher zu einer Wesensänderung führen - erscheine eine PTB unwahrscheinlich; eine MdE sei aus nervenärztlicher Sicht nicht zu begründen), der sich Dr. W. anschloss (durch den Überfall sei allenfalls die beim Kläger angelegte Disposition zu Angst-/Panikzuständen ausgelöst worden), beigezogene ärztlichen Unterlagen des Versorgungsamtes (u. a. Heilverfahren-Entlassungsberichte der F.-Klinik Bad B. und der Sch.-Klinik Bad B. sowie ein Gutachten der Dr. Z.-R. ) und eine Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. G. (die Kriterien einer PTB seien allenfalls ansatzweise erfüllt, nach den Ergebnissen der Reha-Maßnahmen liege eine Angststörung vor, eine MdE in rentenberechtigendem Grade liege nicht vor) zu Grunde.

Deswegen hat der Kläger am 1. März 2004 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und geltend gemacht, er leide an einem posttraumatischen Psychosyndrom und könne deswegen keinerlei Tätigkeit ausüben.

Das SG hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. K. , Sch.-Klinik Bad B, hat u. a. eine Angststörung mit depressiven Anteilen diagnostiziert und eine MdE aus psychotherapeutischer Sicht auf Grund bestehender Leistungseinschränkungen verneint. Die Ärztin N.-M. hat mitgeteilt, den Kläger bis 11. November 2002 siebenmal im Rahmen von probatorischen therapeutischen Einzelsitzungen behandelt zu haben. Eine von der Krankenkasse bewilligte tiefenpsychologisch fundierte Einzeltherapie habe der Kläger nicht wahrgenommen und sich erst wieder im Januar 2004 vorgestellt, um sich ein Attest für seinen Rechtsanwalt ausstellen zu lassen. Aktuelle psychische Befunde seien dabei nicht erhoben worden. Dr. W. hat in seiner beigezogenen Aussage in einem Verfahren wegen Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) "eine Angst und eine Depression gemischt" sowie lumbale Beschwerden bei chronischem Wirbelsäulensyndrom diagnostiziert und über vermehrte depressive Phasen sowie Klagen über somatische Störungen berichtet. Im MRT des Kopfes habe sich eine deutliche über das Altersmaß hinausgehende cortikal betonte Atrophie gezeigt. Den GdB hat er auf insgesamt 30 geschätzt.

Außerdem hat das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten der Dr. K.-H. eingeholt. Ihre Diagnosen lauten "Angst und depressive Störung gemischt ICD 10 F 41.2, Zustand nach PTB nach ICD 10 F 43.1, frontale Hirnatrophie". Jetzt noch bestehende psychische Störungen seien nur zu einem geringen Teil mit dem Unfallereignis in Verbindung zu bringen, die geschilderten Albträume mit Verfolgungsängsten seien wahrscheinlich persistierende Restsymptome der PTB. Nicht im Zusammenhang mit dem Unfall stehe die kernspintomographisch festgestellte Hirnatrophie und ein nun im Vordergrund stehendes ängstliches depressives Zustandsbild, das durch den Unfall zwar ausgelöst, dann jedoch im Wesentlichen durch unfallfremde Faktoren unterhalten worden sei. Wie lange die PTB im Vordergrund gestanden habe und ab welchem Zeitpunkt zunehmend eine zwar durch die Belastungsstörung angestoßene, im Wesentlichen dann jedoch durch unfallfremde Faktoren unterhaltene Entwicklung das Bild beherrschte, sei retrospektiv nicht genau zu bestimmen. Im Hinblick auf die mäßige Ausprägung der Initialsymptomatik sei hier wohl von einem Zeitraum von sechs bis allenfalls zwölf Monaten auszugehen Die unfallbedingte MdE schätze sie vom 19. September 1999 bis 30. September 2000 auf 20 v. H. Ab 1. Januar 2001 betrage sie anhaltend 10 v. H.

Die Beklagte ist der Einschätzung unter Vorlage einer kritischen Stellungnahme von Dr. H. entgegengetreten, wonach eine MdE um 20 v. H. bis 30. September 2000 nicht zu begründen sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2005 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger vom 12. Oktober 1999 bis 30. September 2000 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren. Die darüber hinausgehende psychischen Beeinträchtigungen seien nicht unfallbedingt, zumal der Kläger bereits im Herbst 2000 angegeben habe, er habe einen guten Schlaf.

Gegen den am 31. Oktober 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 30. November 2005 Berufung eingelegt. Er begehrt die Gewährung einer Rente nach einer MdE um wenigstens 20 v. H. über den 30. September 2000 hinaus. Soweit im Entlassungsbericht der Klinik Bad B. die Angabe eines guten Schlafs enthalten sei, sei einzuwenden, dass er dort nicht psychologisch untersucht und auf seine psychische Situation nicht angesprochen worden sei. Er habe damals nur schlafen können, wenn er entsprechend starke Schlafmittel eingenommen habe. Wie hoch die MdE vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2000 gewesen sei, habe die Sachverständige abschließend nicht erklärt (nach S. 21 des Gutachtens habe die PTB allenfalls zwölf Monate im Vordergrund gestanden). Hierzu hat er u. a. einen Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 26. April 2006 und einen Bescheid des Versorgungsamtes (nach Angaben des Klägers ist ein Teil-GdB von 20 für eine seelische Störung und eine psychovegetative Störung sowie Depression anerkannt) vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 26. Oktober 2005 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 10. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2004 zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 v. H. über den 30. September 2000 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach dem Gutachten von Dr. K.-H. hätten allenfalls für einen Zeitraum von zwölf Monaten unfallabhängige Restsymptome einer PTB vorgelegen. Danach sei das Beschwerdebild durch unfallfremde Belastungsfaktoren wie eheliche Schwierigkeiten, Existenzängste, Übergewicht bei Diabetes, einer das Altersmaß überschreitenden Hirnatrophie, vorbestehende Spannungskopfschmerzen und Wirbelsäulenbeschwerden dominiert. Die anfangs geschilderten Albträume, die Dr. K.-H. beschrieben habe, seien im Bericht der F.-Klinik Bad B. für den Behandlungszeitraum vom 20. November bis 18. Dezember 2000 nicht mehr beschrieben und der Kläger habe angegeben, er schlafe gut. Die im Heilverfahren-Entlassungsbericht vom 26. April 2006 beschriebenen Einschränkungen seien nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen, sondern würden im Wesentlichen durch unfallfremde Faktoren unterhalten, wie die erhebliche finanzielle Notlage, eheliche Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen, herabgesenkte Libido, Existenzängste, das selbstwertmindernde erhebliche Übergewicht, eine das Altersmaß überschreitende Stirnatrophie und Wirbelsäulenbeschwerden. Hierzu hat sie eine Stellungnahme von Dr. H. vom 28. Juni 2006 vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der angefochtene und auf den Antrag vom 9. Juli 2002 ergangene Bescheid vom 10. März 2003 kann - obwohl nur (nicht näher bezeichnete) Leistungen abgelehnt wurden - nur so verstanden werden, dass die Gewährung von Verletztenrente abgelehnt wurde, weswegen der Kläger auch zulässigerweise eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Gewährung von Verletztenrente erhoben hat. Nachdem das SG die Beklagte verurteilt hat, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. bis 30. September 2000 zu gewähren, und nur der Kläger Berufung eingelegt hat, ist im Berufungsverfahren noch streitig, ob der Kläger darüber hinaus Anspruch auf Rente hat.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls - der hier am 19. September 1999 eintrat - über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente über den 30. September 2000 hinaus. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus dem vom SG eingeholten Sachverständigengutachten der Dr. K.-H ...

Es ist bereits fraglich, ob die bis September 2000 vorliegenden psychischen Beeinträchtigungen im Wesentlichen unfallbedingt waren und insbesondere eine PTB vorlag. So hat bereits Dr. Sch. , dem sich auch der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. W. angeschlossen hat, darauf hingewiesen, dass nach dem aus chirurgischer Sicht unauffälligen Heilungsverlauf bei Nichtvorliegen länger bestehender chirurgischer Unfallfolgen es nicht nachvollziehbar ist, warum die leichtergradige Belastungsstörung über so viele Jahre persistierte und nach fast drei Jahren erst eine psychotherapeutische Behandlung in Angriff genommen worden ist, eine vom üblichen Verlauf einer PTB stark abweichende Entwicklung vorlag, und die psychischen Auffälligkeiten eher durch unfallfremde Faktoren bedingt waren. Darüber hinaus hat auch der Neurologe und Psychiater Dr. G. die Kriterien einer PTB allenfalls ansatzweise als erfüllt angesehen, da die geschilderten Träume sich nicht auf die Tat oder irgendwelche Umstände, die damit zusammenhängen könnten, bezogen, sondern in komplett anderem Kontext wiedergegeben wurden und auch die übrigen geltend gemachten Beschwerden relativ unspezifisch und nicht eindeutig als PTB zu erkennen waren. Des Weiteren wurden in der Sch.-Klinik Bad B. in erster Linie eine Angststörung mit depressiven Anteilen diagnostiziert (so auch die Aussage von Dr. K. vor dem SG).

Auch Dr. K.-H. hat das Fehlen der ansonsten sehr typischen und äußerst belastend erlebten "Nachhallphänomene" mit affektiv sehr negativ besetzten, sich unwillkürlich auch tagsüber immer wieder aufdrängenden Bildern und Eindrücken des Schadensereignisses eingeräumt. Eine lang anhaltende Änderung der Persönlichkeit im Sinne einer andauernden Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung ist - so Dr. K.-H. - mit der kurzzeitigen Lebensbedrohung durch den Messerstich auch nicht in Verbindung zu bringen. Im Hinblick auf den eher mäßigen Ausprägungsgrad der Initialsymptome wäre vielmehr ein rasches Abklingen der posttraumatischen Störung im weiteren Verlauf mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen. Da dies zunächst nicht der Fall war, ist - so die Sachverständige, der der Senat folgt - davon auszugehen, dass das Störungsbild auch durch unfallfremde Faktoren weiter aufrecht erhalten wurde und jedenfalls die ein Jahr nach dem Ereignis, also ab Oktober 2000 noch bestehenden psychischen Beeinträchtigungen nicht mehr wesentlich durch das Unfallereignis verursacht sind, sondern durch vorbestehende Störungen, wie vor dem Unfall bereits behandlungsbedürftige Spannungskopfschmerzen, wie sie häufig bei psychischen Spannungszuständen entstehen, und auch das vorbestehende Übergewicht. Des Weiteren ist die kernspintomographisch festgestellte, das altersgemäße Ausmaß überschreitende Stirnhirnatrophie eine mögliche Ursache der psychischen Beeinträchtigung. Als weitere Faktoren kommen - so Dr. K.-H. - in den Akten dokumentierte eheliche Schwierigkeiten und Existenzängste in Betracht. Nachdem der Kläger im Herbst 2000 in der stationären Reha-Behandlung in der F.-Klinik Bad B. von einem guten Schlaf berichtet hat - Hinweise auf eine Medikation finden sich nicht - und eine auffällige psychische Situation im Entlassungsbericht nicht angegeben ist, erscheint es dem Senat überzeugend, dass - wie von Dr. K.-H. angegeben - die PTB höchstens zwölf Monate bis nach dem Unfall im Vordergrund gestanden hat und danach eine durch unfallfremde Faktoren unterhaltene Entwicklung das Bild beherrscht hat. Gegen eine überdauernde PTB mit Beeinträchtigungen im rentenberechtigendem Grade spricht auch, dass der Kläger zwar sieben probatorische Sitzungen bei der Ärztin N.-M. in Anspruch nahm, dann aber diese nach Bewilligung einer Einzeltherapie durch die Krankenkasse nicht mehr aufsuchte, sondern sich erst im Januar 2004 wieder vorstellte, um sich ein Attest für seinen Rechtsanwalt ausstellen zu lassen. Damit ist davon auszugehen, dass jedenfalls ab Oktober 2000 eine MdE von mehr als 10 v. H. unfallbedingt nicht mehr bestanden hat.

Eine andere Bewertung trägt auch nicht der vom Kläger vorgelegte Heilverfahren-Ent-lassungsbericht vom 26. April 2006. Die darin mitgeteilte Diagnose einer PTB ist - wie von Dr. H. für den Senat schlüssig dargelegt - nicht durch entsprechende Befunde untermauert. Im Übrigen ist er auch im Hinblick auf die seit dem Unfallereignis verstrichene Zeit und die in dieser Zeitspanne dokumentierten Befunde und erstellten gutachterlichen Äußerungen nicht geeignet, die Einschätzung von Dr. K.-H. , dass nach Ablauf eines Jahres nach dem Unfall keine rentenberechtigende MdE mehr vorlag, zu erschüttern oder gar zu widerlegen.

Im Übrigen ergibt sich auch aus den Feststellungen des Versorgungsamtes nichts anderes. Danach wurde zwar ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt, nach Angaben des Klägers mit einem Teil-GdB von 20 für "seelische Störung, psychovegetative Störungen, Depression". Doch handelt es sich hierbei nicht um (ausschließlich) unfallbedingte Störungen. Außerdem erfolgt die Feststellung des GdB nach anderen Kriterien als die MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Den Antrag, ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG einzuholen, hat der Kläger zuletzt nicht mehr gestellt und sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Dieses Antragsrecht wäre mir dem vom SG eingeholten Gutachten auch verbraucht.

Somit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass jedenfalls ab Oktober 2000 eine unfallbedingte MdE um mehr als 10 v. H. nicht mehr vorliegt (und auch für die Zeit davor keine höhere MdE als eine solche um 20 v. H. vorgelegen hat). Damit ist die Berufung gegen den angefochtenen Gerichtsbescheid zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved