Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 763/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5140/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.10.2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Hörminderung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der am 1944 geborene Kläger machte nach seinen Angaben von 1959 bis 1962 im elterlichen Baugeschäft J. G. eine Maurerlehre und arbeitete dort in diesem Beruf - unterbrochen von Zeiten des aktiven Wehrdienstes und verschiedener Reserveübungen - bis 1976. Anschließend arbeitete er für ungefähr 30 Monate bei der Firma Sch. EHS in der Betonplattenfertigung und danach als Maurer bei der Bauunternehmung K. bis 1986. Diese Baufirmen existieren heute nicht mehr. Eine aufgrund der Angaben des Klägers gefertigte Arbeitsplatzanalyse des Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten Dipl.-Ing. St. ergab für die Firma J. G. einen Beurteilungspegel von 85 dB(A) und für die Firma K. von 86 dB(A).
Vom 01.05.1991 bis 31.07.2001 war der Kläger bei der Firma A. Heimtextilien GmbH in der Filiale in O. als Teppichbodenverleger tätig. Zu seinem Aufgabengebiet gehörten die Kundenberatung, der Verkauf von neuen Bodenbelägen, die Auslieferung von Kundenkommissionen für die Produkte Teppichboden-Auslegeware, PVC-Beläge, Teppiche und Tapeten, das Spachteln von Untergründen mit Ausgleichsmasse, Verlegen von Teppichböden und PVC, die Montage von Sockelleisten, die Aufbringung von Grundierung und das Verlegen von Laminat. Zum Entfernen der Teppichböden verwendete er einen Stripper, der einen Schallpegel von 94,5 dB(A) erzeugte. Die Expositionszeit für eine Schicht (acht Stunden) betrug durchschnittlich 21 Minuten. Aufgrund der Berechnungen des Technischen Aufsichtsbeamten der Beigeladenen Dr. B. vom 03.08.2005 und 12.01.2006 ergaben sich für die Jahre 1997 bis 2001 Beurteilungspegel zwischen 81 und 83 dB(A). Gehörschutz hatte der Kläger nach seinen Angaben seit 1996 getragen.
Der HNO-Arzt Dr. S. erstattete am 27.12.2000 bei der Beigeladenen eine ärztliche Anzeige über eine BK (Lärmschwerhörigkeit) und legte die Audiogramme vom 28.11. und 18.12.2000 vor. Die Beigeladene holte das Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. vom 05.03.2003 ein. Er führte zusammenfassend aus, der Kläger habe bei der Untersuchung im Februar 2003 eine seit ca. sechs Jahren allmählich zunehmende Hörstörung angegeben. Beim Kläger liege eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits vor. Der hochtonbetonte Hörverlust, die cochleäre Lokalisation der Hörstörung und die ausreichend lange Lärmexposition ohne Gehörschutz könnten für einen lärmabhängigen Anteil der Hörstörung beidseits sprechen während der fortgeschrittene Hörverlust auch im Mitteltonbereich beidseits und im Tieftonbereich rechts, die Asymmetrie der Hörstörung und die Entwicklung der Hörstörung wahrscheinlich erst Jahre nach der potentiell gehörschädigenden Lärmarbeit unabhängig von der Aggravationstendenz für einen wesentlichen lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung beidseits sprächen. Eine exakte Differenzierung in lärmabhängigen und lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung erscheine nicht möglich. Er betrachte die gesamte Hörschädigung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen als nicht lärmbedingt.
Mit Schreiben vom 11.08.2003 erklärte sich die Beklagte bereit, die weitere Bearbeitung der Erkrankungssache zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11.12.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Hörstörung als BK ab, weil die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht die Voraussetzungen einer BK erfüllten. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.02.2004).
Dagegen hat der Kläger am 03.03.2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben.
Das Sozialgericht hat Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat berichtet, bei den audiometrischen Prüfungen vom November 2000 und Januar 2001 sei eine reine Hochtonschwerhörigkeit zur Darstellung gekommen, die nach einer 27-jährigen Lärmexposition durchaus als deren Folgen auftreten könne. Er halte einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der genannten Lärmexposition und der Hochtonschwerhörigkeit für gegeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er auf 30 vom Hundert.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Lärmschwerhörigkeit als BK. Bezüglich der Tätigkeit bei der Firma A. lasse sich schon nicht feststellen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit einer Lärmbelastung ausgesetzt gewesen sei, die geeignet gewesen wäre, Hörstörungen zu verursachen. In Bezug auf die Tätigkeiten bei den zwei Unternehmen der Bauwirtschaft lägen zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, nachdem die Beurteilungspegel bei 85 dB(A) und 86 dB(A) gelegen hätten, jedoch seien die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer beruflich bedingten Lärmschädigung nicht gegeben. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. M. vom 05.03.2003. Der abweichenden Ansicht von Dr. S. könne nicht gefolgt werden, da dieser von einer reinen Hochtonschwerhörigkeit ausgehe, was nach den Befunden im Gutachten von Dr. M. nicht der Fall sei.
Gegen den am 13.10.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, er habe auf jeden Fall mehr als eine bis zwei Stunden pro Woche zur Entfernung von Altbelägen mit dem Stripper gearbeitet. Im Übrigen schließe Dr. M. die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit nach einem Zeitraum von 27 Jahren bei Beurteilungsschallpegeln von 85 bis 86 dB(A) nicht völlig aus. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb dieser - nachdem er eine Differenzierung in einen lärmabhängigen und einen lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung nicht für möglich halte - einen lärmbedingten Hörschaden insgesamt verneine.
Der Senat hat die Auskunft der Firma A. vom 30.01.2005 eingeholt und den Geschäftsführer der Filiale O. , Edwin Hermann, am 21.04.2005 als Zeugen vernommen. Bezüglich dessen Aussage wird auf den Inhalt des Protokolls sowie die von ihm erstellten Auflistungen Bezug genommen. Die Beigeladene hat hierzu Berechnungen ihres Technischen Aufsichtsbeamten Dr. B. zum Beurteilungspegel vorgelegt.
Die Stellungnahme von Dr. B. hält der Kläger für nicht nachvollziehbar und die Angaben des Zeugen Hermann seien nicht verwertbar.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.10.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2004 aufzuheben und festzustellen, dass seine Schwerhörigkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, a.a.O.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankung als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV stellt eine beruflich verursachte Lärmschwerhörigkeit eine BK dar.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegrün-denden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Ohne ausreichende Lärmexposition kann eine Lärmschwerhörigkeit nicht entstehen. Gehörschädigend ist ein Dauerlärm über 90 dB(A) während eines überwiegenden Teils der Arbeitszeit. Liegt der Beurteilungspegel unter 90 dB(A), hat er aber den Wert von 85 dB(A) erreicht, kommt bei langjähriger Exposition oder außergewöhnlich großer individueller Gehörsensibilität eine Lärmschädigung in Betracht, wobei die Grenze von 85 dB(A) als nach oben weit gezogen gilt. Hat die Lärmexposition durchweg unter 85dB(A) gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen, es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile, die für das Gehör besonders schädigend sind (vgl. zum Ganzen Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Ziff. 7.3.3.2.2 m.w.N.).
Zu Gunsten des Klägers und auf Grund seiner Angaben geht der Senat davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen bezüglich seiner Tätigkeit als Maurer bei den Firmen J. G. und K. zur Anerkennung der Schwerhörigkeit des Klägers als Lärmschwerhörigkeit und damit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV erfüllt sind. Nach den auf dieser Grundlage beruhenden Berechnung des TAD war der Kläger während seiner Tätigkeit als Maurer bzw. Einschaler bei den Firmen J. G. und K. langjährig Lärm von 85 bzw. 86 dB(A) ausgesetzt.
Während seiner Tätigkeit bei der Firma A. vom 01.05.1991 bis 31.07.2001 war er dagegen nach den Ermittlungen des Senats und den nachvollziehbaren Berechnungen des Dr. B. lediglich einem Beurteilungspegel zwischen 81 und 83 dB(A) ausgesetzt, der für jene Zeiten, in denen der Kläger Gehörschutz trug noch niedriger war (also ab 1996). Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus den Angaben des Zeugen H. sowie dessen für die Jahre 1997 bis 2001 vorgelegten Listen, an dessen Glaubwürdigkeit der Senat keinen Zweifel hat. Danach waren monatlich in den seltensten Fällen mehr als 220 qm Bodenbeläge von zwei Mann zu verlegen und damit auch zu entfernen. Die Entfernung von 20 qm Teppichboden nahm ungefähr zwei Stunden in Anspruch, wobei etwa eine Stunde auf die Tätigkeit am Stripper entfiel und die Entfernungstätigkeiten zu 80 bis 90 % mit zwei Arbeitnehmern durchgeführt wurden. Damit waren für 220 qm ungefähr elf Stunden Tätigkeit am Stripper pro Monat erforderlich. Bei einem Einsatz von zwei Arbeitnehmern, was zu 80 bis 90 % der Fall war, waren dies pro Arbeitnehmer ca. 5,5 Stunden im Monat und damit zwischen ein und zwei Stunden wöchentlich. Selbst im Monat September 1999, in dem ausnahmsweise ca. 400 qm im Monat verlegt wurden, ist es damit lediglich zu einer wöchentlichen Belastung von ca. zwei Stunden pro Arbeitnehmer in der Woche gekommen. Dem Senat liegen zwar nur die von dem Zeugen H. erstellten Listen für die Jahre 1997 bis 2001 vor, jedoch geht der Senat davon aus, dass auch von 1991 bis 1996 eine ähnliche Zeitaufteilung für das Entfernen von Teppichboden bestand. Jedenfalls haben weder der Kläger noch der Zeuge H. behauptet, dass sich die Verlegetätigkeit in den Jahren 1997 bis 2001 von derjenigen in den Jahren 1991 bis 1996 wesentlich unterschied.
Zwar hat der Kläger den Angaben des Zeugen widersprochen und länger dauernde lärmbelastende Tätigkeiten mit dem Stripper behauptet. Rapporte des Klägers, aus denen sich unter Umständen noch genauere Angaben zum Zeitumfang der Tätigkeit des Klägers mit dem Stripper hätten entnehmen lassen, waren nach den Angaben des Zeugen H. aber nicht mehr vorhanden. Damit kann der Kläger nicht nachweisen, dass er während seiner Tätigkeit bei der Firma A. durchschnittlich mehr als ein bis zwei Stunden pro Woche bei der Entfernung von Altbelägen mit dem Stripper gearbeitet hat. Dies geht nach den dargelegten Grundsätzen zu seinen Lasten.
Die von dem technischen Aufsichtsbeamten Dr. B. infolge dieser Angaben des Zeugen zu Grunde gelegte Expositionszeit von durchschnittlich 21 Minuten pro Schicht (acht Stunden) ist damit zutreffend. Das gilt dann auch für die für die Jahre 1997 bis 2001 errechneten Beurteilungspegel zwischen 81 und 83 dB (A). Für die Jahre 1991 bis 1996 dürften sich auf Grund des oben Gesagten entsprechende Werte ergeben haben.
Für diesen Zeitraum der Tätigkeit bei der Firma A. werden damit die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Die medizinischen Voraussetzungen zur Bejahung einer Lärmschwerhörigkeit liegen nicht vor. Bei der Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit ist es gerichtliche Praxis und auch diejenige des Senats, bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Schwerhörigkeit die im so genannten "Königsteiner Merkblatt" - hier vom 01.01.1996 - entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach (s. Seite 20) spricht es für die Annahme einer Lärmschädigung, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung des Hörverlustes in hohen Frequenzen handelt und wenn durch den Nachweis eines positiven Recruitment wahrscheinlich gemacht ist, dass die Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohres (cochleäre Hörstörung) lokalisiert ist. Eine starke Seitendifferenz, die nicht zum typischen Bild einer reinen Lärmschwerhörigkeit gehört, bedarf der besonderen Erörterung.
Nach dem von der Beigeladenen eingeholten Gutachten von Dr. M. vom 05.03.2003, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, ergab die Untersuchung des Klägers in einer ersten audiometrischen Untersuchung eine hochgradige Perzeptionsschwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Perzeptionsschwerhörigkeit links. In einer zweiten tonaudiometrischen Untersuchung wurde beidseits eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit dokumentiert. Die Ergebnisse des SISI-Tests beidseits, der Impedanzmessungen im METZ-Recruitment beidseits und der Ableitung otoakustischer Emissionen sprechen für eine pancochleäre Lokalisation der beidseitigen Hörstörung. Dies sowie der hochtonbetonte Hörverlust sprechen für einen lärmabhängigen Anteil der Hörstörung beidseits. Andererseits sprechen der fortgeschrittene Hörverlust auch im Mitteltonbereich beidseits und im Tieftonbereich rechts, die Asymmetrie der Hörstörung und die Entwicklung der Hörstörung erst Jahre nach der potentiell gehörschädigenden Lärmarbeit (die Tätigkeit bei der Firma A. hatte einen Beurteilungspegel von höchstens 83 dB(A) ergeben) für einen wesentlichen lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung beidseits.
Nachdem die Abgrenzung des nicht-lärmbedingten Anteils der Schwerhörigkeit für Dr. M. nicht möglich ist, hat dieser entsprechend den Ausführungen im Königsteiner Merkblatt (a.a.O.) nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingungen für den Senat überzeugend entschieden, dass die Hörschädigung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit lärmbedingt ist. Dem folgt der Senat insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den eigenen Angaben des Klägers erste Symptome einer Hörminderung 1996 auftraten, also zehn Jahre nach dem Ende der Lärmexposition. Zwar ist nach der Einschätzung von Dr. M. auch nach 27 Jahren ein ursächlicher Zusammenhang nicht auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs lässt sich dann aber nicht begründen. Jedenfalls sind Hörverschlechterungen, die sich zeitlich nach Aufgabe der gehörschädigenden Tätigkeit einstellen, nicht ursächlich und damit unbeachtlich ("Königsteiner Merkblatt" Seite 30).
Nicht anzuschließen vermag sich der Senat den Ausführungen von Dr. S. in dessen sachverständiger Zeugenaussage vom 02.04.2004. So ist dieser vom Vorliegen einer reinen Hochtonschwerhörigkeit ausgegangen, was sich bei der Untersuchung durch Dr. M. nicht bestätigt hat. Außerdem hat er eine 27-jährige Lärmexposition angenommen, was den Feststellungen des Senats widerspricht.
Da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Anerkennung der Hörminderung des Klägers als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der am 1944 geborene Kläger machte nach seinen Angaben von 1959 bis 1962 im elterlichen Baugeschäft J. G. eine Maurerlehre und arbeitete dort in diesem Beruf - unterbrochen von Zeiten des aktiven Wehrdienstes und verschiedener Reserveübungen - bis 1976. Anschließend arbeitete er für ungefähr 30 Monate bei der Firma Sch. EHS in der Betonplattenfertigung und danach als Maurer bei der Bauunternehmung K. bis 1986. Diese Baufirmen existieren heute nicht mehr. Eine aufgrund der Angaben des Klägers gefertigte Arbeitsplatzanalyse des Technischen Aufsichtsbeamten der Beklagten Dipl.-Ing. St. ergab für die Firma J. G. einen Beurteilungspegel von 85 dB(A) und für die Firma K. von 86 dB(A).
Vom 01.05.1991 bis 31.07.2001 war der Kläger bei der Firma A. Heimtextilien GmbH in der Filiale in O. als Teppichbodenverleger tätig. Zu seinem Aufgabengebiet gehörten die Kundenberatung, der Verkauf von neuen Bodenbelägen, die Auslieferung von Kundenkommissionen für die Produkte Teppichboden-Auslegeware, PVC-Beläge, Teppiche und Tapeten, das Spachteln von Untergründen mit Ausgleichsmasse, Verlegen von Teppichböden und PVC, die Montage von Sockelleisten, die Aufbringung von Grundierung und das Verlegen von Laminat. Zum Entfernen der Teppichböden verwendete er einen Stripper, der einen Schallpegel von 94,5 dB(A) erzeugte. Die Expositionszeit für eine Schicht (acht Stunden) betrug durchschnittlich 21 Minuten. Aufgrund der Berechnungen des Technischen Aufsichtsbeamten der Beigeladenen Dr. B. vom 03.08.2005 und 12.01.2006 ergaben sich für die Jahre 1997 bis 2001 Beurteilungspegel zwischen 81 und 83 dB(A). Gehörschutz hatte der Kläger nach seinen Angaben seit 1996 getragen.
Der HNO-Arzt Dr. S. erstattete am 27.12.2000 bei der Beigeladenen eine ärztliche Anzeige über eine BK (Lärmschwerhörigkeit) und legte die Audiogramme vom 28.11. und 18.12.2000 vor. Die Beigeladene holte das Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. vom 05.03.2003 ein. Er führte zusammenfassend aus, der Kläger habe bei der Untersuchung im Februar 2003 eine seit ca. sechs Jahren allmählich zunehmende Hörstörung angegeben. Beim Kläger liege eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits vor. Der hochtonbetonte Hörverlust, die cochleäre Lokalisation der Hörstörung und die ausreichend lange Lärmexposition ohne Gehörschutz könnten für einen lärmabhängigen Anteil der Hörstörung beidseits sprechen während der fortgeschrittene Hörverlust auch im Mitteltonbereich beidseits und im Tieftonbereich rechts, die Asymmetrie der Hörstörung und die Entwicklung der Hörstörung wahrscheinlich erst Jahre nach der potentiell gehörschädigenden Lärmarbeit unabhängig von der Aggravationstendenz für einen wesentlichen lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung beidseits sprächen. Eine exakte Differenzierung in lärmabhängigen und lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung erscheine nicht möglich. Er betrachte die gesamte Hörschädigung des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen als nicht lärmbedingt.
Mit Schreiben vom 11.08.2003 erklärte sich die Beklagte bereit, die weitere Bearbeitung der Erkrankungssache zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11.12.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Hörstörung als BK ab, weil die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht die Voraussetzungen einer BK erfüllten. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.02.2004).
Dagegen hat der Kläger am 03.03.2004 Klage zum Sozialgericht Freiburg erhoben.
Das Sozialgericht hat Dr. S. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat berichtet, bei den audiometrischen Prüfungen vom November 2000 und Januar 2001 sei eine reine Hochtonschwerhörigkeit zur Darstellung gekommen, die nach einer 27-jährigen Lärmexposition durchaus als deren Folgen auftreten könne. Er halte einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der genannten Lärmexposition und der Hochtonschwerhörigkeit für gegeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er auf 30 vom Hundert.
Mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung einer Lärmschwerhörigkeit als BK. Bezüglich der Tätigkeit bei der Firma A. lasse sich schon nicht feststellen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit einer Lärmbelastung ausgesetzt gewesen sei, die geeignet gewesen wäre, Hörstörungen zu verursachen. In Bezug auf die Tätigkeiten bei den zwei Unternehmen der Bauwirtschaft lägen zwar die arbeitstechnischen Voraussetzungen vor, nachdem die Beurteilungspegel bei 85 dB(A) und 86 dB(A) gelegen hätten, jedoch seien die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer beruflich bedingten Lärmschädigung nicht gegeben. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. M. vom 05.03.2003. Der abweichenden Ansicht von Dr. S. könne nicht gefolgt werden, da dieser von einer reinen Hochtonschwerhörigkeit ausgehe, was nach den Befunden im Gutachten von Dr. M. nicht der Fall sei.
Gegen den am 13.10.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgebracht, er habe auf jeden Fall mehr als eine bis zwei Stunden pro Woche zur Entfernung von Altbelägen mit dem Stripper gearbeitet. Im Übrigen schließe Dr. M. die Entstehung einer entschädigungspflichtigen Lärmschwerhörigkeit nach einem Zeitraum von 27 Jahren bei Beurteilungsschallpegeln von 85 bis 86 dB(A) nicht völlig aus. Es sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb dieser - nachdem er eine Differenzierung in einen lärmabhängigen und einen lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung nicht für möglich halte - einen lärmbedingten Hörschaden insgesamt verneine.
Der Senat hat die Auskunft der Firma A. vom 30.01.2005 eingeholt und den Geschäftsführer der Filiale O. , Edwin Hermann, am 21.04.2005 als Zeugen vernommen. Bezüglich dessen Aussage wird auf den Inhalt des Protokolls sowie die von ihm erstellten Auflistungen Bezug genommen. Die Beigeladene hat hierzu Berechnungen ihres Technischen Aufsichtsbeamten Dr. B. zum Beurteilungspegel vorgelegt.
Die Stellungnahme von Dr. B. hält der Kläger für nicht nachvollziehbar und die Angaben des Zeugen Hermann seien nicht verwertbar.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 04.10.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.02.2004 aufzuheben und festzustellen, dass seine Schwerhörigkeit eine Berufskrankheit nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV ist sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Entschädigungsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Da die Beklagte jedwede Entschädigung ablehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, kann der Kläger eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG erheben. Dies hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 45/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 2) auch getan. Dem auf Entschädigung gerichteten Teil des gestellten Antrages kommt bei dieser Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu (BSG, a.a.O.).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Erkrankung als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV stellt eine beruflich verursachte Lärmschwerhörigkeit eine BK dar.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegrün-denden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Ohne ausreichende Lärmexposition kann eine Lärmschwerhörigkeit nicht entstehen. Gehörschädigend ist ein Dauerlärm über 90 dB(A) während eines überwiegenden Teils der Arbeitszeit. Liegt der Beurteilungspegel unter 90 dB(A), hat er aber den Wert von 85 dB(A) erreicht, kommt bei langjähriger Exposition oder außergewöhnlich großer individueller Gehörsensibilität eine Lärmschädigung in Betracht, wobei die Grenze von 85 dB(A) als nach oben weit gezogen gilt. Hat die Lärmexposition durchweg unter 85dB(A) gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen, es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile, die für das Gehör besonders schädigend sind (vgl. zum Ganzen Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Ziff. 7.3.3.2.2 m.w.N.).
Zu Gunsten des Klägers und auf Grund seiner Angaben geht der Senat davon aus, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen bezüglich seiner Tätigkeit als Maurer bei den Firmen J. G. und K. zur Anerkennung der Schwerhörigkeit des Klägers als Lärmschwerhörigkeit und damit als BK nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV erfüllt sind. Nach den auf dieser Grundlage beruhenden Berechnung des TAD war der Kläger während seiner Tätigkeit als Maurer bzw. Einschaler bei den Firmen J. G. und K. langjährig Lärm von 85 bzw. 86 dB(A) ausgesetzt.
Während seiner Tätigkeit bei der Firma A. vom 01.05.1991 bis 31.07.2001 war er dagegen nach den Ermittlungen des Senats und den nachvollziehbaren Berechnungen des Dr. B. lediglich einem Beurteilungspegel zwischen 81 und 83 dB(A) ausgesetzt, der für jene Zeiten, in denen der Kläger Gehörschutz trug noch niedriger war (also ab 1996). Dies ergibt sich für den Senat überzeugend aus den Angaben des Zeugen H. sowie dessen für die Jahre 1997 bis 2001 vorgelegten Listen, an dessen Glaubwürdigkeit der Senat keinen Zweifel hat. Danach waren monatlich in den seltensten Fällen mehr als 220 qm Bodenbeläge von zwei Mann zu verlegen und damit auch zu entfernen. Die Entfernung von 20 qm Teppichboden nahm ungefähr zwei Stunden in Anspruch, wobei etwa eine Stunde auf die Tätigkeit am Stripper entfiel und die Entfernungstätigkeiten zu 80 bis 90 % mit zwei Arbeitnehmern durchgeführt wurden. Damit waren für 220 qm ungefähr elf Stunden Tätigkeit am Stripper pro Monat erforderlich. Bei einem Einsatz von zwei Arbeitnehmern, was zu 80 bis 90 % der Fall war, waren dies pro Arbeitnehmer ca. 5,5 Stunden im Monat und damit zwischen ein und zwei Stunden wöchentlich. Selbst im Monat September 1999, in dem ausnahmsweise ca. 400 qm im Monat verlegt wurden, ist es damit lediglich zu einer wöchentlichen Belastung von ca. zwei Stunden pro Arbeitnehmer in der Woche gekommen. Dem Senat liegen zwar nur die von dem Zeugen H. erstellten Listen für die Jahre 1997 bis 2001 vor, jedoch geht der Senat davon aus, dass auch von 1991 bis 1996 eine ähnliche Zeitaufteilung für das Entfernen von Teppichboden bestand. Jedenfalls haben weder der Kläger noch der Zeuge H. behauptet, dass sich die Verlegetätigkeit in den Jahren 1997 bis 2001 von derjenigen in den Jahren 1991 bis 1996 wesentlich unterschied.
Zwar hat der Kläger den Angaben des Zeugen widersprochen und länger dauernde lärmbelastende Tätigkeiten mit dem Stripper behauptet. Rapporte des Klägers, aus denen sich unter Umständen noch genauere Angaben zum Zeitumfang der Tätigkeit des Klägers mit dem Stripper hätten entnehmen lassen, waren nach den Angaben des Zeugen H. aber nicht mehr vorhanden. Damit kann der Kläger nicht nachweisen, dass er während seiner Tätigkeit bei der Firma A. durchschnittlich mehr als ein bis zwei Stunden pro Woche bei der Entfernung von Altbelägen mit dem Stripper gearbeitet hat. Dies geht nach den dargelegten Grundsätzen zu seinen Lasten.
Die von dem technischen Aufsichtsbeamten Dr. B. infolge dieser Angaben des Zeugen zu Grunde gelegte Expositionszeit von durchschnittlich 21 Minuten pro Schicht (acht Stunden) ist damit zutreffend. Das gilt dann auch für die für die Jahre 1997 bis 2001 errechneten Beurteilungspegel zwischen 81 und 83 dB (A). Für die Jahre 1991 bis 1996 dürften sich auf Grund des oben Gesagten entsprechende Werte ergeben haben.
Für diesen Zeitraum der Tätigkeit bei der Firma A. werden damit die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht erfüllt.
Die medizinischen Voraussetzungen zur Bejahung einer Lärmschwerhörigkeit liegen nicht vor. Bei der Beurteilung einer Lärmschwerhörigkeit ist es gerichtliche Praxis und auch diejenige des Senats, bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Schwerhörigkeit die im so genannten "Königsteiner Merkblatt" - hier vom 01.01.1996 - entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach (s. Seite 20) spricht es für die Annahme einer Lärmschädigung, wenn sich die Hörstörung während der Lärmexposition entwickelt hat, wenn es sich um eine reine Innenohrschwerhörigkeit mit Betonung des Hörverlustes in hohen Frequenzen handelt und wenn durch den Nachweis eines positiven Recruitment wahrscheinlich gemacht ist, dass die Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohres (cochleäre Hörstörung) lokalisiert ist. Eine starke Seitendifferenz, die nicht zum typischen Bild einer reinen Lärmschwerhörigkeit gehört, bedarf der besonderen Erörterung.
Nach dem von der Beigeladenen eingeholten Gutachten von Dr. M. vom 05.03.2003, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, ergab die Untersuchung des Klägers in einer ersten audiometrischen Untersuchung eine hochgradige Perzeptionsschwerhörigkeit rechts und eine mittelgradige Perzeptionsschwerhörigkeit links. In einer zweiten tonaudiometrischen Untersuchung wurde beidseits eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit dokumentiert. Die Ergebnisse des SISI-Tests beidseits, der Impedanzmessungen im METZ-Recruitment beidseits und der Ableitung otoakustischer Emissionen sprechen für eine pancochleäre Lokalisation der beidseitigen Hörstörung. Dies sowie der hochtonbetonte Hörverlust sprechen für einen lärmabhängigen Anteil der Hörstörung beidseits. Andererseits sprechen der fortgeschrittene Hörverlust auch im Mitteltonbereich beidseits und im Tieftonbereich rechts, die Asymmetrie der Hörstörung und die Entwicklung der Hörstörung erst Jahre nach der potentiell gehörschädigenden Lärmarbeit (die Tätigkeit bei der Firma A. hatte einen Beurteilungspegel von höchstens 83 dB(A) ergeben) für einen wesentlichen lärmunabhängigen Anteil der Hörschädigung beidseits.
Nachdem die Abgrenzung des nicht-lärmbedingten Anteils der Schwerhörigkeit für Dr. M. nicht möglich ist, hat dieser entsprechend den Ausführungen im Königsteiner Merkblatt (a.a.O.) nach der Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingungen für den Senat überzeugend entschieden, dass die Hörschädigung des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit lärmbedingt ist. Dem folgt der Senat insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach den eigenen Angaben des Klägers erste Symptome einer Hörminderung 1996 auftraten, also zehn Jahre nach dem Ende der Lärmexposition. Zwar ist nach der Einschätzung von Dr. M. auch nach 27 Jahren ein ursächlicher Zusammenhang nicht auszuschließen. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs lässt sich dann aber nicht begründen. Jedenfalls sind Hörverschlechterungen, die sich zeitlich nach Aufgabe der gehörschädigenden Tätigkeit einstellen, nicht ursächlich und damit unbeachtlich ("Königsteiner Merkblatt" Seite 30).
Nicht anzuschließen vermag sich der Senat den Ausführungen von Dr. S. in dessen sachverständiger Zeugenaussage vom 02.04.2004. So ist dieser vom Vorliegen einer reinen Hochtonschwerhörigkeit ausgegangen, was sich bei der Untersuchung durch Dr. M. nicht bestätigt hat. Außerdem hat er eine 27-jährige Lärmexposition angenommen, was den Feststellungen des Senats widerspricht.
Da das Sozialgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
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