L 7 SO 5792/06 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 2850/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 5792/06 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. September 2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.571,36 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 145 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist auch im Übrigen statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG). Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 5.000,00 Euro nicht übersteigt. Die Berufung ist hier in Anbetracht des Beschwerdewerts von 4.571,36 Euro nicht bereits kraft Gesetzes statthaft. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat die Berufung im angefochtenen Urteil vom 22. September 2006 auch nicht zugelassen, sodass sie der Zulassung durch das Landessozialgericht bedurft hätte; aber auch dies kommt jedoch vorliegend nicht in Betracht.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung nur zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGG liegen hier ersichtlich nicht vor und sind vom Beklagten auch nicht geltend gemacht; indessen ist auch der von ihm herangezogene Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG) nicht gegeben.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle die notwendige Klärung erfolgt (so die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seit BSGE 2, 129, 132). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 60; SozR 3-1500 § 160a Nr. 16; ferner Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 8. Auflage, § 144 Rdnrn. 28 f.; § 160 Rdnrn. 6 ff. (jeweils m.w.N.)). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (vgl. BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 1 S. 2), mithin die Antwort darauf praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4 S.5); dies ist insbesondere der Fall, wenn die bereits vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend Anhaltspunkte für die Beantwortung der Rechtsfrage gibt (BSG SozR 3-1500 § 146 Nr. 2). An der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage fehlt es ferner regelmäßig, wenn sie eine außer Kraft getretene Vorschrift betrifft, sofern nicht noch eine erhebliche Zahl von Fällen zu entscheiden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 19), oder sofern nicht die Rechtsfrage auch für das neue Recht erheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 58). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (vgl. BSG SozR 1500 § 160a Nr. 7). Hinsichtlich von Tatsachenfragen kann über § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG eine Klärung nicht verlangt werden.

Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hier nicht; sie sind vom Beklagten weder dargetan noch anderweitig ersichtlich. Der Beklagte macht sinngemäß geltend, dass die Klägerin nach dem aus § 111 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG - (vgl. jetzt § 110 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII)) herzuleitenden Interessenwahrungsgrundsatz verpflichtet gewesen wäre, zu prüfen, ob die Eigentumswohnung der Hilfeempfängerin D. K. in St. P. (R. ) als nicht verwertbares Vermögen zu behandeln sei, wobei aus der Nichtverwertbarkeit ein Anspruch der Hilfeempfängerin auf (nicht über § 107 BSHG erstattungsfähige) Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) resultiert hätte und die Klägerin deshalb nicht - wie geschehen - Hilfen nach dem BSHG in Form eines Darlehens hätte bewilligen dürfen. Dieses Vorbringen zeigt indes eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung nicht auf. Sowohl das BSHG als auch das GSiG sind mit dem 31. Dezember 2004 außer Kraft getreten und mit Wirkung vom 1. Januar 2005 durch das SGB XII abgelöst worden (vgl. Art. 1, Art. 68 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 sowie Art. 70 Abs. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S.3022)). Die Vorschrift des § 107 Abs. 1 BSHG, auf welche das SG den Erstattungsanspruch der Klägerin gestützt hat und auf den diese sich beruft, hat aber im SGB XII keine Nachfolgeregelung (vgl. §§ 106 bis 108 SGB XII) gefunden, sodass bereits unter dem Gesichtspunkt ausgelaufenen Rechts die Klärungsbedürftigkeit der mit dem Interessenwahrungsgrundsatz begründeten Rechtsfrage nicht ersichtlich ist, zumal der Beklagte nicht dargetan hat, dass die Vorschrift des § 107 Abs. 1 BSHG noch in einer Vielzahl von Streitfällen heranzuziehen wäre oder sich gleichartige Rechtsfragen auch unter der Geltung der §§ 106 ff. SGB XII stellen würden. Darüber hinaus hat der Beklagte auch nicht aufgezeigt, dass der im Rahmen des § 111 Abs. 1 BSHG zu beachtende Sorgfaltsmaßstab (vgl. hierzu Schoch in LPK-BSHG, 6. Auflage, § 111 Rdnr. 11; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Auflage, § 111 Rdnr. 8; ferner Schoch in LPK-SBG XII, 7. Auflage, § 110 Rdnr. 12; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 110 Rdnr. 13) vorliegend zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung einer allgemeinen Klärung bedarf. Denn das SG hat insoweit nicht bloß auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (so aber W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, a.a.O. (m.w.N.)), sondern - strenger - darauf abgestellt, dass die Klägerin im Rahmen des Interessenwahrungsgrundsatzes Sorgfalt wie in eigenen Angelegenheiten aufzuwenden gehabt habe (vgl. hierzu Schoch in LPK-BSHG, a.a.O.; derselbe in LPK-SGB XII, a.a.O. (jeweils m.w.N.)), eine Sorgfaltspflichtverletzung hier jedoch verneint. Letzteres ist indessen eine tatrichterliche Würdigung des konkreten Einzelfalls und betrifft nicht die Anwendung eines klärungsbedürftigen allgemeinen Rechtssatzes (vgl. hierzu BSG, Beschlüsse vom 4. Juli 2000 - B 7 AL 4/00 B - und vom 27. Februar 2001 - B 7 AL 184/00 B - (beide juris)).

Schon deshalb ist der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hier zu verneinen. Auf die Klärung der Frage der Hilfebedürftigkeit eines Leistungsempfängers bei vorhandenem Vermögen kommt es daher vorliegend nicht mehr an. Allerdings ergab sich sowohl aus § 88 Abs. 1 BSHG, auf den § 3 Abs. 2 GSiG verwiesen hatte, und ergibt sich nunmehr aus § 90 Abs. 1 SGB XII, dass nur verwertbares Vermögen zur Bedarfsdeckung herangezogen werden kann. Die Frage der Verwertbarkeit eines Vermögensgegenstandes und hier namentlich der Eigentumswohnung der Hilfeempfängerin in St. P. lässt sich indessen nicht nach einem allgemeinen Rechtssatz beantworten, sondern bedarf einer Prüfung im konkreten Einzelfall (vgl. etwa zur Verwertbarkeit einer Eigentumswohnung in Russland Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. Juli 2003 - 4 ME 303/03 - (juris)). Auch dies ist jedoch eine Frage der tatrichterlichen Beweiswürdigung, die im Rahmen des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG nicht zur Prüfung gestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 197a Abs. 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung; die Regelung über die Kostenfreiheit der Sozialhilfeträger (§ 64 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) gilt in Erstattungsstreitigkeiten - wie hier - nicht (vgl. Halbs. 2 a.a.O.). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 3 des Gerichtskostengesetzes.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG). Das angefochtene Urteil wird hiermit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 5 SGG).
Rechtskraft
Aus
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