Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 9111/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 268/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis zu 3 wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Dezember 2006 abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 31.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2006 angeordnet.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Antrags- und im Beschwerdeverfahren trägt der Antragsgegner.
Gründe:
I.
Streitig ist die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage.
Der 1964 geborene Antragsteller zu 1 und die 1973 geborene Antragstellerin zu 2 sind Eheleute. Der am 2002 geborene Antragsteller zu 3 ist deren Kind. Die Antragsteller leben in einer ca. 58 m² großen Mietwohnung in S.
Mit Bescheid vom 11.07.2006 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von monatlich 998,49 EUR. Wegen des Endes einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 2 bewilligte der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 09.10.2006 den Antragstellern für die Zeit vom 01.10.2006 bis 28.02.2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1139,67 EUR.
Am 25.10.2006 erhielt der Antragsgegner aufgrund einer Bescheinigung des SRH Fachkrankenhauses N. vom 23.10.2006 davon Kenntnis, dass sich der Antragsteller zu 1 dort seit 25.07.2006 in stationärer Krankenhausbehandlung befindet. Der Antragsgegner hob daraufhin mit Änderungsbescheid vom 31.10.2006 die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen auf und bewilligte den Antragstellern zu 1 bis zu 3 unter Verrechnung häuslicher Ersparnisse wegen des Krankenhausaufenthaltes als sonstiges Einkommen in Höhe von 163,27 EUR für die Zeit vom 01.12.2006 bis 28.02.2007 nur noch Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 976,40 EUR. Der Änderungsbescheid war an den Antragsteller zu 1, nicht aber an die Antragsteller zu 2 und 3 adressiert.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 Widerspruch.
Außerdem stellte der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.10.2006 anzuordnen. Er machte geltend, für die vom Antragsgegner vorgenommene Einkommensanrechnung gebe es keine Rechtsgrundlage. Die gewährte Verpflegung stelle einen Bestandteil der Heilbehandlung dar. Die Höhe des Anrechnungsbetrages sei vom Antragsgegner nicht dargelegt worden. Solange seine vollstationäre Aufnahme im SRH Fachkrankenhaus N. andauere, sei er nach dem SGB II leistungsberechtigt, weshalb sich eine Anrechnung eines "sonstigen Einkommens" verbiete. Die Frage nach der weiteren Dauer des vollstationären Aufenthaltes könne aktuell nicht beantwortet werden. Eine volle Leistungsberechtigung bestehe bis zum letzten Tag der durch § 7 Abs. 4 SGB II fixierten Frist von sechs Monaten. Am 25.07.2006 habe noch nicht abgesehen werden können, ob er für länger als sechs Monate stationär untergebracht sein werde oder nicht.
Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen. Ab dem 25.07.2006 sei aufgrund der bereitgestellten Vollverpflegung im Krankenhaus die Regelleistung in Höhe von 311 EUR um 35% (108,85 EUR) zu kürzen. Weitere 54,42 EUR seien einbehalten worden, um eine Überzahlung einzubehalten. Da insoweit kein Bescheid erlassen worden sei, werde der einbehaltene Betrag in Höhe von 54,42 EUR den Antragstellern nachbezahlt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006, adressiert wiederum nur an den Antragsteller zu 1, wurde die Aufrechnung der häuslichen Ersparnisse in Höhe von 54,42 EUR im Bescheid vom 31.10.2006 aufgehoben, im Übrigen der Widerspruch aber zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 am 22.12.2006 Klage beim SG (S 17 AS 9808/06).
Mit Beschluss vom 28.12.2006 lehnte das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung sei § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass der ursprünglichen Bewilligung am 11.07.2006 vorgelegen hätten, sei dadurch eingetreten, dass der Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1 aufgrund seines stationären Aufenthaltes gemäß § 7 Abs. 4 SGB II entfallen sei. Die vom Antragsgegner vorgenommene teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zukunft sei daher jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Ansicht, ihm stehe nach § 7 Abs. 4 SGB II eine Frist von sechs Monaten zu, entspreche nicht der Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II neuer Fassung.
Gegen den der Antragstellerin zu 2 am 30.12.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 am 15.01.2007 beim SG Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin zu 2 hat sich zur Begründung im Wesentlichen gegen die Ansicht des SG gewandt, dass aufgrund des stationären Krankenhausaufenthaltes ein Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner vor dem 25.01.2007 entfallen sei. Für die ersten sechs Monate einer vollstationären Behandlung bestehe bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unstreitig ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Dies gelte solange das Ende der stationären Behandlung nicht exakt abschätzbar sei. So verhalte es sich vorliegend. Bis zum Ende des sechsten Behandlungsmonats seien daher ungeschmälerte Leistungen gem. §§ 19 ff. SGB II zu erbringen. Die Antragstellerin zu 2 hat eine Bescheinigung des SRH Fachkrankenhauses N. vom 26.10.2007 vorgelegt, wonach der Antragsteller zu 1 aufgrund einer schweren Hirnblutung dauerhaft auf einen Rollstuhl und bei den Verrichtungen des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sein werde.
Der Antragsgegner hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Nach der Rechtsprechung des Senats haben Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid, mit dem eine Leistungsbewilligung nach dem SGB II gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm §§ 45 oder 48 SGB X ganz oder teilweise aufgehoben und Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückgefordert werden, nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Zwar haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Da Widerspruch und Klage nur aufschiebende Wirkung besitzen können, wenn Entscheidungen der Leistungsträger mit einem bloßen Anfechtungsbegehren angegangen werden, kommen lediglich Aufhebungsentscheidungen nach den §§ 45ff SGB X i.V.m. und Entscheidungen über die Absenkung und den Wegfall von bereits bewilligtem Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld gemäß den §§ 31, 32 SGB II in Betracht (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 RdNr. 12).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr.2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (kritisch hierzu Eicher a.a.O. § 39 RdNr. 3). Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung (Eicher a.a.O. RdNr. 2) kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel aaO RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 31.10.2006 gerichteten Klage anzuordnen.
Zwar spricht auch nach Auffassung des Senats einiges dafür, dass sich der Antragsteller zu 1 ersparte Ausgaben z. B. für die Verpflegung, die er im Krankenhaus erhält, als bedarfsmindernd anrechnen lassen muss und er deshalb keinen Anspruch auf die volle Regelleistung nach § 20 SGB II hat. Dennoch hält der Senat es für geboten, die aufschiebende Wirkung der gegen den Änderungsbescheid vom 31.10.2006 gerichteten Anfechtungsklage anzuordnen. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob und auf welche Weise ersparte Ausgaben zu berücksichtigen sind. Denkbar ist einerseits, dass die Sachleistung, die der Antragsteller zu 1 von seiner Krankenkasse über das Krankenhaus erhält, als Einnahme in Geldeswert (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) gewertet und deren Umfang anhand der Sachbezugsverordnung ermittelt wird (vgl. § 2 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung). Andererseits ist es aber auch nicht ausgeschlossen, beim Antragsteller zu 1 einen verminderten Bedarf anzunehmen, der dadurch ermittelt wird, dass der Anteil der Regelleistung, der auf die Ausgaben für Verpflegung entfällt, vom Betrag der Regelleistung abgezogen wird. Unabhängig davon, welcher der beiden Wege beschritten wird, ist auch offen, ob und wie es dadurch über die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II zu einer Änderung der Anspruchshöhe aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft kommt (vgl. zu der Problematik dieser Bestimmung BSG 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn 15 sowie einerseits Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II § 9 Rn 33 und andererseits Brühl/Schoch in LPK-SGB II § 9 Rn 40ff). Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass der Antragsgegner die verfahrensrechtlichen Konsequenzen, die sich aus der von ihm gewählten Lösung ergeben, nicht genügend beachtet hat. Denn aus dem Bescheid vom 31.10.2006 ergibt sich, dass der Antragsgegner durch die Anrechnung der ersparten Ausgaben auch die Ansprüche der Antragsteller zu 2 und 3 vermindert hat.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Da das SGB II nach der Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Ansicht in der juristischen Literatur keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft kennt, sondern Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (BSG 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -), muss ein Bescheid, mit dem ein früherer Leistungsbescheid teilweise aufgehoben wird, grundsätzlich allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bekannt gegeben werden. Dies ist hier nicht geschehen. Sowohl der Bescheid vom 31.10.2006 als auch der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 waren ausschließlich an den Antragsteller zu 1 adressiert. Eine Bekanntgabe an die ebenfalls von der Änderung betroffenen Antragsteller zu 2 und 3 ist nicht erfolgt. Zwar wird nach § 38 SGB II vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Das Entgegennehmen eines Bescheides, mit dem früher gewährte Leistungen ganz oder teilweise entzogen werden, hängt aber nicht mehr mit der Antragstellung zusammen. Daher dürfte es an einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber den Antragstellern zu 2 und 3 fehlen. Auch dürfte ihnen gegenüber nicht davon ausgegangen werden können, dass - die hier unterbliebene - Anhörung nach § 24 SGB X wirksam nachgeholt worden ist. Im Hinblick auf die offenen Rechtsfragen und die verfahrensrechtlichen Probleme ist hier die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Regelung des § 39 SGB II unter Gleichheitsgesichtpunkten problematisch ist und dem durch eine großzügige Anordnung der aufschiebenden Wirkung Rechnung getragen werden sollte (Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II § 39 Rn 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Antrags- und im Beschwerdeverfahren trägt der Antragsgegner.
Gründe:
I.
Streitig ist die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage.
Der 1964 geborene Antragsteller zu 1 und die 1973 geborene Antragstellerin zu 2 sind Eheleute. Der am 2002 geborene Antragsteller zu 3 ist deren Kind. Die Antragsteller leben in einer ca. 58 m² großen Mietwohnung in S.
Mit Bescheid vom 11.07.2006 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Höhe von monatlich 998,49 EUR. Wegen des Endes einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zu 2 bewilligte der Antragsgegner mit Änderungsbescheid vom 09.10.2006 den Antragstellern für die Zeit vom 01.10.2006 bis 28.02.2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1139,67 EUR.
Am 25.10.2006 erhielt der Antragsgegner aufgrund einer Bescheinigung des SRH Fachkrankenhauses N. vom 23.10.2006 davon Kenntnis, dass sich der Antragsteller zu 1 dort seit 25.07.2006 in stationärer Krankenhausbehandlung befindet. Der Antragsgegner hob daraufhin mit Änderungsbescheid vom 31.10.2006 die bisher in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen auf und bewilligte den Antragstellern zu 1 bis zu 3 unter Verrechnung häuslicher Ersparnisse wegen des Krankenhausaufenthaltes als sonstiges Einkommen in Höhe von 163,27 EUR für die Zeit vom 01.12.2006 bis 28.02.2007 nur noch Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 976,40 EUR. Der Änderungsbescheid war an den Antragsteller zu 1, nicht aber an die Antragsteller zu 2 und 3 adressiert.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 Widerspruch.
Außerdem stellte der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 31.10.2006 anzuordnen. Er machte geltend, für die vom Antragsgegner vorgenommene Einkommensanrechnung gebe es keine Rechtsgrundlage. Die gewährte Verpflegung stelle einen Bestandteil der Heilbehandlung dar. Die Höhe des Anrechnungsbetrages sei vom Antragsgegner nicht dargelegt worden. Solange seine vollstationäre Aufnahme im SRH Fachkrankenhaus N. andauere, sei er nach dem SGB II leistungsberechtigt, weshalb sich eine Anrechnung eines "sonstigen Einkommens" verbiete. Die Frage nach der weiteren Dauer des vollstationären Aufenthaltes könne aktuell nicht beantwortet werden. Eine volle Leistungsberechtigung bestehe bis zum letzten Tag der durch § 7 Abs. 4 SGB II fixierten Frist von sechs Monaten. Am 25.07.2006 habe noch nicht abgesehen werden können, ob er für länger als sechs Monate stationär untergebracht sein werde oder nicht.
Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen. Ab dem 25.07.2006 sei aufgrund der bereitgestellten Vollverpflegung im Krankenhaus die Regelleistung in Höhe von 311 EUR um 35% (108,85 EUR) zu kürzen. Weitere 54,42 EUR seien einbehalten worden, um eine Überzahlung einzubehalten. Da insoweit kein Bescheid erlassen worden sei, werde der einbehaltene Betrag in Höhe von 54,42 EUR den Antragstellern nachbezahlt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006, adressiert wiederum nur an den Antragsteller zu 1, wurde die Aufrechnung der häuslichen Ersparnisse in Höhe von 54,42 EUR im Bescheid vom 31.10.2006 aufgehoben, im Übrigen der Widerspruch aber zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 am 22.12.2006 Klage beim SG (S 17 AS 9808/06).
Mit Beschluss vom 28.12.2006 lehnte das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Rechtsgrundlage für die teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung sei § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass der ursprünglichen Bewilligung am 11.07.2006 vorgelegen hätten, sei dadurch eingetreten, dass der Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1 aufgrund seines stationären Aufenthaltes gemäß § 7 Abs. 4 SGB II entfallen sei. Die vom Antragsgegner vorgenommene teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zukunft sei daher jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Ansicht, ihm stehe nach § 7 Abs. 4 SGB II eine Frist von sechs Monaten zu, entspreche nicht der Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II neuer Fassung.
Gegen den der Antragstellerin zu 2 am 30.12.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller zu 1 durch die Antragstellerin zu 2 am 15.01.2007 beim SG Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragstellerin zu 2 hat sich zur Begründung im Wesentlichen gegen die Ansicht des SG gewandt, dass aufgrund des stationären Krankenhausaufenthaltes ein Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner vor dem 25.01.2007 entfallen sei. Für die ersten sechs Monate einer vollstationären Behandlung bestehe bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unstreitig ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Dies gelte solange das Ende der stationären Behandlung nicht exakt abschätzbar sei. So verhalte es sich vorliegend. Bis zum Ende des sechsten Behandlungsmonats seien daher ungeschmälerte Leistungen gem. §§ 19 ff. SGB II zu erbringen. Die Antragstellerin zu 2 hat eine Bescheinigung des SRH Fachkrankenhauses N. vom 26.10.2007 vorgelegt, wonach der Antragsteller zu 1 aufgrund einer schweren Hirnblutung dauerhaft auf einen Rollstuhl und bei den Verrichtungen des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sein werde.
Der Antragsgegner hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten des Antragsgegners verwiesen.
II.
Die gemäß den §§ 172ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
Nach der Rechtsprechung des Senats haben Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid, mit dem eine Leistungsbewilligung nach dem SGB II gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 SGB II iVm §§ 45 oder 48 SGB X ganz oder teilweise aufgehoben und Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zurückgefordert werden, nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung. Zwar haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Da Widerspruch und Klage nur aufschiebende Wirkung besitzen können, wenn Entscheidungen der Leistungsträger mit einem bloßen Anfechtungsbegehren angegangen werden, kommen lediglich Aufhebungsentscheidungen nach den §§ 45ff SGB X i.V.m. und Entscheidungen über die Absenkung und den Wegfall von bereits bewilligtem Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld gemäß den §§ 31, 32 SGB II in Betracht (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 RdNr. 12).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr.2 SGG ist anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung sind gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (kritisch hierzu Eicher a.a.O. § 39 RdNr. 3). Diese typisierend zu Lasten des Einzelnen ausgestaltete Interessenabwägung (Eicher a.a.O. RdNr. 2) kann aber im Einzelfall auch zu Gunsten des Betroffenen ausfallen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur einstweiligen Anordnung entwickelten Grundsätze anzuwenden (Krodel aaO RdNr. 205). Danach sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage später aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr des BVerfG; vgl. BVerfG NJW 2003, 2598, 2599 m.w.N.).
Hiervon ausgehend ist die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid vom 31.10.2006 gerichteten Klage anzuordnen.
Zwar spricht auch nach Auffassung des Senats einiges dafür, dass sich der Antragsteller zu 1 ersparte Ausgaben z. B. für die Verpflegung, die er im Krankenhaus erhält, als bedarfsmindernd anrechnen lassen muss und er deshalb keinen Anspruch auf die volle Regelleistung nach § 20 SGB II hat. Dennoch hält der Senat es für geboten, die aufschiebende Wirkung der gegen den Änderungsbescheid vom 31.10.2006 gerichteten Anfechtungsklage anzuordnen. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob und auf welche Weise ersparte Ausgaben zu berücksichtigen sind. Denkbar ist einerseits, dass die Sachleistung, die der Antragsteller zu 1 von seiner Krankenkasse über das Krankenhaus erhält, als Einnahme in Geldeswert (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) gewertet und deren Umfang anhand der Sachbezugsverordnung ermittelt wird (vgl. § 2 Abs. 4 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung). Andererseits ist es aber auch nicht ausgeschlossen, beim Antragsteller zu 1 einen verminderten Bedarf anzunehmen, der dadurch ermittelt wird, dass der Anteil der Regelleistung, der auf die Ausgaben für Verpflegung entfällt, vom Betrag der Regelleistung abgezogen wird. Unabhängig davon, welcher der beiden Wege beschritten wird, ist auch offen, ob und wie es dadurch über die Bestimmung des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II zu einer Änderung der Anspruchshöhe aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft kommt (vgl. zu der Problematik dieser Bestimmung BSG 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - Rn 15 sowie einerseits Mecke in Eicher/Spellbrink SGB II § 9 Rn 33 und andererseits Brühl/Schoch in LPK-SGB II § 9 Rn 40ff). Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass der Antragsgegner die verfahrensrechtlichen Konsequenzen, die sich aus der von ihm gewählten Lösung ergeben, nicht genügend beachtet hat. Denn aus dem Bescheid vom 31.10.2006 ergibt sich, dass der Antragsgegner durch die Anrechnung der ersparten Ausgaben auch die Ansprüche der Antragsteller zu 2 und 3 vermindert hat.
Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen ist. Da das SGB II nach der Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Ansicht in der juristischen Literatur keinen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft kennt, sondern Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (BSG 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R -), muss ein Bescheid, mit dem ein früherer Leistungsbescheid teilweise aufgehoben wird, grundsätzlich allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bekannt gegeben werden. Dies ist hier nicht geschehen. Sowohl der Bescheid vom 31.10.2006 als auch der Widerspruchsbescheid vom 15.12.2006 waren ausschließlich an den Antragsteller zu 1 adressiert. Eine Bekanntgabe an die ebenfalls von der Änderung betroffenen Antragsteller zu 2 und 3 ist nicht erfolgt. Zwar wird nach § 38 SGB II vermutet, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige bevollmächtigt ist, Leistungen nach dem SGB II auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu beantragen und entgegenzunehmen. Das Entgegennehmen eines Bescheides, mit dem früher gewährte Leistungen ganz oder teilweise entzogen werden, hängt aber nicht mehr mit der Antragstellung zusammen. Daher dürfte es an einer wirksamen Bekanntgabe gegenüber den Antragstellern zu 2 und 3 fehlen. Auch dürfte ihnen gegenüber nicht davon ausgegangen werden können, dass - die hier unterbliebene - Anhörung nach § 24 SGB X wirksam nachgeholt worden ist. Im Hinblick auf die offenen Rechtsfragen und die verfahrensrechtlichen Probleme ist hier die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Regelung des § 39 SGB II unter Gleichheitsgesichtpunkten problematisch ist und dem durch eine großzügige Anordnung der aufschiebenden Wirkung Rechnung getragen werden sollte (Eicher in Eicher/Spellbrink SGB II § 39 Rn 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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