L 10 U 844/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 958/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 844/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.01.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Folgen des Arbeitsunfalls vom 04.06.1997 sowie des Folgeunfalls vom 13.04.1999 und deren Entschädigung.

Der am.1945 geborene Kläger rutschte am 04.06.1997 während der Arbeit auf einer Treppe aus und fiel auf die rechte Körperseite. Dr. Sch. , Chefarzt der Chirurgischen Abteilung am Kreiskrankenhaus B. , diagnostizierte im Durchgangsarztbericht eine Schulterprellung rechts, eine HWS-Distorsion, eine LWS-Prellung sowie eine Beckenprellung und teilte der Beklagten unter dem 28.07.1997 mit, beim Kläger spielten jetzt die degenerativen Veränderungen die überwiegende Rolle. Die Behandlung fand u. a. in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. statt. Deren Ärztlicher Direktor Prof. Dr. W. wies in Berichten vom Juli 1997 auf vorbestehende deutliche degenerative Veränderungen der HWS und LWS hin, eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß sei nicht verblieben.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch brachte der Kläger vor, er habe bei dem Arbeitsunfall auch noch eine Gehirnerschütterung erlitten und er sei wegen Problemen in der rechten Schulter im C.-Krankenhaus Bad M. in Behandlung. Er legte hierzu den Behandlungsbericht von Prof. Dr. S. über den stationären Aufenthalt vom 12.11. bis 19.11.1999 vor (Diagnose: Impingement-Syndrom rechte Schuler mit Bursitis subacromialis und Tenosynovialitis der langen Bizepssehne; Therapie: Arthroskopie rechte Schulter mit Tenosynovialektomie entlang der langen Bizepssehne und im Schultergelenkbereich, Bursoskopie mit Bursektomie und subakromialer Dekompression am 15.11.1999).

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte u.a. das Gutachten von Prof. Dr. S. , Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie am Klinikum H. , vom 11.07.2000 ein. Er führte zusammenfassend aus, bei dem Arbeitsunfall vom 04.06.1997 sei es mit Wahrscheinlichkeit zu einem knöchernen Abriss des Musculus deltoideus am rechten Acromion mit Entwicklung eines sekundären Impingement gekommen. In Bezug auf das rechte Schultergelenk ergebe sich eine MdE von 10 v. H. Die Hüftprellung rechts sei ausgeheilt. Die geklagten Beschwerden in der HWS seien ausschließlich auf die unfallunabhängigen degenerativen Veränderungen zurückzuführen. Die jetzigen Beschwerden in der LWS des Klägers stünden ebenfalls nicht mehr mit dem Unfall in Zusammenhang.

Am 13.04.1999 erlitt der Kläger auf dem Nachhauseweg von der Masseurin (Behandlung dort u. a. wegen Schulter-Arm-Syndrom) einen Verkehrsunfall.

Die Beklagte zog zahlreiche Befundberichte sowie ein für die Vereinigte Postversicherung von Prof. Dr. R. , Facharzt für Orthopädie, erstattetes Gutachten vom 20.03.2002 bei. Mit Bescheid vom 05.03.2003 lehnte sie unter teilweiser Abhilfe des Widerspruchs und Abänderung des Bescheids vom 27.09.1999 die Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalls vom 04.06.1997 weiterhin ab. Als weitere Unfallfolgen wurden zusätzlich anerkannt: "Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Schulter und glaubhaft subjektive Ruhe- und Belastungsschmerzen im Bereich der rechten Schulter nach operativ versorgtem knöchernem Abriss des Muskels am körperfernen Schlüsselbeindrittel der rechten Schulter sowie erneute ohne wesentliche Folgen verheilte Distorsion der Halswirbelsäule (Folgeunfall vom 13.04.1999) im Sinne einer vorübergehenden, zeitlich begrenzten Verschlimmerung einer degenerativ veränderten Halswirbelsäule. Ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Gehirnerschütterung." Als Folgen des Versicherungsfalls wurden nicht anerkannt: "Die Folgen des Unfalls vom 05.12.1987, der unter dem Aktenzeichen von der Verwaltungsberufsgenossenschaft bearbeitet wird sowie die degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule (chronisch degenerative knöcherne Veränderungen von C 3 bis C7), die Lendenischialgien seit 1997, die Folgen der Entfernung von degeneriertem Bandscheibenmaterial L3/4 1997, 1998 und der Bandscheibenoperationen L5 und S1 links 2001, die Folgen des Hörsturzes beidseits 2001 und die Hochtonschwerhörigkeit, die Entzündung der Sehnenansätze am äußeren Oberschenkelknochen 1999 und die beginnende Coxarthrose beidseits."

Ende 2000 hatte der Kläger einen Arbeitsunfall vom 05.12.1987 angezeigt (Sturz auf den Rücken bei Glätte). Die Beklagte anerkannte "ohne wesentliche Folgen verheilte Rückenprellung" als Unfallfolgen an und lehnte Leistungen ab (Bescheid vom 05.03.2003 / Widerspruchsbescheid vom 10.09.2003 - bestandskräftig-).

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.09.1999, soweit ihm nicht bereits durch den Bescheid vom 05.03.2003 abgeholfen wurde, zurück.

Dagegen hat der Kläger am 15.04.2003 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben. Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte Dr. St. , Prof. Dr. S. sowie die HNO-Ärztin Dr. Sch. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Dr. St. hat angegeben, der Kläger habe im März 1998 über Blitzsehen und Mouches volantes am rechten Auge geklagt, im Juni und Juli 1999 über Sehstörungen, Schleiersehen und Blitzsehen. Er habe im März 1998 am rechten Auge eine periphere Glaskörpertraktion diagnostiziert und am 02.07.1999 am linken Auge eine akute hintere Glaskörperabhebung, die wahrscheinlich auf das bei dem Unfall vom 13.04.1999 erlittene Schleudertrauma zurückzuführen sei. Dr. Sch. hat u. a. angegeben, der Kläger sei bereits im Jahr 1992 wegen einer Hörminderung in Behandlung gewesen. Im Jahr 1994 sei er wegen Drehschwindels behandelt worden. Im Jahr 1999 habe er nach einem Verkehrsunfall im April mit HWS-Schleudertrauma von gelegentlichem Schwindel mit Ohrdruck und Tinnitus berichtet.

Das Sozialgericht hat weiter das Gutachten von Prof. Dr. C. , Leiter der Gutachtenambulanz an der Orthopädischen Universitätsklinik H. , vom 28.10.2003 eingeholt. Er hat im Wesentlichen degenerative Veränderungen der HWS ohne Nervenwurzelreizerscheinungen, degenerative Veränderungen der LWS mit Bandscheibenvorwölbungen in mehreren Segmenten nach Bandscheibenoperation L5/S1 links und percutaner Bandscheibenoperation L3/4, Narben an der rechten Schulter und unbedeutende Bewegungseinschränkung nach Prellung der rechten Schulter mit knöcherner Absprengung am Schulterdach diagnostiziert. Letzteres sei Folge des Unfalls vom 04.06.1997 und weitgehend abgeheilt. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS- und LWS seien als schicksalsmäßig und unfallunabhängig vorbestehend zu betrachten. Diese Veränderungen seien auch nicht vorübergehend oder dauernd richtungweisend verschlimmert worden. Die unfallbedingte MdE im Bereich der rechten Schulter bewerte er - eher wohlwollend - mit 10 v. H.

Das Sozialgericht hat weiter auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Chirurgen Priv. Doz. Dr. I. vom 28.02.2004 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, die unfallbedingte schmerzhafte Bewegungseinschränkung der rechten Schulter bedinge mindestens eine MdE von 10 v. H. Die vom Kläger geklagten Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sowie Vertigo seien zumindest teilweise. als Folgen der Beschleunigungsverletzungen der HWS am 04.06.1997 sowie am 13.04.1999 einzustufen. Auch die von Dr. St. am 12.07.1997 befundete akute hintere Glaskörperabhebung mit posttraumatischen Sehstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit Unfallfolge mit einer MdE von 10 v.H. Die Gesamt-MdE aus den Unfällen vom 04.06.1997 sowie 13.04.1999 schätze er somit auf 20 v. H.

Mit Urteil vom 28.01.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, abgesehen von der Glaskörperabhebung am linken Auge lägen keine über die von der Beklagten in ihren Bescheiden festgestellten unfallbedingten Gesundheitsstörungen vor. Insoweit werde den übereinstimmenden Beurteilungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. C. gefolgt. Die Schädigung der Lendenwirbelsäule sei degenerativer Art und nicht auf die Unfälle zurückzuführen. Ein geeignetes Unfallereignis sei u. a. eine schwere Stauchung der Lendenwirbelsäule bei einem Sturz. Bei den Unfällen in den Jahren 1997 und 1999 sei es aber nicht zu einer Stauchung, sondern zu einem seitlichen Anprall gekommen. Hinzu komme noch, dass bereits vor 1997 degenerative Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vorhanden gewesen seien. Durch die Unfälle sei es lediglich zu einer vorübergehenden Verschlechterung der vorbestehenden Beschwerden gekommen, weshalb die Beklagte für einen gewissen Zeitraum nach den Unfällen unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit anerkannt habe. Ein Dauerschaden sei jedoch nicht entstanden. Dies sei auch - mit Blick auf den ersten Unfall - im Kreiskrankenhaus B. und von Dr. I. in seinem Gutachten vom 28.02.2004 so gesehen worden. Auch die Beschwerden im Bereich der HWS seien nicht auf die Unfälle zurückzuführen. Auch insoweit folge das Gericht der Beurteilung von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. C ... Der Kläger habe bereits vor dem Unfall im Juni 1997 HWS-Beschwerden gehabt, weshalb sogar ein stationäres Heilverfahren durchgeführt worden sei. Zu einer dauerhaften Verschlechterung durch die Unfälle sei es nicht gekommen. Insofern überzeugten die Ausführungen von Dr. I. nicht. Der Kläger habe sich unmittelbar nach dem Unfall vom 13.04.1999 wegen der vorübergehend verschlimmerten Lendenwirbelsäulenbeschwerden in stationäre Behandlung begeben und nicht wegen Halswirbelsäulenbeschwerden. Dies ergebe sich aus dem Befundbericht des Caritas-Krankenhauses Bad M. vom 24.11.1999. Ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen den Unfällen und den geklagten Gleichgewichtsstörungen und Kopfschmerzen bestehe ebenfalls nicht, denn bereits im Befundbericht von Dr. Ruf vom 14.11.1994 sei von Kopfschmerzen die Rede und im Reha-Entlassungsbericht vom 19.01.1996 sei als Diagnose Vertigo bei degenerativen HWS-Veränderungen angegeben. Damit verbleibe als Unfallfolge lediglich die Verletzung an der rechten Schulter deren Folgen mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten seien. Insoweit werde der übereinstimmenden Beurteilung von Prof. Dr. C. und Dr. I. gefolgt. Als weitere Unfallfolge seien die Sehstörungen anzusehen, die Dr. St. in ihrer schriftlichen Zeugenaussage beschrieben habe. Diese Gesundheitsstörung bedinge aber keine dauerhafte Erwerbsminderung.

Gegen das am 28.01.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.02.2005 Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgebracht, er leide auf Grund der unfallbedingten Glaskörperabhebung an Schleiersehen und Blendungsempfindlichkeiten. Im Übrigen habe die HNO-Ärztin Dr. Sch. in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass seine HWS-Beschwerden als Unfallfolge zu werten seien. Weiter sei er während seines stationären Aufenthalts ab dem 13.04.1999 im C.-Krankenhaus Bad M. auch wegen seiner HWS-Beschwerden behandelt worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 28.01.2005 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 27.09.1999 und vom 05.03.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Arbeitsunfälle vom 04.06.1997 und 13.04.1999 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Dr. St. unter dem 22.07.2000 schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört und das Gutachten von Prof. Dr. V. , Ärztlicher Direktor der Universitäts-Augenklinik H. , vom 18.10.2005 eingeholt. Der Sachverständige hat zusammenfassend ausgeführt, die beim Kläger an beiden Augen symmetrisch ausgeprägte, vollständige Abhebung des Glaskörpers sowie die am linken Auge vorliegende Hornhaut-Sensibilitätsstörung seien aufgrund des an beiden Augen vorliegenden Befundes, der zeitlichen Abfolge und des Verletzungsmusters nicht unfallbedingt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Akten der Karlsruher Versicherung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Über die in den Bescheiden vom 27.09.1999 und 05.03.2003 anerkannten Unfallfolgen hinaus liegen keine weiteren Folgen des Unfalls vom 04.06.1997 und des Folgeunfalls vom 13.04.1999 vor und diese haben keine MdE von wenigstens 20 v. H. hervorgerufen.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Folgen eines Versicherungsfalls sind auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII).

Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30. April 1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. (vgl. BSG, Urteil vom 2. November 1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 2. Mai 2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Hiervon ausgehend kann sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Arbeitsunfall vom 04.06.1997 und der Folgeunfall (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) vom 13.04.1999 beim Kläger Folgen mit einer MdE um wenigstens 20 v. H. hinterlassen haben. Die mittelbaren Folgen des Versicherungsfalls vom 04.06.1997 bilden keinen selbständigen neuen Versicherungsfall sondern gehören zu seinen Folgen (Ricke, Kasseler Kommentar § 11 SGB VII/6).

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Verletztenrente nicht erfüllt, weil die Unfallfolgen keine MdE um wenigstens 20 v. H. bedingen. Der Senat sieht deshalb - abgesehen von den Ausführungen bezüglich der Sehstörungen - gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers sowie die vom Senat durchgeführte Beweiserhebung im Berufungsverfahren auszuführen: Zunächst ist klarzustellen, dass der Unfall des Klägers vom 05.12.1987 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Vielmehr ist der diesbezügliche Bescheid vom 05.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.09.2003 bestandskräftig geworden.

Auf Grund der überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr. V. im Gutachten vom 18.10.2005 vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die hintere Glaskörperabhebung am linken Auge des Klägers auf den Unfall vom 04.06.1997 bzw. auf den Folgeunfall vom 13.04.1999 zurückzuführen ist. Danach sprechen die zeitliche Abfolge, die Verletzungsmuster sowie das Vorliegen einer vollständigen Abhebung des Glaskörpers an beiden Augen gegen unfallbedingte Glaskörperabhebungen am rechten und linken Auge. So bestand zwischen dem Unfall vom 04.06.19997 und der erstmaligen Diagnose der Glaskörperabhebung am rechten Auge vom 14.01.1998 durch die Augenärzte U./K. ein Zeitraum von sieben Monaten und zwischen dem Folgeunfall und der von Dr. St. am 02.07.1999 diagnostizierten akuten hinteren Glaskörperabhebung ein Zeitraum von beinahe drei Monaten. Weiter sind keine direkten unfallbedingten Traumafolgen an den Augen beschrieben worden (z. B. Augapfelprellungen, Blutergüsse der Lidhaut, Brüche der umgebenden Augenhöhlenknochen, oberflächliche Hornhaut- und Bindehaut-Verletzungen, Einblutungen in das Auge oder Prellungen des Auges mit Ödembildung der Netzhaut). Hinzu kommt, dass bei Patienten, bei denen - wie beim Kläger - eine Kurzsichtigkeit besteht, häufiger Glaskörperabhebungen als bei normalsichtigen Patienten auftreten. Auch wenn das Alter des Klägers im Zeitpunkt der Unfälle noch nicht das typische Alter für das Auftreten einer hinteren Glaskörper-Abhebung erreicht hatte, ist deshalb von einer altersbedingten Veränderung auszugehen. Auch die Hornhaut-Sensibilitätsstörung am linken Auge ist nicht unfallbedingt. Dagegen spricht - so überzeugend Prof. Dr. V. - die Selektivität ohne Berührungsempfindlichkeit der Lider sowie die Tatsache, dass keine direkten traumatischen Schädigungen bei den Unfällen vorlagen. Dagegen vermag die Auffassung von Dr. St. in seinen Schreiben vom 23.07.2003 und 22.07.2005, die hintere Glaskörperabhebung bzw. Glaskörpertraktion seien unfallbedingt, den Senat nicht zu überzeugen. So hat er im Schreiben vom 23.07.2003 seine Auffassung nicht begründet und unter dem 22.07.2005 zunächst auch darauf hingewiesen, dass bei myopen Patienten Glaskörpertraktionen überdurchschnittlich oft nachzuweisen seien, um dann festzustellen, dass nach einem Trauma mit mechanischer Erschütterung des Kopfes eine hintere Glaskörperabhebung eine häufige Veränderung sei, ohne die einzelnen Argumente gegeneinander abzuwägen.

Im Übrigen ist es unbeachtlich, dass das Sozialgericht in den Entscheidungsgründen die Sehstörungen als weitere Unfallfolge angesehen hat. Eine entsprechende Feststellung als Unfallfolge hat er nicht vorgenommen.

Den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehobenen Verdacht des Dr. C. , das Bandscheibengewebe L 4/5 und L 5/S1 sei angesichts der Farbe verdächtig auf eine traumatische Genese, hat das Sozialgericht zutreffend als nicht geeignet zur Begründung der Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs bewertet.

Es ist zwar richtig, dass die schriftliche sachverständige Zeugenaussage von Dr. Sch. vom 28.07.2003 im sozialgerichtlichen Urteil nicht erwähnt worden ist, jedoch ist die Äußerung von Dr. Sch. , die HWS sei am 21.01.2000 auffallend steif gewesen und die Problematik, die sich mit dem Unfallereignis vom April 1999 eingestellt habe, sei sicher als Unfallfolge zu werten für den Senat nicht überzeugend, denn zum einen ist Dr. Sch. HNO-Ärztin und hat diese Beurteilung auf einem für sie fremden Fachgebiet abgegeben und zum anderen dürfte sie nicht im Besitz der orthopädischen Befunde vor dem Unfall vom 04.06.1997 gewesen seien, aus denen sich bereits im März 1995 das Vorliegen eines Tinnitus, Cephalgien und ein chronisches Wirbelsäulensyndrom ergaben (Arztbrief Dr. Ruf vom 10.03.1995). Auch im ärztlichen Entlassungsbericht über die vom 12.12.1995 bis 09.01.1996 durchgeführte Reha-Maßnahme in der Kurklinik Bad Gandersheim findet sich unter Diagnosen u. a. ein Cervicocraniales Syndrom, Vertigo bei degenerativen HWS-Veränderungen sowie Tinnitus beidseits. Hinzu kommt, dass Dr. Sch. über eine bereits im Jahr 1992 - also vor dem streitigen Versicherungsfall - stattgefundene Behandlung wegen einer Hörminderung berichtet.

Die Tatsache, dass das Sozialgericht die von dem Radiologen Dr. F. im Arztbrief vom 11.10.1999 diagnostizierte knickförmige Kyphose bei C6/7 nicht berücksichtigt hat, kann nicht dazu führen, dass die HWS-Beschwerden des Klägers als unfallbedingt anzusehen sind. Zum einen war Prof. Dr. C. bei seiner Begutachtung des Klägers im Besitz der Verwaltungsakten bzw. dieses Arztbriefs und zum anderen handelt es sich bei Kyphosen um degenerative Fehlbildungen bzw. entstehen solche nach Wirbelfrakturen, die beim Kläger nicht vorgelegen haben.

Auch wenn der Kläger bereits einen Tag nach dem Verkehrsunfall vom 13.04.1999 im C.-Krankenhaus Bad M. eine Halskrause verordnet bekommen hat, so spricht dies höchstens für das Vorliegen vorübergehender unfallbedingter HWS-Beschwerden beim Kläger. Auch diese Vorgänge sind bei den Begutachtungen von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. C. - denen bei der Begutachtung die Verwaltungsakten vorlagen - berücksichtigt worden.

Die Einholung eines unfallanalytischen Gutachtens hält der Senat in Anbetracht der von Prof. Dr. C. geschilderten medizinischen Sachlage nicht für erforderlich, zumal keiner der Gutachter, auch nicht Dr. I. , eine weitere Aufklärung bezüglich des Unfallhergangs am 13.04.1999 für erforderlich gehalten. Ein solches Gutachten hat auch der Kläger zuletzt nicht mehr beantragt.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die von Prof. Dr. R. diagnostizierte Deformierung des Trochanter minor links verweist, ist schon kein geeignetes Unfallereignis erkennbar. Beim Sturz am 04.06.1997 fiel der Kläger auf die rechte Körperseite. Die damalige Beckenprellung kann also den von Prof. R. diagnostizierten Schaden nicht verursacht haben. Auf Befragen hat der Kläger gegenüber Prof. Dr. R. auch erklärt, ihm sei insoweit keine Verletzung erinnerlich. Im Übrigen hat Prof. Dr. S. bei den von ihm im Jahr 2000 angefertigten Röntgenaufnahmen keinen derartigen Befund erhoben.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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