Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 LW 1369/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 4698/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.08.2006 aufgehoben und die Sache an das Sozialgericht Heilbronn zurückverwiesen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erteilung einer Zusicherung.
Der am 1964 geborene Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen und ist als Landwirt seit 1988 bei der Beklagten versichert. Sein Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom April 2002 wurde von der Beklagten nach medizinischer Sachaufklärung (Gutachten des Orthopäden Dr. Sch. , des Neurologen Dr. M.-W. mit der Nervenärztin Dr. B.: leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich) mit Bescheid vom 10.3.2003 und Widerspruchsbescheid vom 18.12.2003 abgelehnt. Das Sozialgericht Heilbronn hat die hiergegen gerichtete Klage nach medizinischer Sachaufklärung abgewiesen, das Berufungsverfahren (ursprünglich L 10 LW 3453/05, jetzt L 10 LW 13/07) hat im Hinblick auf das Revisionsverfahren B 10 LW 4/05 R geruht. Dort hat die Rechtsauffassung des Senats zur Prüfung gestanden, wonach eine Leistungsklage auf Rente im Falle einer fehlenden Abgabe des Unternehmens schon hieran scheitert und eine Feststellungsklage auf einzelne Anspruchsvoraussetzungen des Rentenanspruchs unzulässig sei, vielmehr lediglich auf Zusicherung einer Rentengewährung im Falle der Unternehmensabgabe geklagt werden könne. Diese Auffassung des Senats hat das Bundessozialgericht (BSG) zwischenzeitlich bestätigt (Urteil vom 5.10.2006), woraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit L 10 LW 13/07 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.2.2007 für erledigt erklärt haben.
Den angesichts der Rechtsauffassung des Senats vom Kläger gestellten Antrag auf Zusicherung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens hat die Beklagte ebenfalls wegen fehlender Erwerbsminderung abgelehnt (Bescheid vom 11.1.2006, Widerspruchsbescheid vom 10.3.2006).
Das hiergegen am 7.4.2006 angerufene Sozialgericht Heilbronn hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.8.2006 abgewiesen. Es hat die - im bisherigen Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt weder von ihm noch von den Beteiligten thematisierte - Auffassung vertreten, der Bescheid vom 11.1.2006 sei Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens betreffend die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung geworden. Auf einen nach Ankündigung des Gerichtsbescheides gestellten Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht nicht reagiert.
Mit seiner hiergegen am 14.9.2006 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wendet sich insbesondere dagegen, dass der streitige Bescheid Gegenstand des anderen Berufungsverfahrens geworden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.8.2006 und den Bescheid vom 11.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Fall der Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung zuzusichern, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf Erteilung einer Zusicherung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Akten des Verfahrens L 10 LW 13/07 und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht auch begründet.
Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn (Nr. 1) dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder (Nr. 2) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Beide Varianten liegen hier vor.
Das Sozialgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es davon ausgegangen ist, der angefochtene Bescheid werde Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens. Dies ist unzutreffend.
Nach § 96 Abs. 1 SGG, der im Berufungsverfahren entsprechend gilt (§ 153 Abs. 1 SGG), wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der (angefochtene) Verwaltungsakt durch ihn ersetzt oder abgeändert wird. Gegenstand des Berufungsverfahrens L 10 LW 13/07 (zuvor L 10 LW 3454/05) ist der Bescheid vom 10.3.2003 über die Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewesen. Der im vorliegenden Verfahren streitige Bescheid vom 11.1.2006 lehnt die Erteilung einer Zusicherung ab und nicht, wie das Sozialgericht anscheinend meint, eine Rentengewährung. Beide Bescheide betreffen somit völlig unterschiedliche Regelungsgegenstände (Rentenanspruch einerseits, Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung andererseits) und die Rechtsstreite somit entsprechend unterschiedliche Streitgegenstände. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG damit nicht erfüllt sind. Dass es bei der jeweiligen Prüfung ggf. auch auf den Gesundheitszustand des Klägers ankommt, rechtfertigt eine Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG nicht.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht Verfahrensfehler begangen. Da es seine, für die Abweisung der Klage als unzulässig maßgebliche Rechtsauffassung über die Anwendung des § 96 SGG den Beteiligten nicht mitgeteilt hat, hat es deren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) verletzt, also eine Überraschungsentscheidung getroffen.
Außerdem hat es den vom Kläger gestellten Antrag nach § 109 SGG übergangen. Diesem, als Reaktion auf die Ankündigung des Gerichtsbescheides gestellten Antrag hätte das Sozialgericht nach seiner Rechtsauffassung zwar nicht nachgehen müssen. Es hätte ihn aber - weil als Antrag gestellt - bescheiden müssen.
Schließlich hätte das Sozialgericht nach Stellung des Antrages erneut darauf hinzuweisen müssen, dass weiterhin eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Denn der Kläger hat davon ausgehen dürfen, dass angesichts des von ihm geltend gemachten Rechts auf Anhörung des benannten Arztes nach § 109 SGG nun die angekündigte Entscheidung nicht ergehen werde.
Auch in Anbetracht der drastischen Belastungssituation der ersten Instanz kann ein derartiges Vorgehen nicht hingenommen werden. Der Senat hält es deshalb für sachgerecht, wenn das Sozialgericht seine Verfahrensfehler selbst heilt und eine Entscheidung in der Sache trifft.
Das Sozialgericht wird nun die notwendige Sachaufklärung durchzuführen, insbesondere dem vom Kläger gestellten Antrag nach § 109 SGG nachzugehen und bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens zu befinden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Erteilung einer Zusicherung.
Der am 1964 geborene Kläger betreibt ein landwirtschaftliches Unternehmen und ist als Landwirt seit 1988 bei der Beklagten versichert. Sein Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung vom April 2002 wurde von der Beklagten nach medizinischer Sachaufklärung (Gutachten des Orthopäden Dr. Sch. , des Neurologen Dr. M.-W. mit der Nervenärztin Dr. B.: leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich möglich) mit Bescheid vom 10.3.2003 und Widerspruchsbescheid vom 18.12.2003 abgelehnt. Das Sozialgericht Heilbronn hat die hiergegen gerichtete Klage nach medizinischer Sachaufklärung abgewiesen, das Berufungsverfahren (ursprünglich L 10 LW 3453/05, jetzt L 10 LW 13/07) hat im Hinblick auf das Revisionsverfahren B 10 LW 4/05 R geruht. Dort hat die Rechtsauffassung des Senats zur Prüfung gestanden, wonach eine Leistungsklage auf Rente im Falle einer fehlenden Abgabe des Unternehmens schon hieran scheitert und eine Feststellungsklage auf einzelne Anspruchsvoraussetzungen des Rentenanspruchs unzulässig sei, vielmehr lediglich auf Zusicherung einer Rentengewährung im Falle der Unternehmensabgabe geklagt werden könne. Diese Auffassung des Senats hat das Bundessozialgericht (BSG) zwischenzeitlich bestätigt (Urteil vom 5.10.2006), woraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit L 10 LW 13/07 in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.2.2007 für erledigt erklärt haben.
Den angesichts der Rechtsauffassung des Senats vom Kläger gestellten Antrag auf Zusicherung einer Rente wegen Erwerbsminderung bei Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens hat die Beklagte ebenfalls wegen fehlender Erwerbsminderung abgelehnt (Bescheid vom 11.1.2006, Widerspruchsbescheid vom 10.3.2006).
Das hiergegen am 7.4.2006 angerufene Sozialgericht Heilbronn hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14.8.2006 abgewiesen. Es hat die - im bisherigen Verfahren bis zu diesem Zeitpunkt weder von ihm noch von den Beteiligten thematisierte - Auffassung vertreten, der Bescheid vom 11.1.2006 sei Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens betreffend die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung geworden. Auf einen nach Ankündigung des Gerichtsbescheides gestellten Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht nicht reagiert.
Mit seiner hiergegen am 14.9.2006 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wendet sich insbesondere dagegen, dass der streitige Bescheid Gegenstand des anderen Berufungsverfahrens geworden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14.8.2006 und den Bescheid vom 11.1.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für den Fall der Abgabe seines landwirtschaftlichen Unternehmens die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung zuzusichern, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, über den Antrag auf Erteilung einer Zusicherung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, die Akten des Verfahrens L 10 LW 13/07 und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht auch begründet.
Nach § 159 Abs. 1 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn (Nr. 1) dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden oder (Nr. 2) das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Beide Varianten liegen hier vor.
Das Sozialgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil es davon ausgegangen ist, der angefochtene Bescheid werde Gegenstand des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens. Dies ist unzutreffend.
Nach § 96 Abs. 1 SGG, der im Berufungsverfahren entsprechend gilt (§ 153 Abs. 1 SGG), wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens, wenn der (angefochtene) Verwaltungsakt durch ihn ersetzt oder abgeändert wird. Gegenstand des Berufungsverfahrens L 10 LW 13/07 (zuvor L 10 LW 3454/05) ist der Bescheid vom 10.3.2003 über die Ablehnung eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gewesen. Der im vorliegenden Verfahren streitige Bescheid vom 11.1.2006 lehnt die Erteilung einer Zusicherung ab und nicht, wie das Sozialgericht anscheinend meint, eine Rentengewährung. Beide Bescheide betreffen somit völlig unterschiedliche Regelungsgegenstände (Rentenanspruch einerseits, Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung andererseits) und die Rechtsstreite somit entsprechend unterschiedliche Streitgegenstände. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, dass die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG damit nicht erfüllt sind. Dass es bei der jeweiligen Prüfung ggf. auch auf den Gesundheitszustand des Klägers ankommt, rechtfertigt eine Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG nicht.
Darüber hinaus hat das Sozialgericht Verfahrensfehler begangen. Da es seine, für die Abweisung der Klage als unzulässig maßgebliche Rechtsauffassung über die Anwendung des § 96 SGG den Beteiligten nicht mitgeteilt hat, hat es deren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) verletzt, also eine Überraschungsentscheidung getroffen.
Außerdem hat es den vom Kläger gestellten Antrag nach § 109 SGG übergangen. Diesem, als Reaktion auf die Ankündigung des Gerichtsbescheides gestellten Antrag hätte das Sozialgericht nach seiner Rechtsauffassung zwar nicht nachgehen müssen. Es hätte ihn aber - weil als Antrag gestellt - bescheiden müssen.
Schließlich hätte das Sozialgericht nach Stellung des Antrages erneut darauf hinzuweisen müssen, dass weiterhin eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Denn der Kläger hat davon ausgehen dürfen, dass angesichts des von ihm geltend gemachten Rechts auf Anhörung des benannten Arztes nach § 109 SGG nun die angekündigte Entscheidung nicht ergehen werde.
Auch in Anbetracht der drastischen Belastungssituation der ersten Instanz kann ein derartiges Vorgehen nicht hingenommen werden. Der Senat hält es deshalb für sachgerecht, wenn das Sozialgericht seine Verfahrensfehler selbst heilt und eine Entscheidung in der Sache trifft.
Das Sozialgericht wird nun die notwendige Sachaufklärung durchzuführen, insbesondere dem vom Kläger gestellten Antrag nach § 109 SGG nachzugehen und bei seiner abschließenden Entscheidung auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens zu befinden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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