L 11 R 5795/06 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 4803/06 PKH-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5795/06 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 04. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das durch Gerichtsbescheid vom 04.10.2006 abgewiesene Klageverfahren S 6 R 444/06 vor dem Sozialgericht Freiburg (SG).

Die Klägerin streitet in der Hauptsache als Sonderrechtsnachfolgerin ihres 1925 geborenen und im Jahr 2005 verstorbenen Ehemannes um die Gewährung von Altersrente.

Am 12.10.2003 übersiedelten die Klägerin und ihr Ehemann, denen das Bundesverwaltungsamt bereits am 03.07.1989 eine unbefristete Übernahmegenehmigung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt hatte, in die Bundesrepublik. Im Zusammenhang mit einem Antrag auf Ausstellung einer Spätaussiedler-Bescheinigung führte der sehr gut deutsch sprechende katholische Ehemann der Klägerin, der nach dem Krieg keine Zwangsarbeit leisten musste, unter anderem aus, dass seine Mutter Ungarin und sein Vater Deutsch-Böhme gewesen seien. Seine Muttersprache sei ungarisch, zuhause sei aber viel deutsch gesprochen worden. Das Landratsamt B.-H. (LRA) hörte daneben noch mehrere Zeugen, die übereinstimmend angaben, dass sich die Eheleute zur deutschen Volkszugehörigkeit bekannt hätten. Bereits vor Abschluss der Ermittlungen erteilte das LRA am 01.09.2004 der Klägerin und ihrem Ehemann sodann eine Bescheinigung nach § 15 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG), wonach die Klägerin als Spätaussiedlerin, ihr verstorbener Ehemann als Ehegatte eines Spätaussiedlers anerkannt wurden. Ergänzend hörte das LRA dann noch die Heimatauskunftsstelle R. beim Landesausgleichsamt B ... Diese führte aus, der Sohn der Klägerin, J. Z., habe in der Vergangenheit im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Ausstellung eines Vertriebenenausweises angegeben, dass die Volkszugehörigkeit seines Vaters "böhmisch", die seiner Mutter "deutsch" sei. Sein Vater habe sich nicht zum deutschen Volkstum bekannt. Die Tochter, I. K., habe in ihrem Antrag auf einen Vertriebenenausweis die Angabe gemacht, dass ihr Vater als Muttersprache deutsch gehabt habe und Umgangssprache innerhalb der Familie deutsch und ungarisch gewesen sei. Zur Volkszugehörigkeit ihres Vaters habe sie keine Angaben gemacht. Den damals eingeholten Zeugenaussagen sei zu entnehmen, dass die Volkszugehörigkeit des Ehemanns der Klägerin mit Deutsch bzw. Deutsch-Böhme angegeben worden sei. Im Antrag auf Übernahme in das Bundesgebiet vom 17.12.1987 für den Ehemann der Klägerin habe dessen Beauftragte ausgeführt, die Volkszugehörigkeit des Vaters des Ehemanns der Klägerin sei böhmisch, seiner Mutter ungarisch und von ihm selbst böhmisch. Die Muttersprache sei tschechisch-ungarisch. Ergänzend führte die Heimatauskunftsstelle aus, dass im Januar 1945 rund 75.000 arbeitsfähige deutsche Volkszugehörige (fast alle arbeitsfähigen Personen - Frauen zwischen dem 18. und dem 30., gelegentlich bis zum 35., und Männer zwischen dem 17. und dem 45. Lebensjahr) wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden seien. Der Glaubensgemeinschaft römisch-katholisch hätten neben den Banater-Schwaben auch Personen anderer Volkszugehörigkeit angehört. Nachdem dem LRA mitgeteilt worden war, dass der Ehemann der Klägerin verstorben sei, beschied das LRA, dass dem Antrag auf Anerkennung aus eigenem Recht des zwischenzeitlich verstorbenen Ehemanns der Klägerin nicht entsprochen werden könne. Aufgrund des zwischenzeitlich vorliegenden Gutachtens der Heimatauskunftsstelle, der Aufnahmeverfahrensakten, der BVFG-Akten der Kinder und mehrerer Zeugenaussagen sei es zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei dem Ehemann der Klägerin nicht um einen deutschen Volkszugehörigen gehandelt habe (Bescheid vom 10.02.2005).

Bereits am 29.07.2004 hatte der Ehemann der Klägerin einen Antrag auf die Gewährung einer Altersrente gestellt, den die Beklagte mit Bescheid vom 05.01.2005 ablehnte, da der Ehemann der Klägerin seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen sei.

Nachdem auch der Beklagten mitgeteilt worden war, dass der Ehemann der Klägerin verstorben ist, fragte die Beklagte beim LRA nach, ob eine Bescheinigung gemäß § 15 BVFG ausgestellt worden sei. Hierauf antwortete das LRA, dass der Ehemann der Klägerin am 01.09.2004 vorläufig als fremdvölkischer Ehegatte in die Spätaussiedler-Bescheinigung eingetragen worden sei. Mittlerweile sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass dem Antrag auf Anerkennung aus eigenem Recht des zwischenzeitlich verstorbenen Ehemannes nicht entsprochen werden könne, da davon ausgegangen werde, dass es sich nicht um einen deutschen Volkszugehörigen gehandelt habe.

Mit Bescheid vom 04.05.2005 lehnte die Beklagte hierauf die Gewährung einer Altersrente aus der Versicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin ab, weil die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt sei. Anrechenbare Zeiten seien nicht zurückgelegt worden. Die in R. zurückgelegten Zeiten könnten nicht nach §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) bundesdeutschen Zeiten gleichgestellt werden, da der Ehemann der Klägerin als Ehegatte eines Spätaussiedlers nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehört habe.

Den von der Klägerin dagegen erhobenen, trotz Erinnerung nicht begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.01.2006 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 27.01.2006 Klage zum SG erhoben und am 25.09.2006 auch einen Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2006 hat das SG die Klage, die ebenfalls nicht begründet wurde, abgewiesen und mit Beschluss vom selben Tag die Gewährung von PKH abgelehnt. Im Gerichtsbescheid ist ausgeführt, dass der Ehemann der Klägerin die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt habe. Anhaltspunkte dafür, dass er nach Bundesrecht Beiträge geleistet habe, bestünden nicht. Zurückgelegte Beitragszeiten bei einem rumänischen Träger könnten nicht anerkannt werden, da das FRG auf den Ehemann der Klägerin keine Anwendung finde, nachdem er keiner der Personengruppen angehört habe, auf die nach § 1 FRG das FRG anzuwenden sei. Hinweise dafür, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin Spätaussiedler im Sinne des § 4 BVFG gewesen sein könnte, gäbe es nicht. Der ablehnende PKH-Beschluss wurde damit begründet, dass die Klage, weil sie wie schon der Widerspruch nicht begründet worden sei, mutwillig sei. Sie habe auch keine Aussicht auf Erfolg, weil Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides weder vorgetragen noch ersichtlich seien.

Hiergegen richtet sich die am 04.10.2006 eingelegte Beschwerde der Klägerin (die Berufung gegen den Gerichtsbescheid ist unter L 11 R 5794/06 anhängig). Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihr Ehemann sei Spätaussiedler, da er im Wege des Aufnahmeverfahrens eingereist sei und die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Spätaussiedlerbescheinigung erfülle.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Klägerin beantragt, - sinngemäß -,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 04. Oktober 2006 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 6 R 444/06 unter Beiordnung von Rechtsanwalt K., Freiburg, zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin kein Spätaussiedler gewesen ist. Dies werde vom LRA unmissverständlich festgestellt. Zweifel an der Rechtsgültigkeit dieser Feststellung bestünden nicht. Der verstorbene Ehemann habe damit nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 1 FRG gehört.

Der Senat hat vom LRA zwei Bände der Familienakte Z. beigezogen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig. Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat für das Verfahren vor dem SG keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt K.

PKH erhält gemäß § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO), wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung der Klägerin bietet, wie das SG zutreffend entschieden hat, nach der hier anzustellenden vorläufigen Prüfung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Maßgebender Zeitpunkt für die Überprüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht ist der Zeitpunkt, an dem die "Bewilligungsreife" eingetreten ist. Diese tritt ein, wenn das PKH-Gesuch formal ordnungsgemäß und inhaltlich vollständig den Erfordernissen des § 117 ZPO entspricht, zulässige gerichtliche Auflagen erfüllt sind und dem Gegner angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden ist. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn eine weitere Beweisaufnahme von Amts wegen, insbesondere durch Zeugenvernehmung oder Sachverständigengutachten, durchzuführen ist.

Die Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren haben insbesondere auf der Grundlage der Auskunft des LRA und der Bescheinigung dieser Behörde nach § 15 Abs. 1 und 2 des BVFG ergeben, dass der Ehemann der Klägerin nicht zum Personenkreis des § 1 FRG gehörte, nachdem er kein anerkannter Spätaussiedler nach § 4 BVFG war. Das LRA hatte der Beklagten insoweit ergänzend mitgeteilt, dass es davon ausgehe, dass es sich bei dem Ehemann der Klägerin nicht um einen deutschen Volkszugehörigen gehandelt habe. Damit war der Sachverhalt, nachdem die Klägerin weder im Widerspruchsverfahren noch im Klageverfahren eine Begründung dafür vorgelegt hatte, weshalb dies nicht richtig ist, vollständig aufgeklärt. Das Begehren auf Gewährung einer Altersrente erschien nicht erfolgreich.

Dass der Senat nunmehr noch die Familienakte der Familie Z. vom LRA beigezogen hat, vermag hieran nichts zu ändern. Abgesehen davon, dass dies erstinstanzlich nicht notwendig erschien, da ein entsprechender Vortrag gänzlich fehlte, war nach Aktenlage die Erfolgschance, dass sich hieraus etwas anderes ergibt, nur eine entfernte. Die Beiziehung diente im wesentlichen der Überprüfung der der Beklagten erteilten Auskunft des LRA, wonach es sich bei dem Ehemann der Klägerin nicht um einen deutschen Volkszugehörigen gehandelt hat. Diese Auskunft dürfte nach den beigezogenen Familienakten richtig sein. Die deutsche Volkszugehörigkeit des Ehemanns der Klägerin dürfte nicht feststehen. Zwar sprach der Ehemann der Klägerin sehr gut deutsch und er hat sich nach Auskunft mehrerer Zeugen auch zum deutschen Volkstum bekannt. Auf der anderen Seite ist jedoch den Akten zu entnehmen, dass die Muttersprache des Ehemanns der Klägerin überwiegend als ungarisch angegeben wurde, der Vater war Deutsch-Böhme. Von besonderem Gewicht ist auch, dass sowohl die Tochter als auch der Sohn J. Z. den Ehemann der Klägerin als Deutsch-Böhme bzw. Böhmisch bezeichnet haben. Der Sohn hat darüber hinaus ausgeführt, dass sich sein Vater nicht zum deutschen Volkstum bekannt habe und nicht Angehöriger des deutschen Sprach- und Kulturkreises gewesen sei. Hierfür spricht auch, dass im Antrag des Ehemanns der Klägerin aus dem Jahr 1988 angegeben wurde, dass seine Volkszugehörigkeit Böhmisch und die Muttersprache Tschechisch-Ungarisch sei. Zu beachten ist auch, dass der Ehemann der Klägerin nach dem Krieg keine Zwangsarbeit leisten musste, obwohl im Januar 1945, als der Ehemann der Klägerin 19 Jahre alt war, rund 75.000 arbeitsfähige deutsche Volkszugehörige (u.a. Männer zwischen dem 17. und dem 45. Lebensjahr) wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden sind. Dass er hiervon nicht betroffen war, ist ebenfalls ein Indiz für die fehlende deutsche Volkszugehörigkeit.

Die Erfolgsaussicht lässt sich auch nicht auf die am 03.07.1989 erteilte Übernahmegenehmigung des Bundesverwaltungsamtes stützen. Aus der Übernahmegenehmigung können Rechte und Vergünstigungen nach dem BVFG nicht hergeleitet werden. Die Übernahmegenehmigung dient im wesentlichen nur der Möglichkeit der Aus- bzw. Einreise. Die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit und der Spätaussiedlereigenschaft erfolgt hiervon getrennt.

Insgesamt hat damit das SG die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu Recht verneint und den Antrag auf PKH abgelehnt.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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