L 7 R 5232/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 4166/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 5232/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1963 geborene Kläger ist gelernter Elektroinstallateur. In Ausübung seiner Tätigkeit stürzte er am 8. August 2001 aus einer Höhe von 5 m von einer Leiter. Bei dem Arbeitsunfall zog er sich ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mit epiduralem Hämatom links frontal, Kontusionsblutung rechts frontal, Schädelkalotten- und Basisfraktur, Mittelgesichtsfrakturen, Unterarmfrakturen beidseits und Rippenserienfrakturen rechts zu. Von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE) erhielt der Kläger Verletztengeld bis 4. Februar 2003 und anschließend eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 75 vom Hundert. Ab dem 5. Februar 2003 bezog der Kläger ebenfalls Arbeitslosengeld für die Dauer von 360 Tagen.

Am 10. April 2003 beantragte der Kläger bei der Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (LVA) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die LVA zog daraufhin die Berichte von Prof. Dr. F. über die stationäre Behandlung des Klägers im Klinikum K. vom 30. August 2001 bis 22. Februar 2002 sowie vom 15. April 2002 bis 3. Juli 2002 sowie zusätzlich von der BGFE in Auftrag gegebene Gutachten auf radiologischem Gebiet von Prof. Dr. R. vom 18. März 2003, auf neurologischem Gebiet von Prof. Dr. F. vom 14. April 2003 sowie auf chirurgischem Gebiet von Prof. Dr. P. vom 15. April 2003 bei. Sodann ließ die LVA ein Gutachten nach Aktenlage durch Dr. S. erstellen. In dem Gutachten vom 30. Juni 2003 kam Dr. S. zu der Einschätzung, dass der Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mindestens sechs Stunden verrichten könne, sofern Akkordarbeit, häufige Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten mit Absturzgefahr vermieden würden. Mit Bescheid vom 7. Juli 2003 lehnte die LVA den Rentenantrag ab. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2003 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 17. November 2003 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Das SG hat zunächst weitere für die BGFE erstellte Gutachten beigezogen, so das augenärztliche Gutachten von PD Dr. K. vom 28. Januar 2004, ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. Sp. vom 13. Dezember 2003, ein weiteres neurologisches Gutachten von Prof. Dr. F. vom 8. Juli 2004 sowie ein nervenärztliches Gutachten von Dr. C. vom 18. Juni 2004 einschließlich psychologischer Testung. Zusätzlich hat das SG den Bericht über die Berufsfindung und Arbeitserprobung, welche vom 22. März 2004 bis 2. April 2004 im Berufsförderungswerk S. zu Lasten der LVA durchgeführt wurde, beigezogen. Anschließend hat das SG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. Sc. mit neuropsychologischem Zusatzgutachten von Dipl.-Psych. Ko. eingeholt. In dem am 2. Mai 2005 beim SG eingegangenen Gutachten stellt Dr. Sc. folgende Erkrankungen fest: Zustand nach schwerem Schädelhirntrauma mit rechtseitiger frontaler Kontusionsblutung und linksfrontalem Epiduralhämatom sowie multiplen Gesichtsschädelfrakturen, Okulomotoriusparese rechts, Hörminderung rechts und Tinnitus. Als Folge des Schädelhirntraumas bestehe ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Symptomen einer Frontalhirnschädigung (Antriebsminderung, Verlangsamung, Beeinträchtigung exekutiver Funktionen). Leichte Arbeiten ohne Verantwortungsübernahme, ohne Zeitdruck, ohne erhöhte Anforderung an Konzentrationsvermögen, geistige Ausdauer, selbstständiges Arbeiten, eigenständiges planerisch-konstruktives Denken sowie ohne Tätigkeiten mit erhöhter Verletzungsgefahr oder erhöhter Ablenkbarkeit oder Publikumsverkehr seien noch mehr als sechs Stunden täglich zumutbar. Auf Antrag des Klägers hat das SG nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein nervenfachärztliches Gutachten bei Dr. Dr. H.-R. B. eingeholt. Dieser kommt in seinem Gutachten vom 2. August 2005 zu der Einschätzung, insbesondere die posttraumatischen psychopathologischen Ausfallerscheinungen hätten einen ganz erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Aufgrund einer schweren posttraumatischen Wesensveränderung und Depression sei der Kläger nur noch in der Lage, vier bis unter sechs Stunden tätig sein zu können.

Mit Urteil vom 21. Oktober 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert, da er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich Tätigkeiten verrichten könne. Hierbei hat sich das SG auf das Gutachten von Dr. Sc. einschließlich testpsychologischen Zusatzgutachtens gestützt. Für dieses Ergebnis sprächen auch die Ergebnisse der Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk S ... Die Leistungseinschätzung des nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens könne nicht überzeugen. Der Gutachter habe sich im wesentlichen auf den von ihm erhobenen psychischen Befund sowie das von dem von Amts wegen tätig gewordenen Gutachter veranlasste testpsychologische Zusatzgutachten gestützt. Hierbei habe der nach § 109 SGG tätig gewordene Gutachter jedoch verkannt, dass der Maßstab, nach dem die Leistungsfähigkeit des Klägers zu beurteilen sei, leichte und nervlich wenig belastende Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes seien. Die erheblichen qualitativen Leistungseinschränkungen habe bereits der von Amts wegen tätig gewordene Gutachter berücksichtigt, der dennoch nachvollziehbar die Leistungsfähigkeit auf mindestens sechs Stunden täglich geschätzt habe. Weitergehende qualitative Leistungseinschränkungen und psychisch auffällige Befunde habe der nach § 109 SGG tätig gewordene Gutachter nicht berichtet, so dass seine Einschätzung bezüglich zeitlicher Leistungseinschränkungen nicht nachvollzogen werden könne.

Hiergegen richtet sich die am 6. Dezember 2005 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung, die damit begründet wird, das erstinstanzliche Gerichte habe die gutachterlichen Feststellungen nicht zutreffend gewertet. Eine relevante Leistungsminderung solle deswegen nicht bestehen, da der Kläger angegeben habe, er gehe vier mal wöchentlich mit Freunden aus, spiele mit Einschränkungen Skat oder kegele. Diese Angaben entsprächen nicht den Tatsachen. Der Kläger lebe sozial völlig zurückgezogen und gehe nicht einmal mehr seinen Hobbys nach. Bei Würdigung der testpsychologischen Untersuchungen verkenne das Gericht, dass diese nicht von gleichem Gewicht für die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien. Die Tatsache, dass der Kläger bei viso-motorischen Verarbeitungsgeschwindigkeiten ein knapp durchschnittliches Arbeitstempo aufgewiesen habe, könne nicht ausgleichen, dass er bei der Reaktionsgeschwindigkeit bezüglich seines Aktivierungs- und Aufmerksamkeitsniveaus ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt habe. Seine Einzelreaktionen seien dabei relativ inkonstant gewesen. Durch Vorgabe eines akustischen Signals sei er eher irritiert und abgelenkt worden. Da es im allgemeinen Arbeitsleben unabhängig von der Tätigkeit auf die allgemeine Reaktionsgeschwindigkeit ankomme, sei diese Leistungseinschränkung deutlich stärker zu bewerten. Soweit das erstinstanzliche Urteil auf die Bewertung des Berufsförderungswerkes S. abstelle, werde diese Einschätzung sogar von der gerichtlichen Gutachterin Dipl.-Psych. Ko. in Zweifel gezogen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2003 dem Kläger Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. April 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus der Berufungsbegründung ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte, die eine Änderung ihres bisherigen Standpunktes zuließen.

Der Senat hat das für die BGFE erstellte neurologische Gutachten von Prof. Dr. F. vom 8. Dezember 2005 beigezogen. In diesem Gutachten wird über ein leichtes posttraumatisches organisches Psychosyndrom, weitgehend unveränderten Vorbefund und Verdacht auf leichte depressive Störung berichtet. Einschränkungen des Leistungsvermögens ergäben sich derzeit vor allem aufgrund der visuellen Einschränkung durch die im augenärztlichen Gutachten von Oktober 2003 festgestellten unfallbedingten Schädigungen. Eine berufliche Wiedereingliederung wird für grundsätzlich möglich erachtet.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG), hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat in der streitbefangenen Zeit keinen Anspruch auf die im Haupt- und Hilfsantrag begehrten Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Maßgeblich für die beanspruchten Renten ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch des Klägers erst ab 1. April 2003 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbarer Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat der Kläger erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGBVI) ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 7. Juli 2003 gegeben, wenn die verminderte Erwerbsfähigkeit bereits mit dem Arbeitsunfall am 8. August 2001 eingetreten wäre; sie wären jedoch auch noch bei einem erst mit der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat der Kläger indes keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil er in der streitbefangenen Zeit ab 1. April 2003 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI gewesen ist.

Der Kläger ist in seiner beruflichen Leistungsfähigkeit maßgeblich durch die Folgen des im August 2001 erlittenen Arbeitsunfalls beeinträchtigt. Die gesundheitlichen Störungen liegen insoweit vorwiegend auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet, daneben aber auch auf chirurgischem, augenärztlichem und HNO-ärztlichem Gebiet. Infolge der Frakturen beider Handgelenke leidet der Kläger an einer Schmerzsymptomatik bei Belastung. Zusätzlich besteht eine Einschränkung der Beweglichkeit der Daumengelenke sowie der rechtseitigen Schulterbeweglichkeit als Folge einer längeren Ruhigstellung bzw. Schonhaltung im Zusammenhang mit den Rippenserienfrakturen rechts. Insgesamt besteht jedoch insoweit ein gutes funktionelles Ergebnis, wie sich dem unfallchirurgischem Gutachten von Prof. Dr. P. vom 15. April 2003 entnehmen lässt. Zusätzlich ist das Sehvermögen des Klägers eingeschränkt durch Doppelbilder in allen Richtungen außer in das Feld des Geradeausblickes, wie sich dem augenärztlichem Gutachten von PD Dr. K. vom Universitätsklinikum G. vom 28. Januar 2004 entnehmen lässt. Zusätzlich lässt sich diesem Gutachten eine bereits vor dem Unfall vorhandene Kurzsichtigkeit und Hornhautverkrümmung entnehmen. Auf HNO-ärztlichem Gebiet liegt eine sehr geringgradige kombinierte Schwerhörigkeit rechts, hochtonbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit links, Tinnitus sowie eine Geruchs- und Geschmacksstörung vor (Gutachten Dr. Sp. vom 13. Dezember 2003). Ganz im Vordergrund steht jedoch ein leichtes hirnorganisches Psychosyndrom mit Affektnivellierung, Entdifferenzierung, Kritik- und Antriebsminderung. Das Vorliegen des hirnorganischen Psychosyndroms ergibt sich übereinstimmend aus den neurologischen Gutachten von Dr. F. , dem nervenärztlichem Gutachten von Dr. C. sowie den vom SG eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. Sc. einschließlich testpsychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. Ko. und dem Gutachten von Dr. Dr. B ...

Mit den vorhanden Gesundheitsstörungen ist der Kläger nur noch in der Lage, leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens liegt nicht vor. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden Beurteilung des Sachverständigen Dr. Sc. sowie dem Beratungsarzt Dr. G. in seiner als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen zu würdigenden Stellungnahme vom 22. Juni 2006 an. Dagegen vermag der Senat ebenso wie das SG der Einschätzung des nach § 109 SGG beauftragten Gutachters Dr. Dr. B. nicht zu folgen. Im psychischen Befund berichtet Dr. Dr. B. von einer gedrückten Grundstimmung ohne Tagesschwankungen der Stimmungslage und eine ausgeprägte Schwerbesinnlichkeit mit suizidalen Tendenzen. Unter dem Punkt "jetzige Beschwerden" wird gar von einem - in Widerspruch zum Befund stehenden - Morgentief berichtet. Eine schwere depressive Symptomatik, wie sie Dr. Dr. B. annimmt, wurde bei sonstigen Untersuchungen, insbesondere bei der Vielzahl der für die BGFE erfolgten Begutachtungen nicht festgestellt. Auch nimmt der Kläger keinerlei nervenärztliche Behandlung wahr, es werden diesbezüglich auch keinerlei Medikamente eingenommen. Noch bei der Begutachtung durch Dr. Sc. hatte der Kläger, der bei seinen Eltern lebt, angegeben, dass er vier mal wöchentlich mit Freunden eine Wirtschaft besuche, regelmäßig kegele und Skat spiele, wenn er auch bei letzterem Einschränkungen der Merkfähigkeit beklagte. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands seit dieser Begutachtung hat auch Dr. Dr. B. nicht angenommen. Soweit in der Berufungsbegründung die gegenüber Dr. Sc. gemachten Angaben vom Kläger bestritten werden, erscheint dies zweckgerichtet im Hinblick auf die Ausführungen des SG und nicht glaubhaft. Der Vortrag, der Kläger lebe sozial völlig zurückgezogen und gehe nicht einmal mehr seinen Hobbys nach, ist zudem völlig pauschal, ohne jede konkrete Darlegung und somit auch nicht nachprüfbar. Soweit sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf das Hobby der Kleintierzucht bezieht, lag dessen Aufgabe bereits zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. Sc. vor und wurde von dem Sachverständigen berücksichtigt. Von einem völligen sozialen Rückzug kann nach alledem nicht ausgegangen werden. Insbesondere schildert der Sachverständige Dr. Sc. den Eindruck eines Menschen, der schon vor dem Arbeitsunfall nicht allzu viel Antrieb, sozial aktives Verhalten oder exploratives Interesse an den Tag gelegt habe, der introvertiert und selbstunsicher gewesen sei und sich fast ausschließlich in vertrauten Kreisen bewegt habe. Soweit Dr. Dr. B. seine Leistungsbeurteilung auf das Ergebnis des testpsychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. Ko. stützt, vermag dies den Senat ebenfalls nicht zu überzeugen. Das auf Anforderung von Dr. Sc. erstellte Zusatzgutachten wurde von diesem bereits ausführlich gewürdigt und die sehr umfangreichen Testergebnisse in die Beurteilung einbezogen. So hat Dr. Sc. die erhebliche kognitive bzw. psychomotorische Verlangsamung sowie eine erhöhte Ablenkbarkeit des Klägers berücksichtigt, ebenso eine tendenzielle Zunahme der Reaktionszeiten wie z.B. Abnahme der Konstanz der Einzelreaktionen als Hinweis auf eine verminderte Belastbarkeit sowie Auffälligkeiten im Bereich der so genannten Exekutivfunktionen. Auch Dr. Sc. erlebte den Kläger als erheblich antriebsgemindert, kaum introspektions- und damit eingeschränkt kritikfähig. Diese auf Dauer bestehenden Einschränkungen hat Dr. Sc. schlüssig und nachvollziehbar durch die Annahme qualitativer Leistungseinschränkungen berücksichtigt. Eine Einschränkung in quantitativer Hinsicht hat er nachvollziehbar verneint. Insbesondere hat insoweit Dr. Dr. B. nicht berücksichtigt, dass der Kläger in strukturierten Situationen wie auch bei der testpsychologischen Untersuchung weitgehend unauffällige, seinem intellektuellen Vermögen entsprechende kognitive Leistungen gezeigt hat. Dr. Sc. und Dipl.-Psych. Ko. haben darauf hingewiesen, dass durch Läsionen in den Frontalhirnbereichen das intellektuelle Leistungsvermögen einer Person in der Regel nicht verändert wird, Veränderungen jedoch dahingehend entstehen können, dass das Abstraktionsvermögen und die Planungskompetenz eingeschränkt sind. Demgemäß erscheint es folgerichtig, dass der Kläger nicht mehr Tätigkeiten mit eigenständigem planerisch-konstruktiven Denken verrichten kann, jedoch durchaus in der Lage ist, bei Vorgabe von Aufträgen und Zielen diese zufrieden stellend zu bearbeiten. Darüber hinaus konnte die von Dr. Dr. B. angenommene erhebliche depressive Symptomatik auch in dem zeitlich nachfolgenden Gutachten von Prof. Dr. F. vom 8. Dezember 2005 nicht bestätigt werden. Dort erschien die Stimmung nur leicht gedrückt bei reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit, so dass dementsprechend eine leichte depressive Störung angenommen wurde.

Im Hinblick auf die festgestellten Einschränkungen sind dem Kläger nur noch Tätigkeiten ohne Verantwortungsübernahme, Zeitdruck, erhöhte Anforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Ausdauer oder selbstständiges Arbeiten, eigenständiges planerisch-konstruktives Denken sowie ohne Verletzungsgefahr, erhöhte Ablenkbarkeit und Publikumsverkehr zumutbar. Zusätzlich sind aufgrund der Sehstörungen erhöhte Anforderungen an das Sehvermögen zu vermeiden. Weitere Einschränkungen bestehen nicht. Durch eine Kopfschmerzsymptomatik ist der Kläger nach eigenen Angaben bei den wiederholten Begutachtungen durch Prof. Dr. F. in seinen täglichen Aktivitäten nicht beeinträchtigt. Er benötigt keine Schmerzmittel. Auch die wiederholt und unverändert angegebenen Beschwerden in den Handgelenken bei Belastung führen angesichts der ohnehin bestehenden Leistungsfähigkeit lediglich für körperlich leichte Tätigkeiten zu keinen weitergehenden Einschränkungen. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - juris) besteht unter Würdigung der ärztlichen Ausführungen ebenso wenig wie eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247).

Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen ist der Kläger zur Überzeugung des Senats weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit, da ein derartiger Anspruch nach § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI nur für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, in Betracht kommt. Der 1963 geborene Kläger kann daher schon aus diesem Grunde eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht beanspruchen.

Es liegt vorliegend auch nicht der Ausnahmefall vor, dass dem Kläger eine Verweisungstätigkeit zu benennen wäre, weil davon ausgegangen werden müsste, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für an sich mögliche Vollzeittätigkeiten keine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden wäre (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 136). Dies wäre nur dann der Fall, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannten beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das beim Kläger zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)). Eine Vielzahl der beim Kläger zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z.B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen; sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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