L 10 U 828/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1864/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 828/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. November 2004 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 2 am 17. April 2000 bei der Klägerin einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Beklagte trägt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie des Beigeladenen zu 2 in beiden Instanzen. Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Arbeitsunfall vorliegt und ob die Beklagte der hierfür zuständige Unfallversicherungsträger ist.

Der 1961 geborene Beigeladene zu 2 stammt aus Großbritannien. Er absolvierte dort eine Ausbildung und ein Studium im Bereich Mechanik und Ingenieurwesen sowie verschiedene Kurse an der Abendschule (Sprachen, Geografie, Computer), war als Ingenieur und Monteur tätig (bis 1993) und später (1996/97) u. a. als Englischlehrer an einer deutschen Volkshochschule. Ab 20. März 2000 hielt er sich im Rahmen eines von der Europäischen Kommission ("Leonardo da Vinci-Programm") geförderten Austauschprojekts in der Bundesrepublik Deutsch¬land auf. Der Austausch war von der Organisation ECTARC (European Centre for Training und Regional Co-operation) mit Sitz in Llangollen, Wales, und ihrem deutschen Kooperationspartner, der IHK-Bildungszentrum K. GmbH, organisiert worden. Zunächst nahm der Beigeladene zu 2 an einem Intensivkurs für die deutschen Sprache bei der IHK-Bildungszentrum K. GmbH teil. In der Zeit vom 17. April bis 16. Juni 2000 sollte er bei der Klägerin, einem Hersteller medizintechnischer Produkte, ein - für diese unentgeltliches - Praktikum absolvieren. Der Beigeladene zu 2 war in dieser Zeit in Großbritannien privat krankenversichert.

Am ersten Tag seines Praktikums begab sich der Beigeladene zu 2 zusammen mit dem Zeugen K., einem Mitarbeiter der Klägerin, in den Schau-Operationssaal der Klägerin. Dort reparierte der Zeuge W., ein Mitarbeiter der Firma B., einem weiteren Hersteller medizintechnischer Produkte, eine Operationslampe. Ebenfalls anwesend war der Zeuge W. Hierbei - die Einzelheiten des Vorgangs sind streitig - stürzte die Operationsleuchte ab und traf den Beigeladenen zu 2 am Kopf. Er erlitt dabei eine Schädelprellung mit Gehirnerschütterung.

Der Unfall wurde zunächst der V.-Berufsgenossenschaft, als dem für die IHK-Bil¬dungs¬zentrum K. GmbH zuständigen Unfallversicherungsträger, angezeigt (Durchgangsarztbericht vom 17. April 2000), welche den Vorgang "zuständigkeitshalber" an die Beklagte weitergab (Schreiben vom 8. Juni 2000), von wo er mit Schreiben vom 26. Juni 2000 mangels erkennbarer Zuständigkeit wieder an die V.-Berufsgenossenschaft zurückgesandt wurde. Diese lehnte mit Bescheid vom 8. August 2000 die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, da die IHK-Bildungszentrum K. GmbH nicht Maßnahme- bzw. Kostenträger des Praktikums gewesen sei, sondern dieses nur vermittelt habe.

Im April 2003 erhob der Beigeladene zu 2 zusammen mit seiner privaten Krankenversicherung vor dem Landgericht Baden-Baden (S O 157/03) gegen die Klägerin Klage auf Ersatz von Behandlungskosten, Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz etwaiger zukünftiger Schäden (dort vom Beigeladenen zu 2 angegebener Streitwert: 18.942,02 EUR). Das Verfahren ist mit Beschluss des Landgerichts vom 29. Juli 2003 zum Ruhen gebracht worden.

Im Juni 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, dem für sie zuständigen Unfallversicherungsträger, festzustellen, dass der Vorfall vom 17. April 2000 einen Arbeitsunfall darstelle und ihr das Haftungsprivileg des § 104 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zukomme. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 und Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2004 lehnte die Beklagte dies ab. Sie wies auf den für sie bindenden Bescheid der V.-Berufs¬genos¬sen¬schaft vom 8. August 2000 sowie den Umstand hin, dass ein Fall der "Einstrahlung" nach § 5 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vorliege.

Am 11. Mai 2004 hat die Klägerin hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. November 2004 abgewiesen. Es hat hierbei unterstellt, dass ein Fall des § 5 SGB VII nicht vorliege, aber einen Versicherungsschutz als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII), Lernender (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII), "Wie-Beschäftig¬ter" (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII) oder ehrenamtlich Tätiger (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII i. V. m. § 52 der Satzung der Beklagten) verneint.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 23. November 2004 zugestellte Urteil am 9. Dezember 2004 Berufung eingelegt.

Während des Berufungsverfahrens hat die Beigeladene zu 1, der für die Firma B. zuständigen Unfallversicherungsträger, mit Bescheid vom 20. Dezember 2005 gegenüber dem Beigeladenen zu 2 Leistungsansprüche abgelehnt. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Am Unfalltag sei keiner der Mitarbeiter der Firma B. anwesend gewesen. Später hat die Beigeladene zu 1 klargestellt, dass zwar ein Mitarbeiter (der Zeuge W.) anwesend gewesen sei, jedoch keine Anweisungen gegeben habe.

Der Berichterstatter des Senats hat am 13. Dezember 2006 die Zeugen W. , K. und W. vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift Bezug genommen.

Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, dass der Beigeladene zu 2 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. November 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 2 am 17. April 2000 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall erlitten hat und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ein Arbeitsunfall, für den sie zuständig sei, liege nicht vor, denn der Beigeladene zu 2 habe entgegen den Anweisungen des Zeugen K. gehandelt, damit eigenmächtig. Das Verhalten des Beigeladenen zu 2 sei allein der Firma B. zuzurechnen, womit die Beigeladene zu 1 zuständig sei.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Auch der Beigeladene zu 2 geht davon aus, dass er einen Arbeitsunfall erlitten hat. Die Beigeladene zu 1 vertritt die Ansicht, dass im Falle der Annahme eines Arbeitsunfalls die Beklagte als vorläufig leistender Unfallversicherungsträger zuständig sei.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet.

Die Feststellungsklage ist nach § 109 SGB VII zulässig. Danach kann eine Person, deren Haftung nach den §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist - also hier die Klägerin als Unternehmerin - die Feststellung nach § 108 SGB VII beantragen und ein entsprechendes Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz betreiben. § 108 SGB VII sieht die Feststellung vor, ob ein Versicherungsfall vorliegt, ob der Unfallversicherungsträger zuständig ist und - in einer weiten Auslegung der Vorschrift auch - welchem Unternehmen der Versicherungsfall zuzuordnen ist (Ricke in: Kasseler Kommentar, § 108 SGB VII Rdnr. 5).

Die Feststellungsklage ist auch begründet, denn der Unfall des Beigeladenen zu 2 vom 17. April 2000 stellt einen Arbeitsunfall dar, der bei der Beklagten versichert ist.

Ein Fall der "Einstrahlung" liegt nicht vor.

Nach § 5 Abs. 1 SGB IV kommen die Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht zur Anwendung, wenn - im Zeitpunkt des Unfalls - ein außerhalb des Geltungsbereichs des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestehendes Beschäftigungsverhältnis bestand, in dessen Rahmen der Beschäftigte in diesen Geltungsbereich entsandt worden ist. Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV); als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung (§ 7 Abs. 2 SGB IV). Hier fehlt es schon an einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis, jedenfalls an jeglichem betrieblichen Bezug. Finanzielle Leistungen, die die ECTARC an den Beigeladenen zu 2 erbracht hat, sind nicht als Entgelt anzusehen, sondern sollten, ähnlich einem Stipendium, seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt ermöglichen. Auch mit dem colege L., einer Sprachschule in der Nähe von M., bestand kein Beschäftigungsverhältnis. Der Beigeladene zu 2 nahm dort, wie von ihm im Berufungsverfahren unter Vorlage einschlägiger Dokumente nachvollziehbar dargelegt, lediglich an drei Wochenenden vor seinem Deutschlandaufenthalt Deutschunterricht; die entsprechende Formulierung im Schreiben der Rechtsschutzversicherung AIG Europe vom 14. Juni 2001 an die V.-Berufsgenossenschaft ("employed") ist missverständlich, die in der Verwaltungsakte enthaltende Übersetzung unzutreffend. Dies steht auf Grund der Darlegung des Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen zu 2 und des in diesem Zusammenhang vorgelegten Schriftwechsels fest.

Der Beigeladene zu 2 erlitt am 17. April 2000 einen Arbeitsunfall.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 11/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr.14), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu¬rechnen ist (innerer bzw. sach¬licher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat und letzteres einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten ver¬ursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von länger andauernden Unfall¬folgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Vor¬aussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der Beigeladene zu 2 war als Beschäftigter (Praktikant) versichert.

Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB IV). Praktikanten sind Personen, die sich - ohne Auszubildende/Lernende (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII) zu sein - in einem Unternehmen praktische Kenntnisse zur Vervollständigung ihrer Ausbildung für ihren Hauptberuf durch praktische Arbeit aneignen wollen (Schwerdtfeger in: Lauterbach, Unfallversicherung, § 2 SGB VII Rdnr. 128). Sie tun dies regelmäßig unentgeltlich (Seewald in: Kasseler Kommentar, § 7 SGB IV Rdnr. 170, 178). Praktikanten sind grundsätzlich Beschäftigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 SGB IV (BSG, Urteil vom 26. September 1996, 2 RU 12/96, SozR 3- 2200 § 539 Nr. 36; Schwerdtfeger, a. a. O.).

Für die Annahme eines solchen Praktikums (und nicht eines nur als solchen bezeichneten andersartigen Aufenthalt in einem Betrieb) ist entscheidend, ob die Möglichkeit im Vordergrund steht, Kenntnisse und Erfahrungen für einen bestimmten Beruf zu erwerben und nicht sonstige Zwecke (Seewald, a. a. O.). Ersteres ist hier zu bejahen.

Das "Leonardo da Vinci-Programm" und das konkret von ECTARC und der IHK-Bil¬dungs¬zent¬rum K. GmbH durchgeführte Austauschprogramm sind zwar auf die Vermittlung sprachlicher Kenntnisse angelegt. Die Programme, insbesondere das bei der Klägerin konkret durchgeführte Praktikum, dienten aber wesentlich auch der Vermittlung originär beruflicher Kenntnisse, ohne dass der Frage näher nachgegangen werden muss, ob eine besondere Sprach¬kompetenz (Fachsprachkenntnisse) in dem heutigen, durch grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgänge geprägten Berufsleben nicht bereits Teil der beruflichen Kenntnisse ist.

Austauschprogramme, wie das vom Beigeladenen zu 2 absolvierte, sollten (vgl. http://europa.eu.int/comm/education/programmes/leonardo/leonardo de.html;"Allgemeiner Leit¬faden für Antragsteller", Fassung 2006; http://www.ectarc.com/german/main.htm; Blatt 46 ff LSG-Akte) die Teilnehmer "bei der Verbesserung ihrer fachlichen Qualifikation lebenslang unterstützen", indem ein "arbeitsbezogener Auslandsaufenthalt" ermöglicht wird. Hintergrund war die Zielsetzung, "die europäischen Bürger besser auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt vorzubereiten und auf diese Weise die Zahl der Arbeitslosen zu senken" und zugleich der Wirtschaft für einen immer schärferen weltweiten Wettbewerb benötigte qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen. Neben der Verbesserung der Sprachkompetenz wird die Verbesserung der Arbeitschancen genannt.

Insbesondere diente das bei der Klägerin durchgeführte Praktikum der Vermittlung beruflicher Kenntnisse. Hierauf deuten eine ganze Reihe von Umständen hin. So war in dem Anschreiben der IHK Bildungszentrum K. GmbH vom 1. März 2000, mit dem bei der Klägerin um den Praktikumsplatz angefragt wurde, ausdrücklich angegeben, das Praktikum diene dem Zweck "praktische berufliche Erfahrungen zu sammeln." Der von der Klägerin aufgestellte Zeitplan war mit "Ingenieur-Praktikum" überschrieben. Auch der geplante Ablauf des Praktikums, wie ihn die Klägerin im Berufungsverfahren dargestellt hat, weist allein einen fachlich-beruflichen Bezug auf. Bei den Mitarbeitern der Klägerin, denen der Beigeladene zu 2 zugeteilt werden sollte, handelte es sich um den Arzt Dr. H., den Leiter der "Surgical Academy", den Leiter der Fertigungs- und den Leiter der Konstruktionsabteilung. Zunächst sollte der Beigeladene zu 2 sich mit den Vorbereitungen eines Ärztekongresses beschäftigen, dann Einblicke in die Organisationsabläufe der bei der Klägerin durchgeführten Fortbildungsveranstaltungen erhalten. Auch in den beiden weiteren Abteilungen lässt sich ein Bezug zur Vermittlung beruflicher Kenntnisse erkennen, hingegen nicht zu sprachlichen. Nur so war es in den Abteilungen auch möglich, über die Einzelheiten der (weiteren) Tätigkeiten des Beigeladenen zu 2 im Praktikum - wie von der Klägerin dargelegt - ohne vorherige Planung jeweils "operativ", d. h. kurzfristig und situationsgebunden, zu entscheiden. Der Beigeladene zu 2 stand damit der betrieblichen Tätigkeit der Klägerin weit näher, als etwa ein Teilnehmer an einer Unternehmensbesichtigung, welcher nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII i. V. m. § 52 Abs. 1 Buchstabe b der Satzung der Beklagten ebenfalls unter Unfallversicherungsschutz steht.

Auch wenn man den Aufenthalt des Beigeladenen zu 2 in Deutschland insgesamt betrachtet, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Das Praktikum bei der Klägerin war danach nicht etwa nur "Annex" einer Vermittlung sprachlicher Kenntnisse. Die Vermittlung beruflicher Erfahrungen war auch nicht der Erlernung der deutschen Sprache untergeordnet, wie schon die zeitliche Verteilung von Sprachkurs (knapp ein Monat) und Praktikum bei der Klägerin (etwa zwei Monate) zeigt.

Der Beigeladene zu 2 erlitt den Unfall auch "infolge" der versicherten Tätigkeit.

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist erforderlich (hierzu und zum Nachfolgenden BSG Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 5/04 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 4 m.w.N.), dass das Verhalten des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Es muss eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine bestimmte Handlung in einem solchen rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten Tätigkeit steht, ist die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls. Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versi¬cherten.

Die für den Versicherungsschutz notwendige Handlungstendenz kommt in dem von der Recht¬sprechung verwendeten Begriff der dem Unternehmen "dienlichen", "dienenden" oder "zu die¬nen bestimmten" Tätigkeit zum Ausdruck. Die Tätigkeit muss mit einer fremdwirtschaftlichen Zweckbestimmung und nicht zur Verfolgung eigener Angelegenheiten, sogenannter eigenwirtschaftlicher Tätigkeiten, erfolgen. Von der Handlungstendenz ist der subjektive Beweggrund, das heißt die persönliche Motivation für die Tätigkeit, abzugrenzen. Die Annahme einer auf die Belange des Unternehmens gerichteten Handlungstendenz setzt entsprechend voraus, dass anhand objektiver Kriterien ein nachvoll¬ziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist. Wie bei allen anderen Zurechnungsentscheidungen sind für die Beurteilung des Unfallversicherungsschutzes alle Umstände des Einzelfalls und das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Organisation des Unternehmens einerseits und die Einordnung der Gesamttätigkeit des in diesem Unternehmen wie ein Beschäftigter Tätigen andererseits. Weiter sind Umfang und Zeitdauer der verrichteten bzw. vorgesehenen Tätigkeit(en) zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der Beigeladene zu 2 von dem Zeugen K. im Rahmen seines Praktikums in den Operationssaal geleitet, um ihm diesen zu zeigen. Der Senat kann offen lassen, wie sich der Unfall im Einzelnen ereignet hat. Denn weder der Beigeladene zu 2 noch einer der Zeugen hat angeben können, dass sich der Beigeladene zu 2 aus privaten oder sonstigen betriebsfremden Beweggründen mit der Operationslampe beschäftigte, insbesondere sich über eine eindeutige Weisung des Zeugen K. hinweggesetzte, und allein deswegen zu Schaden kam.

So hat der Zeuge K. zwar mitgeteilt, er habe den Beigeladenen zu 2 angewiesen, nichts anzufassen und zurückzutreten. Als die Operationslampe herabstürzte, war der Zeuge K. jedoch nicht mehr im Raum anwesend. Er kann also überhaupt nicht gesehen haben, dass der Beigeladene zu 2 entgegen einer solchen Weisung handelte. Mehr hat die Klägerin im Zivilrechtsstreit vor dem Landgericht Baden-Baden (Klageerwiderung vom 16. Mai 2003, Seite 5 f) auch nicht vorgetragen; die Beklagte kann aus den früheren Angaben der Klägerin also nichts ableiten, was ihre Position weiter stützen würde. Allein aus dem Umstand, dass sich der Unfall tatsächlich ereignet hat, kann nicht geschlossen werden, dass der Beigeladene zu 2 einer solchen Weisung des Zeugen K. zuwidergehandelt hat - wie die Beklagte wohl meint. Dazu sind die Einzelheiten des Unfallhergangs nicht klar genug dokumentiert und können heute auch nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden.

Nach der Aussage des Zeugen W. sei der Beigeladene zu 2 verunglückt, als er ihm dabei geholfen habe die Operationslampe zu demontieren. Die Mithilfe sei jedoch nicht entgegen der Weisung des Zeugen K. erfolgt, sondern der Zeuge K. habe den Beigeladenen zu 2 gerade mitgebracht, damit dieser ihm helfe. Die Beklagte missversteht die Aussage des Zeugen W., wenn sie darlegt, dieser habe nicht angegeben, der Zeuge K. habe den Beigeladenen zu 2 als denjenigen vorgestellt, der ihm bei der Demontage der Operationsleuchte habe helfen sollen und der Zeuge W. wisse heute auch nicht mehr, ob der Zeuge K. etwas zu dem Beigeladenen zu 2 gesagt habe. Vielmehr hat der Zeuge W. klar zum Ausdruck gebracht, er habe gegenüber dem Zeugen K. erklärt, er benötige einen Helfer, dieser habe geantwortet, er werde schauen, wo er jemanden finde und sei dann mit dem Beigeladenen zu 2 zurückgekommen. Dies ist nicht anders zu verstehen, als dass der Zeuge K. den Beigeladenen zu 2 als den vom Zeugen W. angeforderten Helfer vorgestellt hat.

Die Angaben des Zeugen W. entsprechen im Kern den schriftlichen Angaben des Beigeladenen zu 2 in diesem Verfahren sowie seinem Vortrag im Rechtsstreit vor dem Landgericht Baden-Baden (Klageschrift vom 17. April 2003, Seite 4).

Der Zeuge W. hat keine weiteren Einzelheiten mitteilen können.

Ob der Beigeladene zu 2 nun verunglückte, als er allein der Demontage der Operationslampe zusah oder aber auf Anweisung des Zeugen K. bei dieser Demontage mithalf, so geschah doch beides im Rahmen des Praktikums. Dass der Beigeladene zu 2 allein von dem Zeugen W. aufgefordert wurde, zu helfen, hat niemand vorgetragen. Dementsprechend kann die Handlungstendenz des Beigeladenen zu 2 auch nicht dahingehend interpretiert werden, er habe dem Zeugen W. - sozusagen "außerhalb des Praktikums" - helfen wollen. Eine Zuordnung zur Firma B. und der Beigeladenen zu 1 als so genannter Wie-Beschäftigter nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII scheidet daher aus. Auf die Frage des Konkurrenzverhältnisses der Versicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII und die Anwendung von § 135 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII kommt es daher nicht an. Auch eine Zuordnung unter dem Gesichtspunkt der vorläufigen Zuständigkeit (§ 139 SGB VII) - entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1 würde dies dann aber nicht die Beklagte, sondern die V.-Berufs¬ge¬nos¬sen¬schaft betreffen - scheidet aus, da dort nur die Gewährung vorläufiger Leistungen geregelt ist.

Dem Vorliegen eines Arbeitsunfalls kann nicht entgegengehalten werden, dass der Beigeladene zu 2 hierbei einer so genannten "selbst geschaffenen Gefahr" erlegen ist, was zu einer Unterbrechung der haftungsbegründenden Kausalität führen würde. Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, dass der Unfall Folge einer "selbst geschaffenen Gefahr" war.

Der Begriff der "selbst geschaffenen Gefahr" ist nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des BSG (siehe, auch zum Nachfolgenden Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 11/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 14 m.w.N.) eng auszulegen und nur mit größter Zurückhaltung anzuwen¬den. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass der Versicherungsschutz entfällt, wenn der Versicherte sich bewusst einer höheren Gefahr aussetzt und dadurch zu Schaden kommt, gibt es nicht. Auch leichtsinniges unbedachtes Verhalten beseitigt den bestehenden sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls nicht. Dies ist viel¬mehr nur aus¬nahmsweise dann der Fall, wenn ein Beschäftigter sich derart sorglos und unver¬nünftig verhält, dass für den Eintritt des Arbeitsunfalls nicht mehr die versicherte Tätigkeit, son¬dern die selbst geschaffene Gefahr als die rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen ist. Verfolgt der Versicherte ausschließlich betrieb¬liche Zwecke schließt ein solches Verhalten den Zusammenhang zwischen der ver¬sicherten Tätigkeit und dem Unfall nie aus. Die selbst geschaffene Gefahr bekommt also erst dann Bedeutung, wenn ihr betriebsfremde Motive zugrunde liegen. Hierfür bietet der Sachverhalt keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte.

Die Bescheide der V.-Berufsgenossenschaft vom 8. August 2000 und der Beigeladenen zu 1 vom 20. Dezember 2005 stehen der begehrten gerichtlichen Feststellung nicht entgegen. Sie sind nicht gegenüber der Klägerin ergangen, können also insoweit auch keine Bindungswirkung (§ 77 SGG) entfalten. Im Übrigen verneinen sie bei sachgerechter Auslegung (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch) auch nicht vollumfänglich das Vorliegen eines Arbeitsunfalls, sondern nur einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen im Hinblick auf das Unternehmen, für den die beiden Unfallversicherungsträger jeweils zuständig sind, also die IHK-Bildungszentrum K. GmbH bzw. die Firma B.

Auf die Berufung der Klägerin wird daher das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die begehrte Feststellung ausgesprochen.

Hierauf und auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 bis 3 VwGO beruht die Kostenentscheidung.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war - angesichts der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits - notwendig (§ 197a SGG i. V. m. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved