Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 8195/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3379/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06. Juli 2005 und der Bescheid der Beklagte vom 18. August 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. November 2004 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unbefristet Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2003 zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1948 geborene Kläger – ein griechischer Staatsangehöriger – gab zu seinem Werdegang (insbesondere zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang) Folgendes an: Als deutlich geistig zurückgebliebenes Kind habe er die griechische Grundschule nur einige Tage besucht. Wegen seiner schlechten Sprache hätten ihn die Lehrer immer wieder geschlagen, weshalb er aus Angst vor den Lehrern die Schule nicht weiter besucht habe und praktisch Analphabet sei. Einen Beruf habe er nicht erlernen können. Zum Militär einberufen sei er nach einer Woche von seiner Militärpflicht entlastet worden. Er habe danach in einem Restaurant seines Vetters N.K. in Griechenland gearbeitet. Im Alter von 24 Jahren sei er eine Ehe eingegangen; seine Ehefrau habe sich jedoch bald wieder von ihm getrennt. Obwohl kein Geschlechtsverkehr zwischen den Eheleuten stattgefunden habe, habe er ein Kind seiner Ehefrau als sein eigenes anerkannt. Nach der Eheschließung habe er als Bauarbeiter in Athen gearbeitet, aber nach einigen Tagen seine Arbeit nicht mehr ausüben können. In der Folgezeit sei er einige Monate als Stadtarbeiter in Athen beschäftigt gewesen. Sein Vetter N.K. habe im Juli 1989 in der Bundesrepublik Deutschland ein Restaurant eröffnet. Dort habe er von 1990 bis zur Schließung des Restaurants im Jahre 2003 gearbeitet. Seine Arbeit habe in Kartoffel- und Zwiebelschälen und Fegen des Restaurantraumes bestanden. Zusammen mit seinem Vetter N.K. sei er danach nach Griechenland zurückgekehrt, wo er wegen seiner Beschwerden nicht mehr gearbeitet habe (Angaben des Klägers zur Anamnese im Gutachten des Prof. Dr. V. vom 01.06.2006).
Im Versicherungsverlauf des Klägers sind Pflichtbeiträge in der deutschen Rentenversicherung von September 1990 bis Juli 2002 mit Unterbrechungen nachgewiesen. Arbeitgeber waren überwiegend sein Vetter mit der in Bonn betriebenen Taverne Korfu und zeitweise andere griechische Gaststätten in K. und K ... Das sozialversicherungspflichtige Entgelt lag in den 90er Jahren bei knapp unter 9.000 DM pro Jahr.
Am 09.01.2003 beantragte der Kläger beim griechischen Versicherungsträger IKA, wo der Kläger zwischen 1970 und 1982 insgesamt 50 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat, ihm Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Die IKA entsprach diesem Antrag durch Gewährung von Teilinvaliditätsrente für die Zeit vom 09.01.2003 bis zum 31.01.2005 bei einem Invaliditätsgrad von 36%.
Die IKA leitete den Rentenantrag auf den amtlichen Formularvordrucken E 213-214, E 204, E 205 GR an die Beklagte weiter, wo er am 12.11.2003 einging. Im Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 12.03.2003 wurden für den Kläger bei einer Größe von 178 cm und einem Gewicht von 110 kg folgende Diagnosen gestellt: Reaktives, stressbedingtes Syndrom. Degenerative Meniskus - Erkrankung am rechten Kniegelenk. Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 05.02.2004 nannte Dr. G. folgende Diagnosen: Adipositas Grad II (BMI 35 kg/m²), reaktive, stressbedingte, depressive Störung, Meniscopathie rechtes Kniegelenk und Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule. Der Kläger sei für die bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit und für andere leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig belastbar. Zu vermeiden seien Wechsel- und Nachtschicht, besonderer Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, häufiges Bücken, Knien, Hocken, Klettern oder Steigen und Einfluss von Kälte, Hitze und Nässe. Empfehlenswert sei eine Körpergewichtsreduktion.
Hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 19.02.2004 ab.
Auf den weiteren Rentenantrag des Klägers vom 07.10.2003 beim griechischen Versicherungsträger IKA gewährte diese dem Kläger Teilinvaliditätsrente für die Zeit vom 07.10.2003 bis zum 30.10.2006 bei einem Invaliditätsgrad von 67%. Die IKA leitete auch diesen Rentenantrag auf den amtlichen Formularvordrucken an die Beklagte weiter, bei welcher er am 26.07.2004 einging. Unter dem 24.03.2004 wurden von der griechischen Gesundheitskommission als Diagnosen genannt: Chronische Psychose-Depression, geistige Zurückgebliebenheit (nicht bewertet), Bronchialasthma, starke Verschlechterung der Spondyloarthropathie an der Wirbelsäule und Bandscheibenvorfall mit Neuro-Wurzelreizerscheinungen, rheumatische Arthritis an Kniegelenken mit Sinovialis-Ektomie und vorgesehener totaler Arthroplastik. Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 11.08.2004 verwies Dr. G. auf die in seiner Stellungnahme vom 05.02.2004 erhobenen Diagnosen. Auch das Leistungsvermögen des Klägers beurteilte er unverändert.
Mit Bescheid vom 18.08.2004 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers vom 07.10.2003 ab.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 23.08.2004 unter Hinweis auf die Gewährung einer Rente durch die IKA wegen eines Invaliditätsgrades von 67%. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2004 zurück.
Mit seiner am 10.12.2004 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter und stützte sich zur Begründung auf die von der IKA eingeholten ärztlichen Gutachten.
Das SG veranlasste eine fachorthopädische Begutachtung durch Dr. M ... Dieser stellte im Gutachten vom 11.02.2005 folgende Diagnosen: 1. Kniegelenksarthrose beidseits rechts stärker als links bei Verdacht auf Rheuma nach operativer Synovektomie beider Kniegelenke. 2. Lendenwirbelsäulenspondylose mit Kompressionfrakturen der Lendenwirbelkörper L2 und L3 mit Nucleus pulposus-Hernie L3/L4 und Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1 mit Spinalkanalstenose. 3. Synovitis der Metakarpophalangialgelenke 2 beiderseits und Ulnardeviation der Finger beidseits wie bei Rheuma. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger nur noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten auszuüben mit Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen in halbstündigen Zeiträumen. Derartige Tätigkeiten könne er noch vollschichtig verrichten. Die sozialrechtlich relevante Wegstrecke sei nicht eingeschränkt. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz seien aus orthopädischer Sicht nicht vorhanden. Mit Urteil vom 06.07.2005 wies das SG die Klage ab und stützte sich hierbei auf die gutachterlichen Feststellungen des Dr. M. Weitere, das Leistungsvermögen des Klägers wesentliche Gesundheitsstörungen seien nicht ersichtlich. Zwar werde in den Gutachten der griechischen Gesundheitskommissionen vom 07.10.2003 und 24.03.2004 ein reaktives, stressbedingtes, depressives Syndrom bzw. eine chronische Psychose/Depression erwähnt. Weder aus diesen Gutachten noch aus sonstigen Unterlagen gehe jedoch hervor, ob sich der Kläger insoweit in Behandlung befinde.
Gegen das ihm am 04.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.08.2005 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat das Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 09.11.2006 vorgelegt mit einer Attestierung einer Teilinvalidität für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2009 weiterhin nach einem Grad von 67% aufgrund der festgestellten Diagnosen: Chronische psychotische Depression, schwere Form geistig-seelischer Retardierung, Spondylarthropathie der Wirbelsäule mit Wurzelreizerscheinungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (nicht zu berücksichtigen). Er gab ferner an, seine letzte Beschäftigung sei die Tätigkeit als Kochhilfe in der Küche gewesen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. August 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Beiziehung des vom Kläger vorgelegten Gesundheitsbuchs hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. V. Thessaloniki. Der Sachverständige stellt im Gutachten vom 01.06.2006 folgende Diagnosen: 1) Neurologisch: - Schallempfindungsschwerhörigkeit links - Restzustand nach einem Lumbal- bzw. Ischiassyndrom bilateral (links mehr als rechts). 2) Psychiatrisch: - Leichte geistige Behinderung ohne Verhaltensstörungen - Kein Anhalt für Depression - Kein Hinweis auf eine Psychose Das Gedächtnis erscheine (besonders für neuere Vorgänge) reduziert. Nach den durchgeführten neuro-psychologischen Tests bestünden Hinweise auf eine leicht- bis mittelgradige Funktionsstörung des Gehirns (Rorschach-Test) bzw. auf eine leichte intellektuelle Reduktion (Raven-Test) bei einem IQ von 55 – 65 und einer ausgeprägten Leistungsreduktion (19 – MMS). Prof. Dr. V. hielt den Kläger für in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien Wechsel- und Nachtschicht, besonderer Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 kg, voller Gebrauch beider Hände, Eigen- und Fremdgefährdung, häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, Absturzgefahr, Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder an solchen, die die volle körperliche oder psychische Gebrauchsfähigkeit sowie Denkfertigkeit, Initiative, andauernde Aufmerksamkeit, nervöse Anspannung und besondere Verantwortung erforderten, Gefährdung durch starke Temperaturunterschiede sowie Arbeitsräume mit Kälte, Hitze, Zugluft, Nässe, Lärm und inhalativen Reizstoffen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme jeder neuen Tätigkeit verbunden seien.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S., Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin -Sozialmedizin - hat in den Stellungnahmen vom 19.01. und 08.03.2007 die Auffassung vertreten, aus dem Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 09.11.2006 ergäben sich keine Hinweise für eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers seit der Begutachtung durch Prof. Dr. V ... Bei der vom Sachverständigen angegebenen leichten geistigen Behinderung (F 70) des Klägers sei davon auszugehen, dass eine Umstellungsfähigkeit auf leichte, einfache Tätigkeiten vorhanden sei, z.B. auf die Tätigkeit eines Produktionshelfers mit dem Aufmachen von Fertigerzeugnissen oder Bekleben und Einölen von Waren. Im übrigen habe der Kläger die geistige Retardierung und reduzierte Umstellungsfähigkeit in das Erwerbsleben eingebracht. Die Beklagte hat eine Umstellungsfähigkeit auf Tätigkeiten, wie sie z.B. in der Berufsgruppe der Warenaufmacher/Versandfertigmacher anfallen, für gegeben erachtet. Hierzu gehörten Tätigkeiten wie - Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä.; - Bekleben, Bemalen, Einfetten und Einhüllen von Waren und Erzeugnissen; - Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame - , Prüf - , Waren – oder Gütezeichen von Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä.; - Zurichten von Textilien, insbesondere Ausformen von Wirk- und Strickwaren, Handschuhen oder Strümpfen, Dressieren von Stoffen, Bügeln von Hüten, Lackschuhen oder Leder, Einziehen von Schnürsenkeln in Schuhe; - Abzählen, Abmessen, Abwiegen oder Abfüllen von Waren und Erzeugnissen; - Einwickeln bzw. Einlegen in Papp- oder Holzschachteln, Kisten, Fässer, Säcke oder sonstige Behältnisse; - Verschließen dieser Behältnisse sowie Anbringen von Kennzeichen oder anderen Hinweisen an den Waren oder Behältnissen Eine Einarbeitung in diese unterschiedlichen Tätigkeiten, die verschiedene körperliche Anforderungen stellten, sei üblicherweise innerhalb weniger Tage möglich.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Stuttgart (S 10 RJ 8195/04) und auf diejenigen des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz –SGG- liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der Senat hat das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06. Juli 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 18. August in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01. Oktober 2003, dem Monat der Rentenantragstellung, Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren, weil beim Kläger mit der Aufgabe der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung der Leistungsfall der Erwerbsminderung eingetreten ist.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Generell ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Senat ist auf der Grundlage des beruflichen Werdegangs des Klägers und des Gutachtens von Prof. Dr. V. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger infolge seiner Intelligenzminderung nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig zu sein. Es fehlt ihm, der seit seiner Rückkehr nach Griechenland nicht mehr erwerbstätig war, schon an der Fähigkeit sich auf einen neuen Arbeitsplatz einzustellen.
Unter Intelligenzminderung ist eine angeborene oder früh erworbene globale Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Sinn des schwierigen und in der psychischen Forschung nicht einheitlich definierten Konstrukts der Intelligenz zu verstehen (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Auflage, S. 555). Anhand des Intelligenzquotienten (IQ) entscheidet man niedrige Intelligenz (IQ 70-84) und leichte (IQ 50-69), mittelgradige (IQ 35-49), schwere (IQ 20-34) und schwerste (IQ unter 20) Intelligenzminderungen. Schwere und schwerste Intelligenzminderungen schließen eine Bildbarkeit auch in Sonderschulen aus und führen zu lebenslanger Pflegebedürftigkeit. Bei grenzwertig niedriger Intelligenz und leichter Intelligenzminderung kann eine selbstständige soziale Teilhabe gelingen und die Beschäftigung mit leichten Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist denkbar. Grundsätzlich hängen die sozialen Auswirkungen einer Intelligenzminderung jeweils ab vom Schweregrad, den Komplikationen und erreichten Rehabilitationserfolg (Sozialmedizinische Begutachtung, aaO, S. 556).
Nach den gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. V. besteht bei dem Kläger ein IQ zwischen 55 und 65. Damit liegt eine leichte Intelligenzminderung im Sinne der erwähnten Klassifikation vor (F 70.- ICD 10). Diese Intelligenzminderung ist bei dem Kläger seit dem Kindesalter vorhanden. Wie vom Kläger bei der Anamneseerhebung angegeben und vom Sachverständigen nicht in Zweifel gezogen worden ist, besuchte der Kläger nur wenige Tage die Schule und ist daher praktisch Analphabet. Als er seinen Wehrdienst ableisten sollte, wurde er nach kurzer Zeit von seiner Wehrpflicht befreit. Ebenfalls nur für kurze Zeit war es ihm möglich, als Bauarbeiter und Stadtarbeiter erwerbstätig zu sein. Erst als ihn sein Vetter N.K. unter seinem Schutz und seiner Anleitung (so formuliert im Gutachten des Prof. Dr. V.) in dessen Restaurants zunächst in Griechenland und danach mehrjährig in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte, war ihm unter diesen besonderen Bedingungen eine längere Erwerbstätigkeit möglich. Hierbei handelte es sich um sehr einfache Küchenhilfstätigkeiten wie das Schälen und Schneiden von Kartoffeln und Zwiebeln und das Fegen des Restaurantraumes. Als sein Vetter N.K. sein in der Bundesrepublik Deutschland betriebenes Restaurant wegen den Folgen eines erlittenen Unfalles schloss, fiel auch für den Kläger diese Beschäftigungsmöglichkeit weg, und er kehrte zusammen mit dem Vetter und dessen Familie nach Griechenland zurück, wo er - wie er angibt wegen seiner Beschwerden - nicht mehr erwerbstätig war.
Aus diesem Werdegang des Klägers wird deutlich, dass ihm infolge seiner geistigen Einschränkungen weder eine schulische Ausbildung in der Grundschule, noch die Ableistung des Wehrdienstes und auch keine reguläre Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich war. Erst als ihn sein Vetter wohl auch aufgrund familiärer Verpflichtung oder jedenfalls Verbundenheit "unter seine Fittiche nahm" und ihm eine seinen Fähigkeiten entsprechende außergewöhnlich einfache Arbeit in seinem Restaurant bzw. kurzfristig in Restaurants griechischer Landsleute verschaffte, war dem Kläger eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer möglich. Es handelte sich bei den Küchenhilfstätigkeiten aber vom Typ her um eine Arbeit, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekannt ist, und die auch vom Kläger als eine entgeltliche Tätigkeit zu Erwerbszwecken mit einem über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgelt ausgeübt wurde. Unter diesen Voraussetzungen ist für die Zeit der - wenn auch nur mit besonderen personalen Mitteln möglichen - Erwerbstätigkeit die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu bejahen, auch wenn er seine Intelligenzminderung und seine mangelnde Umstellungsfähigkeit in das Erwerbsleben eingebracht hat (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 3 ).
Zur Überzeugung des Senats verneint Prof. Dr. V. aufgrund der vorliegenden Intelligenzminderung die Fähigkeit des Klägers, sich auf die mit jeder neuen Tätigkeit verbundenen Anforderungen einzustellen. Nachdem dem Kläger nur in dem beschützenden Rahmen der Mitarbeit im Restaurant des Familienangehörigen N.K. und anderer Landsleute eine regelmäßige Erwerbstätigkeit gelang und er bei der bei Rentenantragstellung nunmehr 55 Jahre alt war, hält es auch der Senat für ausgeschlossen, dass der Kläger noch die Anpassungsfähigkeit für die Aufnahme einer wenn auch einfachen neuen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarktes besitzt und dass er den üblichen Anforderungen eines Arbeitsplatzes (in kognitiver Hinsicht, mit den Anforderungen in Bezug auf Gründlichkeit und Sorgfalt, mit der Notwendigkeit Zeitvorgaben einzuhalten etc.) gerecht werden könnte. Hiergegen spricht im Übrigen nicht die von Dr. M. in dessen Gutachten vom 11.02.2005 bejahte Umstellungsfähigkeit des Klägers auf die Anforderungen eines neuen Arbeitsplatzes, da er diese Aussage auf das orthopädische Fachgebiet beschränkte.
Die von der Beklagten aufgeführten Beispiele für zumutbare Tätigkeiten scheiden bereits wegen der fehlenden Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers aus, weshalb es nicht darauf ankommt, ob für die benannten Tätigkeiten tatsächlich Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden sind oder ob es sich hierbei nicht (zumindest hinsichtlich eines Teils der aufgeführten Tätigkeiten) lediglich um Teilbereiche umfassenderer Berufstätigkeiten handelt und ob sie den Leistungseinschränkungen des Klägers gerecht werden.
Der Kläger ist daher voll erwerbsgemindert und zwar bereits seit Aufgabe der Erwerbstätigkeit in Deutschland Ende Juli 2002. Die Erwerbsminderung besteht angesichts der zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen auch auf Dauer. Die Beklagte war deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, dem Kläger unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2003 (vgl. § 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI) zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der 1948 geborene Kläger – ein griechischer Staatsangehöriger – gab zu seinem Werdegang (insbesondere zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang) Folgendes an: Als deutlich geistig zurückgebliebenes Kind habe er die griechische Grundschule nur einige Tage besucht. Wegen seiner schlechten Sprache hätten ihn die Lehrer immer wieder geschlagen, weshalb er aus Angst vor den Lehrern die Schule nicht weiter besucht habe und praktisch Analphabet sei. Einen Beruf habe er nicht erlernen können. Zum Militär einberufen sei er nach einer Woche von seiner Militärpflicht entlastet worden. Er habe danach in einem Restaurant seines Vetters N.K. in Griechenland gearbeitet. Im Alter von 24 Jahren sei er eine Ehe eingegangen; seine Ehefrau habe sich jedoch bald wieder von ihm getrennt. Obwohl kein Geschlechtsverkehr zwischen den Eheleuten stattgefunden habe, habe er ein Kind seiner Ehefrau als sein eigenes anerkannt. Nach der Eheschließung habe er als Bauarbeiter in Athen gearbeitet, aber nach einigen Tagen seine Arbeit nicht mehr ausüben können. In der Folgezeit sei er einige Monate als Stadtarbeiter in Athen beschäftigt gewesen. Sein Vetter N.K. habe im Juli 1989 in der Bundesrepublik Deutschland ein Restaurant eröffnet. Dort habe er von 1990 bis zur Schließung des Restaurants im Jahre 2003 gearbeitet. Seine Arbeit habe in Kartoffel- und Zwiebelschälen und Fegen des Restaurantraumes bestanden. Zusammen mit seinem Vetter N.K. sei er danach nach Griechenland zurückgekehrt, wo er wegen seiner Beschwerden nicht mehr gearbeitet habe (Angaben des Klägers zur Anamnese im Gutachten des Prof. Dr. V. vom 01.06.2006).
Im Versicherungsverlauf des Klägers sind Pflichtbeiträge in der deutschen Rentenversicherung von September 1990 bis Juli 2002 mit Unterbrechungen nachgewiesen. Arbeitgeber waren überwiegend sein Vetter mit der in Bonn betriebenen Taverne Korfu und zeitweise andere griechische Gaststätten in K. und K ... Das sozialversicherungspflichtige Entgelt lag in den 90er Jahren bei knapp unter 9.000 DM pro Jahr.
Am 09.01.2003 beantragte der Kläger beim griechischen Versicherungsträger IKA, wo der Kläger zwischen 1970 und 1982 insgesamt 50 Monate mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat, ihm Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Die IKA entsprach diesem Antrag durch Gewährung von Teilinvaliditätsrente für die Zeit vom 09.01.2003 bis zum 31.01.2005 bei einem Invaliditätsgrad von 36%.
Die IKA leitete den Rentenantrag auf den amtlichen Formularvordrucken E 213-214, E 204, E 205 GR an die Beklagte weiter, wo er am 12.11.2003 einging. Im Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 12.03.2003 wurden für den Kläger bei einer Größe von 178 cm und einem Gewicht von 110 kg folgende Diagnosen gestellt: Reaktives, stressbedingtes Syndrom. Degenerative Meniskus - Erkrankung am rechten Kniegelenk. Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 05.02.2004 nannte Dr. G. folgende Diagnosen: Adipositas Grad II (BMI 35 kg/m²), reaktive, stressbedingte, depressive Störung, Meniscopathie rechtes Kniegelenk und Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule. Der Kläger sei für die bisher ausgeübte berufliche Tätigkeit und für andere leichte Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig belastbar. Zu vermeiden seien Wechsel- und Nachtschicht, besonderer Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten, häufiges Bücken, Knien, Hocken, Klettern oder Steigen und Einfluss von Kälte, Hitze und Nässe. Empfehlenswert sei eine Körpergewichtsreduktion.
Hierauf lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers mit Bescheid vom 19.02.2004 ab.
Auf den weiteren Rentenantrag des Klägers vom 07.10.2003 beim griechischen Versicherungsträger IKA gewährte diese dem Kläger Teilinvaliditätsrente für die Zeit vom 07.10.2003 bis zum 30.10.2006 bei einem Invaliditätsgrad von 67%. Die IKA leitete auch diesen Rentenantrag auf den amtlichen Formularvordrucken an die Beklagte weiter, bei welcher er am 26.07.2004 einging. Unter dem 24.03.2004 wurden von der griechischen Gesundheitskommission als Diagnosen genannt: Chronische Psychose-Depression, geistige Zurückgebliebenheit (nicht bewertet), Bronchialasthma, starke Verschlechterung der Spondyloarthropathie an der Wirbelsäule und Bandscheibenvorfall mit Neuro-Wurzelreizerscheinungen, rheumatische Arthritis an Kniegelenken mit Sinovialis-Ektomie und vorgesehener totaler Arthroplastik. Mit prüfärztlicher Stellungnahme vom 11.08.2004 verwies Dr. G. auf die in seiner Stellungnahme vom 05.02.2004 erhobenen Diagnosen. Auch das Leistungsvermögen des Klägers beurteilte er unverändert.
Mit Bescheid vom 18.08.2004 lehnte die Beklagte daraufhin den Rentenantrag des Klägers vom 07.10.2003 ab.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 23.08.2004 unter Hinweis auf die Gewährung einer Rente durch die IKA wegen eines Invaliditätsgrades von 67%. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2004 zurück.
Mit seiner am 10.12.2004 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter und stützte sich zur Begründung auf die von der IKA eingeholten ärztlichen Gutachten.
Das SG veranlasste eine fachorthopädische Begutachtung durch Dr. M ... Dieser stellte im Gutachten vom 11.02.2005 folgende Diagnosen: 1. Kniegelenksarthrose beidseits rechts stärker als links bei Verdacht auf Rheuma nach operativer Synovektomie beider Kniegelenke. 2. Lendenwirbelsäulenspondylose mit Kompressionfrakturen der Lendenwirbelkörper L2 und L3 mit Nucleus pulposus-Hernie L3/L4 und Bandscheibenvorfall L4/L5 und L5/S1 mit Spinalkanalstenose. 3. Synovitis der Metakarpophalangialgelenke 2 beiderseits und Ulnardeviation der Finger beidseits wie bei Rheuma. Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger nur noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten auszuüben mit Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen in halbstündigen Zeiträumen. Derartige Tätigkeiten könne er noch vollschichtig verrichten. Die sozialrechtlich relevante Wegstrecke sei nicht eingeschränkt. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz seien aus orthopädischer Sicht nicht vorhanden. Mit Urteil vom 06.07.2005 wies das SG die Klage ab und stützte sich hierbei auf die gutachterlichen Feststellungen des Dr. M. Weitere, das Leistungsvermögen des Klägers wesentliche Gesundheitsstörungen seien nicht ersichtlich. Zwar werde in den Gutachten der griechischen Gesundheitskommissionen vom 07.10.2003 und 24.03.2004 ein reaktives, stressbedingtes, depressives Syndrom bzw. eine chronische Psychose/Depression erwähnt. Weder aus diesen Gutachten noch aus sonstigen Unterlagen gehe jedoch hervor, ob sich der Kläger insoweit in Behandlung befinde.
Gegen das ihm am 04.08.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.08.2005 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er hat das Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 09.11.2006 vorgelegt mit einer Attestierung einer Teilinvalidität für den Zeitraum vom 01.11.2006 bis 31.10.2009 weiterhin nach einem Grad von 67% aufgrund der festgestellten Diagnosen: Chronische psychotische Depression, schwere Form geistig-seelischer Retardierung, Spondylarthropathie der Wirbelsäule mit Wurzelreizerscheinungen, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (nicht zu berücksichtigen). Er gab ferner an, seine letzte Beschäftigung sei die Tätigkeit als Kochhilfe in der Küche gewesen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. August 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 18. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. Oktober 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach Beiziehung des vom Kläger vorgelegten Gesundheitsbuchs hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. V. Thessaloniki. Der Sachverständige stellt im Gutachten vom 01.06.2006 folgende Diagnosen: 1) Neurologisch: - Schallempfindungsschwerhörigkeit links - Restzustand nach einem Lumbal- bzw. Ischiassyndrom bilateral (links mehr als rechts). 2) Psychiatrisch: - Leichte geistige Behinderung ohne Verhaltensstörungen - Kein Anhalt für Depression - Kein Hinweis auf eine Psychose Das Gedächtnis erscheine (besonders für neuere Vorgänge) reduziert. Nach den durchgeführten neuro-psychologischen Tests bestünden Hinweise auf eine leicht- bis mittelgradige Funktionsstörung des Gehirns (Rorschach-Test) bzw. auf eine leichte intellektuelle Reduktion (Raven-Test) bei einem IQ von 55 – 65 und einer ausgeprägten Leistungsreduktion (19 – MMS). Prof. Dr. V. hielt den Kläger für in der Lage, leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig zu verrichten. Zu vermeiden seien Wechsel- und Nachtschicht, besonderer Zeitdruck (z.B. Akkord, Fließband), häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 10 kg, voller Gebrauch beider Hände, Eigen- und Fremdgefährdung, häufiges Bücken, Klettern oder Steigen, Absturzgefahr, Arbeiten an gefährdenden Maschinen oder an solchen, die die volle körperliche oder psychische Gebrauchsfähigkeit sowie Denkfertigkeit, Initiative, andauernde Aufmerksamkeit, nervöse Anspannung und besondere Verantwortung erforderten, Gefährdung durch starke Temperaturunterschiede sowie Arbeitsräume mit Kälte, Hitze, Zugluft, Nässe, Lärm und inhalativen Reizstoffen. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, sich auf die Anforderungen einzustellen, die mit der Aufnahme jeder neuen Tätigkeit verbunden seien.
Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S., Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie/Notfallmedizin -Sozialmedizin - hat in den Stellungnahmen vom 19.01. und 08.03.2007 die Auffassung vertreten, aus dem Gutachten der griechischen Gesundheitskommission vom 09.11.2006 ergäben sich keine Hinweise für eine akute Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers seit der Begutachtung durch Prof. Dr. V ... Bei der vom Sachverständigen angegebenen leichten geistigen Behinderung (F 70) des Klägers sei davon auszugehen, dass eine Umstellungsfähigkeit auf leichte, einfache Tätigkeiten vorhanden sei, z.B. auf die Tätigkeit eines Produktionshelfers mit dem Aufmachen von Fertigerzeugnissen oder Bekleben und Einölen von Waren. Im übrigen habe der Kläger die geistige Retardierung und reduzierte Umstellungsfähigkeit in das Erwerbsleben eingebracht. Die Beklagte hat eine Umstellungsfähigkeit auf Tätigkeiten, wie sie z.B. in der Berufsgruppe der Warenaufmacher/Versandfertigmacher anfallen, für gegeben erachtet. Hierzu gehörten Tätigkeiten wie - Entfernen produktionsbedingter Verschmutzungen durch Blankreiben, Polieren o.ä.; - Bekleben, Bemalen, Einfetten und Einhüllen von Waren und Erzeugnissen; - Aufkleben, Einnähen oder Befestigen von Reklame - , Prüf - , Waren – oder Gütezeichen von Etiketten, Preisauszeichnungen o.ä.; - Zurichten von Textilien, insbesondere Ausformen von Wirk- und Strickwaren, Handschuhen oder Strümpfen, Dressieren von Stoffen, Bügeln von Hüten, Lackschuhen oder Leder, Einziehen von Schnürsenkeln in Schuhe; - Abzählen, Abmessen, Abwiegen oder Abfüllen von Waren und Erzeugnissen; - Einwickeln bzw. Einlegen in Papp- oder Holzschachteln, Kisten, Fässer, Säcke oder sonstige Behältnisse; - Verschließen dieser Behältnisse sowie Anbringen von Kennzeichen oder anderen Hinweisen an den Waren oder Behältnissen Eine Einarbeitung in diese unterschiedlichen Tätigkeiten, die verschiedene körperliche Anforderungen stellten, sei üblicherweise innerhalb weniger Tage möglich.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestands wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Stuttgart (S 10 RJ 8195/04) und auf diejenigen des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz –SGG- liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Der Senat hat das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 06. Juli 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 18. August in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 01. Oktober 2003, dem Monat der Rentenantragstellung, Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren, weil beim Kläger mit der Aufgabe der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung der Leistungsfall der Erwerbsminderung eingetreten ist.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Generell ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Der Senat ist auf der Grundlage des beruflichen Werdegangs des Klägers und des Gutachtens von Prof. Dr. V. zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger infolge seiner Intelligenzminderung nicht mehr in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig zu sein. Es fehlt ihm, der seit seiner Rückkehr nach Griechenland nicht mehr erwerbstätig war, schon an der Fähigkeit sich auf einen neuen Arbeitsplatz einzustellen.
Unter Intelligenzminderung ist eine angeborene oder früh erworbene globale Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit im Sinn des schwierigen und in der psychischen Forschung nicht einheitlich definierten Konstrukts der Intelligenz zu verstehen (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Auflage, S. 555). Anhand des Intelligenzquotienten (IQ) entscheidet man niedrige Intelligenz (IQ 70-84) und leichte (IQ 50-69), mittelgradige (IQ 35-49), schwere (IQ 20-34) und schwerste (IQ unter 20) Intelligenzminderungen. Schwere und schwerste Intelligenzminderungen schließen eine Bildbarkeit auch in Sonderschulen aus und führen zu lebenslanger Pflegebedürftigkeit. Bei grenzwertig niedriger Intelligenz und leichter Intelligenzminderung kann eine selbstständige soziale Teilhabe gelingen und die Beschäftigung mit leichten Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist denkbar. Grundsätzlich hängen die sozialen Auswirkungen einer Intelligenzminderung jeweils ab vom Schweregrad, den Komplikationen und erreichten Rehabilitationserfolg (Sozialmedizinische Begutachtung, aaO, S. 556).
Nach den gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. V. besteht bei dem Kläger ein IQ zwischen 55 und 65. Damit liegt eine leichte Intelligenzminderung im Sinne der erwähnten Klassifikation vor (F 70.- ICD 10). Diese Intelligenzminderung ist bei dem Kläger seit dem Kindesalter vorhanden. Wie vom Kläger bei der Anamneseerhebung angegeben und vom Sachverständigen nicht in Zweifel gezogen worden ist, besuchte der Kläger nur wenige Tage die Schule und ist daher praktisch Analphabet. Als er seinen Wehrdienst ableisten sollte, wurde er nach kurzer Zeit von seiner Wehrpflicht befreit. Ebenfalls nur für kurze Zeit war es ihm möglich, als Bauarbeiter und Stadtarbeiter erwerbstätig zu sein. Erst als ihn sein Vetter N.K. unter seinem Schutz und seiner Anleitung (so formuliert im Gutachten des Prof. Dr. V.) in dessen Restaurants zunächst in Griechenland und danach mehrjährig in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigte, war ihm unter diesen besonderen Bedingungen eine längere Erwerbstätigkeit möglich. Hierbei handelte es sich um sehr einfache Küchenhilfstätigkeiten wie das Schälen und Schneiden von Kartoffeln und Zwiebeln und das Fegen des Restaurantraumes. Als sein Vetter N.K. sein in der Bundesrepublik Deutschland betriebenes Restaurant wegen den Folgen eines erlittenen Unfalles schloss, fiel auch für den Kläger diese Beschäftigungsmöglichkeit weg, und er kehrte zusammen mit dem Vetter und dessen Familie nach Griechenland zurück, wo er - wie er angibt wegen seiner Beschwerden - nicht mehr erwerbstätig war.
Aus diesem Werdegang des Klägers wird deutlich, dass ihm infolge seiner geistigen Einschränkungen weder eine schulische Ausbildung in der Grundschule, noch die Ableistung des Wehrdienstes und auch keine reguläre Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes möglich war. Erst als ihn sein Vetter wohl auch aufgrund familiärer Verpflichtung oder jedenfalls Verbundenheit "unter seine Fittiche nahm" und ihm eine seinen Fähigkeiten entsprechende außergewöhnlich einfache Arbeit in seinem Restaurant bzw. kurzfristig in Restaurants griechischer Landsleute verschaffte, war dem Kläger eine Erwerbstätigkeit von längerer Dauer möglich. Es handelte sich bei den Küchenhilfstätigkeiten aber vom Typ her um eine Arbeit, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bekannt ist, und die auch vom Kläger als eine entgeltliche Tätigkeit zu Erwerbszwecken mit einem über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgelt ausgeübt wurde. Unter diesen Voraussetzungen ist für die Zeit der - wenn auch nur mit besonderen personalen Mitteln möglichen - Erwerbstätigkeit die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu bejahen, auch wenn er seine Intelligenzminderung und seine mangelnde Umstellungsfähigkeit in das Erwerbsleben eingebracht hat (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 3 ).
Zur Überzeugung des Senats verneint Prof. Dr. V. aufgrund der vorliegenden Intelligenzminderung die Fähigkeit des Klägers, sich auf die mit jeder neuen Tätigkeit verbundenen Anforderungen einzustellen. Nachdem dem Kläger nur in dem beschützenden Rahmen der Mitarbeit im Restaurant des Familienangehörigen N.K. und anderer Landsleute eine regelmäßige Erwerbstätigkeit gelang und er bei der bei Rentenantragstellung nunmehr 55 Jahre alt war, hält es auch der Senat für ausgeschlossen, dass der Kläger noch die Anpassungsfähigkeit für die Aufnahme einer wenn auch einfachen neuen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarktes besitzt und dass er den üblichen Anforderungen eines Arbeitsplatzes (in kognitiver Hinsicht, mit den Anforderungen in Bezug auf Gründlichkeit und Sorgfalt, mit der Notwendigkeit Zeitvorgaben einzuhalten etc.) gerecht werden könnte. Hiergegen spricht im Übrigen nicht die von Dr. M. in dessen Gutachten vom 11.02.2005 bejahte Umstellungsfähigkeit des Klägers auf die Anforderungen eines neuen Arbeitsplatzes, da er diese Aussage auf das orthopädische Fachgebiet beschränkte.
Die von der Beklagten aufgeführten Beispiele für zumutbare Tätigkeiten scheiden bereits wegen der fehlenden Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit des Klägers aus, weshalb es nicht darauf ankommt, ob für die benannten Tätigkeiten tatsächlich Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden sind oder ob es sich hierbei nicht (zumindest hinsichtlich eines Teils der aufgeführten Tätigkeiten) lediglich um Teilbereiche umfassenderer Berufstätigkeiten handelt und ob sie den Leistungseinschränkungen des Klägers gerecht werden.
Der Kläger ist daher voll erwerbsgemindert und zwar bereits seit Aufgabe der Erwerbstätigkeit in Deutschland Ende Juli 2002. Die Erwerbsminderung besteht angesichts der zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen auch auf Dauer. Die Beklagte war deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, dem Kläger unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2003 (vgl. § 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI) zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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