Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2590/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 3756/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere von Verletztenrente.
Der 1946 geborene Kläger stürzte am 18. Juli 2001 während seiner Tätigkeit als Elektriker, als er rückwärts ging. Die Einzelheiten des Unfallhergangs sind unklar. Diagnostiziert wurde eine Rotatorenmanschettenruptur links, später eine sekundäre Schultersteife (frozen shoulder).
Mit Bescheid vom 14. Januar 2003 und Widerspruchsbescheid vom 6. August 2003 lehnte die Beklagte Leistungen über den 28. August 2001 hinaus ab, da das Ereignis nur zu einer Prellung der Schulter mit einer maximalen Zeit der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen geführt habe. Grundlage hierfür waren die Berichte der behandelnden Ärzte und die Stellungnahme des Beratungsarztes Prof. Dr. R.
Der Kläger hat hiergegen am 5. September 2003 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen erhoben. Dieses hat die behandelnden Ärzte als sachverständigen Zeugen angehört und ein - die Ansicht der Beklagten bestätigendes - Gutachten bei Dr. A., Oberarzt am Zentrum für Chirurgie des K. Hospitals S., eingeholt. Der Kläger hat ein Gutachten von Prof. Dr. B. für die T. G. Versicherung AG und einen Bericht des behandelnden Chirurgen Dr. B. vorgelegt. Nach Dr. B. habe der Unfall zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens geführt und die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 v. H.
Mit Urteil vom 28. Juni 2005 hat das Sozialgericht, gestützt auf das Gutachten von Dr. A., die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 16. August 2005 zugestellte Urteil am 8. September 2005 Berufung eingelegt. Er ist, insbesondere gestützt auf die Ausführungen von Dr. B., weiterhin der Ansicht, die Beeinträchtigungen an der linken Schulter seien Folge eines Arbeitsunfalls und er habe Anspruch auf eine Verletztenrente. Insbesondere sei ein Vorschaden nicht nachgewiesen.
Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2003 aufzuheben, festzustellen, dass eine schmerzhafte Schultersteife links mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung Folge des Arbeitsunfalls vom 18. Juli 2001 ist sowie die Beklagte zu verurteilen, die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung über den 28. August 2001 hinaus, insbesondere eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. nebst Zinsen in Höhe von 4% hieraus, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme bei Dr. A. eingeholt, außerdem einem Gutachten bei Prof. Dr. L., Leiter der Sektion Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Orthopädischen Universitätsklinik H ... Prof. Dr. L. hat einen Unfallzusammenhang verneint. Der Kläger hat wiederum eine kritische Stellungnahme von Dr. B. vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässige klägerische Begehren auf Anerkennung von Unfallfolgen - hier die schmerzhafte Schultersteife links mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung - ist unbegründet, da diese Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht Folge des Vorfalls vom 18. Juli 2001 sind.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Der Arbeitsunfall führte mit Wahrscheinlichkeit zu einer Prellung der linken Schulter. Der Senat kann sich hingegen nicht davon überzeugen, dass auch die beim Kläger nach dem Unfall festgestellte Rotatorenmanschettenruptur Unfallfolge ist. Damit kann der Senat die vom Kläger begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht treffen, denn die schmerzhafte Schultersteife mit Bewegungseinschränkung ist - so nachvollziehbar Prof. Dr. L. - als Komplikation (Entzündung der Gelenkkapsel und der das Schultergelenk umgebenden Weichteile) im weiteren Verlauf der Behandlung der Rotatorenmanschettenruptur entstanden.
Der Senat unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die Rotatorenmanschettenruptur bzw. die hieraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht bereits vor dem Vorfall vom 18. Juli 2001 bestanden, sondern erst durch diesen verursacht bzw. richtungsweisend verschlimmert worden sind, also eine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne (conditio sine qua non) vorliegt. Jedoch ist der Zusammenhang im Sinne einer wesentlichen Bedingung zu verneinen.
Der genaue Unfallhergang ist unklar. Der Bericht von Dr. C. vom 23. Oktober 2001 enthält die Angaben, der Kläger sei gestolpert und er habe sich beim Fallen mit dem linken Arm abstützen wollen, seitdem habe er Schmerzen in der linken Schulter. Nach der Unfallanzeige des Unternehmers vom 24. Oktober 2001 ist der Kläger beim Rückwärtsgehen gestolpert und gestürzt. Genauere Angaben über die Haltung des Arms und das genaue zeitliche Auftreten der Beschwerden finden sich nicht. In einem vom Kläger ausgefüllten, am 12. November 2001 bei der Beklagten eingegangenen Fragebogen findet sich die Angabe, der Kläger sei auf den Arm gefallen, als er versucht habe, sich (ab)zufangen. Im Schreiben vom 23. Mai 2003 zur Begründung des Widerspruchs ist die Rede davon, dass "ein Sturz auf die Schulter bei dem der Arm gestreckt ist" Ursache für eine unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur sein könne - ohne dass klar wird, ob ein solcher Unfallhergang sich auch im Fall des Klägers ereignete. In der Klagebegründung (Schriftsatz vom 13. Januar 2004) ist wiederum nur ausgeführt, der Kläger sei bei dem Versuch sich abzufangen auf den Arm gefallen. Dr. A. hat in seinem Gutachten für das Sozialgericht dargelegt, der Kläger sei "nach hinten links auf die Schulter gestürzt", wobei sich dies aus den Akten und der nochmaligen Befragung des Klägers ergebe. Aus einem vom Kläger vorgelegten Arztbrief von Dr. B. an Dr. Bo. ist zu entnehmen, der Kläger könne sich an den genauen Sturzmechanismus nicht mehr erinnern. Des ungeachtet ist in der Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 16. November 2005) zu lesen, der Kläger sei gestolpert, ins Straucheln gekommen, habe beim Versuch sich wieder zu fangen mit den Armen hin- und her gerudert, sei dennoch mit der rechten Seite an der Anlage (die er habe fertigen wollen) entlang gestürzt, seitlich auf den linken Arm gefallen und habe sofort einen starken Stich und eine Brennen in der linken Schulter gespürt. Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. L. hat der Kläger schließlich angegeben, er sei rückwärts gehend gestolpert, habe reflektorisch "um sich geschlagen" und dabei einen stechenden Schmerz in der linken Schulter gespürt, sei dann direkt nach hinten gestürzt und mit der linken Schulter gegen eine Maschine und dann auf den Boden geprallt. Ob er den Arm noch habe ausstrecken können, um sich abzufangen, könne er nicht erinnern. Er habe danach sofort starke Schmerzen in der Schulter gehabt und habe den Arm schlecht bewegen können. In einem das Gutachten von Prof. Dr. L. bewertenden Schriftsatz vom 23. August 2006 hat der Kläger argumentiert, beim Sturz nach hinten versuche man den Aufprall unwillkürlich mit nach hinten gestrecktem Arm abzufangen. Von einem Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm ist er auch in seinem letzten Schriftsatz (1. März 2007) ausgegangen.
Geht man davon aus, dass die zeitnächsten Angaben hier am ehesten das wiedergeben, was der Kläger selbst wahrgenommen und was ihm noch erinnerlich ist, dann spricht nichts dafür, dass er nach hinten auf den ausgestreckten Arm gefallen ist, was nach der Literatur einen geeigneten Verletzungsmechanismus für eine unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur darstellt (vgl. Schön¬berger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 507). Schon von daher kann der Argumentation von Dr. B. in seiner vom Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 10. August 2006 nicht gefolgt werden, der gerade dies "mit hoher Wahrscheinlichkeit" aus den Angaben des Klägers heraus lesen will.
Es kann nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Verletzung durch den Aufprall der Schulter (am Boden bzw. an einer Anlage/Maschine) hervorgerufen wurde. Genauso möglich und nicht weniger wahrscheinlich ist es, dass es zu der Rotatorenmanschettenruptur bereits durch das reflektorische Um-Sich-Schlagen des Klägers gekommen ist, das nachfolgende Auftreffen der Schulter jedoch nur zu einer Prellung derselben geführt hat. Da sich der Vorfall innerhalb weniger Sekunden ereignete, seitdem beinahe sechs Jahre vergangen sind und der Kläger auch früher bereits angab, er habe keine genaue Erinnerung mehr an den Unfallhergang, vermag der Senat aus seinen letzten Angaben, der Schmerz beim Aufprall sei heftiger gewesen als bei dem Um-Sich-Schlagen, nicht sicher abzuleiten, die eigentliche Schädigung sei erst durch den Aufprall eingetreten.
Hat aber bereits das reflektorische Um-Sich-Schlagen zu der Rotatorenmanschettenruptur geführt, dann kann der Vorfall lediglich als bloßes Anlassgeschehen gewertet werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Denn dann war ein beim Kläger bestehender Vorschaden an der Rototorenmanschette so leicht ansprechbar, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis - wie etwa eine plötzliche, willkürliche Bewegung mit dem Arm (Winken, Verscheuchen einer Mücke, etc) - zu derselben Zeit die Ruptur und die Beschwerden verursacht hätte. Offen lassen kann der Senat dabei, ob nicht bereits die für einen Arbeitsunfall erforderliche äußere Einwirkung auf den Körper verneint werden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.).
Der Vorschaden an der Rotatorenmanschette des Klägers ist auch nachgewiesen. Der Kläger hatte seit 1997 wiederholt Beschwerden der linken Schulter, wie er gegenüber Prof. Dr. B. angab. Am 13. Juli 2001, also etwa eine Woche vor dem Sturz, wurde durch den Hausarzt Dr. Bo. eine schmerzhafte Schultergelenksbeweglichkeit links dokumentiert. Die am 12. Juli 2001 angefertigten Röntgenaufnahmen zeigen - so Prof. Dr. L. - Veränderungen, die auf eine chronische Belastung und entzündliche Veränderungen im Ansatzbereich der Obergrätensehne hindeuten, weiterhin Zeichen einer Schultereckgelenksarthrose. Hinsichtlich der Frage eines Humerushochstandes, der die Annahme degenerativer Veränderungen stützen würde, sind die Röntgenaufnahmen nicht verwertbar, so dass - entgegen Dr. B. - aus ihnen auch nicht auf das Fehlen eines solchen geschlossen werden kann. Die Beschwerden waren bereits vor dem Vorfall vom 18. Juli 2001 so stark, dass von Dr. C. Cortison injiziert, eine Röntgenbestrahlung veranlasst wurde und entzündungshemmende Medikamente verordnet wurden. Bis drei Tage vor dem 18. Juli 2001 war der Kläger wegen dieser Beschwerden arbeitsunfähig krank. Die Kernspintomographieaufnahme vom 10. Oktober 2001 zeigt - so Prof. Dr. L. in Übereinstimmung mit Dr. A. - eine ausgeprägte aktive Arthrose im Schultergelenk (Grad IV nach Goutallier) mit ausgedehnter Ergussbildung im Gelenksspalt und Muskelrückbildung in einem Stadium, die als degenerative Veränderung und nicht als unfallbedingte Läsion gewertet werden muss. Diese Veränderungen können erst nach monate- bis jahrelangen degenerativen Läsionen der Supraspinatussehne eintreten und sind daher nicht - wie Dr. B. meint - als Unfallfolge anzusehen. Der Operationsbericht vom 25. Januar 2002 weist ebenfalls keine verletzungstypischen Veränderungen auf.
Die Ansicht des Senats entspricht dem Gutachten von Dr. A. Dass er das Gutachten für das Sozialgericht selbst erstattet und verantwortet hat, nicht jedoch der Chefarzt Prof. Dr. H. (dessen Briefkopf das Gutachten trägt und der es ebenfalls unterschrieben hat), ist von Dr. A. im Berufungsverfahren klargestellt worden. Übereinstimmung besteht auch mit der Einschätzung des Beratungsarztes Prof. Dr. R. Der gegenteiligen Ansicht von Dr. C. im Schreiben vom 20. November 2001 an die Beklagte, die Rotatorenmanschettenruptur sei "mit Sicherheit auf den Unfall vom 18.7.01 zurückzuführen" fehlt eine überzeugende Begründung. Gleiches gilt für die Ansicht von Dr. Bo. in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht, der ein - wie ausgeführt nicht nachgewiesenes - "komplexes Schultertrauma mit Komplettruptur der Rotatorenmanschette" annimmt. Gegen Prof. Dr. B., der ein Unfallzusammenhang mit Abzug eines Vorschadens in Höhe von 50 % annahm, ist einzuwenden, dass er sich nicht mit dem genauen Unfallhergang auseinandersetzte. Soweit Dr. B. auf fehlende Beschwerden an der rechten Schulter hinweist, ist dies - so Prof. Dr. L. - für die Zusammenhangbeurteilungen irrelevant.
Da keine unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen über den 28. August 2001 nachgewiesen sind, besteht auch kein Anspruch auf (weitergehende) Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere kein Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 SGB VII).
Eine erneute Beweiserhebung durch Einholung eines (weiteren) unfallchirurgischen oder radiologischen Gutachtens bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist, insbesondere auch Prof. Dr. L. eingehend und für den Senat überzeugend zu den Röntgenaufnahmen Stellung genommen hat.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere von Verletztenrente.
Der 1946 geborene Kläger stürzte am 18. Juli 2001 während seiner Tätigkeit als Elektriker, als er rückwärts ging. Die Einzelheiten des Unfallhergangs sind unklar. Diagnostiziert wurde eine Rotatorenmanschettenruptur links, später eine sekundäre Schultersteife (frozen shoulder).
Mit Bescheid vom 14. Januar 2003 und Widerspruchsbescheid vom 6. August 2003 lehnte die Beklagte Leistungen über den 28. August 2001 hinaus ab, da das Ereignis nur zu einer Prellung der Schulter mit einer maximalen Zeit der Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen geführt habe. Grundlage hierfür waren die Berichte der behandelnden Ärzte und die Stellungnahme des Beratungsarztes Prof. Dr. R.
Der Kläger hat hiergegen am 5. September 2003 Klage bei dem Sozialgericht Reutlingen erhoben. Dieses hat die behandelnden Ärzte als sachverständigen Zeugen angehört und ein - die Ansicht der Beklagten bestätigendes - Gutachten bei Dr. A., Oberarzt am Zentrum für Chirurgie des K. Hospitals S., eingeholt. Der Kläger hat ein Gutachten von Prof. Dr. B. für die T. G. Versicherung AG und einen Bericht des behandelnden Chirurgen Dr. B. vorgelegt. Nach Dr. B. habe der Unfall zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens geführt und die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 v. H.
Mit Urteil vom 28. Juni 2005 hat das Sozialgericht, gestützt auf das Gutachten von Dr. A., die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 16. August 2005 zugestellte Urteil am 8. September 2005 Berufung eingelegt. Er ist, insbesondere gestützt auf die Ausführungen von Dr. B., weiterhin der Ansicht, die Beeinträchtigungen an der linken Schulter seien Folge eines Arbeitsunfalls und er habe Anspruch auf eine Verletztenrente. Insbesondere sei ein Vorschaden nicht nachgewiesen.
Der Kläger beantragt (teilweise sachdienlich gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juni 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2003 aufzuheben, festzustellen, dass eine schmerzhafte Schultersteife links mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung Folge des Arbeitsunfalls vom 18. Juli 2001 ist sowie die Beklagte zu verurteilen, die gesetzlichen Leistungen aus der Unfallversicherung über den 28. August 2001 hinaus, insbesondere eine Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. nebst Zinsen in Höhe von 4% hieraus, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme bei Dr. A. eingeholt, außerdem einem Gutachten bei Prof. Dr. L., Leiter der Sektion Schulter- und Ellenbogenchirurgie der Orthopädischen Universitätsklinik H ... Prof. Dr. L. hat einen Unfallzusammenhang verneint. Der Kläger hat wiederum eine kritische Stellungnahme von Dr. B. vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Das nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässige klägerische Begehren auf Anerkennung von Unfallfolgen - hier die schmerzhafte Schultersteife links mit ausgeprägter Bewegungseinschränkung - ist unbegründet, da diese Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht Folge des Vorfalls vom 18. Juli 2001 sind.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Der Arbeitsunfall führte mit Wahrscheinlichkeit zu einer Prellung der linken Schulter. Der Senat kann sich hingegen nicht davon überzeugen, dass auch die beim Kläger nach dem Unfall festgestellte Rotatorenmanschettenruptur Unfallfolge ist. Damit kann der Senat die vom Kläger begehrte Feststellung von Unfallfolgen nicht treffen, denn die schmerzhafte Schultersteife mit Bewegungseinschränkung ist - so nachvollziehbar Prof. Dr. L. - als Komplikation (Entzündung der Gelenkkapsel und der das Schultergelenk umgebenden Weichteile) im weiteren Verlauf der Behandlung der Rotatorenmanschettenruptur entstanden.
Der Senat unterstellt zu Gunsten des Klägers, dass die Rotatorenmanschettenruptur bzw. die hieraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen nicht bereits vor dem Vorfall vom 18. Juli 2001 bestanden, sondern erst durch diesen verursacht bzw. richtungsweisend verschlimmert worden sind, also eine Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne (conditio sine qua non) vorliegt. Jedoch ist der Zusammenhang im Sinne einer wesentlichen Bedingung zu verneinen.
Der genaue Unfallhergang ist unklar. Der Bericht von Dr. C. vom 23. Oktober 2001 enthält die Angaben, der Kläger sei gestolpert und er habe sich beim Fallen mit dem linken Arm abstützen wollen, seitdem habe er Schmerzen in der linken Schulter. Nach der Unfallanzeige des Unternehmers vom 24. Oktober 2001 ist der Kläger beim Rückwärtsgehen gestolpert und gestürzt. Genauere Angaben über die Haltung des Arms und das genaue zeitliche Auftreten der Beschwerden finden sich nicht. In einem vom Kläger ausgefüllten, am 12. November 2001 bei der Beklagten eingegangenen Fragebogen findet sich die Angabe, der Kläger sei auf den Arm gefallen, als er versucht habe, sich (ab)zufangen. Im Schreiben vom 23. Mai 2003 zur Begründung des Widerspruchs ist die Rede davon, dass "ein Sturz auf die Schulter bei dem der Arm gestreckt ist" Ursache für eine unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur sein könne - ohne dass klar wird, ob ein solcher Unfallhergang sich auch im Fall des Klägers ereignete. In der Klagebegründung (Schriftsatz vom 13. Januar 2004) ist wiederum nur ausgeführt, der Kläger sei bei dem Versuch sich abzufangen auf den Arm gefallen. Dr. A. hat in seinem Gutachten für das Sozialgericht dargelegt, der Kläger sei "nach hinten links auf die Schulter gestürzt", wobei sich dies aus den Akten und der nochmaligen Befragung des Klägers ergebe. Aus einem vom Kläger vorgelegten Arztbrief von Dr. B. an Dr. Bo. ist zu entnehmen, der Kläger könne sich an den genauen Sturzmechanismus nicht mehr erinnern. Des ungeachtet ist in der Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 16. November 2005) zu lesen, der Kläger sei gestolpert, ins Straucheln gekommen, habe beim Versuch sich wieder zu fangen mit den Armen hin- und her gerudert, sei dennoch mit der rechten Seite an der Anlage (die er habe fertigen wollen) entlang gestürzt, seitlich auf den linken Arm gefallen und habe sofort einen starken Stich und eine Brennen in der linken Schulter gespürt. Anlässlich der gutachtlichen Untersuchung durch Prof. Dr. L. hat der Kläger schließlich angegeben, er sei rückwärts gehend gestolpert, habe reflektorisch "um sich geschlagen" und dabei einen stechenden Schmerz in der linken Schulter gespürt, sei dann direkt nach hinten gestürzt und mit der linken Schulter gegen eine Maschine und dann auf den Boden geprallt. Ob er den Arm noch habe ausstrecken können, um sich abzufangen, könne er nicht erinnern. Er habe danach sofort starke Schmerzen in der Schulter gehabt und habe den Arm schlecht bewegen können. In einem das Gutachten von Prof. Dr. L. bewertenden Schriftsatz vom 23. August 2006 hat der Kläger argumentiert, beim Sturz nach hinten versuche man den Aufprall unwillkürlich mit nach hinten gestrecktem Arm abzufangen. Von einem Sturz auf den nach hinten ausgestreckten Arm ist er auch in seinem letzten Schriftsatz (1. März 2007) ausgegangen.
Geht man davon aus, dass die zeitnächsten Angaben hier am ehesten das wiedergeben, was der Kläger selbst wahrgenommen und was ihm noch erinnerlich ist, dann spricht nichts dafür, dass er nach hinten auf den ausgestreckten Arm gefallen ist, was nach der Literatur einen geeigneten Verletzungsmechanismus für eine unfallbedingte Rotatorenmanschettenruptur darstellt (vgl. Schön¬berger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl. 2003, Seite 507). Schon von daher kann der Argumentation von Dr. B. in seiner vom Kläger vorgelegten Stellungnahme vom 10. August 2006 nicht gefolgt werden, der gerade dies "mit hoher Wahrscheinlichkeit" aus den Angaben des Klägers heraus lesen will.
Es kann nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Verletzung durch den Aufprall der Schulter (am Boden bzw. an einer Anlage/Maschine) hervorgerufen wurde. Genauso möglich und nicht weniger wahrscheinlich ist es, dass es zu der Rotatorenmanschettenruptur bereits durch das reflektorische Um-Sich-Schlagen des Klägers gekommen ist, das nachfolgende Auftreffen der Schulter jedoch nur zu einer Prellung derselben geführt hat. Da sich der Vorfall innerhalb weniger Sekunden ereignete, seitdem beinahe sechs Jahre vergangen sind und der Kläger auch früher bereits angab, er habe keine genaue Erinnerung mehr an den Unfallhergang, vermag der Senat aus seinen letzten Angaben, der Schmerz beim Aufprall sei heftiger gewesen als bei dem Um-Sich-Schlagen, nicht sicher abzuleiten, die eigentliche Schädigung sei erst durch den Aufprall eingetreten.
Hat aber bereits das reflektorische Um-Sich-Schlagen zu der Rotatorenmanschettenruptur geführt, dann kann der Vorfall lediglich als bloßes Anlassgeschehen gewertet werden (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, B 2 U 27/04 in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Denn dann war ein beim Kläger bestehender Vorschaden an der Rototorenmanschette so leicht ansprechbar, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis - wie etwa eine plötzliche, willkürliche Bewegung mit dem Arm (Winken, Verscheuchen einer Mücke, etc) - zu derselben Zeit die Ruptur und die Beschwerden verursacht hätte. Offen lassen kann der Senat dabei, ob nicht bereits die für einen Arbeitsunfall erforderliche äußere Einwirkung auf den Körper verneint werden müsste (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005, a.a.O.).
Der Vorschaden an der Rotatorenmanschette des Klägers ist auch nachgewiesen. Der Kläger hatte seit 1997 wiederholt Beschwerden der linken Schulter, wie er gegenüber Prof. Dr. B. angab. Am 13. Juli 2001, also etwa eine Woche vor dem Sturz, wurde durch den Hausarzt Dr. Bo. eine schmerzhafte Schultergelenksbeweglichkeit links dokumentiert. Die am 12. Juli 2001 angefertigten Röntgenaufnahmen zeigen - so Prof. Dr. L. - Veränderungen, die auf eine chronische Belastung und entzündliche Veränderungen im Ansatzbereich der Obergrätensehne hindeuten, weiterhin Zeichen einer Schultereckgelenksarthrose. Hinsichtlich der Frage eines Humerushochstandes, der die Annahme degenerativer Veränderungen stützen würde, sind die Röntgenaufnahmen nicht verwertbar, so dass - entgegen Dr. B. - aus ihnen auch nicht auf das Fehlen eines solchen geschlossen werden kann. Die Beschwerden waren bereits vor dem Vorfall vom 18. Juli 2001 so stark, dass von Dr. C. Cortison injiziert, eine Röntgenbestrahlung veranlasst wurde und entzündungshemmende Medikamente verordnet wurden. Bis drei Tage vor dem 18. Juli 2001 war der Kläger wegen dieser Beschwerden arbeitsunfähig krank. Die Kernspintomographieaufnahme vom 10. Oktober 2001 zeigt - so Prof. Dr. L. in Übereinstimmung mit Dr. A. - eine ausgeprägte aktive Arthrose im Schultergelenk (Grad IV nach Goutallier) mit ausgedehnter Ergussbildung im Gelenksspalt und Muskelrückbildung in einem Stadium, die als degenerative Veränderung und nicht als unfallbedingte Läsion gewertet werden muss. Diese Veränderungen können erst nach monate- bis jahrelangen degenerativen Läsionen der Supraspinatussehne eintreten und sind daher nicht - wie Dr. B. meint - als Unfallfolge anzusehen. Der Operationsbericht vom 25. Januar 2002 weist ebenfalls keine verletzungstypischen Veränderungen auf.
Die Ansicht des Senats entspricht dem Gutachten von Dr. A. Dass er das Gutachten für das Sozialgericht selbst erstattet und verantwortet hat, nicht jedoch der Chefarzt Prof. Dr. H. (dessen Briefkopf das Gutachten trägt und der es ebenfalls unterschrieben hat), ist von Dr. A. im Berufungsverfahren klargestellt worden. Übereinstimmung besteht auch mit der Einschätzung des Beratungsarztes Prof. Dr. R. Der gegenteiligen Ansicht von Dr. C. im Schreiben vom 20. November 2001 an die Beklagte, die Rotatorenmanschettenruptur sei "mit Sicherheit auf den Unfall vom 18.7.01 zurückzuführen" fehlt eine überzeugende Begründung. Gleiches gilt für die Ansicht von Dr. Bo. in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht, der ein - wie ausgeführt nicht nachgewiesenes - "komplexes Schultertrauma mit Komplettruptur der Rotatorenmanschette" annimmt. Gegen Prof. Dr. B., der ein Unfallzusammenhang mit Abzug eines Vorschadens in Höhe von 50 % annahm, ist einzuwenden, dass er sich nicht mit dem genauen Unfallhergang auseinandersetzte. Soweit Dr. B. auf fehlende Beschwerden an der rechten Schulter hinweist, ist dies - so Prof. Dr. L. - für die Zusammenhangbeurteilungen irrelevant.
Da keine unfallbedingten Gesundheitsbeeinträchtigungen über den 28. August 2001 nachgewiesen sind, besteht auch kein Anspruch auf (weitergehende) Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere kein Anspruch auf Verletztenrente (§ 56 SGB VII).
Eine erneute Beweiserhebung durch Einholung eines (weiteren) unfallchirurgischen oder radiologischen Gutachtens bedarf es nicht, da der Sachverhalt geklärt ist, insbesondere auch Prof. Dr. L. eingehend und für den Senat überzeugend zu den Röntgenaufnahmen Stellung genommen hat.
Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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