Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 489/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4871/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 31. Oktober 2003 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 19. September und vom 11. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2003 werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers verworfen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 01.11.2002 streitig.
Der am 15.06.1956 geborene Kläger bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 15.06.1994. In der Folgezeit bezog er Alhi, zuletzt aufgrund des Bescheides vom 13.12.2001 und des Änderungsbescheides vom 07.01.2002, mit welchen ihm Alhi vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 und in Höhe von wöchentlich 105,00 EUR ab dem 01.01.2002 bewilligt wurde.
Nach einer vorläufigen Zahlungseinstellung bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2002 erneut Alhi ab dem 01.07.2002 in gleicher Höhe wie bisher.
Zum 15.07.2002 war der Kläger zu einer Teamberatung mit dem ärztlichen Dienst eingeladen, die er nicht wahrnahm. Bei einer persönlichen Vorsprache am 22.07.2002 teilte er der Beklagten mit, er sei ab 15.07.2002 arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu legte er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 24.06.2002 bis zum 05.07.2002 und eine Folgebescheinigung bis zum 19.07.2002 vor.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die amtsärztliche Begutachtung des Klägers. Im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 27.08.2002 diagnostizierte Dr. L. eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer nicht näher definierten Psychose. Der Kläger, der sich der Schwere seiner Erkrankung nicht bewusst sei, lehne eine fachärztliche Untersuchung ab. Aufgrund des bisherigen Verlaufs sei mit einer Besserung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit in den nächsten 6 Monaten nicht zu rechen. Daneben bestehe eine rheumatische Erkrankung. Aus gesundheitlichen Gründen sei eine Berentung zu empfehlen.
Mit Schreiben ohne Rechtsmittelbelehrung vom 19.09.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie halte ihn in seiner Leistungsfähigkeit für soweit gemindert, dass er nur noch Beschäftigungen in einem Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich (kurzzeitige Beschäftigungen) ausüben könne. Er habe gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) grundsätzlich bis zur Feststellung einer Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung Anspruch auf Leistungen. Das Schreiben enthält sodann folgenden Hinweis:" Gemäß § 125 SGB III bin ich verpflichtet, Sie aufzufordern, innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens - möglichst mit beiliegendem Antrag - Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen und die geforderten ergänzenden Angaben zu machen." Stelle er innerhalb dieser Frist keinen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation, ruhe der Anspruch auf Alhi vom Tag nach Ablauf der Frist mindestens bis zu dem Tag, an dem er diesen Antrag oder einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stelle. Sollte ein derartiger Nachweis bis zum Ablauf der Frist nicht zugehen, werde die Alhi gem. § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) unmittelbar nach Fristablauf in vollem Umfang entzogen.
Nachdem sich der Kläger nicht mehr gemeldet hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 11.11.2002 die Bewilligung von Alhi ab 01.11.2002 gestützt auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 125 Abs. 2 SGB III auf.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, die Diagnose "schwere Persönlichkeitsstörung" bzw. "nicht näher erkennbare Psychose" sei ohne psychologische Untersuchung oder weitere ärztliche Befunde gestellt worden und deshalb nicht zutreffend. Das amtsärztliche Gutachten sei deshalb als nichtig und ungültig anzusehen. Die amtsärztliche Untersuchung sei angeordnet worden, nachdem er die Verlegung einer Trainingsmaßnahme auf Mitte September beantragt gehabt habe. Die bei der amtsärztlichen Untersuchung durchgeführte körperliche Untersuchung sei oberflächlicher als durch einen Hausarzt gewesen, die polizeiliche Atmosphäre und die Befragung zu nicht gesundheitlichen Aspekten sei strenger als frühere amtsärztliche Untersuchungen durch das rumänische Militär unter Ceausescu gewesen. Die Amtsärztin habe ihm eine Untersuchung durch einen Nervenarzt vorgeschlagen, was er kategorisch abgelehnt habe, da er als alleinigen Grund hierfür seine "wenig Quantum-Leistung in Deutschland" habe erkennen können. Ein solches Ansinnen habe allein dem Zweck gedient, ihm die alleinige Schuld für seine langjährige Arbeitslosigkeit zu geben. Die Diagnose im Bezug auf den Zustand seiner Person und seines Geistes sei in jeder Hinsicht ein Missbrauchsdiagnose.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Kläger sei nach den Feststellungen des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes nur vermindert oder nicht leistungsfähig. Den für die Gewährung von Leistungen nach § 125 SGB III erforderlichen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben habe er nicht gestellt.
Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2003 Klage zum Sozialgericht M. (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, er habe überhaupt keine psychischen Probleme und fühle sich durchaus in der Lage, ganztags unter normalen Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Hierzu legte er Arztbriefe mit den Diagnosen Morbus Bechterew, langjährige Spondylitits ankylosans sowie Nierenzysten rechts vor.
Das SG hat den behandelnden Arzt Dr. B. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 21.05.2003 mitgeteilt, der Kläger habe ihn in der Zeit vom 21.12.2001 bis 13.08.2002 insgesamt neunmal konsultiert. Bei der ersten Konsultation am 21.12.2001 sei der Kläger an ihn herangetreten, um seinen beginnenden Hungertod zu dokumentieren. Hierbei habe dieser angegeben, keinerlei Unterstützung zu erhalten und jetzt bereit zu sein, den Hungertod zu erleiden. Er habe dem Kläger Geld angeboten, das dieser zunächst abgelehnt habe. Erst nachdem er dem Kläger erklärt habe, es sei ihm an Weihnachten psychisch nicht möglich, sein Hungern bis zum Tode zu verfolgen, habe er eine kleine Menge des angebotenen Geldes angenommen. Eine Untersuchung des Klägers sei nicht erfolgt, da dessen Beschwerdeschilderung, die sich hauptsächlich auf sein soziales Umfeld bezogen habe, so erschöpfend, perseverierend und hektisch ohne Gestattung einer Intervention vorgetragen worden sei, dass im Rahmen einer allgemeinen Sprechstunde keine Zeit mehr für körperliche Untersuchungen geblieben sei. Der Kläger habe einen paranoid-psychotischen Eindruck gemacht und aggressiv auf die Frage reagiert, ob seine derzeitigen Lebensbedingungen vielleicht mit seiner Person zusammenhingen. Das formale Denken des Klägers sei hochgradig eingeschränkt, es bestehe ein schwere psychische Störung, weshalb er keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten könne.
In einer 17-seitigen Stellungnahme hat der Kläger hierzu ausgeführt, er habe Dr. B. bisher für einen befriedigenden Hausarzt gehalten, der unter allen Umständen seinen Patienten beistehe und ausschließlich zum Wohle seiner Patienten handle. Mit seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage habe er leider sein Vertrauen enttäuscht. Er müsse den Wert Die Aussage von Dr. B. sei komplett wertlos, auch stelle er dessen Eignung, weiterhin sein Hausarzt sein zu können, in Frage. Darüber hinaus habe Dr. B. nie eine Überweisung zu einem anderen Arzt vorgeschlagen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.10.2003 hat der Kläger vorgetragen, er sehe nicht ein, weshalb er sich einer nervenärztlichen Untersuchung unterziehen solle. Er sei hierzu nicht bereit, insbesondere deshalb nicht, weil die Beklagte ihm bis heute nicht mitgeteilt habe, welche Gründe für die Annahme bestünden, dass er an einer Nervenkrankheit leide. Dass er möglicherweise etwas exzentrisch erscheine, sei kein Grund, ihn für psychisch krank zu erklären. Die Frage, ob er sich jetzt hier und heute bereit erkläre, sich von einem vom Gericht ausgewählten nervenärztlichen Sachverständigen ohne Vorbedingungen begutachten zu lassen, beantworte er aufgrund seiner Prinzipien mit nein.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.10.2003 hat das SG den Bescheid vom 11.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2003 mit der Maßgabe abgeändert, dass die Bewilligung von Alhi erst ab 14.11.2002 aufgehoben wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei wegen einer schweren psychischen Erkrankung nicht arbeitsfähig. Dies ergebe sich aus der übereinstimmenden Beurteilung der Arbeitsamtsärztin Dr. L. und den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. B ... Die von Dr. B. geschilderten Beobachtungen und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung (paranoid-psychotischer Eindruck) seien nachvollziehbar und überzeugend. Nachdem keinerlei Krankheitseinsicht vorliege und zwischenzeitlich auch keine nervenärztliche Behandlung erfolgt sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der von Dr. B. festgestellte Zustand noch fortbestehe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Fortzahlung der Alhi bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit, weil er trotz Aufforderung und Fristsetzung keinen Reha- bzw. Rentenantrag gestellt habe und deshalb sein Leistungsanspruch nach Fristablauf ruhe. Eine Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 könne jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft und deshalb erst ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 11.11.2002 erfolgen. Für eine Aufhebung für die Vergangenheit fehle es an der hierfür erforderlichen Anhörung. Die Aufhebung könne deshalb erst ab dem Zugang des Aufhebungsbescheides am 14.11.2002 erfolgen.
Gegen den am 05.11.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.12.2002 Berufung eingelegt. Er trägt vor, nicht er habe seine psychomoralische Integrität zu belegen, sondern die Beklagte sei beweispflichtig für seine mangelnde Leistungsfähigkeit. Er selbst habe alle seine Pflichten erfüllt. Demgegenüber habe das SG die Beweispflicht von Anfang an ihm auferlegt. Insbesondere durch die Äußerungen seines Hausarztes Dr. B. sei eine mangelnde Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen. Auch die Begutachtung durch die Amtsärztin habe ca. 1 Jahr vor der Aussage des Hausarztes stattgefunden und beziehe sich deshalb auf einen anderen Zeitraum. In der 26-seitigen Berufungsschrift hat der Kläger weiter vorgetragen, es sei auch unzulässig, dass die Befunde von Dr. B. zweimal beigezogen worden seien, nämlich zu der amtsärztlichen Untersuchung und nochmals durch das SG. Die Aussage von Dr. B. sei wegen dessen melodramatischer Behördentreue und einem relevanten Denk- und Gefühlsparallelismus zwischen Hausarzt und Arbeitsamt nicht verwertbar. Er könne aus drei Gründen an einer psychologischen Untersuchung nicht teilnehmen. Zum einen würde das Einverständnis mit einer psychologischen Untersuchung dem Sinn der Klage und des ganzen Prozesses widersprechen, mit dem er einen offenbaren Amtsmissbrauch nachweisen wolle. Einer psychologischen Untersuchung stehe weiter die Wahrung der Menschenwürde entgegen. Schließlich müssten Geist und Körper des Menschen unantastbar bleiben.
Der Kläger beantragt sinngemäß:
1. Den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 31. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 aufzuheben, 2. den Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit M. Herrn T. sowie die Amtsärztin Dr. L. von ihrem Amt zu befreien, 3. die Beklagte zu verpflichten, ihre Zusammenarbeit mit der Caritas und dem Diakonischen Werk einzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe allen Anlass zu der Annahme gegeben, dass er aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht arbeitsfähig sei. Er habe trotz Aufforderung und Fristsetzung keinen Reha- bzw. Rentenantrag gestellt, weshalb sein Leistungsanspruch nach Fristablauf ruhe.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Regionalzentrum M. hat mit Schreiben vom 22.11.2006 mitgeteilt, der Kläger habe weder einen Rentenantrag gestellt noch eine Maßnahme zur Rehabilitation beantragt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagten-Akten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist bezüglich der Anträge Ziff. 2 und 3 unzulässig. Diese Ansprüche waren nicht Verfahrensgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, gegen das allein die Berufung statthaft ist. Darüber hinaus fehlt es für die geltend gemachten Ansprüche auch an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Die Berufung hinsichtlich des Antrags Ziff. 1 ist zulässig und begründet. Die Entziehung der Alhi nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X und § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB III ist nicht rechtmäßig, weil der Anspruch des Klägers auf Alhi nicht geruht hat und deshalb auch keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 19.09.2002, mit dem der Kläger aufgefordert worden ist, Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Diese Aufforderung stellt einen Verwaltungsakt dar (Höfler in KassKomm § 51 SGB V Rn. 11 m.w.N.). Da dem Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, konnte gem. § 66 Abs. 2 SGG der Widerspruch innerhalb eines Jahres ab Zustellung erhoben werden, so dass der am 20.11.2002 eingelegte Widerspruch rechtzeitig eingelegt worden ist. Der Bescheid ist auch von dem Widerspruch kraft Sachzusammenhangs umfasst.
Die Beklagte ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, eine mehr als dreistündige Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Zur Überzeugung des Senats folgt dies aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 27.08.2002. Beim Kläger liegt danach eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer nicht näher definierten Psychose vor. Diese amtsärztliche Beurteilung wird bestätigt durch die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. B., welcher den Kläger in der Zeit vom 21.12.2001 bis 13.08.2002 behandelt hat. Auch Dr. B. hat angegeben, der Kläger habe auf ihn einen paranoid-psychotischen Eindruck gemacht. Eine nähere Exploration über dessen psychischen Zustand habe der Kläger nicht zugelassen und auf Interventionen aggressiv reagiert. Zutreffend ist zwar der Vortrag des Klägers, weder die Arbeitsamtsärztin noch Dr. B. seien Fachärzte für Psychiatrie. Deren Äußerungen und Beobachtungen legen jedoch den Schluss nahe, dass beim Kläger eine gravierende Erkrankung auf nervenärztlichem Gebiet vorliegt. Einer Untersuchung oder Behandlung durch einen Nervenarzt ist der Kläger jedoch bisher nicht nachgekommen.
Die Beklagte ist deshalb zutreffend weiter davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers allein aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung in § 125 i.V.m. § 198 Satz 1 Nr. 1 SGB III besteht. Nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 198 SGB III hat Anspruch auf Alhi auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB III ruht der Leistungsanspruch aber nur, wenn die Beklagte den Leistungsempfänger ohne Rechtsverstoß aufgefordert hat, einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Beklagte es unterlassen hat, vor der Aufforderung des Klägers zur Beantragung der Leistungen zur Rehabilitation Ermessen auszuüben.
Nach § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung soll das Arbeitsamt den Arbeitslosen unverzüglich auffordern, innerhalb eines Monats einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation oder zur beruflichen Eingliederung Behinderter zu stellen. Stellt der Arbeitslose diesen Antrag fristgemäß, so gilt er im Zeitpunkt des Antrags auf Alg bzw. Alhi als gestellt. Stellt der Arbeitslose den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Alg (bzw. Alhi) vom Tage nach Ablauf der Frist bis zum Tage, an dem der Arbeitslose einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellt. Kommt der Arbeitslose seinen Mitwirkungspflichten gegenüber dem Träger der medizinischen Rehabilitation oder der Teilhabe am Arbeitsleben nicht nach, so ruht der Anspruch auf Alg (bzw. Alhi) von dem Tag nach Unterlassen der Mitwirkung bis zu dem Tag, an dem die Mitwirkung nachgeholt wird. Satz 4 gilt entsprechend, wenn der Arbeitslose durch sein Verhalten die Feststellung der Erwerbsminderung verhindert.
Erst durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde der Wortlaut von § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB III neu gefasst; nunmehr hat die Agentur für Arbeit den Arbeitslosen unverzüglich aufzufordern, innerhalb eine Monats den entsprechenden Antrag zu stellen. In der Gesetzesbegründung wird zu der Umstellung der Sollvorschrift in eine gebundene Entscheidung ausgeführt, die Regelung stelle klar, dass die Arbeitsagentur darauf hinzuwirken habe, dass die Entscheidung über die mögliche Zugehörigkeit des Betroffenen zum Risikobereich der gesetzlichen Rentenversicherung umgehend herbeigeführt werde (BT-Drucks. 15/1515 S. 84). Bei der Neuregelung handelt es sich jedoch nicht lediglich um eine Klarstellung, sondern um die Neufassung der Vorschrift in eine durchgehend gebundene Entscheidung.
Durch die gesetzliche Soll-Regelung in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung ist die Verwaltung verpflichtet, Leistungsbezieher im Regelfall aufzufordern, einen Rehabilitationsantrag zu stellen; in atypischen Fällen hat sie jedoch vor der Aufforderung Ermessen auszuüben (BSG Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R - BSGE 87, 31 zu der vergleichbaren Regelung in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 06.06.2002 - L 2 AL 108/01 - info also 2002, 252; Brand in Niesel, SGB III, 1. Aufl. 1998, § 125 Rn. 9; Lauer in LPK-SGB III, 2. Aufl. 2004, § 125 Rn. 14).
Der Gesetzeswortlaut des § 125 Abs. 2 SGB III enthält keine Konkretisierung, wann ein atypischer Fall vorliegt. § 125 Abs 1 SGB III begründet eine (Vor-)Leistungspflicht der Bundesagentur bis zur Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, wenn allein wegen gesundheitlicher Einschränkungen eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht mehr ausgeübt werden kann. Zuständig für die Feststellung der gesundheitsbedingten Leistungsminderung ist allein der Rentenversicherungsträger. Hierfür ist die Mitwirkung des Versicherten erforderlich, weil Sozialleistungen nur auf Antrag erbracht werden. Durch die in § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB III normierte Sanktion des Ruhens des Alg- bzw. Alhi-Anspruchs bei fehlender Reha-Antragstellung soll der Arbeitslose zur Antragstellung motiviert werden. Dies setzt voraus, dass er in seiner Willensbildung grundsätzlich frei ist und die Rechtsfolge eines Unterlassens des geforderten Verhaltens ohne erkennbare gravierende Einschränkungen nach seinen Fähigkeiten rational beurteilen kann. Eine atypische Fallgestaltung liegt dann vor, wenn dem Arbeitslosen krankheitsbedingt eine rationale Willensbildung unmöglich ist, insbesondere wenn es zu den Symptomen der zur Leistungseinschränkung führenden Erkrankung gehört, dass der Arbeitslose seine Krankheit nicht erkennen kann oder willensunabhängig leugnet (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Dies ist vorliegend der Fall.
Ausweislich des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 27.08.2002 liegt beim Kläger eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer nicht näher definierten Psychose vor, weshalb er nicht mehr leistungsfähig ist. Der Kläger hat eine fachärztliche Untersuchung abgelehnt, der Notwendigkeit einer Zusatzbegutachtung war er nicht zugänglich. Er ist sich der Schwere seiner Erkrankung nicht bewusst, auch besteht fehlende Krankheits- und Behandlungseinsicht. Diese Beurteilung, die auch der behandelnde Arzt Dr. B. bestätigt und mitgeteilt hat, das formale Denken und das Urteilsvermögen des paranoid-psychotischen Klägers seien hochgradig eingeschränkt mit Ausfällen des Realitätssinns, darüber hinaus liege eine Einschränkung der sozialen Kommunikation mit Kontaktscheue vor, hätte sich der Beklagten spätestens aufgrund des Inhalts des Widerspruchsschreibens vom 17.11.2002 aufdrängen müssen, in welchem der Kläger u.a. ausgeführt hat, die Überweisung zum Nervenarzt werde von ihm kategorisch abgelehnt, denn das würde einen Selbstverrat bedeuten und das Eingeständnis, die Schuld für die Langzeitarbeitslosigkeit und die eigene Lage als solche als selbstverschuldet anzuerkennen. Kennzeichnend für die Erkrankung des Klägers ist danach dessen wahnhafte Vorstellung, als psychisch gesunder Mensch "psychiatrisiert" zu werden. Hieraus ergibt sich, dass es dem Kläger krankheitsbedingt nicht möglich war und ist, einen Antrag auf Reha-Leistungen nach § 125 Abs. 2 Satz 2 SGB III zu stellen.
Damit liegt ein atypischer Fall vor. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, im Ermessenswege zu prüfen, ob der Kläger zur Stellung eines Reha-Antrags aufgefordert werden soll. Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
Die Beklagte hat bei der Aufforderung des Klägers zur Reha-Antragstellung kein Ermessen ausgeübt. Sie hat vielmehr ausgeführt, sie sei verpflichtet, den Kläger aufzufordern, Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Sie ist damit davon ausgegangen, dass sie eine gebundene Entscheidung zu treffen habe, ohne das Erfordernis einer Ermessensentscheidung zu erkennen.
Es liegt auch keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Diese setzt nämlich voraus, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige, den Betroffenen ganz oder teilweise begünstigende Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen (BSG Urteil vom 11.04.2002 - B 3 P 8/01 R - m.w.N.- zit. nach juris). Eine solche Konstellation, die vor allem bei Bösgläubigkeit des Begünstigten im Sinne eines betrügerischen Verhaltens anzunehmen ist, liegt hier nicht vor. Es liegt damit ein Ermessensnichtgebrauch vor, der im Gerichtsverfahren nicht mehr durch Nachbesserung korrigiert werden kann (BSG Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr. 2) und der gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts führt. Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Bescheides, mit dem der Kläger zur Reha-Antragstellung aufgefordert worden ist sind auch der hierauf gestützte Aufhebungsbescheid vom 11.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2003 rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Nachdem dem Rechtsstreit die lediglich bis zum 31.12.2004 geltende Rechtslage zugrunde liegt, sind Gründe für die Zulassung der Revision nicht gegeben, da eine außer Kraft getretene Vorschrift keine Fragen mehr aufwerfen kann, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung noch einer Klärung bedürfen, zumal das neue Recht nicht die gleiche auslegungsbedürftige Regelung enthält (BSG Urteil vom 23.05.2001 - B 11 AL 41/01 B, zit. nach juris).
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers verworfen.
Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab dem 01.11.2002 streitig.
Der am 15.06.1956 geborene Kläger bezog Arbeitslosengeld (Alg) bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 15.06.1994. In der Folgezeit bezog er Alhi, zuletzt aufgrund des Bescheides vom 13.12.2001 und des Änderungsbescheides vom 07.01.2002, mit welchen ihm Alhi vom 01.12.2001 bis zum 30.11.2002 und in Höhe von wöchentlich 105,00 EUR ab dem 01.01.2002 bewilligt wurde.
Nach einer vorläufigen Zahlungseinstellung bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 26.07.2002 erneut Alhi ab dem 01.07.2002 in gleicher Höhe wie bisher.
Zum 15.07.2002 war der Kläger zu einer Teamberatung mit dem ärztlichen Dienst eingeladen, die er nicht wahrnahm. Bei einer persönlichen Vorsprache am 22.07.2002 teilte er der Beklagten mit, er sei ab 15.07.2002 arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu legte er Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 24.06.2002 bis zum 05.07.2002 und eine Folgebescheinigung bis zum 19.07.2002 vor.
Die Beklagte veranlasste daraufhin die amtsärztliche Begutachtung des Klägers. Im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 27.08.2002 diagnostizierte Dr. L. eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer nicht näher definierten Psychose. Der Kläger, der sich der Schwere seiner Erkrankung nicht bewusst sei, lehne eine fachärztliche Untersuchung ab. Aufgrund des bisherigen Verlaufs sei mit einer Besserung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit in den nächsten 6 Monaten nicht zu rechen. Daneben bestehe eine rheumatische Erkrankung. Aus gesundheitlichen Gründen sei eine Berentung zu empfehlen.
Mit Schreiben ohne Rechtsmittelbelehrung vom 19.09.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie halte ihn in seiner Leistungsfähigkeit für soweit gemindert, dass er nur noch Beschäftigungen in einem Umfang von weniger als 15 Stunden wöchentlich (kurzzeitige Beschäftigungen) ausüben könne. Er habe gem. § 125 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) grundsätzlich bis zur Feststellung einer Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung Anspruch auf Leistungen. Das Schreiben enthält sodann folgenden Hinweis:" Gemäß § 125 SGB III bin ich verpflichtet, Sie aufzufordern, innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens - möglichst mit beiliegendem Antrag - Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen und die geforderten ergänzenden Angaben zu machen." Stelle er innerhalb dieser Frist keinen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation, ruhe der Anspruch auf Alhi vom Tag nach Ablauf der Frist mindestens bis zu dem Tag, an dem er diesen Antrag oder einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stelle. Sollte ein derartiger Nachweis bis zum Ablauf der Frist nicht zugehen, werde die Alhi gem. § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) unmittelbar nach Fristablauf in vollem Umfang entzogen.
Nachdem sich der Kläger nicht mehr gemeldet hatte, hob die Beklagte mit Bescheid vom 11.11.2002 die Bewilligung von Alhi ab 01.11.2002 gestützt auf § 48 Abs. 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und § 125 Abs. 2 SGB III auf.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, die Diagnose "schwere Persönlichkeitsstörung" bzw. "nicht näher erkennbare Psychose" sei ohne psychologische Untersuchung oder weitere ärztliche Befunde gestellt worden und deshalb nicht zutreffend. Das amtsärztliche Gutachten sei deshalb als nichtig und ungültig anzusehen. Die amtsärztliche Untersuchung sei angeordnet worden, nachdem er die Verlegung einer Trainingsmaßnahme auf Mitte September beantragt gehabt habe. Die bei der amtsärztlichen Untersuchung durchgeführte körperliche Untersuchung sei oberflächlicher als durch einen Hausarzt gewesen, die polizeiliche Atmosphäre und die Befragung zu nicht gesundheitlichen Aspekten sei strenger als frühere amtsärztliche Untersuchungen durch das rumänische Militär unter Ceausescu gewesen. Die Amtsärztin habe ihm eine Untersuchung durch einen Nervenarzt vorgeschlagen, was er kategorisch abgelehnt habe, da er als alleinigen Grund hierfür seine "wenig Quantum-Leistung in Deutschland" habe erkennen können. Ein solches Ansinnen habe allein dem Zweck gedient, ihm die alleinige Schuld für seine langjährige Arbeitslosigkeit zu geben. Die Diagnose im Bezug auf den Zustand seiner Person und seines Geistes sei in jeder Hinsicht ein Missbrauchsdiagnose.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Kläger sei nach den Feststellungen des Arbeitsamtsärztlichen Dienstes nur vermindert oder nicht leistungsfähig. Den für die Gewährung von Leistungen nach § 125 SGB III erforderlichen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben habe er nicht gestellt.
Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2003 Klage zum Sozialgericht M. (SG) erhoben. Er hat vorgetragen, er habe überhaupt keine psychischen Probleme und fühle sich durchaus in der Lage, ganztags unter normalen Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Hierzu legte er Arztbriefe mit den Diagnosen Morbus Bechterew, langjährige Spondylitits ankylosans sowie Nierenzysten rechts vor.
Das SG hat den behandelnden Arzt Dr. B. als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat unter dem 21.05.2003 mitgeteilt, der Kläger habe ihn in der Zeit vom 21.12.2001 bis 13.08.2002 insgesamt neunmal konsultiert. Bei der ersten Konsultation am 21.12.2001 sei der Kläger an ihn herangetreten, um seinen beginnenden Hungertod zu dokumentieren. Hierbei habe dieser angegeben, keinerlei Unterstützung zu erhalten und jetzt bereit zu sein, den Hungertod zu erleiden. Er habe dem Kläger Geld angeboten, das dieser zunächst abgelehnt habe. Erst nachdem er dem Kläger erklärt habe, es sei ihm an Weihnachten psychisch nicht möglich, sein Hungern bis zum Tode zu verfolgen, habe er eine kleine Menge des angebotenen Geldes angenommen. Eine Untersuchung des Klägers sei nicht erfolgt, da dessen Beschwerdeschilderung, die sich hauptsächlich auf sein soziales Umfeld bezogen habe, so erschöpfend, perseverierend und hektisch ohne Gestattung einer Intervention vorgetragen worden sei, dass im Rahmen einer allgemeinen Sprechstunde keine Zeit mehr für körperliche Untersuchungen geblieben sei. Der Kläger habe einen paranoid-psychotischen Eindruck gemacht und aggressiv auf die Frage reagiert, ob seine derzeitigen Lebensbedingungen vielleicht mit seiner Person zusammenhingen. Das formale Denken des Klägers sei hochgradig eingeschränkt, es bestehe ein schwere psychische Störung, weshalb er keine Arbeiten von wirtschaftlichem Wert mehr verrichten könne.
In einer 17-seitigen Stellungnahme hat der Kläger hierzu ausgeführt, er habe Dr. B. bisher für einen befriedigenden Hausarzt gehalten, der unter allen Umständen seinen Patienten beistehe und ausschließlich zum Wohle seiner Patienten handle. Mit seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage habe er leider sein Vertrauen enttäuscht. Er müsse den Wert Die Aussage von Dr. B. sei komplett wertlos, auch stelle er dessen Eignung, weiterhin sein Hausarzt sein zu können, in Frage. Darüber hinaus habe Dr. B. nie eine Überweisung zu einem anderen Arzt vorgeschlagen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.10.2003 hat der Kläger vorgetragen, er sehe nicht ein, weshalb er sich einer nervenärztlichen Untersuchung unterziehen solle. Er sei hierzu nicht bereit, insbesondere deshalb nicht, weil die Beklagte ihm bis heute nicht mitgeteilt habe, welche Gründe für die Annahme bestünden, dass er an einer Nervenkrankheit leide. Dass er möglicherweise etwas exzentrisch erscheine, sei kein Grund, ihn für psychisch krank zu erklären. Die Frage, ob er sich jetzt hier und heute bereit erkläre, sich von einem vom Gericht ausgewählten nervenärztlichen Sachverständigen ohne Vorbedingungen begutachten zu lassen, beantworte er aufgrund seiner Prinzipien mit nein.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.10.2003 hat das SG den Bescheid vom 11.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2003 mit der Maßgabe abgeändert, dass die Bewilligung von Alhi erst ab 14.11.2002 aufgehoben wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen mit der Begründung, der Kläger sei wegen einer schweren psychischen Erkrankung nicht arbeitsfähig. Dies ergebe sich aus der übereinstimmenden Beurteilung der Arbeitsamtsärztin Dr. L. und den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. B ... Die von Dr. B. geschilderten Beobachtungen und die daraus abgeleitete Schlussfolgerung (paranoid-psychotischer Eindruck) seien nachvollziehbar und überzeugend. Nachdem keinerlei Krankheitseinsicht vorliege und zwischenzeitlich auch keine nervenärztliche Behandlung erfolgt sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der von Dr. B. festgestellte Zustand noch fortbestehe. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Fortzahlung der Alhi bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit, weil er trotz Aufforderung und Fristsetzung keinen Reha- bzw. Rentenantrag gestellt habe und deshalb sein Leistungsanspruch nach Fristablauf ruhe. Eine Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 könne jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft und deshalb erst ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides vom 11.11.2002 erfolgen. Für eine Aufhebung für die Vergangenheit fehle es an der hierfür erforderlichen Anhörung. Die Aufhebung könne deshalb erst ab dem Zugang des Aufhebungsbescheides am 14.11.2002 erfolgen.
Gegen den am 05.11.2003 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 02.12.2002 Berufung eingelegt. Er trägt vor, nicht er habe seine psychomoralische Integrität zu belegen, sondern die Beklagte sei beweispflichtig für seine mangelnde Leistungsfähigkeit. Er selbst habe alle seine Pflichten erfüllt. Demgegenüber habe das SG die Beweispflicht von Anfang an ihm auferlegt. Insbesondere durch die Äußerungen seines Hausarztes Dr. B. sei eine mangelnde Leistungsfähigkeit nicht nachgewiesen. Auch die Begutachtung durch die Amtsärztin habe ca. 1 Jahr vor der Aussage des Hausarztes stattgefunden und beziehe sich deshalb auf einen anderen Zeitraum. In der 26-seitigen Berufungsschrift hat der Kläger weiter vorgetragen, es sei auch unzulässig, dass die Befunde von Dr. B. zweimal beigezogen worden seien, nämlich zu der amtsärztlichen Untersuchung und nochmals durch das SG. Die Aussage von Dr. B. sei wegen dessen melodramatischer Behördentreue und einem relevanten Denk- und Gefühlsparallelismus zwischen Hausarzt und Arbeitsamt nicht verwertbar. Er könne aus drei Gründen an einer psychologischen Untersuchung nicht teilnehmen. Zum einen würde das Einverständnis mit einer psychologischen Untersuchung dem Sinn der Klage und des ganzen Prozesses widersprechen, mit dem er einen offenbaren Amtsmissbrauch nachweisen wolle. Einer psychologischen Untersuchung stehe weiter die Wahrung der Menschenwürde entgegen. Schließlich müssten Geist und Körper des Menschen unantastbar bleiben.
Der Kläger beantragt sinngemäß:
1. Den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 31. Oktober 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2003 aufzuheben, 2. den Sachbearbeiter der Agentur für Arbeit M. Herrn T. sowie die Amtsärztin Dr. L. von ihrem Amt zu befreien, 3. die Beklagte zu verpflichten, ihre Zusammenarbeit mit der Caritas und dem Diakonischen Werk einzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe allen Anlass zu der Annahme gegeben, dass er aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht arbeitsfähig sei. Er habe trotz Aufforderung und Fristsetzung keinen Reha- bzw. Rentenantrag gestellt, weshalb sein Leistungsanspruch nach Fristablauf ruhe.
Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg Regionalzentrum M. hat mit Schreiben vom 22.11.2006 mitgeteilt, der Kläger habe weder einen Rentenantrag gestellt noch eine Maßnahme zur Rehabilitation beantragt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagten-Akten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG entscheidet, ist bezüglich der Anträge Ziff. 2 und 3 unzulässig. Diese Ansprüche waren nicht Verfahrensgegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, gegen das allein die Berufung statthaft ist. Darüber hinaus fehlt es für die geltend gemachten Ansprüche auch an einem Rechtsschutzbedürfnis des Klägers.
Die Berufung hinsichtlich des Antrags Ziff. 1 ist zulässig und begründet. Die Entziehung der Alhi nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X und § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB III ist nicht rechtmäßig, weil der Anspruch des Klägers auf Alhi nicht geruht hat und deshalb auch keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Gegenstand des Verfahrens ist auch der Bescheid vom 19.09.2002, mit dem der Kläger aufgefordert worden ist, Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Diese Aufforderung stellt einen Verwaltungsakt dar (Höfler in KassKomm § 51 SGB V Rn. 11 m.w.N.). Da dem Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, konnte gem. § 66 Abs. 2 SGG der Widerspruch innerhalb eines Jahres ab Zustellung erhoben werden, so dass der am 20.11.2002 eingelegte Widerspruch rechtzeitig eingelegt worden ist. Der Bescheid ist auch von dem Widerspruch kraft Sachzusammenhangs umfasst.
Die Beklagte ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger nicht mehr in der Lage ist, eine mehr als dreistündige Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Zur Überzeugung des Senats folgt dies aus dem amtsärztlichen Gutachten vom 27.08.2002. Beim Kläger liegt danach eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer nicht näher definierten Psychose vor. Diese amtsärztliche Beurteilung wird bestätigt durch die sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Arztes Dr. B., welcher den Kläger in der Zeit vom 21.12.2001 bis 13.08.2002 behandelt hat. Auch Dr. B. hat angegeben, der Kläger habe auf ihn einen paranoid-psychotischen Eindruck gemacht. Eine nähere Exploration über dessen psychischen Zustand habe der Kläger nicht zugelassen und auf Interventionen aggressiv reagiert. Zutreffend ist zwar der Vortrag des Klägers, weder die Arbeitsamtsärztin noch Dr. B. seien Fachärzte für Psychiatrie. Deren Äußerungen und Beobachtungen legen jedoch den Schluss nahe, dass beim Kläger eine gravierende Erkrankung auf nervenärztlichem Gebiet vorliegt. Einer Untersuchung oder Behandlung durch einen Nervenarzt ist der Kläger jedoch bisher nicht nachgekommen.
Die Beklagte ist deshalb zutreffend weiter davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Klägers allein aufgrund der Nahtlosigkeitsregelung in § 125 i.V.m. § 198 Satz 1 Nr. 1 SGB III besteht. Nach § 125 Abs. 1 i.V.m. § 198 SGB III hat Anspruch auf Alhi auch, wer allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil er wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung seiner Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung, ob verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, trifft der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.
Nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB III ruht der Leistungsanspruch aber nur, wenn die Beklagte den Leistungsempfänger ohne Rechtsverstoß aufgefordert hat, einen Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation zu stellen. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Beklagte es unterlassen hat, vor der Aufforderung des Klägers zur Beantragung der Leistungen zur Rehabilitation Ermessen auszuüben.
Nach § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung soll das Arbeitsamt den Arbeitslosen unverzüglich auffordern, innerhalb eines Monats einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation oder zur beruflichen Eingliederung Behinderter zu stellen. Stellt der Arbeitslose diesen Antrag fristgemäß, so gilt er im Zeitpunkt des Antrags auf Alg bzw. Alhi als gestellt. Stellt der Arbeitslose den Antrag nicht, ruht der Anspruch auf Alg (bzw. Alhi) vom Tage nach Ablauf der Frist bis zum Tage, an dem der Arbeitslose einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben oder einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung stellt. Kommt der Arbeitslose seinen Mitwirkungspflichten gegenüber dem Träger der medizinischen Rehabilitation oder der Teilhabe am Arbeitsleben nicht nach, so ruht der Anspruch auf Alg (bzw. Alhi) von dem Tag nach Unterlassen der Mitwirkung bis zu dem Tag, an dem die Mitwirkung nachgeholt wird. Satz 4 gilt entsprechend, wenn der Arbeitslose durch sein Verhalten die Feststellung der Erwerbsminderung verhindert.
Erst durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt wurde der Wortlaut von § 125 Abs. 2 Satz 1 SGB III neu gefasst; nunmehr hat die Agentur für Arbeit den Arbeitslosen unverzüglich aufzufordern, innerhalb eine Monats den entsprechenden Antrag zu stellen. In der Gesetzesbegründung wird zu der Umstellung der Sollvorschrift in eine gebundene Entscheidung ausgeführt, die Regelung stelle klar, dass die Arbeitsagentur darauf hinzuwirken habe, dass die Entscheidung über die mögliche Zugehörigkeit des Betroffenen zum Risikobereich der gesetzlichen Rentenversicherung umgehend herbeigeführt werde (BT-Drucks. 15/1515 S. 84). Bei der Neuregelung handelt es sich jedoch nicht lediglich um eine Klarstellung, sondern um die Neufassung der Vorschrift in eine durchgehend gebundene Entscheidung.
Durch die gesetzliche Soll-Regelung in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung ist die Verwaltung verpflichtet, Leistungsbezieher im Regelfall aufzufordern, einen Rehabilitationsantrag zu stellen; in atypischen Fällen hat sie jedoch vor der Aufforderung Ermessen auszuüben (BSG Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 42/99 R - BSGE 87, 31 zu der vergleichbaren Regelung in § 134 Abs. 3c Satz 1 AFG; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 06.06.2002 - L 2 AL 108/01 - info also 2002, 252; Brand in Niesel, SGB III, 1. Aufl. 1998, § 125 Rn. 9; Lauer in LPK-SGB III, 2. Aufl. 2004, § 125 Rn. 14).
Der Gesetzeswortlaut des § 125 Abs. 2 SGB III enthält keine Konkretisierung, wann ein atypischer Fall vorliegt. § 125 Abs 1 SGB III begründet eine (Vor-)Leistungspflicht der Bundesagentur bis zur Entscheidung des Rentenversicherungsträgers, wenn allein wegen gesundheitlicher Einschränkungen eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung nicht mehr ausgeübt werden kann. Zuständig für die Feststellung der gesundheitsbedingten Leistungsminderung ist allein der Rentenversicherungsträger. Hierfür ist die Mitwirkung des Versicherten erforderlich, weil Sozialleistungen nur auf Antrag erbracht werden. Durch die in § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB III normierte Sanktion des Ruhens des Alg- bzw. Alhi-Anspruchs bei fehlender Reha-Antragstellung soll der Arbeitslose zur Antragstellung motiviert werden. Dies setzt voraus, dass er in seiner Willensbildung grundsätzlich frei ist und die Rechtsfolge eines Unterlassens des geforderten Verhaltens ohne erkennbare gravierende Einschränkungen nach seinen Fähigkeiten rational beurteilen kann. Eine atypische Fallgestaltung liegt dann vor, wenn dem Arbeitslosen krankheitsbedingt eine rationale Willensbildung unmöglich ist, insbesondere wenn es zu den Symptomen der zur Leistungseinschränkung führenden Erkrankung gehört, dass der Arbeitslose seine Krankheit nicht erkennen kann oder willensunabhängig leugnet (LSG Sachsen-Anhalt, a.a.O.). Dies ist vorliegend der Fall.
Ausweislich des arbeitsamtsärztlichen Gutachtens vom 27.08.2002 liegt beim Kläger eine schwere Persönlichkeitsstörung im Sinne einer nicht näher definierten Psychose vor, weshalb er nicht mehr leistungsfähig ist. Der Kläger hat eine fachärztliche Untersuchung abgelehnt, der Notwendigkeit einer Zusatzbegutachtung war er nicht zugänglich. Er ist sich der Schwere seiner Erkrankung nicht bewusst, auch besteht fehlende Krankheits- und Behandlungseinsicht. Diese Beurteilung, die auch der behandelnde Arzt Dr. B. bestätigt und mitgeteilt hat, das formale Denken und das Urteilsvermögen des paranoid-psychotischen Klägers seien hochgradig eingeschränkt mit Ausfällen des Realitätssinns, darüber hinaus liege eine Einschränkung der sozialen Kommunikation mit Kontaktscheue vor, hätte sich der Beklagten spätestens aufgrund des Inhalts des Widerspruchsschreibens vom 17.11.2002 aufdrängen müssen, in welchem der Kläger u.a. ausgeführt hat, die Überweisung zum Nervenarzt werde von ihm kategorisch abgelehnt, denn das würde einen Selbstverrat bedeuten und das Eingeständnis, die Schuld für die Langzeitarbeitslosigkeit und die eigene Lage als solche als selbstverschuldet anzuerkennen. Kennzeichnend für die Erkrankung des Klägers ist danach dessen wahnhafte Vorstellung, als psychisch gesunder Mensch "psychiatrisiert" zu werden. Hieraus ergibt sich, dass es dem Kläger krankheitsbedingt nicht möglich war und ist, einen Antrag auf Reha-Leistungen nach § 125 Abs. 2 Satz 2 SGB III zu stellen.
Damit liegt ein atypischer Fall vor. Die Beklagte war deshalb verpflichtet, im Ermessenswege zu prüfen, ob der Kläger zur Stellung eines Reha-Antrags aufgefordert werden soll. Nach § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
Die Beklagte hat bei der Aufforderung des Klägers zur Reha-Antragstellung kein Ermessen ausgeübt. Sie hat vielmehr ausgeführt, sie sei verpflichtet, den Kläger aufzufordern, Leistungen zur Rehabilitation zu beantragen. Sie ist damit davon ausgegangen, dass sie eine gebundene Entscheidung zu treffen habe, ohne das Erfordernis einer Ermessensentscheidung zu erkennen.
Es liegt auch keine Ermessensreduzierung auf Null vor. Diese setzt nämlich voraus, dass es nach dem festgestellten Sachverhalt ausgeschlossen ist, dass Umstände vorliegen, die eine anderweitige, den Betroffenen ganz oder teilweise begünstigende Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen (BSG Urteil vom 11.04.2002 - B 3 P 8/01 R - m.w.N.- zit. nach juris). Eine solche Konstellation, die vor allem bei Bösgläubigkeit des Begünstigten im Sinne eines betrügerischen Verhaltens anzunehmen ist, liegt hier nicht vor. Es liegt damit ein Ermessensnichtgebrauch vor, der im Gerichtsverfahren nicht mehr durch Nachbesserung korrigiert werden kann (BSG Urteil vom 18.04.2000 - B 2 U 19/99 R - SozR 3-2700 § 76 Nr. 2) und der gem. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts führt. Aufgrund der Rechtswidrigkeit des Bescheides, mit dem der Kläger zur Reha-Antragstellung aufgefordert worden ist sind auch der hierauf gestützte Aufhebungsbescheid vom 11.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.02.2003 rechtswidrig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.
Nachdem dem Rechtsstreit die lediglich bis zum 31.12.2004 geltende Rechtslage zugrunde liegt, sind Gründe für die Zulassung der Revision nicht gegeben, da eine außer Kraft getretene Vorschrift keine Fragen mehr aufwerfen kann, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung noch einer Klärung bedürfen, zumal das neue Recht nicht die gleiche auslegungsbedürftige Regelung enthält (BSG Urteil vom 23.05.2001 - B 11 AL 41/01 B, zit. nach juris).
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