L 3 R 5317/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 952/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 5317/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 19.6.1951 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis zur arbeitgeberseitigen Kündigung zum 31.12.2000 als Querschneider-Führer versicherungspflichtig beschäftigt. Hierbei handelte es sich um eine Anlerntätigkeit mit einer Anlernzeit von ein bis zwei Monaten. Die Bezahlung des Klägers erfolgte nach Lohngruppe III des einschlägigen Lohntarifvertrages. In diese Lohngruppe waren auch angelernte Handwerker und Kraftfahrer (LKW bis 3,5 Tonnen) eingestuft (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 36/42 der SG-Akte Bezug genommen).

Nach Durchführung einer stationären Heilbehandlung im Januar/Februar 2000 in der Rehaklinik Ü., aus der er mit den Diagnosen chronisch-rezidivierende Zervikalgien bei Chondrose und Spondylose C 5/6 mit Fehlhaltung und muskulo-tendinösen Beschwerden, rezidivierende Arthralgien im Bereich der Ellbogen-, Hand- und Fingergelenke sowie Verdacht auf somatoforme Störung als arbeitsfähig und mit der Leistungsbeurteilung entlassen worden war, leichte Tätigkeiten könnten unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig verrichtet werden, beantragte der Kläger am 17.5.2000 die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit.

Im Wesentlichen gestützt auf das Ergebnis der Heilbehandlung lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 29.6.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.4.2001 ab.

Dagegen hat der Kläger am 21.5.2001 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgt hat.

Das SG hat eine Auskunft beim letzten Arbeitgeber des Klägers eingeholt (zum Inhalt vgl. bereits oben) und die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt, die sich im Ergebnis im Wesentlichen der Leistungseinschätzung des Beklagten bezüglich leichter Tätigkeiten angeschlossen haben (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 43/46,48/50 und 51/57 der SG-Akte Bezug genommen).

Sodann hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des orthopädischen Sachverständigengutachtens von Dr. Schirmer vom 20.8.2002. Erhoben worden sind ein Bewegungs- und Belastungsdefizit der Halswirbelsäule mit muskulärer Balancestörung und degenerativen Veränderungen, ein diskretes Bewegungsdefizit der rechten Großzehen bei beginnender Großzehengrundgelenksarthrose (radiologisch auch links, dort jedoch ohne Bewegungsdefizit), multiple, in der Intensität und Lokalisation häufig wechselnde Muskelschmerzen auch in Abhängigkeit von mechanischen Belastungen, jedoch ohne organisches Korrelat, Schlafstörungen, eine Konzentrationsschwäche sowie eine allgemeine Minderung der Leistungsfähigkeit. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne ständige Zwangshaltungen, ohne überwiegende Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten an Maschinen sowie ohne Hitze, Kälte, Zugluft, Nässe und Lärm könnten bevorzugt in Tagesschicht vollschichtig verrichtet werden. Die Wegefähigkeit sei nicht rentenrechtlich relevant eingeschränkt.

Ferner hat das SG Beweis erhoben durch Einholung des psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens von Dr. S. vom 24.1.2003 mit ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 10.3.2004. Festgestellt worden ist eine geringgradige depressive Symptomatik im Rahmen einer somatoformen Schmerzstörung bei einfach strukturierter Persönlichkeit mit hoher Kränkbarkeit und Verletzlichkeit. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten seit Mitte 2002 noch in einem Umfang bis sechs Stunden, jedoch nicht vollschichtig, verrichtet werden (zur näheren Feststellung der Einzelheiten des vom Sachverständigen erhobenen Tagesablaufs wird insbesondere auf Blatt 114/115 der SG-Akte Bezug genommen).

Schließlich hat das SG noch das nervenärztlich-psychosomatische Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 16.8.2004 eingeholt. Diagnostiziert worden sind eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine chronifizierte depressive Verstimmung sowie eine Persönlichkeitsstörung. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, Steigen auf Treppen oder Leitern, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- oder Wechselschicht und ohne besondere nervliche Beanspruchung könnten vollschichtig verrichtet werden (zur näheren Feststellung der Einzelheiten der erhobenen Tagesaktivitäten wird insbesondere auf Blatt 164/165 und hinsichtlich des erhobenen psychischen Befundes insbesondere auf Blatt 167/168 und 174 der SG-Akte Bezug genommen).

Das SG hat die Klage sodann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid vom 27.10.2004 abgewiesen.

Es hat unter Darstellung der für die Gewährung einer Rente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit sowie Erwerbsminderung erforderlichen Voraussetzungen und der hierfür maßgebenden Rechtsvorschriften sowie unter Darstellung der Grundsätze zum Berufsschutz entschieden, dass der als einfach angelernter Arbeiter einzustufende und damit breit verweisbare Kläger die ihm somit noch zumutbaren - unbenannten - leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden am Tag verrichten könne. Bis zum Jahr 2002 habe noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bestanden. Nach dem für die Zeit danach anwendbaren neuen Rentenrecht bestehe bei einem mindestens sechsstündigen Leistungsvermögen kein Rentenanspruch. Gefolgt werde den eingeholten Gutachten sowie den Auskünften der behandelnden Fachärzte. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den ihm am 29.10.2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.11.2004 Berufung eingelegt, mit der er sein Klagebegehren weiterverfolgt.

Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Senat mit Beschluss vom 17.2.2005 abgelehnt. Auf dessen Gründe wird Bezug genommen.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Der Internist, Rheumatologe und Sportmediziner Dr. B. hat unter dem 14.2.2005 eine leichte körperliche Tätigkeit im Umfang bis zu sechs Stunden für zumutbar erachtet (Blatt 17/18 der LSG-Akte). Demgegenüber ist die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. in ihrer Aussage vom 20.7.2005 der Auffassung, dass die beim Kläger vorliegende Persönlichkeitsstörung, die chronifizierte depressive Stimmung und die somatoforme Schmerzstörung eine quantitative Leistungseinschränkung auf eine nur noch höchstens vierstündige Tätigkeit bedinge (zur näheren Feststellung der Einzelheiten wird auf Blatt 27 und 31/32 der LSG-Akte Bezug genommen). Auch der vom Senat befragte Allgemeinmediziner Dr. J. hat im Wesentlichen wegen der selben Befunde ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen (Bericht vom 12.10.2006, Blatt 40/52 der LSG-Akte).

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2001 zu verurteilen, ihm Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Rentenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat weder Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit noch wegen Erwerbsminderung, weil er jedenfalls noch über den 31.12.2000 hinaus ihm sozial zumutbare - unbenannte - Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig und in der Folgezeit mindestens sechs Stunden am Tag verrichten konnte und noch kann.

Der Senat weist die Berufung im Wesentlichen bereits aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens wird das berufliche Restleistungsvermögen des Klägers entscheidend geprägt durch die bei ihm vorliegenden nervenärztlichen Befunde, von denen wiederum die somatoforme Schmerzstörung und die depressive Verstimmung im Vordergrund stehen. Eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung wird hierdurch nicht bedingt.

Der Senat stützt seine diesbezügliche Überzeugung in erster Linie ebenfalls auf die vom SG eingeholten Sachverständigengutachten. Danach bedingen die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen lediglich die Beschränkung auf noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung der weiteren, in den Sachverständigengutachten im Einzelnen aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen. Insbesondere ist nach diesen Gutachten die Annahme einer relevanten quantitativen (zeitlichen) Leistungseinschränkung auf ein nur noch unter sechsstündiges Leistungsvermögen medizinisch nicht begründet. Die von den Sachverständigen vorgenommene Leistungsbeurteilung ist nach den erhobenen Befunden, bei kritischer Würdigung und der gebotenen Anlegung eines strengen Maßstabes für den Senat schlüssig und nachvollziehbar, weshalb er ihr folgt. Die hiervon abweichende Leistungsbeurteilung durch die behandelnden Ärzte Dr. J. und Dr. M. erachtet der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens als widerlegt.

Die sozialmedizinische Beurteilung bei Somatisierungsstörungen erfordert eine ausführliche Befragung des Probanden zu den Tagesaktivitäten. Erfragt (und hinterfragt) werden müssen auch Symptome des sozialen Rückzugs. Nur bei einer weitgehenden Einschränkung der Fähigkeit zur Teilnahme an den Aktivitäten des täglichen Lebens (im Sinne einer "vita minima") beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit ist von einer Minderung des qualitativen und quantitativen Leistungsvermögens auszugehen (Empfehlungen für die sozialmedizinische Beurteilung psychischer Störungen, DRV-Schriften, Band 30, S. 47).

Hinsichtlich der Auswirkungen von Schmerzen auf die Erwerbsfähigkeit ist zu beachten, dass je nach Ausprägung der Schmerzsymptomatik die Konzentration deutlich beeinträchtigt sein kann, es können auch kognitive Störungen auftreten. Antriebstörungen, Störungen der Vitalgefühle und weitere depressive Symptome sind häufig vorhanden, bei entsprechendem Schweregrad auch suizidale Tendenzen. Chronische Schmerzen können die Möglichkeit der Betroffenen, an Aktivitäten des täglichen Lebens teilzunehmen, beeinträchtigen. Es kann zu einem zunehmenden sozialen Rückzug kommen, da die Betroffenen gegebenenfalls ihre körperlichen Aktivitäten einschränken, gewissermaßen ihre gesamte Lebensgestaltung dem chronischen Schmerz unterordnen.

Für die Leistungsbeurteilung ist es deshalb von entscheidender Bedeutung, dass der Gutachter die Entwicklung der Schmerzsymptomatik und ihre Auswirkungen insbesondere auf dem Bereich der sozialen Möglichkeiten und Aktivitäten bei dem Probanden differenziert erfragt. Eine exakte Erhebung und Darstellung der medikamentösen Therapie (unter Umständen einer vorhandenen Medikamentenabhängigkeit) ist ebenso erforderlich wie die Einsichtnahme in ein eventuell vorhandenes Schmerztagebuch. Erfragt werden muss differenziert der Tagesablauf des Probanden, weil sich hier unter Umständen Hinweise auf Partizipationsstörungen ergeben. Das Fehlen einer objektiven Messmethode zur Quantifizierung des Schmerzes erschwert die Leistungsbeurteilung dieser Probanden, auch die Verwendung entsprechender Schmerzskalen in der Leistungsbeurteilung ist nicht zielführend, sodass der Gutachter nur durch eine umfassende und auch zeitlich umfangreiche Befragung des Probanden eine nachvollziehbare und zutreffende Beurteilung abgeben kann. Zu beurteilen sind neben dem Ausmaß der psychopathologischen Auffälligkeiten und dem eventuell bestehenden Ausmaß einer schmerzbedingten Persönlichkeitsveränderung die Fragen nach einer eventuell stattgefundenen Adaption an die Symptomatik bzw. nach bisher vom Probanden eingeschlagenen Coping-Strategien (Empfehlung für die sozialmedizinische Beurteilung bei chronischen Schmerzsyndromen DRV-Schriften, Band 30, S. 51/52).

Diesen sozialmedizinischen Anforderungen genügen insbesondere die vom SG eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. S. und Dr. K., die die Tagesaktivitäten des Klägers und seine Partizipationsfähigkeiten festgestellt und zutreffend dahin gewürdigt haben, dass die beim Kläger vorliegenden Schmerzen und somatischen Begleiterscheinungen in den nach dem jeweiligen Rentenrecht gesondert zu beurteilenden Zeiträumen noch nicht zu so weitgehenden Einschränkungen geführt haben, dass deshalb die Annahme einer rentenbegründenden quantitativen zeitlichen Leistungseinschränkung hierdurch bedingt wäre.

Die jeweils erhobenen Tagesabläufe spiegeln hier nämlich noch weitgehend erhaltene Aktivitäten und auch soziale Kontakte wieder. So besuche der Kläger häufig Freunde, sehe fern, gehe spazieren und lese (Dr. S.). Ferner verrichtet der Kläger - nach eigenen Angaben sehr ordentlich - vollständig den Haushalt unter Benutzung aller Haushaltsgeräte und informiert sich über das Geschehen in der Welt durch Nachrichten (Gutachten Dr. K.).

Der von Dr. K. erhobene psychische Befund zeigt einen formal intakten Denkablauf bei eher intelligenter Primärpersönlichkeit ohne hirnorganische Leistungsdefizite und ohne erhebliche Depressivität. Konzentration, Aufmerksamkeit, Umstellungsfähigkeit und mnestische Funktionen sind als intakt beschrieben worden. Die Untersuchungssituation sei vom Kläger insgesamt recht kompetent und situationsangemessen gehandhabt worden. Auch nach den von Dr. M. seit der bei ihr ab Juni 2004 durchgeführten Behandlung erhobenen Befunden sind Konzentration und Aufmerksamkeit lediglich leicht reduziert und auch von ihr wird der Denkablauf als formal intakt und nicht verlangsamt geschildert. Die emotionale Schwingungsfähigkeit wird als eingeengt (aber nicht als aufgehoben) dargestellt. Wie bereits Dr. K. hat aber auch Dr. M. auf die betrübte und verbitterte Grundstimmung des Klägers hingewiesen.

Unter Berücksichtigung aller dieser Befunde ist vom Senat einerseits festzustellen, dass hier insbesondere gewisse Restaktivitäten erhalten geblieben sind und auch z. B. Konzentrationsvermögen und Aufmerksamkeit nicht als wesentlich eingeschränkt angesehen werden können. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch noch besonders auf die Ausführungen von Dr. S. in dessen ergänzender gutachterlicher Stellungnahme, wonach der vom Kläger im sozialen Rahmen gepflegte Kontakte einer weiteren Befundverschlechterung entgegenwirke. Die Beschränkung auf ein "vita minima" ist daher nicht anzunehmen. Andererseits berücksichtigt der Senat durchaus, dass beim Kläger auch gewisse depressive Symptome vorhanden sind.

Der Senat geht daher insgesamt - insoweit in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten von Dr. S. - derzeit nicht mehr von einem vollschichtigen Leistungsvermögen des Klägers, sondern lediglich noch von einem sechsstündigen Leistungsvermögen aus, was einerseits der sowohl von Dr. S. aber auch von Dr. M. angenommenen allgemeinen Einschränkung der Leistungsfähigkeit Rechnung trägt, andererseits aber auch den Erhalt eines verwertbaren beruflichen Restleistungsvermögens impliziert.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles lässt sich die hier angenommene zeitliche Leistungseinschränkung mit den Befundfeststellungen in Einklang bringen, wobei nach Auffassung des Senats zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass aus Tagesstruktur und Alltagsaktivitäten zwar - wie oben dargelegt - grundsätzlich Rückschlüsse auf das berufliche Restleistungsvermögen gezogen werden können, es dabei aber auch zu beachten gilt, dass es zwischen beruflichen Anforderungen einerseits und den Anforderungen des täglichen Lebens andererseits beachtenswerte Unterschiede gibt. Letztlich kommt daher dem Umfang von Tagesstruktur und Alltagsaktivitäten lediglich indizielle Bedeutung zu. So wird man z. B. aus einer vita minima i. d. R. ohne weiteres auf ein gänzlich aufgehobenes berufliches Leistungsvermögen schließen können und aus jeglichem Fehlen von Einschränkungen im täglichen Leben i. d. R. auf ein vollumfängliches berufliches Leistungsvermögen. Bestehen allerdings bereits im täglichen Leben schon gewisse Leistungseinschränkungen, kann sich die bestehende Beeinträchtigung unter den gesteigerten Leistungsanforderungen einer beruflichen Tätigkeit umso mehr auswirken und nach den Umständen des Einzelfalles das Erfordernis einer teilweisen zeitlichen Leistungseinschränkung nahe legen. So verhält es sich nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall.

Die von Dr. J. und Dr. M. vorgenommene weitergehende Leistungseinschränkung vermag der Senat nicht zu teilen. Sie beruht im Wesentlichen auf vergleichbaren Befundfeststellungen und stellt sich deshalb im Ergebnis als abweichende Beurteilung desselben medizinischen Sachverhalts dar, die aus den dargelegten Gründen nicht für begründet erachtet wird. Dass Dr. M. ihre Einschätzung auf einen im Wesentlichen seit Jahren unveränderten Sachverhalt stützt, ergibt sich beispielsweise zum einen aus ihrer ärztlichen Bescheinigung vom 28.6.2005, worin sie davon ausgeht, dass die von ihr erhobene Symptomatik bereits seit 2001 besteht (Blatt 27 der LSG-Akte). Aber auch einem Arztbrief von Dr. M. vom 11.1.2006 ist an verschiedenen Stellen zu entnehmen, dass es dem Kläger "im Wesentlichen unverändert gehe" (Blatt 66 der LSG-Akte). In einem weiteren Arztbrief vom 13.7.2006 ist jetzt allerdings auch von einer deutlichen Besserung infolge der eingeleiteten medikamentösen Behandlung die Rede. Jedenfalls eine wesentliche Verschlechterung gegenüber den Beurteilungszeitpunkten von Dr. S. und Dr. K. ist damit nicht anzunehmen.

Die hier angenommene zeitliche Leistungseinschränkung auf ein nur noch sechsstündiges Leistungsvermögen ist aber nach Auffassung des Senats jedenfalls noch nicht vor dem 1.1.2001 eingetreten. Diesbezüglich stützt sich der Senat einerseits auf die Feststellungen von Dr. S., der eine zeitliche Leistungseinschränkung in diesem Umfang erst ab ca. Mitte 2002 annimmt. Andererseits kann sowohl dem Gutachten von Dr. S. als auch dem von Dr. K. entnommen werden, dass die als erhebliche Kränkung empfundene Kündigung durch den letzten Arbeitgeber sich im Folgenden beschwerdeunterhaltend und -verstärkend ausgewirkt hat (z. B. Blatt 113 und 171 der SG-Akte). Da diese Kündigung zum 31.12.2000 erfolgt ist, ist vorliegend davon auszugehen, dass das Absinken der zeitlichen Leistungsfähigkeit auf ein nur noch sechsstündiges erst später und somit jedenfalls erst unter der Geltung neuen Rentenrechts eingetreten ist. Einen Rentenanspruch konnte dieses Absinken daher nicht mehr begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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