Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 1078/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2342/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. März 2005 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 2. September 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Februar 2003 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, einen GdB von 50 erst ab dem 29. Juni 2006 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Das Versorgungsamt Stuttgart (VA) stellte bei dem 1944 geborenen Kläger mit Bescheid vom 06.03.2002 unter Berücksichtigung von Funktionsbehinderungen im Bereich beider Kniegelenke und des rechten Schultergelenkes einen GdB von 30 fest. Der Bescheid wurde am 06.03.2002 an den Kläger abgesandt.
Mit am 16.04.2002 beim VA eingegangenem Schreiben legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und gab an, wegen urlaubsbedingter Abwesenheit habe er den Bescheid erst am 22.03.2002 erhalten. Er machte einen GdB von 50 geltend und begründete dies mit schweren Arthrosen an beiden Kniegelenken und der Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks sowie einer erheblichen Störung des vegetativen Nervensystems. Daraufhin teilte das VA dem Kläger mit, dass Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben seien, da er auch innerhalb der Widerspruchsfrist (Eingang am 27.03.2002) die Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt beantragt habe, sodass er zur Fristwahrung zu diesem Zeitpunkt bereits den Widerspruch hätte einlegen können. Sein Einverständnis voraussetzend würde das Schreiben vom 14.04.2002 als Erhöhungsantrag angesehen werden. Nach Einholung des Befundberichts des Orthopäden Dr. M.-E. vom 13.05.2002 und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu erließ das VA am 02.09.2002 einen Neufeststellungsbescheid, mit dem bei unveränderten Funktionsbeeinträchtigungen - die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke wurde nun mit einem GdB von 40 (zuvor 30) bewertet - ab 16.04.2002 ein GdB von 40 festgestellt wurde.
Dagegen legte der Kläger am 25.09.2002 Widerspruch ein und brachte vor, die von ihm angegebene Störung des vegetativen Nervensystems sei zu Unrecht nicht als nachgewiesen angesehen worden. Weshalb er insoweit derzeit nicht in fachärztlicher Behandlung stehe, sei von ihm ausführlich begründet worden, sodass daraus nicht geschlossen werden könne, dass diese gesundheitliche Störung bei ihm nicht vorliege. Sein behandelnder Hausarzt Dr. R., R., gab in seinem Befundbericht vom 25.11.2002 gegenüber dem VA an, beim Kläger bestehe ein erheblicher depressiver Erschöpfungszustand mit vegetativer psychosomatischer Begleitsymptomatik. Es liege seines Erachtens eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. In der hierzu eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde ein einen GdB von 10 bedingendes psychovegetatives Erschöpfungssyndrom zusätzlich zur Feststellung als Funktionsbeeinträchtigung vorgeschlagen, insgesamt aber weiterhin ein GdB von 40 angenommen. Dementsprechend wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003 zurück.
Am 28.02.2003 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er einen GdB von mindestens 50 geltend machte. Er begründete dies in erster Linie mit einer zu niedrigen Bewertung der bei ihm unstreitig vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere im Bereich der rechten Schulter, die auf eine Rotatorenmanschettenruptur zurückzuführen und mit einem GdB von 20 zu bewerten sei, sowie mit den bislang gar nicht berücksichtigten Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsen leiden.
Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers - Orthopäde Dr. F., Internist Dr. M. und Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. - schriftlich als sachverständige Zeugen. Danach holte es von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P., P., ein nervenärztliches Gutachten ein. In seinem auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers beruhenden Gutachten vom 11.11.2003 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, auf seinem Fachgebiet liege ein rezidivierendes Erschöpfungssyndrom mit vegetativen und depressiven Zügen vor, das einen GdB von 10 bedinge. Nach schriftlicher Anhörung von Prof. Dr. Dr. S., Sportklinik S., der über die Ergebnisse der am 18.02.2004 durchgeführten Arthroskopie links berichtete und eine beidseitige Gonarthrose, jeweils mittleren Schweregrades, diagnostizierte, beauftragte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Orthopäden Dr. A., S., mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers gelangte dieser am 20.07.2004 zu der Auffassung, außer dem mit einem GdB von 40 zu bewertenden Kniegelenksleiden lägen eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke mit leichter Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke (GdB 20), ein chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom ohne neurologische Ausfälle (GdB 20) und ein chronisches Impingementsyndrom rechts mehr als links bei Zustand nach Rotatorenruptur rechts mit Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke (GdB 10) vor. Insgesamt betrage der GdB 50 seit 2002. Mit Urteil vom 24.03.2005, dem Beklagten zugestellt am 18.05.2005, änderte das SG die Bescheide vom 02.09.2002 (Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003) und 06.03.2002 ab und verurteilte den Beklagten, ab 16.04.2002 einen GdB von 50 festzustellen. Hierbei ging es - dem Gutachten von Dr. A. insoweit folgend - davon aus, dass die Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Kniegelenke mit einem GdB von 40 und die Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke mit einem GdB von 20 zu bewerten seien und der GdB insgesamt 50 betrage.
Dagegen hat der Beklagte am 09.06.2005 Berufung eingelegt und unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. R. vom 30.05.2005 geltend gemacht, ein GdB von 50 liege nicht vor. Insbesondere könne ein GdB von 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen in beiden Schultergelenken mit den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht begründet werden. Sowohl der Orthopäde Dr. F. als auch der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. A. hätten für diese Funktionseinschränkung lediglich einen GdB von 10 angenommen. Im Übrigen begegne das angefochtene Urteil auch insoweit verfahrensrechtlichen Bedenken, als von einem Klageantrag des Klägers im Sinne des § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) ausgegangen werde, ohne dass vom Kläger ein entsprechender Antrag gestellt worden bzw. eine entsprechende Verwaltungsentscheidung ergangen sei. Ferner legte der Beklagte zum vom Senat eingeholten Gutachten die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 16.10.2006 vor, wonach die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke nach wie vor nur einen GdB von unter 20 bedinge und insgesamt kein GdB von 50 vorliege.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG - auch aus verfahrensrechtlicher Sicht - für zutreffend. Der GdB betrage 50. Dies sei auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten bestätigt worden.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. H., W., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter und radiologischer Untersuchung des Klägers ist dieser am 17.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Gesamt-GdB von 50 vorliege. Die Pangon- arthrose beidseits mit ausgeprägtem Funktionsdefizit, rechts mehr als links, bedinge einen GdB von 40 und das Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit Verdacht auf partielle Rotatorenmanschettenruptur rechts und bestehendem ausgeprägtem Funktionsdefizit beidseits, rechts mehr als links, sei mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Der GdB beträgt erst ab 29.06.2006 50. In der davor liegenden Zeit lag lediglich ein GdB von 40 vor. Insoweit sind das angefochtene Urteil des SG und der Neufeststellungsbescheid des Beklagten vom 02.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003 abzuändern.
Streitgegenstand ist nur der Bescheid vom 02.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB von 30 (Bescheid vom 06.03.2002) auf 40 erhöht hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass der GdB mehr als 40, nämlich mindestens 50 beträgt. Nicht Streitgegenstand ist der Bescheid vom 06.03.2002, gegen den der Kläger nicht Klage erhoben hat. Zwar hat er gegen diesen Bescheid entgegen der damaligen Auffassung des Beklagten rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Nach dem - unrichtigen - Hinweis des Beklagten, dass die Widerspruchsfrist versäumt sei und der Widerspruch - das Einverständnis des Klägers voraussetzend - als Neufeststellungsantrag gewertet werde, hat sich der Kläger zumindest stillschweigend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt, sodass das Widerspruchsverfahren als erledigt anzusehen ist. Eine Überprüfung des Bescheides vom 06.03.2002 nach § 44 SGB X ist daher nicht vorzunehmen. Maßgebliche verwaltungsverfahrensrechtliche Rechtsnorm ist daher allein § 48 SGB X.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist.
Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004, (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben. (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Nach dem Ergebnis der vom SG und im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB beim Kläger (erst) seit 29.06.2006, dem Tag seiner Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. H., 50 beträgt. Erst durch dieses Gutachten ist nachgewiesen, dass der Kläger schwer behindert ist. Dies folgt daraus, dass die Beeinträchtigung des Klägers im Bereich beider Schultergelenke nun eindeutig einen GdB von 20 rechtfertigt und unter Berücksichtigung des Hauptleidens des Klägers, der Arthrosen der Kniegelenke, der unstreitig einen GdB von 40 bedingt, insgesamt ein GdB von 50 anzunehmen ist.
Für die Zeit vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. H. ist ein GdB von 50 nicht ausreichend nachgewiesen. Dies beruht in erster Linie darauf, dass der vom SG gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. A. im Unterschied zum behandelnden Orthopäden Dr. F., der aufgrund seiner Untersuchung vom 28.05.2002 lediglich ein Impingementsyndrom im Bereich der linken Schulter (GdB 10) beschrieben hat, zwar eine solche Gesundheitsstörung auch am rechten Schultergelenk diagnostiziert, die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Schultern aber trotzdem ebenfalls mit einem GdB von nur 10 bewertet hat. Diese Beurteilung stimmt auch mit den von ihm erhobenen Befunden einschließlich der Ergebnisse der Beweglichkeitsprüfung - diese zeigte schmerzhafte Bewegungsumfänge mit Einschränkung der Abduktion beidseits (110-0-40) - überein. Der Senat hält daher einen GdB von 10 für das Schultergelenksleiden des Klägers zum damaligen Zeitpunkt für angemessen.
Das im Berufungsverfahren eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. H. hat darüber hinausgehend ergeben, dass ein ausgeprägtes Funktionsdefizit im Bereich beider Schultergelenke, rechts mehr als links, vorliegt. Die Impingementsymptomatik an beiden Schultergelenken und die partielle Rotatorenmanschettenruptur am rechten Schultergelenk führten zu einer massiven Bewegungseinschränkung und zu einer andauernden Schmerzsymptomatik. Die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks war gegenüber den Messergebnissen von Dr. A. weiter reduziert (100-0-30). Unter Beachtung der Bewertungsmaßstäbe (vgl. Nr. 26.18, S. 40) der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht "(Teil 2 SGB IX), 2004, (AHP), wobei hier zu berücksichtigen ist, dass beide Schultergelenke beeinträchtigt sind, hält der Senat einen GdB von 20 - wie von Dr. H. vorgeschlagen - für zutreffend.
Neben dem Kniegelenksleiden (GdB 40) und der Beeinträchtigung der Schultergelenke (GdB 20) ist noch ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom zu berücksichtigen, das mit einem GdB von 10 zu bewerten ist. Dies folgt aus dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. P., dem nicht zu folgen es keinen Anlass gibt, zumal der Kläger im Berufungsverfahren hiergegen keine Einwände vorgebracht hat. Weiter liegt eine allenfalls einen GdB von 10 bedingende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule vor. Ein GdB von 20 - wie von Dr. A. angenommen - lässt sich insoweit nicht begründen. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen liegen nicht vor. Dies gilt sowohl für die vom Kläger im Klageverfahren noch geltend gemachten Leiden Dickdarmerkrankung und Störung der Bauchspeicheldrüse als auch für die von Dr. A. in seinem Gutachten diagnostizierte und ebenfalls mit einem GdB von 20 bewertete Arthrose beider Hüftgelenke. Hierbei handelt es sich lediglich um eine leichte beginnende Arthrose, die - so der Sachverständige Dr. H. in seinem vom 17.07.2006 stammenden Gutachten überzeugend - nicht mit einem wesentlichen Funktionsdefizit verbunden ist.
Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung, hier das Kniegelenksleiden (GdB 40), auszugehen. Unter Berücksichtigung der mit einem GdB von 20 zu bewertenden Beeinträchtigung der Schultergelenke ist ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung wird durch diese Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Arme weiter erhöht, weshalb der Senat der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.10.2006 vertretenen Auffassung, dass selbst bei einem GdB von 20 für das Schultergelenksleiden nicht auf eine wesentliche Zunahme der von der Beeinträchtigung der unteren Gliedmaßen ausgehenden Behinderung zu schließen sei, nicht folgt. Die nur einen GdB von 10 bedingenden Funktionsbeeinträchtigungen wirken sich hingegen nicht auf die Höhe des Gesamt-GdB aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Das Versorgungsamt Stuttgart (VA) stellte bei dem 1944 geborenen Kläger mit Bescheid vom 06.03.2002 unter Berücksichtigung von Funktionsbehinderungen im Bereich beider Kniegelenke und des rechten Schultergelenkes einen GdB von 30 fest. Der Bescheid wurde am 06.03.2002 an den Kläger abgesandt.
Mit am 16.04.2002 beim VA eingegangenem Schreiben legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und gab an, wegen urlaubsbedingter Abwesenheit habe er den Bescheid erst am 22.03.2002 erhalten. Er machte einen GdB von 50 geltend und begründete dies mit schweren Arthrosen an beiden Kniegelenken und der Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks sowie einer erheblichen Störung des vegetativen Nervensystems. Daraufhin teilte das VA dem Kläger mit, dass Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben seien, da er auch innerhalb der Widerspruchsfrist (Eingang am 27.03.2002) die Bescheinigung zur Vorlage beim Finanzamt beantragt habe, sodass er zur Fristwahrung zu diesem Zeitpunkt bereits den Widerspruch hätte einlegen können. Sein Einverständnis voraussetzend würde das Schreiben vom 14.04.2002 als Erhöhungsantrag angesehen werden. Nach Einholung des Befundberichts des Orthopäden Dr. M.-E. vom 13.05.2002 und einer versorgungsärztlichen Stellungnahme hierzu erließ das VA am 02.09.2002 einen Neufeststellungsbescheid, mit dem bei unveränderten Funktionsbeeinträchtigungen - die Funktionsbehinderung beider Kniegelenke wurde nun mit einem GdB von 40 (zuvor 30) bewertet - ab 16.04.2002 ein GdB von 40 festgestellt wurde.
Dagegen legte der Kläger am 25.09.2002 Widerspruch ein und brachte vor, die von ihm angegebene Störung des vegetativen Nervensystems sei zu Unrecht nicht als nachgewiesen angesehen worden. Weshalb er insoweit derzeit nicht in fachärztlicher Behandlung stehe, sei von ihm ausführlich begründet worden, sodass daraus nicht geschlossen werden könne, dass diese gesundheitliche Störung bei ihm nicht vorliege. Sein behandelnder Hausarzt Dr. R., R., gab in seinem Befundbericht vom 25.11.2002 gegenüber dem VA an, beim Kläger bestehe ein erheblicher depressiver Erschöpfungszustand mit vegetativer psychosomatischer Begleitsymptomatik. Es liege seines Erachtens eine erhebliche Minderung der Erwerbsfähigkeit vor. In der hierzu eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde ein einen GdB von 10 bedingendes psychovegetatives Erschöpfungssyndrom zusätzlich zur Feststellung als Funktionsbeeinträchtigung vorgeschlagen, insgesamt aber weiterhin ein GdB von 40 angenommen. Dementsprechend wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003 zurück.
Am 28.02.2003 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG), mit der er einen GdB von mindestens 50 geltend machte. Er begründete dies in erster Linie mit einer zu niedrigen Bewertung der bei ihm unstreitig vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, insbesondere im Bereich der rechten Schulter, die auf eine Rotatorenmanschettenruptur zurückzuführen und mit einem GdB von 20 zu bewerten sei, sowie mit den bislang gar nicht berücksichtigten Dickdarm- und Bauchspeicheldrüsen leiden.
Das SG hörte zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers - Orthopäde Dr. F., Internist Dr. M. und Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. - schriftlich als sachverständige Zeugen. Danach holte es von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P., P., ein nervenärztliches Gutachten ein. In seinem auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers beruhenden Gutachten vom 11.11.2003 gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, auf seinem Fachgebiet liege ein rezidivierendes Erschöpfungssyndrom mit vegetativen und depressiven Zügen vor, das einen GdB von 10 bedinge. Nach schriftlicher Anhörung von Prof. Dr. Dr. S., Sportklinik S., der über die Ergebnisse der am 18.02.2004 durchgeführten Arthroskopie links berichtete und eine beidseitige Gonarthrose, jeweils mittleren Schweregrades, diagnostizierte, beauftragte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Orthopäden Dr. A., S., mit der Erstattung eines fachärztlichen Gutachtens. Nach ambulanter Untersuchung des Klägers gelangte dieser am 20.07.2004 zu der Auffassung, außer dem mit einem GdB von 40 zu bewertenden Kniegelenksleiden lägen eine beginnende Arthrose beider Hüftgelenke mit leichter Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke (GdB 20), ein chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom ohne neurologische Ausfälle (GdB 20) und ein chronisches Impingementsyndrom rechts mehr als links bei Zustand nach Rotatorenruptur rechts mit Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke (GdB 10) vor. Insgesamt betrage der GdB 50 seit 2002. Mit Urteil vom 24.03.2005, dem Beklagten zugestellt am 18.05.2005, änderte das SG die Bescheide vom 02.09.2002 (Widerspruchsbescheid vom 11.02.2003) und 06.03.2002 ab und verurteilte den Beklagten, ab 16.04.2002 einen GdB von 50 festzustellen. Hierbei ging es - dem Gutachten von Dr. A. insoweit folgend - davon aus, dass die Beeinträchtigungen des Klägers im Bereich der Kniegelenke mit einem GdB von 40 und die Bewegungseinschränkungen beider Schultergelenke mit einem GdB von 20 zu bewerten seien und der GdB insgesamt 50 betrage.
Dagegen hat der Beklagte am 09.06.2005 Berufung eingelegt und unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Frau Dr. R. vom 30.05.2005 geltend gemacht, ein GdB von 50 liege nicht vor. Insbesondere könne ein GdB von 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen in beiden Schultergelenken mit den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht begründet werden. Sowohl der Orthopäde Dr. F. als auch der nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. A. hätten für diese Funktionseinschränkung lediglich einen GdB von 10 angenommen. Im Übrigen begegne das angefochtene Urteil auch insoweit verfahrensrechtlichen Bedenken, als von einem Klageantrag des Klägers im Sinne des § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) ausgegangen werde, ohne dass vom Kläger ein entsprechender Antrag gestellt worden bzw. eine entsprechende Verwaltungsentscheidung ergangen sei. Ferner legte der Beklagte zum vom Senat eingeholten Gutachten die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. G. vom 16.10.2006 vor, wonach die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke nach wie vor nur einen GdB von unter 20 bedinge und insgesamt kein GdB von 50 vorliege.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. März 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG - auch aus verfahrensrechtlicher Sicht - für zutreffend. Der GdB betrage 50. Dies sei auch durch das vom Senat eingeholte Gutachten bestätigt worden.
Der Senat hat den Orthopäden Dr. H., W., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nach ambulanter und radiologischer Untersuchung des Klägers ist dieser am 17.07.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Gesamt-GdB von 50 vorliege. Die Pangon- arthrose beidseits mit ausgeprägtem Funktionsdefizit, rechts mehr als links, bedinge einen GdB von 40 und das Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit Verdacht auf partielle Rotatorenmanschettenruptur rechts und bestehendem ausgeprägtem Funktionsdefizit beidseits, rechts mehr als links, sei mit einem GdB von 20 zu bewerten.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Beklagten ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Der GdB beträgt erst ab 29.06.2006 50. In der davor liegenden Zeit lag lediglich ein GdB von 40 vor. Insoweit sind das angefochtene Urteil des SG und der Neufeststellungsbescheid des Beklagten vom 02.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003 abzuändern.
Streitgegenstand ist nur der Bescheid vom 02.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.02.2003, mit dem der Beklagte im Wege der Neufeststellung den GdB von 30 (Bescheid vom 06.03.2002) auf 40 erhöht hat. Der Kläger macht demgegenüber geltend, dass der GdB mehr als 40, nämlich mindestens 50 beträgt. Nicht Streitgegenstand ist der Bescheid vom 06.03.2002, gegen den der Kläger nicht Klage erhoben hat. Zwar hat er gegen diesen Bescheid entgegen der damaligen Auffassung des Beklagten rechtzeitig Widerspruch eingelegt. Nach dem - unrichtigen - Hinweis des Beklagten, dass die Widerspruchsfrist versäumt sei und der Widerspruch - das Einverständnis des Klägers voraussetzend - als Neufeststellungsantrag gewertet werde, hat sich der Kläger zumindest stillschweigend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt, sodass das Widerspruchsverfahren als erledigt anzusehen ist. Eine Überprüfung des Bescheides vom 06.03.2002 nach § 44 SGB X ist daher nicht vorzunehmen. Maßgebliche verwaltungsverfahrensrechtliche Rechtsnorm ist daher allein § 48 SGB X.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt-GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist.
Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004, (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben. (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr. 5).
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Nr. 19 Abs. 1 der AHP). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (Nr. 19 Abs. 3 der AHP). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 4 der AHP). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der AHP in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3 3879 § 4 Nr. 5).
Nach dem Ergebnis der vom SG und im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der GdB beim Kläger (erst) seit 29.06.2006, dem Tag seiner Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. H., 50 beträgt. Erst durch dieses Gutachten ist nachgewiesen, dass der Kläger schwer behindert ist. Dies folgt daraus, dass die Beeinträchtigung des Klägers im Bereich beider Schultergelenke nun eindeutig einen GdB von 20 rechtfertigt und unter Berücksichtigung des Hauptleidens des Klägers, der Arthrosen der Kniegelenke, der unstreitig einen GdB von 40 bedingt, insgesamt ein GdB von 50 anzunehmen ist.
Für die Zeit vor der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. H. ist ein GdB von 50 nicht ausreichend nachgewiesen. Dies beruht in erster Linie darauf, dass der vom SG gemäß § 109 SGG gehörte Sachverständige Dr. A. im Unterschied zum behandelnden Orthopäden Dr. F., der aufgrund seiner Untersuchung vom 28.05.2002 lediglich ein Impingementsyndrom im Bereich der linken Schulter (GdB 10) beschrieben hat, zwar eine solche Gesundheitsstörung auch am rechten Schultergelenk diagnostiziert, die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Schultern aber trotzdem ebenfalls mit einem GdB von nur 10 bewertet hat. Diese Beurteilung stimmt auch mit den von ihm erhobenen Befunden einschließlich der Ergebnisse der Beweglichkeitsprüfung - diese zeigte schmerzhafte Bewegungsumfänge mit Einschränkung der Abduktion beidseits (110-0-40) - überein. Der Senat hält daher einen GdB von 10 für das Schultergelenksleiden des Klägers zum damaligen Zeitpunkt für angemessen.
Das im Berufungsverfahren eingeholte orthopädische Gutachten von Dr. H. hat darüber hinausgehend ergeben, dass ein ausgeprägtes Funktionsdefizit im Bereich beider Schultergelenke, rechts mehr als links, vorliegt. Die Impingementsymptomatik an beiden Schultergelenken und die partielle Rotatorenmanschettenruptur am rechten Schultergelenk führten zu einer massiven Bewegungseinschränkung und zu einer andauernden Schmerzsymptomatik. Die Beweglichkeit des rechten Schultergelenks war gegenüber den Messergebnissen von Dr. A. weiter reduziert (100-0-30). Unter Beachtung der Bewertungsmaßstäbe (vgl. Nr. 26.18, S. 40) der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht "(Teil 2 SGB IX), 2004, (AHP), wobei hier zu berücksichtigen ist, dass beide Schultergelenke beeinträchtigt sind, hält der Senat einen GdB von 20 - wie von Dr. H. vorgeschlagen - für zutreffend.
Neben dem Kniegelenksleiden (GdB 40) und der Beeinträchtigung der Schultergelenke (GdB 20) ist noch ein psychovegetatives Erschöpfungssyndrom zu berücksichtigen, das mit einem GdB von 10 zu bewerten ist. Dies folgt aus dem vom SG eingeholten nervenärztlichen Gutachten von Dr. P., dem nicht zu folgen es keinen Anlass gibt, zumal der Kläger im Berufungsverfahren hiergegen keine Einwände vorgebracht hat. Weiter liegt eine allenfalls einen GdB von 10 bedingende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule vor. Ein GdB von 20 - wie von Dr. A. angenommen - lässt sich insoweit nicht begründen. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen liegen nicht vor. Dies gilt sowohl für die vom Kläger im Klageverfahren noch geltend gemachten Leiden Dickdarmerkrankung und Störung der Bauchspeicheldrüse als auch für die von Dr. A. in seinem Gutachten diagnostizierte und ebenfalls mit einem GdB von 20 bewertete Arthrose beider Hüftgelenke. Hierbei handelt es sich lediglich um eine leichte beginnende Arthrose, die - so der Sachverständige Dr. H. in seinem vom 17.07.2006 stammenden Gutachten überzeugend - nicht mit einem wesentlichen Funktionsdefizit verbunden ist.
Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung, hier das Kniegelenksleiden (GdB 40), auszugehen. Unter Berücksichtigung der mit einem GdB von 20 zu bewertenden Beeinträchtigung der Schultergelenke ist ein Gesamt-GdB von 50 gerechtfertigt. Das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung wird durch diese Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Arme weiter erhöht, weshalb der Senat der in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.10.2006 vertretenen Auffassung, dass selbst bei einem GdB von 20 für das Schultergelenksleiden nicht auf eine wesentliche Zunahme der von der Beeinträchtigung der unteren Gliedmaßen ausgehenden Behinderung zu schließen sei, nicht folgt. Die nur einen GdB von 10 bedingenden Funktionsbeeinträchtigungen wirken sich hingegen nicht auf die Höhe des Gesamt-GdB aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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