L 9 U 132/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 228/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 132/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Anerkennung der Berufskrankheit der Nr. 2102 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie die Gewährung von Rente hieraus und aus der anerkannten Berufskrankheit der Nr. 2105.

Der 1942 geborene Kläger war von 1956 bis Ende 1999 als Fliesenleger beschäftigt. Am 18.3.1997 zeigten die Ärzte für Orthopädie Dr. Sch./Schw. wegen Beschwerden insbesondere beider Kniegelenke und der Lendenwirbelsäule den Verdacht auf eine Berufskrankheit (BK) an. Die Beklagte zog Unterlagen aus einem Parallelverfahren wegen Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit sowie Leistungsauszüge der AOK M. bei, befragte den Kläger und holte Auskünfte beim Arbeitgeber sowie den behandelnden Ärzten des Klägers Dr. Schw. vom 24.9.1997 und Dr. St., Arzt für Allgemeinmedizin, vom 28.10.1997 ein.

Nach Beiziehung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. F. und einer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 25.11.1997 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.3.1998 (erneut abgesandt am 16.4.1998) die Anerkennung der Beschwerden im Bereich der Schleimbeutel beider Kniegelenke als BK der Nr. 2105 ab, da eine Bursitis präpatellaris von Krankheitswert nicht bestehe.

Am 2.11.1998 beantragte der Kläger eine erneute Überprüfung. Die Beklagte zog Unterlagen der AOK R.-N. sowie aus einem Parallelverfahren wegen Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV bei.

Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. F. vom 3.2.1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5.3.1999 die Anerkennung der Erkrankung beider Kniegelenke als BK nach Nr. 2102 und Nr. 2105 der Anlage zur BKV ab, da eine klinisch bedeutsame und krankheitswürdige Schleimbeutelerkrankung (Bursitis) sowie eine Meniskuserkrankung beider Kniegelenke nicht festgestellt worden sei.

Hiergegen legte der Kläger am 10.3.1999 Widerspruch ein. Die Beklagte ließ ihn daraufhin vom Arzt für Chirurgie Dr. K. gutachterlich untersuchen. Dieser führte im Gutachten vom 10.9.1999 aus, nach den Angaben des Klägers könne davon ausgegangen werden, dass er zumindest den größeren Teil seiner beruflichen Tätigkeit ausschließlich kniend - aber nicht hockend - verrichtet habe. Kniende Tätigkeiten seien jedoch keine meniskusbelastenden Tätigkeiten. Insofern dürften die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr. 2102 nicht vorliegen. Unabhängig davon sei das Krankheitsbild nicht voll bewiesen, da weder ein histologischer Befund noch eine sorgfältige Beschreibung nach Arthroskopie vorlägen. Linksseitig bestünden beim Kläger narbige Veränderungen im Bereich der Bursa infrapatellaris. Hierbei handele es sich um Residuen einer ehemals vorhandenen chronischen Bursitis präpatellaris, die auf die berufliche Tätigkeit als Fliesenleger zurückzuführen sei. Die narbigen Veränderungen führten zu keinen Funktionsstörungen, sodass die Folgen der BK 2105 nur mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von weniger als 10 vH eingestuft werden könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.1.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 31.1.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim, mit der er die Anerkennung und Entschädigung von BK nach Nr. 2102 und Nr. 2105 weiter verfolgte.

Die Beklagte legte eine ergänzende Stellungnahme von Dr. K. vom 25.8.2000 vor und erklärte sich durch Schriftsatz vom 9.11.2000 bereit, beim Kläger eine BK der Nr. 2105 mit einer MdE von unter 10 v.H. anzuerkennen

Das SG hörte Dr. Schw. schriftlich als sachverständigen Zeugen (Auskünfte vom 12.10.2000 und 23.5.2001), der ausführte, dem Gutachten von Dr. K. vom 10.9.1999 könne er nur bedingt zustimmen. Er schätzte die MdE für die Bursitis präpatellaris, links mehr als rechts, auf 10 vH. Des weiteren holte das SG ergänzende Stellungnahmen bei Dr. K. vom 5.6.2001, 5.7.2001, 6.2.2002 sowie vom 21.2.2002 ein.

Die Beklagte legte Stellungnahmen ihres technischen Aufsichtsbeamten und ihres beratenden Ingenieurs vor, wonach die arbeitstechnischen Voraussetzungen für Meniskusschäden erfüllt seien.

Das SG beauftragte Professor Dr. P., Ärztlicher Direktor des Rehabilitationskrankenhauses U., und Dr. E., Arzt für Orthopädie, mit der Begutachtung des Klägers. Im Gutachten vom 14.1.2003 führten die Sachverständigen aus, die Meniskopathie beidseits wie auch insbesondere die über das altersgemäße Maß erheblich hinausgehende Retropatellararthrose, links stärker als rechts, sei eine BK Nr. 2102. Die chronische Bursitis, die sich derzeit nicht mehr akut entzündlich darstelle, sei eine BK Nr. 2105. Die MdE für die erhebliche Retropatellararthrose links und rechts schätzten sie auf 20 vH. Daneben bestehe die im MRT beschriebene degenerative berufsbedingte Meniskopathie beidseits, die in die MdE von 20 vH einfließe.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 12.5.2003 führten Professor Dr. P. und Dr. E. aus, die Retropatellararthrose sei nicht als Ursache für die Meniskopathie im Sinne der BK 2102 anzusehen, sondern als Begleiterkrankung sowie als Hinweis auf die berufliche Überlastung beider Kniegelenke. Die MdE für die berufsbedingte Meniskopathie schätzten sie auf 20 vH und die MdE für die BK 2105 auf 10 vH.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2004 nahm der Kläger das Anerkenntnis der Beklagten vom 9.11.2000 (Anerkennung einer BK Nr. 2105) an und beantragte, ihm für die BK der Nr. 2105 Rente nach einer MdE um mindestens 10 vH und für die BK der Nr. 2102 Rente nach einer MdE um 20 vH zu zahlen.

Mit Urteil vom 12.10.2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, dem Kläger eine Rente zu bezahlen, weil eine BK Nr. 2102 nicht anzuerkennen und eine rentenberechtigende BK-bedingte MdE nicht erwiesen sei. Eine BK Nr. 2102 sei nicht festzustellen. Nach dem Gutachten von Dr. K. lägen beim Kläger jedenfalls seit 1999 Meniskusschäden allenfalls 1. Grades vor. Dabei handele es sich um einen vom Alter her nicht unüblichen Befund, sodass schon nicht ersichtlich sei, worin die durch berufliche Belastung bedingte und nachgewiesene Schädigung im Sinne einer BK bestehen solle. Auch die anerkannte BK Nr. 2105 rechtfertige keine MdE um wenigstens 10 vH. In diesem Zusammenhang überzeugten die Darstellungen von Dr. K., nicht dagegen die von Dr. Schw. und Professor Dr. P ...

Gegen das am 4.1.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.1.2005 Berufung zum Landessozialgerichts Baden-Württemberg eingelegt und vorgetragen, seines Erachtens sei erwiesen, dass eine BK Nr. 2102 vorliege und eine MdE von 20 vH bedinge sowie dass die anerkannte BK Nr. 2105 zu einer rentenberechtigenden MdE führe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 12. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. März 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK nach Nr. 2102 festzustellen und ihm für die BK Nr. 2102 eine Rente nach einer MdE um 20 vH und für die BK Nr. 2105 eine Rente nach einer MdE um wenigstens 10 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, das SG habe zu Recht das Vorliegen einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV verneint. Dies deshalb, weil beim Kläger, dem MRT-Befund zufolge, lediglich ein altersentsprechendes Schadensbild der Meniski vorliege.

Nach Beiziehung von Röntgen- und MRT-Bildern hat der Senat Privatdozent Dr. S. mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 9.1.2006 ausgeführt, beim Kläger lägen eine fortgeschrittene medial betonte Arthrose beider Kniegelenke mit fortgeschrittener Retropatellararthrose, links mehr als rechts, eine beidseitige Innenmeniskusdegeneration sowie ein Zustand nach chronischen Schleimbeutelentzündungen beidseits mit narbigen Veränderungen beider Schleimbeutel vor. Die gering- bis mäßiggradige Meniskusschäden hätten keinen Krankheitswert und träten auch in der klinischen Symptomatik gegenüber den degenerativen Veränderungen der Kniegelenke zurück. Beim Kläger lägen keine Gesundheitsstörungen der Meniski vor, die auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen seien. Die anerkannte BK Nr. 2105 führe zu einer MdE unter 10 vH, da die funktionellen Einschränkungen durch die Vernarbungen insbesondere vor dem linken Kniegelenk als gering bis marginal einzuschätzen seien.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK Nr. 2102 der Anlage zur BKV und auf Gewährung von Rente hat.

Das SG hat die Rechtsvorschriften und die vom BSG entwickelten Grundsätze zutreffend wiedergegeben; insoweit wird auf das Urteil des SG Bezug genommen.

Der Senat ist - ebenso wie das SG - zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV und keinen Anspruch auf Rente für die anerkannte BK Nr. 2105 der Anlage zur BKV hat. Dies ergibt sich im wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und insbesondere des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Privatdozent Dr. S ...

Zu den Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2102 der Anlage zur BKV Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten.

Vorliegend ist schon fraglich, ob beim Kläger überhaupt ein Meniskusschaden im Sinne von Nr. 2102 der Anlage zur BKV vorliegt. Denn der typische Befund eines Meniskuseinrisses, wie er sich beispielsweise durch plötzlich einschießende Schmerzen und Einklemmungserscheinungen klinisch bemerkbar macht, liegt beim Kläger nicht vor. Die auf Grund des kernspintomographischen Befunds diagnostizierte Meniskopathie Grad 0-I rechts und Grad I links entspricht einer im wesentlichen altersentsprechenden Degeneration beider Innenmenisken und hat klinisch nur eine marginale Bedeutung. Die klinisch nachweisbaren Gesundheitsschädigungen sind nicht auf die kernspintomographisch nachweisbaren Meniskusschädigungen zurückzuführen, sondern auf die degenerativen Veränderungen des Knorpels beider Kniegelenke (Arthrose). Darüber hinaus sind die Meniskusschädigungen auch nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers, sondern auf die Arthrose der Kniegelenke mit Knorpeldegeneration zurückzuführen. Da schon keine BK Nr. 2102 vorliegt, kommt eine Entschädigung dafür (Rente) nicht in Betracht.

Der Senat folgt dabei der nachvollziehbaren Beurteilung seines Sachverständigen Dr. S., die insoweit die Beurteilungen von Dr. F. und Dr. K. bestätigt. Der Beurteilung von Professor Dr. P. vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zum einen berücksichtigt er nicht, dass die BK Nr. 2102 nur Meniskusschädigungen und nicht die Arthrosen erfasst, zum anderen hat er die MdE für die Retropatellararthrosen am linken und rechten Knien auf 20 vH eingeschätzt und die im MRT beschriebene Meniskopathie darin miteinbezogen, ohne eine eigene MdE dafür auszuweisen oder durch sie bedingte Funktionsstörungen zu benennen.

Zu Recht hat das SG auch einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen der Folgen der anerkannte BK Nr. 2105 verneint, denn diese bedingen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 10 vH, was bei einem Stütztatbestand (z. B. MdE um 10 vH wegen einer anderen BK oder eines Arbeitsunfalls) für eine Rentengewährung ausreichen würde.

Als Folgen eines chronischen Reizzustandes der Schleimbeutel finden sich beim Kläger lediglich Vernarbungen im Bereich der präpatellaren Bursa (Schleimbeutel vor der Kniescheibe) beidseitig, die von Professor Dr. P. im Gutachten vom 14.1.2003 als reizfrei bezeichnet werden. Die funktionellen Einschränkungen durch die Vernarbungen, insbesondere vor dem linken Kniegelenk, sind als gering beziehungsweise marginal einzuschätzen. Angesichts dessen überzeugt den Senat die insoweit übereinstimmende Beurteilung des Sachverständigen Privatdozent Dr. S. im Gutachten vom 9.1.2006 und Dr. K. im Gutachten vom 10.9.1999, wonach die Folgen dieser BK zu einer MdE um weniger als 10 vH führen.

Der Beurteilung von Professor Dr. P., der die MdE dafür auf 10 vH eingeschätzt, vermag der Senat nicht zu folgen, zumal er hierfür keine narbenbedingten Funktionseinschränkungen benennt.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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