L 13 AS 726/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 4121/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 726/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die gemäß den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde der Antragsteller, der das Sozialgericht Mannheim (SG) nicht abgeholfen hat, ist nicht begründet. Es ist davon auszugehen, dass der Antragsteller zu 1 die Antragstellerin zu 2 vertritt und auch ihren Anspruch auf Leistungen im Verwaltungsverfahren geltend macht hat und im gerichtlichen Verfahren weiter verfolgt (vgl. § 38 Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. § 73 Abs 2 Satz 2 SGG ; zur Auslegung von Verfahrenshandlungen und zur Bezeichnung von Beteiligten vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R ).

Für den im vorläufigen Rechtsschutz verfolgten Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von 30. August 2006 bis März 2007 ist prozessuale Grundlage § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung setzt einen jeweils glaubhaft zu machenden (vgl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)) Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch voraus. Die Dringlichkeit einer die Hauptsache vorweg nehmenden Eilentscheidung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG (Anordnungsgrund) kann bei Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in aller Regel nur bejaht werden, wenn wegen einer Notlage über existenzsichernde Leistung für die Gegenwart und die nahe Zukunft gestritten wird und dem Antragsteller schwere schlechthin unzumutbare Nachteile entstünden, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen würde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2006 L 13 AS 4113/06 ER-B - in Juris). Der Anordnungsanspruch hängt vom voraussichtlichen Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs ab und erfordert eine summarische Prüfung; an ihn sind um so niedrigere Anforderungen zu stellen, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen, insbesondere eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung droht (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in NJW 2003, 1236f. und Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - veröffentlicht in Juris). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung, hier also der Entscheidung über die Beschwerde (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juli 2006 - L 13 AS 1620/06 ER-B - m.w.N. in Juris).

Die Voraussetzungen für den Erlass der von den Antragstellern beantragten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Ausgehend von den obigen Grundsätzen erscheint die begehrte Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile zunächst nicht nötig, soweit die Antragsteller im Wege des am 5. Dezember 2006 rechtshängig gewordenen Verfahrens des Eilrechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen vom 30. August bis 4. Dezember 2006 begehrt. Die Antragsteller haben nicht das Vorliegen besonderer Umstände wie etwa den sofortigen Verlust der Unterkunft wegen aufgelaufener Mietschulden glaubhaft gemacht, die ausnahmsweise eine Befriedigung vergangenen Bedarfs im einstweiligen Rechtsschutzverfahren rechtfertigen könnten.

Für die Zeit ab 5. Dezember 2006 fehlt es an der Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 SGB II). Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II sind bei Personen, die wie die Antragsteller in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Fraglich ist hier, ob die aus den Antragstellern bestehende Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt aus vorhandenem Vermögen sichern kann und muss. Dies ist zur Überzeugung des Senats zu bejahen. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen grundsätzlich alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Auch die aufgrund von Versicherungsverträgen bestehenden und realisierbaren Ansprüche auf Auszahlung des vorhandenen Guthabens stellen Vermögen im Sinne dieser Vorschrift dar. Vom Vermögen ist gemäß Abs. 2 Nr. 1 dieser Vorschrift - wie vom Sozialgericht und der Beklagten berücksichtigt - ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 EUR je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen und seines Partners, mindestens aber jeweils 3.100 EUR bis zu einem Höchstbetrag von jeweils 9.750 EUR abzusetzen.

Damit steht nach dieser Vorschrift dem 36-jährigen Antragsteller zu 1 ein Freibetrag für den zu Beginn des maßgeblichen Bewilligungszeitraums in Höhe von 5.400,- EUR und seiner 37-jährige Ehefrau, der Antragstellerin zu 2, in Höhe von 5.550,- EUR zu (insgesamt 10.950,- EUR). Darüber hinaus ist ein Freibetrag gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II für notwendige Anschaffungen in Höhe von jeweils 750 EUR zu berücksichtigen. Damit ist vom Vermögen ein Betrag in Höhe von insgesamt 12.450,- EUR abzusetzen. Das Vermögen beträgt 22.517,15 EUR. Es setzt sich zusammen aus den Wert der Versicherungen (D.: Vertrag des Antragstellers zu 1 vom 8. November 1999 11.575.14 EUR und der Antragstellerin zu 2 vom 24. Mai 2000 3.352,03 EUR; C.: Vertrag des Antragstellers vom 1. November 1998 3.078.49 EUR), der sich im August 2006 auf mindestens 18.005,66 EUR belief. Hinzukommen Wertpapiere im Wert von 3.264,62 EUR sowie das Bausparguthaben das nach Kündigung am 10. August 2006 in Höhe von 1.246,87 EUR ausgezahlt wurde.

Der Riesterrenten-Vertrag bei der H. M. ist, unabhängig davon, dass er derzeit noch keinen Rückkaufwert hat, nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II außer Betracht zu lassen. Im Übrigen stellt das Vermögen aus Versicherungen und Wertpapieren kein ausdrücklich als Altersvorsorge gefördertes Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II (Altersvorsorge nach dem Riester-Modell) dar. Dies sind nur solche Versorgungsvereinbarungen, bei denen die Zweckbestimmung und die tatsächliche Verwendung für die Altersvorsorge unmittelbar oder für ein der Altersvorsorge dienendes Eigenheim bzw. Eigentumswohnung durch die Zertifizierung sichergestellt wird. Gesichert ist durch die Zertifizierung, dass das zu Beginn der späteren Auszahlungsphase eingezahlte Kapital zur Auszahlung der Altersversorgung in Form einer lebenslangen gleich bleibenden oder steigenden monatlichen Leibrente zur Verfügung steht. Diese Formen staatlich subventionierten Vermögensaufbaus sollen auch im Fall von Bedürftigkeit bei Arbeitslosigkeit nicht angetastet werden müssen und sollen bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht zu Lasten des Arbeitslosen berücksichtigt werden. Dies rechtfertigt die Privilegierung dieser Altersvorsorge, auch wenn die Verfügungsmöglichkeit hierüber nicht vollständig ausgeschlossen wird. Im Falle der (steuer)schädlichen Verwendung sind aber nicht nur die auf das ausgezahlte geförderte Altersvorsorgevermögen entfallenen Zulagen zurückzuzahlen (vgl. § 93 EStG); es entfällt auch die Privilegierung des angesparten Vermögens (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 7. November 2006 - L 13 AL 941/06 - in Juris).

Auch gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sind hier keine weiteren Freibeträge zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift sind geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen, soweit der Inhaber sie vor dem Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung nicht verwerten kann und der Wert der geldwerten Ansprüche 250 EUR je vollendetem Lebensjahr des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 16.250 EUR nicht übersteigt, vom Vermögen abzusetzen. In dem hier streitigen Zeitraum unterlagen aber die Rentenversicherungen keinem Verwertungsausschluss.

Die Berücksichtigung von Verbindlichkeiten erlangt Bedeutung lediglich bei der Frage der Verwertbarkeit bzw. der Zumutbarkeit. Ein Ansatz von Verbindlichkeiten ist auf der Stufe der Feststellung der vorhandenen Vermögensgegenstände nur dann geboten, soweit die Verbindlichkeiten unmittelbar auf dem fraglichen Vermögensgegenstand lasten (vgl. BSGE 84, 48, 53 = SozR 3-4220 § 6 Nr. 7). Solche Verbindlichkeiten sind weder schlüssig vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Die Antragsteller haben weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass die Verwertung der Versicherungen offensichtlich unwirtschaftlich (§ 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II) bzw. eine besondere Härte wäre.

Es bleibt damit bei dem Abzug des Freibetrags in Höhe von 12.450,- EUR von dem zu berücksichtigenden Vermögen in Höhe von 22.517.15 EUR, so dass ein anrechenbares Vermögen in Höhe von 10.067,15 EUR zugrunde zu legen ist. Bezogen auf einen Bewilligungszeitraum von 6 Monaten stehen den Antragstellern damit pro Monat Mittel in Höhe von 1.677,85 EUR zur Verfügung, so dass sie im maßgeblichen Zeitraum offensichtlich nicht bedürftig war. Die Antragsteller waren damit weder ab 30. August 2006 noch ab Dezember 2006 bedürftig. Der garantierte Rückkaufwert des bei der D. abgeschlossenen Versicherungsvertrags des Antragstellers zu 1 betrug ab November 2006 14.027,- EUR, der Rückkaufwert seines Vertrags bei der C. 3.631.19 EUR und der des Versicherungsvertrags der Antragstellerin zu 2 Ehefrau weiterhin 3.352,03 EUR. Die Wertpapiere hatten am 9. Oktober 2006 einen Wert in Höhe von insgesamt 3.557,60 EUR. Aktuelle Kontoauszüge haben die Antragsteller nicht vorgelegt. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller sind auch sowohl seine Versicherung als auch die Versicherung seiner Ehefrau bei der D. weiterhin ihrem Vermögen zuzurechnen. Ein – wirksamer - Verkauf ist nicht glaubhaft gemacht worden. Die vorgelegten Kopien sind zur Glaubhaftmachung nicht geeignet. Es ist auch in keiner Weise glaubhaft gemacht, dass die Antragsteller einen - dann Einkommen darstellenden und auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilenden - Kaufpreis erhalten und, ohne anrechenbares Vermögen zu erwerben, innerhalb weniger Wochen verbraucht hätten, den sie mangels wirksamen Vertrages zurückzahlen müssten. Hinzu kommt, dass der Antragsteller zu 1 in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 13. November 2006 angegeben hat, dass die Antragstellerin zu 2 monatlich Bruttoeinnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 2.000,- EUR erzielt. Steuererklärung oder Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 wurden bisher nicht vorgelegt, sondern lediglich ein diesen Angaben widersprechender "Betriebswirtschaftlicher Kurzbericht" des Steuerberaters der Antragstellerin zu 2 zum Stand September 2006, aus dem sich entnehmen lässt, dass der Betrieb schon seit Beginn des Jahres existiert. Ergänzend wird auf die weiteren Gründe des angefochtenen Beschlusses vom 29. Dezember 2006, die der Senat sich vollinhaltlich zu eigen macht, Bezug genommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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