L 12 AL 5338/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AL 2150/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5338/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.09.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Minderung von Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung im Streit.

Der 1975 geborene Kläger ist gelernter Speditionskaufmann und bezog vom 22.01.1997, vom 16.01.2001 bis zum 23.04.2001 sowie vom 12.08.2003 bis zum 31.10.2003 Arbeitslosengeld. Bei seinen jeweiligen Anträgen auf Arbeitslosengeld hatte er angegeben, das Merkblatt 1 für Arbeitslose der Beklagten erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben.

Der letzte Arbeitslosengeldbezug des Klägers endete durch einen Aufhebungsbescheid der Beklagten, nachdem diese am 24.11.2003 telefonisch vom Kläger erfahren hatte, dass er seit dem 01.11.2003 bei der Firma L. arbeitete. Der Aufhebungsbescheid enthielt folgenden Hinweis (vgl. Bl. 12 f. der Akte des Sozialgerichts):

"Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. ( ...) Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich 3 Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruchs führen kann."

Eine im wesentlichen identische Belehrung hat der Kläger dadurch erhalten, dass er bei seiner Arbeitslosmeldung im Jahre 2003 das Merkblatt der Beklagten 1 für Arbeitslose in der Fassung von April 2003 erhalten hat (vgl. S. 16 des Merkblatts, Bl. 23 f. der LSG-Akte).

Das Arbeitsverhältnis mit der Firma L. ist am 01.11.2003 mit Befristung zum 31.01.2004 abgeschlossen und vor seinem Auslaufen einmalig bis zum 31.01.2005 verlängert worden. Der Kläger meldete sich am 27.01.2005 bei der Beklagten erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 10.03.2005 bewilligte die Beklagte ab dem 01.02.2005 lediglich gemindertes Arbeitslosengeld, da der Kläger seiner Pflicht zur rechtzeitigen Arbeitslosmeldung nicht nachgekommen sei. Aufgrund der Befristung des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma L. hätte er sich spätestens am 02.11.2004 arbeitsuchend melden müssen. Die Meldung sei somit um 86 Tage zu spät erfolgt, weshalb eine Minderung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld in Höhe von 1.050,- EUR zu erfolgen habe.

Am 28.04.2005 erklärte der Kläger bei der Beklagten zur Niederschrift, dass er bereits am 29.03.2005 einen Widerspruch in den Briefkasten der Beklagten in E. eingeworfen habe. Der Widerspruch habe sich gegen die Minderung des Anspruches auf Arbeitslosengeld gerichtet. Er habe bisher immer unbefristete Arbeitsverhältnisse gehabt und habe daher nicht gewusst, dass er sich spätestens drei Monate vor Ablauf eines befristeten Arbeitsverhältnisses arbeitsuchend melden müsse. Dies sie ihm auch von seinem Arbeitgeber nicht gesagt worden. Der letzte Verlängerungsvertrag des befristeten Arbeitsverhältnisses bei der Firma L. sei im Juni 2004 abgeschlossen worden. Sein Arbeitgeber habe ihm ca. 2 Wochen vor Ablauf des Vertrages noch gesagt, dass dieser erneut verlängert würde. Erst zwei bis drei Tage vor Ablauf der Befristung habe er dann die Aussage erhalten, dass keine Verlängerung erfolge. Für den Fall, dass sein am 29.03.20005 eingeworfener Widerspruch nicht aufgefunden werden sollte, stelle er hilfsweise einen Antrag nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X).

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als verfristet zurück. Nach § 37 Abs. 2 SGB X gelte der Bescheid mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Der Bescheid sei am 11.03.2005 bei der Post aufgegeben worden und gelte somit am 14.03.2005 als bekannt gegeben. Im Bescheid sei auch zutreffend auf die Widerspruchsfrist von einem Monat hingewiesen worden. Das von dem Kläger behauptete Widerspruchsschreiben vom 29.03.2005 liege nicht vor. Es ergäben sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte für den Eingang eines Widerspruchsschreibens aus den Akten. Gründe, welche eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) rechtfertigen könnten, lägen nicht vor.

Der Kläger hat am 06.06.2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Er trägt ergänzend zu seinem bisherigen Vorbringen vor, dass er seinen Widerspruch zusammen mit seiner Änderungsmitteilung wegen der Arbeitsaufnahme zum 04.04.2005 am 29.03.2005 bei der Agentur für Arbeit E. in den Briefkasten geworfen habe. Die erneute Meldung am 28.04.2005 sei deswegen erfolgt, weil er einen Bescheid über die Bewilligung des unverminderten Arbeitslosengeldes ab April 2005 erhalten habe, obwohl er die Änderungsmitteilung über die Arbeitsaufnahme abgegeben habe.

Im Verfahren vor dem SG legte der Kläger eine eidesstattliche Versicherung vor, in welcher er unter anderem bestätigt, seinen Widerspruch gegen die Minderung des Arbeitslosengeldes als unfrankierten Brief eigenhändig in den einzigen Briefkasten vor dem Haupteingang der Agentur für Arbeit in E. am 29.03.2005 eingeworfen zu haben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 20.09.2006 als unbegründet abgewiesen. Zwar sei dem Kläger gemäß § 67 Abs. 1 SGB aufgrund seiner glaubhaften eidesstattlichen Versicherung vom 19.05.2006 hinsichtlich der Widerspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Jedoch lägen die in dem angefochtenen Bescheid festgestellten Voraussetzungen für die Minderung des Arbeitslosengeldes nach den §§ 37 b und 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von 1.050,- EUR vor. Da das Arbeitsverhältnis bei der Firma L. von vornherein befristet gewesen sei, hätte sich der Kläger spätestens drei Monate vor dessen Beendigung, also am 02.11.2004, arbeitsuchend melden müssen. Der Kläger habe sich jedoch erst am 27.01.2005 und somit um 86 Tage zu spät gemeldet. Diese Meldung könne nicht als unverzüglich angesehen werden, weil ihr ein schuldhaftes Zögern zugrunde liege (unter Hinweis auf Bundessozialgericht - BSG -, Urteile vom 25.05.2005 - B 11a AL 81/04 R - sowie vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -). Soweit der Kläger vorbringe, von der Meldepflicht keine Kenntnis gehabt zu haben, sei dem entgegen zu halten, dass er durch den von der Beklagten erteilten Aufhebungsbescheid (unter Hinweis auf den in den Akten der Beklagten enthaltenen Zahlungsnachweis vom 25.09.2003) in die Lage versetzt worden sei, von der ab dem 01.07.2003 eingetretenen Rechtsänderung zu erfahren, insbesondere von seiner Verpflichtung, sich im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses spätestens drei Monat vor dessen Beendigung arbeitsuchend zu melden. Im Unterschied zu der Gesetzesauffassung seien die in dem Aufhebungsbescheid gegebenen Hinweise klar und unmissverständlich (unter Hinweis auf LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.04.2006 - L 3 AL 135/05 - sowie weitere Fundstellen). Sollte der Kläger deshalb diese ausreichende Belehrung nicht zur Kenntnis genommen haben, liege jedenfalls Fahrlässigkeit vor, welche ebenfalls ein schuldhaftes Zögern darstelle (unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats vom 03.11.2005 - L 12 AL 5210/04 -). Das unverbindliche Inaussichtstellen seines Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis erneut zu verlängern, habe den Kläger nicht davon abhalten dürfen sich rechtzeitig bei der Beklagten arbeitsuchend zu melden. Das Urteil des SG wurde den Klägerbevollmächtigten am 25.09.2006 zugestellt.

Die Klägerbevollmächtigten haben am 24.10.2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Selbst das SG habe anerkannt, dass die Gesetzesfassung unklar und missverständlich sei. Entgegen der Auffassung des SG könne es in diesem Falle nicht ausreichend sein, dass die behördliche Belehrung klar und unmissverständlich sei, wenn die zugrundeliegende gesetzliche Grundlage diese Voraussetzungen nicht erfülle. Dem könne auch nicht die Rechtsprechung des BSG entgegen gehalten werden, weil dem verfassungsrechtliche Bedenken entgegen stünden. Desweiteren sei nochmals hervorzuheben, dass auch die Hinweise in dem Aufhebungsbescheid auf Seite 1 und auf Seite 2 bzw. der Rückseite nicht in sich stimmig sein. Dies könne nicht zu Lasten des Versicherten ausgelegt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.09.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2005 zu verurteilen, dem Kläger ungemindertes Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat weist die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG nach Anhörung der Beteiligten zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat vorliegend zutreffend entschieden, dass die Voraussetzungen für eine Minderung des Arbeitslosengeldanspruchs nach den §§ 37 b und 140 SGB III vorliegen, da die Belehrung über das Erfordernis der rechtzeitigen Arbeitslosmeldung in dem dem Kläger unstreitig zugegangenen Aufhebungsbescheid klar und eindeutig war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführung des SG verwiesen, denen der Senat sich vollinhaltlich anschließt.

Im Hinblick auf das im Berufungsverfahren erfolgte weitere Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger vorgetragen hat, wegen seiner vor dem streitgegenständlichen Zeitraum liegenden unbefristeten Arbeitsverhältnisse nichts von einer Pflicht zur rechtzeitigen Arbeitslosmeldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen gewusst zu haben. Wenn er insofern auch nach seinem eigenen Vortrag nichts von der gesetzlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Arbeitslosmeldung bei befristeten Arbeitsverhältnissen gewusst hat, kann er sich insoweit auch nicht auf eine gegebenenfalls missverständliche Formulierung im Gesetzestext berufen.

Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist § 37 b Satz 2 SGB III auch nicht in sich so widersprüchlich bzw. unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen kann. Richtigerweise ist § 37 b Satz 2 SGB III in der vorliegend anzuwendenden Fassung vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2005 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) als unselbstständige Begrenzung des § 37 b Satz 1 SGB III anzusehen. Dies bedeutet, dass "an sich" auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch erst drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn ihm bereits vorher der Zeitpunkt der Beendigung bekannt ist. Dem Kläger ist einzuräumen, dass § 37 b Satz 2 SGB III mit der Verwendung des Begriffes "frühestens" unglücklich gefasst ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 37 b Satz 2 SGB III ist die Norm bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Auch der Vortrag des Klägers, sein Arbeitgeber habe ihm ca. 2 Wochen vor Ablauf des Vertrages noch mitgeteilt, dass dieser erneut verlängert werde, und er habe dann erst zwei bis drei Tage vor Ablauf der Befristung die Aussage erhalten, dass keine Verlängerung erfolge, führt zu keiner anderen Beurteilung. Das BSG hat hierzu entschieden, dass es für die Feststellung des Fahrlässigkeitsvorwurfs ohne Bedeutung ist, dass der Leistungsempfänger fest mit der Wiedereinstellung bei seinem bisherigen Arbeitgeber rechnen konnte (Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -).

Im Übrigen war der Kläger auch nicht nur durch den Aufhebungsbescheid über seine Pflicht zur rechtzeitigen Arbeitsuchendmeldung informiert, sondern auch durch das Merkblatt der Beklagten in der Fassung vom April 2003, welches er bei seiner früheren Arbeitslosmeldung am 07.09.2003 erhalten hat. Das Merkblatt enthält auf Seite 16 folgende Passage:

" 1.7 Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche Ab dem 11.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald sie den Zeitpunkt der Beendigung ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z.B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung in der Regel zu einer Minderung des Arbeitslosengeldes führt."

Der Kläger hat dadurch neben den Hinweisen im Aufhebungsbescheid eine weitere unmissverständliche Belehrung durch das Merkblatt der Beklagten in der Fassung von April 2003 erhalten. Die Unkenntnis dieser zweifach erfolgten eindeutigen Belehrung des Klägers stellt ein fahrlässiges Verhalten im Sinne der Minderungsvorschriften der §§ 37 b und 140 SGB III dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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