Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KA 4589/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 275/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden vertragsärztlichen Vergütung für das Quartal 3/2003.
Der Kläger ist als Urologe in E. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Kassenärztliche Vereinigung Nordwürttemberg, teilte dem Kläger mit Rundschreiben vom 27.05.2003 mit, der Erweiterte Bewertungsausschuss habe vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Sitzung am 19.12.2002 beschlossen, die früheren Praxis- und Zusatzbudgets abzuschaffen und den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgegeben, durch Mengenbegrenzungsregelungen im Rahmen der Honorarverteilung mit Wirkung ab dem 01.07.2003 sicherzustellen, dass im Kalenderjahr 2003 der Zuwachs des Leistungsbedarfs 5 v.H. des anerkannten Leistungsbedarfs aus dem Jahr 2002 nicht überschreitet (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2003, Seite A-218). In Umsetzung dieser Vorgaben habe die Vertreterversammlung durch Beschluss vom 14.05.2003 den HVM mit Wirkung ab dem 01.07.2003 geändert. Die Vergütung innerhalb von Arztgruppentöpfen sei beibehalten worden. Ab dem Quartal 3/2003 werde der zur Verteilung vorhandene Anteil in Geld in den Fachgruppentöpfen nicht mehr durch die anerkannte Fallpunktzahl geteilt; vielmehr würden die neuen Fallpunktzahlen so berechnet, dass eine Vergütung mit einem festen Punktwert von 4 ,8 Cent im Primärkassen- und von 4,6 Cent im Ersatzkassenbereich erfolgen könne. Mit diesem Punktwert könnten jedoch nicht alle nach dem EBM-Ä erzielten Punktwerte vergütet werden, sondern nur die praxisindividuellen Fallpunktzahlen. Über die praxisindividuelle Fallpunktzahl hinausgehende Punktwerte würden nicht vergütet.
Zur Berechnung der praxisindividuellen Nettofallpunktzahlen würden diejenigen Fallpunktzahlen für die budgetierten Leistungen, die im Jahr 2002 der einzelnen Praxis nach Anwendung von Praxis- und Zusatzbudgets tatsächlich vergütet worden seien, ermittelt und anschließend mit der jeweiligen Veränderungsrate der arztgruppenbezogenen Honorartöpfe und dem sog. arztgruppenspezifischen Korrekturfaktor multipliziert. Das Ergebnis definiere diejenigen Punkte pro Fall, die für die einzelne Praxis zu einem festen Punktwert vergütet werden könnten.
Auf dieser Basis setzte die KV Nord-Württemberg mit Bescheid vom 12. Januar 2004 die Honoraransprüche des Klägers für das Quartal 3/03 auf 51.591,06 EUR fest (Bl. 31 VA). Hierbei legte sie u. a. ein praxisindividuelles Regelleistungsvolumen in Höhe von 846.730 Punkten im Primärkassen- und von 237.340 Punkten im Ersatzkassenbereich zugrunde. Dieses ermittelte sie aus der Multiplikation der für die "Regelleistungsvolumina" jeweils relevanten Behandlungsfälle im Quartal 3/03 (727 Fälle bzw. 185 Fälle) mit den durchschnittlichen Fallpunktzahlen des Klägers aus den im Quartal 3/2002 anerkannten Fallpunktzahlen nach Anwendung der Praxis- und Zusatzbudgets und der Arztgruppenfaktoren (846,1 Punkte im Primärkassen- und 858,8 Punkte im Ersatzkassen-Bereich). Wegen Überschreitens der so errechneten Punktzahlgrenzen ergaben sich Kürzungen im Primärkassenbereich um 262.074,9 Punkte und im Ersatzkassenbereich um weitere 78.462.2 Punkte (Bl. 34 VA).
Gegen die Gesamthonorarabrechnung für das Quartal 3/2003 vom 12.01.2004 erhob der Kläger am 04.02.2004 Widerspruch. Er verwies darauf, dass ab 01.07.2003 die Vergütung nach einem festen Punktwert auf der Basis individueller Fallpunktzahlen erfolge. Maßgeblich für die Honorarermittlung seien dabei die abgerechneten Leistungen im Jahr 2002. In jenem Jahr seien die Honorarumsätze aufgrund fehlerhafter Software des Praxisprogramms unterdurchschnittlich gewesen. Denn aufgrund eines Softwarefehlers habe seine Statistik im Jahr 2002 die Budgeterfüllung ausgewiesen, als das noch längst nicht der Fall gewesen sei. Infolge dessen habe er weitere Leistungen nicht erbracht bzw. nicht zur Abrechnung bei der Beklagten eingereicht. Die Nichtausschöpfung der Praxisbudgets in 2002 habe zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen geführt. Besonders problematisch sei, dass sich diese Einbußen in der Zukunft, jedenfalls ab dem 3. Quartal 2003 fortsetzten. Für seine Praxis bedeute es ein erhebliches betriebswirtschaftliches Problem, dass die Fallpunktzahl auf einer an sich falschen Grundlage ermittelt und in Zukunft fortgeschrieben werde. Das Minus belaufe sich auf ca. 30 Prozent. Er bitte zu prüfen, ob eine Anpassung der maßgeblichen Basiszahlen möglich sei, so dass die aktuelle Honorarermittlung den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2004 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie auf die geltenden Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) und des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM). Die Problematik des fehlerhaften EDV-Programms sei bereits in den Quartalen 2/2002 und 3/2002 Gegenstand von Widerspruchsverfahren gewesen. Die Widersprüche seien durch Bescheid vom 10.6.2003 abgewiesen worden, der nicht angefochten und daher rechtskräftig geworden sei. Es handle sich um den gleichen Sachverhalt; Umstände, die den Vorstand zu einer abweichenden Entscheidung veranlassen könnten, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus gehe der Vorstand davon aus, dass der Kläger seine Patienten im Jahr 2002 entsprechend den gesetzlichen Vorgaben behandelt, also die medizinisch notwendigen Leistungen unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit erbracht habe. Die Ausführungen des Klägers seien befremdlich, insbesondere dass der Kläger weitere Leistungen nicht erbracht hätte, weil das Praxisprogramm die Ausschöpfung des Praxisbudgets angezeigt habe. Was den monierten Verlust von 30 Prozent betreffe, werde darauf hingewiesen, dass es durch die Anwendung der Regelleistungsvolumina gegenüber den bis zum Quartal 2/2003 gültigen Praxis- und Zusatzbudgets im Einzelfall gegebenenfalls zu höheren Punktzahlreduzierungen kommen könne. Dies begründe sich im Wesentlichen durch die veränderte Systematik. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 15.05.2002, B 6 KA 33/01 R zu den Praxisunkosten der Hautärzte) sei eine Anpassung vorzunehmen gewesen. Die Gewährleistung fester und vorab bekannter Punktwerte von 4,6 Cent bei Ersatzkassen und 4,8 Cent bei Primärkassen könne dazu führen, dass eine Absenkung der Fallpunktzahlen notwendig werde. Auf die entsprechenden Rundschreiben werde insoweit verwiesen. Die isolierte Betrachtung der Punktzahlkorrekturen im Rahmen der Regelleistungsvolumina lasse vor diesem Hintergrund keine validen Schlussfolgerungen zu. Einzig eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung der Geldwerte könne zu aussagekräftigen Vergleichen führen. Betrachte man den Fallwert in Euro, zeige sich, dass dieser von 58,51 EUR je Fall im Quartal 3/2002 um 3,49 EUR je Fall bzw. 6 Prozent auf 55,02 EUR je Fall im Quartal 3/2003 gesunken sei. Diese Abweichung liege im Rahmen der normalen Schwankungsbreite und müsse vor dem Hintergrund der allgemeinen Honorarentwicklung, die generell eine sinkende Tendenz aufweise, gesehen werden.
Dagegen hat der Kläger am 16.07.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat wiederholend darauf verwiesen, dass wegen seines fehlerhaften Abrechnungsprogramms nicht sämtliche Leistungen im Rahmen des Budgets für 2002 tatsächlich zur Abrechnung bei der Beklagten gelangt seien. Besonders nachteilig sei, dass sich dieser Fehler ab dem 3. Quartal 2003 fortsetze. Die für ihn ermittelten individuellen Fallpunktzahlen basierten deswegen auf einer falschen Grundlage und entsprächen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Regelungen der Beklagten sähen keinerlei Abhilfemöglichkeit für solche Fälle irrtümlicher Abrechnung vor, das Abstellen auf die Abrechnungsergebnisse des Jahres 2002 führe in seinem Fall zu ungerechten Ergebnissen. Das Ergebnis eines einzigen Kalenderjahres sei damit, gleich wegen welcher Ursache, Basis aller künftigen Honorarberechnungen. Dies sei willkürlich und damit rechtswidrig. Zwar falle die Ursache, das fehlerhafte Abrechnungsprogramm, in seinen Risikobereich. Ihn treffe jedoch kein Verschulden, da er den Fehler nicht gekannt habe und ihn auch erst nachträglich habe feststellen können, als die eingehenden Honorare aufgrund der fehlerhaften Abrechnungserstellung seines Programms eingebrochen seien. Ihm würde bereits damit geholfen, wenn bei seinen Abrechnungen der Fachgruppendurchschnitt der Urologen zu Grunde gelegt werden könnte.
Die Beklagte hat vor dem SG entgegnet, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass seine Fallpunktzahl für das Regelleistungsvolumen wegen des eingetretenen Softwarefehlers erhöht werde oder die Beklagte ihm die durchschnittliche Fallpunktzahl der Fachgruppe der Urologen zugestehe. Der Kläger habe die Abrechnung der Quartale 2/2002 und 3/2002 unter Beifügung der Abrechnungs-Sammelerklärung eingereicht. Dieser komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung der erbrachten Leistungen zu. Mit der Abgabe der Abrechnungssammelerklärung garantiere der Vertragsarzt die Richtigkeit und damit auch die Vollständigkeit der von ihm eingereichten Abrechnung. Folglich gehe eine absichtlich oder versehentlich unvollständige Abrechnung zu Lasten des Vertragsarztes. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger den Softwarefehler schuldhaft nicht erkannt habe. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger als Vertragsarzt verpflichtet sei, grundsätzlich alle von ihm erbrachten Leistungen auch abzurechnen. Tue er dies, hier sogar absichtlich, nicht, widerspreche sein Verhalten vertragsärztlichen Grundsätzen mit der Folge, dass er allein die ggf. eingetretenen Folgen zu tragen habe. Entsprechend habe sie bereits die Widersprüche des Klägers gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2002 und 3/2002 mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2003 zurückgewiesen. Dieser sei bestandskräftig geworden. Sie habe der Berechnung der Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen somit bindend gewordene Abrechnungsergebnisse des Jahres 2002 zu Grunde gelegt. Schon aus diesem Grund könne die Klage keinen Erfolg haben.
Die Beklagte hat weiter ausgeführt, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sie bei der Bildung der Fallpunktzahlen für die Regelleistungsvolumina auf die Abrechnungsergebnisse eines einzigen Jahres, hier des Jahres 2002, abgestellt habe. Damit sei ein repräsentativer, in sich geschlossener Zeitraum, nämlich der eines ganzen Basisjahres gewählt worden. Zum anderen habe sie damit auf aktuelle Abrechnungsergebnisse zurückgegriffen. Es werde von der Rechtsprechung für zulässig gehalten, dass Kassenärztliche Vereinigungen auf frühere Abrechnungsergebnisse des einzelnen Arztes in der Vergangenheit abstellten (BSG, Urteile vom 10.12.2003, B 6 KA 40/02 R und B 6 KA 7/03 R). Der HVM sehe für Härtefälle auch eine Abhilfemöglichkeit vor. Unter 4.5.1 Abs. 6 des HVM sei geregelt, dass über Ausnahmen zu den Fallpunktzahlen wie Anträge auf Härtefälle und anzuerkennende dynamische Entwicklungen der Vorstand im Einzelfall entscheide. Mit dieser allgemein gefassten Härtefallklausel werde der Vorstand entsprechend in die Lage versetzt, atypischen Sondersituationen im Einzelfall Rechnung tragen zu können. Der hier in Rede stehende Sachverhalt könne das Vorliegen eines Härtefalls im Sinne der Vorschrift nicht begründen. Denn der Kläger habe im vorliegenden Fall ausschließlich aus Gründen, die in seinem Risikobereich lägen und unter Verstoß gegen die vertragsärztliche Pflicht, alle von ihm erbrachten Leistungen gegenüber der Beklagten auch abzurechnen, Nachteile erlitten. Soweit der Kläger darüber hinaus Leistungen, obwohl vom Sachleistungsanspruch der Patienten erfasst, aus "Budgetgründen" nicht erbracht haben sollte, stelle dies ebenfalls einen gravierenden Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten dar. Im Übrigen sei es für sie nicht bzw. nur unter erheblichem, nicht zumutbarem Aufwand feststellbar, welche Leistungen der Kläger nun zu Recht oder zu Unrecht nicht erbracht habe bzw. welche Leistungen er zwar erbracht, aber lediglich nicht abgerechnet habe.
Die Beklagte hat eine Übersicht zur Honorarentwicklung des Klägers seit dem Quartal 2/2000 vorgelegt; wegen Einzelheiten wird auf die Statistik und die Grafiken Bl. 56 ff. SG-Akte Bezug genommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.12.2005 abgewiesen. Es hat entschieden, die Regelungen, auf denen der angefochtene Honorarbescheid beruhe, stünden mit den sich aus § 85 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ergebenden Anforderungen in Einklang und seien rechtmäßig. Den mit jeder typisierenden Regelung im Einzelfall einhergehenden Härten trage Nr. 4.5.1 Abs. 6 der Anlage 1 zum HVM der Rechtsvorgängerin der Beklagten hinreichend Rechnung. Die Beklagte könne auf atypische Konstellationen angemessen reagieren. Weitere Ausnahmeregelungen habe die Beklagte nicht beachten müssen, denn es gebe im Rahmen der Honorarbegrenzungsregelungen keinen Anspruch auf Berücksichtigung jeder individuellen Praxisstruktur. Es sei bedenklich, wenn der Kläger sich nicht an der medizinischen Notwendigkeit der Erbringung von Leistungen, sondern an der Budgetausschöpfung orientiere, die er zudem auch in den Vorquartalen nicht erreicht habe.
Gegen das am 27.12.2005 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 18.01.2006 Berufung eingelegt. Er bezog sich auf sein Vorbringen in erster Instanz und trug ergänzend vor, die Härteregelungen der Beklagten griffen zu kurz, um alle im Einzelfall zu prüfenden wesentlichen Härten auszugleichen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien daher noch weitere Ausnahmen zuzulassen. Dies müsse um so mehr gelten, als lediglich auf die Fallpunktzahlen eines einzigen Kalenderjahres abgestellt werde und damit zugleich auf die dabei aufgetretenen Fehler und Unzulänglichkeiten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2005 aufzuheben, den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal 3/2003 vom 12. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2004 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Honorarabrechnung des Quartals 3/2003 neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die vom BSG mit Urteilen vom 22.06.2005 entschiedenen Fälle seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Dort sei es um wegen Softwarefehlern verspätet eingereichte komplette Abrechnungsfälle gegangen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger seiner Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung aus Gründen in seiner eigenen Sphäre nicht genügt und bewusst eine medizinisch fragwürdige Leistungssteuerung vornehmen wollen. Es könne daher keine Rede davon sein, dass wegen des Softwarefehlers bereits erbrachte Leistungen nicht hätten berücksichtigt werden können.
Die Beklagte hat dem Senat auf Anforderung die durchschnittlichen Fallzahlen der Urologen in den Quartalen 1/1999 bis 3/2003 vorgelegt. Danach hat der Durchschnitt der Urologen im hier streitigen Quartal 3/2003 insgesamt 960 Fälle und der Kläger 912 Fälle abgerechnet, in den Vorquartalen 1/2003 und 2/2003 waren es 1023 (Durchschnitt) zu 955 (Kläger) bzw. 982 zu 972. Der Kläger hatte ausweislich dieser Statistik bereits in den Jahren 2000 und 2001 leicht unterdurchschnittliche Zahlen, z.B. im Quartal 3/2000 insgesamt 880 (Durchschnitt der Urologen) zu 762 (Kläger) oder im Quartal 3/2001 durchschnittlich 889 zu 786. Der Kläger war nach Angaben der Beklagten nie fallzahlbegrenzt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500 EUR ist überschritten. Im Streit steht im günstigsten Fall die vollständige Nachvergütung der gestrichenen Punkte, woraus sich ein Streitwert in Höhe von 8.330 EUR ergibt.
II.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da der angefochtene Honorarbescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung sämtlicher von ihm für die streitigen Quartale zur Abrechnung gestellten (und insoweit gekürzten) Punktzahlen besteht ebenso wenig wie ein Anspruch auf Neubescheidung seiner Honoraransprüche.
1. Das SG hat die Rechtsgrundlagen für die Honorarbegrenzungsregelungen sowie die zur Honorarverteilung vom BSG entwickelten Rechtsgrundsätze zutreffend beschrieben und rechtsfehlerfrei auf den vorliegenden Fall angewendet. Dies ist zwischen Beteiligten auch nicht weiter umstritten. Der Kläger zieht weder die Rechtmäßigkeit der Honorierung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage der so genannten Regelleistungsvolumina in Frage noch hat er grundsätzliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dieses Ziel umsetzenden Vorschriften im HVM der Beklagten. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat deshalb auf diesbezügliche Darstellung der Rechtslage im Urteil des SG Bezug (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs.1 und 2 SGG). Ergänzend ist aus der Sicht des Senates folgendes auszuführen:
2. Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist zunächst die Regelung unter Ziff. 4.5.1 im HVM des Beklagten, wonach die individuelle Fallpunktzahlen auf der Basis der Abrechnungswerte des Jahres 2002 ermittelt werden. Die Regelung hat im Einzelnen folgenden Wortlaut:
4.5.1 (1) In einem ersten Schritt wird je Vertragsarztpraxis eine Nettofallpunktzahl für die je Behandlungsfall (im Sinne der anerkannten Behandlungsfälle der Anlage 2 zum Honorarverteilungsmaßstab der KV NW) nach Anwendung von Praxis- und Zusatzbudgets anerkannten Punktzahlen (Ohne Euro-Werte) aus den Quartalen des Jahres 2002 berechnet; Berichtigungen der Honoraranforderungen nach Erstellung des Honorarbescheides aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Qualitätssicherung und Prüfungen auf rechnerisch/sachliche Richtigkeit bis zu jeweils 10.000 Punkten bleiben bei der Feststellung der anerkannten Punktzahlen unberücksichtigt.
(2) In einem nächsten Schritt wird die so ermittelte Nettofallpunktzahl entsprechend der Veränderung der Gesamtvergütungsanteile gem. Nr. 3.7 angepasst.
(3) Die so angepasste Nettofallpunktzahl wird in einem weiteren Schritt mit dem Arztgruppenfaktor gem. Nr. 4.5.2 Abs. 1 multipliziert.
(4) Aus der Multiplikation der nach Abs. 1 bis 3 ermittelten Fallpunktzahl mit den gemäß Anlage 2 zum Honorarverteilungsmaßstab der KV NW (Fallzahlzuwachsbegrenzung) anerkannten Behandlungsfällen in der Aufteilung nach Primär- und Ersatzkassen des jeweils aktuellen Quartals ergibt sich die Punktzahlgrenze (jeweils für Primär- und Ersatzkassen) für die Leistungen je Vertragsarztpraxis. Vorbehaltlich der Regelungen zur Fallzahlzuwachsbegrenzung werden die Punkte bis zu dieser Grenze mit einem Punktwert von 0,048 EUR bei Primärkassen und 0,046 EUR bei Ersatzkassen vergütet. Darüber hinausgehende Punktzahlanforderungen werden nicht anerkannt.
(5) Der Vorstand ist ermächtigt, den Punktwert nach Abs. 4 für das nächstmögliche Quartal anzupassen, wenn die Entwicklung des zur Verfügung stehenden budgetierten Gesamtvergütungsanteils bzw. die Entwicklung der mit dem Punktwert gemäß Abs. 4 zu vergütenden Punktzahlen dies erforderlich macht.
(6) Über Ausnahmen zu den Fallpunktzahlen wie Anträge auf Härtefälle und anzuerkennende dynamische Entwicklungen entscheidet der Vorstand der KV NW im Einzelfall.
Soweit in der Vergangenheit Abrechnungsregelungen im EBM oder im HVM an die Abrechnungsergebnisse von Ärzten in zurückliegenden Quartalen angeknüpft haben, ist dies vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung gebilligt worden (BSG SozR 3 - 2500 § 85 Nrn. 27 und 28 sowie Breithaupt 2004, 819 und Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 40/02 R - und - B 6 KA 7/03 R -). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn das SG die Auffassung vertreten hat, dass Nr. 4.5.1 Anlage 1 zum HVM für die praxisindividuellen Punktzahlvolumina an die in den Quartalen des Jahres 2002 nach Anwendung von Praxis- und Zusatzbudgets anerkannten Punktzahlen anknüpfen durfte, weil es selbst außerhalb eines unmittelbar durch das Gesetz begrenzten Anstiegs der Gesamtvergütungen sachgerecht und vom Gestaltungsspielraum der Beklagten bei der Honorarverteilung gedeckt ist, die Honorarkontingente auf der Grundlage eines bestimmten Basisjahres festzuschreiben (BSG SozR 3 - 2500 § 85 Nr. 24). Soweit ein Normprogramm auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt, weil es etwa bestimmte Begebenheiten in der Vergangenheit abbilden will, unterliegt die Normsetzung gerichtlicher Kontrolle insbesondere dahingehend, dass der festgesetzte Zahlenwert den Bedingungen rationaler Abwägung genügen muss (BSG Urt. v. 9.12.2004 - B 6 KA 83/03 R). Dies ist vorliegend der Fall.
Wenn die KV dabei einen in sich geschlossenen Zeitraum von einem Jahr (hier 2002) wählt, der abrechnungstechnisch zu Beginn des Quartals 3/03, dem Inkrafttreten der hier streitigen Regelungen in Anlage 1 zum HVM, beendet war, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dem liegt die berechtigte Annahme zugrunde, dass der in der Vergangenheit erreichte Praxisumsatz bei typisierender Betrachtungsweise ein maßgebendes Indiz für den Umfang ist, auf den der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit ausgerichtet hat. Je weniger dabei die Zahlen zurückliegen, um so aussagekräftiger sind sie. Die sachliche Rechtfertigung für solche Honorarkontingente ergibt sich aus dem Ziel, Anreize zur Mengenausweitung zu verringern, dadurch die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren und die Einnahmen aus der vertragsärztlichen Tätigkeit kalkulierbar zu machen bzw. zu halten und somit die Versorgungsqualität zu steigern.
Soweit ersichtlich beanstandet der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr grundsätzlich die Anknüpfung an die Abrechnungsergebnisse dem Grunde nach. Er verlangt lediglich noch, dass die Besonderheiten, die aus seiner Sicht die Aussagekraft der Zahlen des Jahres 2002 in Zweifel ziehen, nach Anwendung ergänzender Härtefallregelungen berücksichtigt werden, damit Fehler und die dadurch entstandenen nicht repräsentativen Zahlen aus der Vergangenheit nicht in die weitere Zukunft fortgeschrieben werden.
3. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte im Einzelfall verpflichtet ist, zugunsten eines Arztes von den Abrechnungsergebnissen des Jahres 2002 bei der Ermittlung der Regelleistungsvolumina eines Arztes abzuweichen, kann vorliegend offenbleiben. Denn der Kläger vermag mit seinem Vorbringen, er hätte im Quartal 3/2002 ohne einen Softwarefehler 30 % mehr an Leistungen abgerechnet, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt durchdringen.
3a. Zunächst fällt auf, dass das Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Programmfehlers seiner Software zu keinem Zeitpunkt näher substantiiert dargelegt wurde. Woran es gelegen hat, dass die Software nicht richtig funktionierte, ist weder schlüssig erklärt noch in irgendeiner Weise plausibel belegt worden, so dass es sich hier insoweit um eine unbewiesene Behauptung handelt. Auch stellt sich für einen Außenstehenden die Frage, warum der Kläger sich noch im Quartal 3/2002 eines Programms zur Vermeidung von Budgetüberschreitungen bedient, wenn er bei den Fallzahlen unterdurchschnittlich abgerechnet, er somit zu keinem Zeitpunkt nach Angaben der Beklagten fallzahlbegrenzt war, und er bereits im Quartal 1/2002 sein Praxisbudget nicht auszuschöpfen vermochte. Gegen das Vorbringen des Klägers spricht weiter - worauf die Beklagte hingewiesen hat - der nur geringe Rückgang des Fallwerts in Euro um lediglich sechs Prozent von 58,51 Euro je Fall im Quartal 3/2002 auf 55,02 Euro je Fall im Quartal 3/2003. Hätte der Kläger wirklich 30% zu wenig abgerechnet, müsste ihm jetzt nach seiner eigenen Rechtsauffassung ein um 24 Prozent höherer Fallwert, das wären ca. 14 EUR je Fall zusätzlich mit einem Fallwert von dann ca. 70 EUR, zustehen. Dass die Umstellung des Vergütungssystems auf Regelleistungsvolumen für einzelne Ärzte solche Gewinnsprünge zur Folge hat, ist bei unverändert gebliebenen Gesamtvergütungen und dem ausdrücklich verfolgten Ziel, die ärztlichen Einkommen zu stabilisieren, von vornherein außerordentlich unwahrscheinlich.
3b. Aber selbst wenn das Vorbringen des Klägers zutreffen sollte, dass er wegen des aufgetretenen Softwarefehlers im Jahr 2002 Behandlungsleistungen nicht erbracht bzw. Abrechnungsscheine nicht vorgelegt hat, könnte er für die Errechnung des Regelleistungsvolumens veränderte Abrechnungswerte des Jahres 2002 nicht beanspruchen. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage. Ein Härtefall liegt nicht vor.
Wie das SG ist auch der Senat der Auffassung, dass Nr. 4.5.1. Abs. 6 der Anlage 1 zum HVM Härtefällen ausreichend Rechnung trägt und hier kein Härtefall vorliegt, der es erfordert, trotz der bestandskräftig gewordenen Honorarabrechnungsbescheide für die Quartale 2002 abrechnungsfähige, aber nicht erbrachte bzw. nicht abgerechnete Umsätze dieses Jahres zu berücksichtigen.
Für die Frage aber, ob ein solcher Härtefall vorliegt, ist nicht auf die bloße Anzahl der gestrichenen Punkte bzw. deren Verhältnis zur Anzahl der angeforderten Punkte abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild der Honorarentwicklung des Vertragsarztes, insbesondere aber der Fallwert in Euro. Nach den vom Kläger unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid lagen die Fallwerte mit 55,02 EUR im Quartal 3/03 um ca. 6 % unter dem Fallwert von 58,51 EUR in dem Referenzquartal 3/02. Auch im Vergleich zu dem Fallwert des Quartals 3/2001 mit 59,66 EUR beträgt der Rückgang nur 8,43 %. Der Kläger hat daher durch die Änderung der Systematik der Honorarverteilung ab dem Quartal 3/03 nur geringe Honorareinbußen erlitten. Der Sinn und Zweck einer Härtefallregelung besteht darin, dass der Vertragsarzt bei gleich bleibendem Leistungserbringungsvolumen infolge der Festlegung praxisindividueller Punktzahlvolumina keinen unzumutbaren, existenziell bedrohlichen wirtschaftlichen Nachteil erleiden soll. Deshalb kann nicht jede wirtschaftliche Einbuße bereits einen Härtefall darstellen. Der erkennende Senat und das BSG haben deshalb in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung einen Härtefall üblicherweise erst bei Umsatzeinbußen von mehr als 20 % bejaht, sodass es in keiner Weise zu beanstanden ist, wenn nach der Entscheidung des Vorstandes der damaligen KV Nord-Württemberg ein Härtefall im Sinne dieser Regelung erst dann angenommen wird, wenn der Fallwert in Euro um mehr als 10 % gegenüber demjenigen des maßgeblichen Referenzquartals zurück geht. Eine solche Einbuße ist bei dem Kläger mit lediglich 6 % indes nicht gegeben.
3c. Eine Härte unter dem Gesichtspunkt eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Grundrechte des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG liegt hier ebenfalls nicht vor. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf die vom BSG mit Urteilen vom 22.06.2005 (B 6 KA 19/04 R und B 6 KA 20/04 R) entwickelten Grundsätze. Diese lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, weil die zu Grunde liegenden Sachverhalte zu unterschiedlich sind. Das BSG hatte entschieden, dass die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet sind, denn Rückstellungen für Nachvergütungen und Anreize zur Verlagerung von Abrechnungen in Folgequartale seien möglichst zu vermeiden. Fristen für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dienten umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je weniger Ausnahmen sie zulassen. Auf der anderen Seite könnten von Ausschlussfristen erhebliche Wirkungen für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ausgehen. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der KÄV gesetzten Termin innerhalb der ersten zwei Wochen des neuen Quartals vorlegten, liefen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Die Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist seien durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige Einschränkung des durch Art 12 Abs 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer Leistungen dar (vgl. BSG SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 129). Das billigenswerte Ziel möglichst frühzeitiger, zu einem einheitlichen Zeitpunkt abgeschlossener Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen rechtfertige und fordere eine derart rigide und vor allem kurze Ausschlussfrist nicht. Hier liegt die Situation aber anders: Der Kläger hat - die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt - keine Leistungen mehr erbracht bzw. abgerechnet, weil ihm seine Praxissoftware fälschlicherweise die Überschreitung seiner Budgets anzeigte. Die von ihm - bei fehlender medizinischer Notwendigkeit ggf. vertragsarztwidrig - mit geringst möglichem Aufwand angestrebte möglichst optimale Ausnutzung seiner Budgets ist kein von Art. 12 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Gut, sondern Teil seines unternehmerischen Risikos. Dieses liegt allein in seiner Sphäre. Entscheidend aber ist, dass in den vom BSG entschiedenen Fällen für die betroffenen Ärzte mit Einkommensminderungen von weit über 30% eine außerordentliche Härte vorlag und die Beteiligten jenes Falles lediglich darüber stritten, ob diese Härte zu berücksichtigen ist und wenn ja, aus welchem Rechtsgrund. Demgegenüber fehlt es im vorliegenden Fall mit einer Einkommensminderung von lediglich 6% bzw. mit einer Einkommensminderung von nur zwei Prozent bezogen auf die zwei Wertentwicklung von 2001 zu 2002 bereits an einer Härte. Damit kann von unverhältnismäßigen Auswirkungen des neuen Vergütungssystems keine Rede sein.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zustehenden vertragsärztlichen Vergütung für das Quartal 3/2003.
Der Kläger ist als Urologe in E. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die Kassenärztliche Vereinigung Nordwürttemberg, teilte dem Kläger mit Rundschreiben vom 27.05.2003 mit, der Erweiterte Bewertungsausschuss habe vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Sitzung am 19.12.2002 beschlossen, die früheren Praxis- und Zusatzbudgets abzuschaffen und den Kassenärztlichen Vereinigungen aufgegeben, durch Mengenbegrenzungsregelungen im Rahmen der Honorarverteilung mit Wirkung ab dem 01.07.2003 sicherzustellen, dass im Kalenderjahr 2003 der Zuwachs des Leistungsbedarfs 5 v.H. des anerkannten Leistungsbedarfs aus dem Jahr 2002 nicht überschreitet (vgl. Deutsches Ärzteblatt 2003, Seite A-218). In Umsetzung dieser Vorgaben habe die Vertreterversammlung durch Beschluss vom 14.05.2003 den HVM mit Wirkung ab dem 01.07.2003 geändert. Die Vergütung innerhalb von Arztgruppentöpfen sei beibehalten worden. Ab dem Quartal 3/2003 werde der zur Verteilung vorhandene Anteil in Geld in den Fachgruppentöpfen nicht mehr durch die anerkannte Fallpunktzahl geteilt; vielmehr würden die neuen Fallpunktzahlen so berechnet, dass eine Vergütung mit einem festen Punktwert von 4 ,8 Cent im Primärkassen- und von 4,6 Cent im Ersatzkassenbereich erfolgen könne. Mit diesem Punktwert könnten jedoch nicht alle nach dem EBM-Ä erzielten Punktwerte vergütet werden, sondern nur die praxisindividuellen Fallpunktzahlen. Über die praxisindividuelle Fallpunktzahl hinausgehende Punktwerte würden nicht vergütet.
Zur Berechnung der praxisindividuellen Nettofallpunktzahlen würden diejenigen Fallpunktzahlen für die budgetierten Leistungen, die im Jahr 2002 der einzelnen Praxis nach Anwendung von Praxis- und Zusatzbudgets tatsächlich vergütet worden seien, ermittelt und anschließend mit der jeweiligen Veränderungsrate der arztgruppenbezogenen Honorartöpfe und dem sog. arztgruppenspezifischen Korrekturfaktor multipliziert. Das Ergebnis definiere diejenigen Punkte pro Fall, die für die einzelne Praxis zu einem festen Punktwert vergütet werden könnten.
Auf dieser Basis setzte die KV Nord-Württemberg mit Bescheid vom 12. Januar 2004 die Honoraransprüche des Klägers für das Quartal 3/03 auf 51.591,06 EUR fest (Bl. 31 VA). Hierbei legte sie u. a. ein praxisindividuelles Regelleistungsvolumen in Höhe von 846.730 Punkten im Primärkassen- und von 237.340 Punkten im Ersatzkassenbereich zugrunde. Dieses ermittelte sie aus der Multiplikation der für die "Regelleistungsvolumina" jeweils relevanten Behandlungsfälle im Quartal 3/03 (727 Fälle bzw. 185 Fälle) mit den durchschnittlichen Fallpunktzahlen des Klägers aus den im Quartal 3/2002 anerkannten Fallpunktzahlen nach Anwendung der Praxis- und Zusatzbudgets und der Arztgruppenfaktoren (846,1 Punkte im Primärkassen- und 858,8 Punkte im Ersatzkassen-Bereich). Wegen Überschreitens der so errechneten Punktzahlgrenzen ergaben sich Kürzungen im Primärkassenbereich um 262.074,9 Punkte und im Ersatzkassenbereich um weitere 78.462.2 Punkte (Bl. 34 VA).
Gegen die Gesamthonorarabrechnung für das Quartal 3/2003 vom 12.01.2004 erhob der Kläger am 04.02.2004 Widerspruch. Er verwies darauf, dass ab 01.07.2003 die Vergütung nach einem festen Punktwert auf der Basis individueller Fallpunktzahlen erfolge. Maßgeblich für die Honorarermittlung seien dabei die abgerechneten Leistungen im Jahr 2002. In jenem Jahr seien die Honorarumsätze aufgrund fehlerhafter Software des Praxisprogramms unterdurchschnittlich gewesen. Denn aufgrund eines Softwarefehlers habe seine Statistik im Jahr 2002 die Budgeterfüllung ausgewiesen, als das noch längst nicht der Fall gewesen sei. Infolge dessen habe er weitere Leistungen nicht erbracht bzw. nicht zur Abrechnung bei der Beklagten eingereicht. Die Nichtausschöpfung der Praxisbudgets in 2002 habe zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen geführt. Besonders problematisch sei, dass sich diese Einbußen in der Zukunft, jedenfalls ab dem 3. Quartal 2003 fortsetzten. Für seine Praxis bedeute es ein erhebliches betriebswirtschaftliches Problem, dass die Fallpunktzahl auf einer an sich falschen Grundlage ermittelt und in Zukunft fortgeschrieben werde. Das Minus belaufe sich auf ca. 30 Prozent. Er bitte zu prüfen, ob eine Anpassung der maßgeblichen Basiszahlen möglich sei, so dass die aktuelle Honorarermittlung den tatsächlichen Verhältnissen angepasst werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2004 wies die Rechtsvorgängerin der Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung verwies sie auf die geltenden Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) und des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM). Die Problematik des fehlerhaften EDV-Programms sei bereits in den Quartalen 2/2002 und 3/2002 Gegenstand von Widerspruchsverfahren gewesen. Die Widersprüche seien durch Bescheid vom 10.6.2003 abgewiesen worden, der nicht angefochten und daher rechtskräftig geworden sei. Es handle sich um den gleichen Sachverhalt; Umstände, die den Vorstand zu einer abweichenden Entscheidung veranlassen könnten, seien nicht ersichtlich. Darüber hinaus gehe der Vorstand davon aus, dass der Kläger seine Patienten im Jahr 2002 entsprechend den gesetzlichen Vorgaben behandelt, also die medizinisch notwendigen Leistungen unter Beachtung des Gebots der Wirtschaftlichkeit erbracht habe. Die Ausführungen des Klägers seien befremdlich, insbesondere dass der Kläger weitere Leistungen nicht erbracht hätte, weil das Praxisprogramm die Ausschöpfung des Praxisbudgets angezeigt habe. Was den monierten Verlust von 30 Prozent betreffe, werde darauf hingewiesen, dass es durch die Anwendung der Regelleistungsvolumina gegenüber den bis zum Quartal 2/2003 gültigen Praxis- und Zusatzbudgets im Einzelfall gegebenenfalls zu höheren Punktzahlreduzierungen kommen könne. Dies begründe sich im Wesentlichen durch die veränderte Systematik. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 15.05.2002, B 6 KA 33/01 R zu den Praxisunkosten der Hautärzte) sei eine Anpassung vorzunehmen gewesen. Die Gewährleistung fester und vorab bekannter Punktwerte von 4,6 Cent bei Ersatzkassen und 4,8 Cent bei Primärkassen könne dazu führen, dass eine Absenkung der Fallpunktzahlen notwendig werde. Auf die entsprechenden Rundschreiben werde insoweit verwiesen. Die isolierte Betrachtung der Punktzahlkorrekturen im Rahmen der Regelleistungsvolumina lasse vor diesem Hintergrund keine validen Schlussfolgerungen zu. Einzig eine Gesamtbetrachtung mit Einbeziehung der Geldwerte könne zu aussagekräftigen Vergleichen führen. Betrachte man den Fallwert in Euro, zeige sich, dass dieser von 58,51 EUR je Fall im Quartal 3/2002 um 3,49 EUR je Fall bzw. 6 Prozent auf 55,02 EUR je Fall im Quartal 3/2003 gesunken sei. Diese Abweichung liege im Rahmen der normalen Schwankungsbreite und müsse vor dem Hintergrund der allgemeinen Honorarentwicklung, die generell eine sinkende Tendenz aufweise, gesehen werden.
Dagegen hat der Kläger am 16.07.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat wiederholend darauf verwiesen, dass wegen seines fehlerhaften Abrechnungsprogramms nicht sämtliche Leistungen im Rahmen des Budgets für 2002 tatsächlich zur Abrechnung bei der Beklagten gelangt seien. Besonders nachteilig sei, dass sich dieser Fehler ab dem 3. Quartal 2003 fortsetze. Die für ihn ermittelten individuellen Fallpunktzahlen basierten deswegen auf einer falschen Grundlage und entsprächen nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Regelungen der Beklagten sähen keinerlei Abhilfemöglichkeit für solche Fälle irrtümlicher Abrechnung vor, das Abstellen auf die Abrechnungsergebnisse des Jahres 2002 führe in seinem Fall zu ungerechten Ergebnissen. Das Ergebnis eines einzigen Kalenderjahres sei damit, gleich wegen welcher Ursache, Basis aller künftigen Honorarberechnungen. Dies sei willkürlich und damit rechtswidrig. Zwar falle die Ursache, das fehlerhafte Abrechnungsprogramm, in seinen Risikobereich. Ihn treffe jedoch kein Verschulden, da er den Fehler nicht gekannt habe und ihn auch erst nachträglich habe feststellen können, als die eingehenden Honorare aufgrund der fehlerhaften Abrechnungserstellung seines Programms eingebrochen seien. Ihm würde bereits damit geholfen, wenn bei seinen Abrechnungen der Fachgruppendurchschnitt der Urologen zu Grunde gelegt werden könnte.
Die Beklagte hat vor dem SG entgegnet, der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass seine Fallpunktzahl für das Regelleistungsvolumen wegen des eingetretenen Softwarefehlers erhöht werde oder die Beklagte ihm die durchschnittliche Fallpunktzahl der Fachgruppe der Urologen zugestehe. Der Kläger habe die Abrechnung der Quartale 2/2002 und 3/2002 unter Beifügung der Abrechnungs-Sammelerklärung eingereicht. Dieser komme nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung der erbrachten Leistungen zu. Mit der Abgabe der Abrechnungssammelerklärung garantiere der Vertragsarzt die Richtigkeit und damit auch die Vollständigkeit der von ihm eingereichten Abrechnung. Folglich gehe eine absichtlich oder versehentlich unvollständige Abrechnung zu Lasten des Vertragsarztes. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger den Softwarefehler schuldhaft nicht erkannt habe. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger als Vertragsarzt verpflichtet sei, grundsätzlich alle von ihm erbrachten Leistungen auch abzurechnen. Tue er dies, hier sogar absichtlich, nicht, widerspreche sein Verhalten vertragsärztlichen Grundsätzen mit der Folge, dass er allein die ggf. eingetretenen Folgen zu tragen habe. Entsprechend habe sie bereits die Widersprüche des Klägers gegen die Honorarbescheide für die Quartale 2/2002 und 3/2002 mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2003 zurückgewiesen. Dieser sei bestandskräftig geworden. Sie habe der Berechnung der Fallpunktzahlen für das Regelleistungsvolumen somit bindend gewordene Abrechnungsergebnisse des Jahres 2002 zu Grunde gelegt. Schon aus diesem Grund könne die Klage keinen Erfolg haben.
Die Beklagte hat weiter ausgeführt, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sie bei der Bildung der Fallpunktzahlen für die Regelleistungsvolumina auf die Abrechnungsergebnisse eines einzigen Jahres, hier des Jahres 2002, abgestellt habe. Damit sei ein repräsentativer, in sich geschlossener Zeitraum, nämlich der eines ganzen Basisjahres gewählt worden. Zum anderen habe sie damit auf aktuelle Abrechnungsergebnisse zurückgegriffen. Es werde von der Rechtsprechung für zulässig gehalten, dass Kassenärztliche Vereinigungen auf frühere Abrechnungsergebnisse des einzelnen Arztes in der Vergangenheit abstellten (BSG, Urteile vom 10.12.2003, B 6 KA 40/02 R und B 6 KA 7/03 R). Der HVM sehe für Härtefälle auch eine Abhilfemöglichkeit vor. Unter 4.5.1 Abs. 6 des HVM sei geregelt, dass über Ausnahmen zu den Fallpunktzahlen wie Anträge auf Härtefälle und anzuerkennende dynamische Entwicklungen der Vorstand im Einzelfall entscheide. Mit dieser allgemein gefassten Härtefallklausel werde der Vorstand entsprechend in die Lage versetzt, atypischen Sondersituationen im Einzelfall Rechnung tragen zu können. Der hier in Rede stehende Sachverhalt könne das Vorliegen eines Härtefalls im Sinne der Vorschrift nicht begründen. Denn der Kläger habe im vorliegenden Fall ausschließlich aus Gründen, die in seinem Risikobereich lägen und unter Verstoß gegen die vertragsärztliche Pflicht, alle von ihm erbrachten Leistungen gegenüber der Beklagten auch abzurechnen, Nachteile erlitten. Soweit der Kläger darüber hinaus Leistungen, obwohl vom Sachleistungsanspruch der Patienten erfasst, aus "Budgetgründen" nicht erbracht haben sollte, stelle dies ebenfalls einen gravierenden Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten dar. Im Übrigen sei es für sie nicht bzw. nur unter erheblichem, nicht zumutbarem Aufwand feststellbar, welche Leistungen der Kläger nun zu Recht oder zu Unrecht nicht erbracht habe bzw. welche Leistungen er zwar erbracht, aber lediglich nicht abgerechnet habe.
Die Beklagte hat eine Übersicht zur Honorarentwicklung des Klägers seit dem Quartal 2/2000 vorgelegt; wegen Einzelheiten wird auf die Statistik und die Grafiken Bl. 56 ff. SG-Akte Bezug genommen.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 12.12.2005 abgewiesen. Es hat entschieden, die Regelungen, auf denen der angefochtene Honorarbescheid beruhe, stünden mit den sich aus § 85 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit ergebenden Anforderungen in Einklang und seien rechtmäßig. Den mit jeder typisierenden Regelung im Einzelfall einhergehenden Härten trage Nr. 4.5.1 Abs. 6 der Anlage 1 zum HVM der Rechtsvorgängerin der Beklagten hinreichend Rechnung. Die Beklagte könne auf atypische Konstellationen angemessen reagieren. Weitere Ausnahmeregelungen habe die Beklagte nicht beachten müssen, denn es gebe im Rahmen der Honorarbegrenzungsregelungen keinen Anspruch auf Berücksichtigung jeder individuellen Praxisstruktur. Es sei bedenklich, wenn der Kläger sich nicht an der medizinischen Notwendigkeit der Erbringung von Leistungen, sondern an der Budgetausschöpfung orientiere, die er zudem auch in den Vorquartalen nicht erreicht habe.
Gegen das am 27.12.2005 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 18.01.2006 Berufung eingelegt. Er bezog sich auf sein Vorbringen in erster Instanz und trug ergänzend vor, die Härteregelungen der Beklagten griffen zu kurz, um alle im Einzelfall zu prüfenden wesentlichen Härten auszugleichen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit seien daher noch weitere Ausnahmen zuzulassen. Dies müsse um so mehr gelten, als lediglich auf die Fallpunktzahlen eines einzigen Kalenderjahres abgestellt werde und damit zugleich auf die dabei aufgetretenen Fehler und Unzulänglichkeiten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 12. Dezember 2005 aufzuheben, den Honorarbescheid der Beklagten für das Quartal 3/2003 vom 12. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2004 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Honorarabrechnung des Quartals 3/2003 neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die vom BSG mit Urteilen vom 22.06.2005 entschiedenen Fälle seien auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Dort sei es um wegen Softwarefehlern verspätet eingereichte komplette Abrechnungsfälle gegangen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger seiner Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung aus Gründen in seiner eigenen Sphäre nicht genügt und bewusst eine medizinisch fragwürdige Leistungssteuerung vornehmen wollen. Es könne daher keine Rede davon sein, dass wegen des Softwarefehlers bereits erbrachte Leistungen nicht hätten berücksichtigt werden können.
Die Beklagte hat dem Senat auf Anforderung die durchschnittlichen Fallzahlen der Urologen in den Quartalen 1/1999 bis 3/2003 vorgelegt. Danach hat der Durchschnitt der Urologen im hier streitigen Quartal 3/2003 insgesamt 960 Fälle und der Kläger 912 Fälle abgerechnet, in den Vorquartalen 1/2003 und 2/2003 waren es 1023 (Durchschnitt) zu 955 (Kläger) bzw. 982 zu 972. Der Kläger hatte ausweislich dieser Statistik bereits in den Jahren 2000 und 2001 leicht unterdurchschnittliche Zahlen, z.B. im Quartal 3/2000 insgesamt 880 (Durchschnitt der Urologen) zu 762 (Kläger) oder im Quartal 3/2001 durchschnittlich 889 zu 786. Der Kläger war nach Angaben der Beklagten nie fallzahlbegrenzt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von 500 EUR ist überschritten. Im Streit steht im günstigsten Fall die vollständige Nachvergütung der gestrichenen Punkte, woraus sich ein Streitwert in Höhe von 8.330 EUR ergibt.
II.
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, da der angefochtene Honorarbescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Ein Anspruch des Klägers auf Vergütung sämtlicher von ihm für die streitigen Quartale zur Abrechnung gestellten (und insoweit gekürzten) Punktzahlen besteht ebenso wenig wie ein Anspruch auf Neubescheidung seiner Honoraransprüche.
1. Das SG hat die Rechtsgrundlagen für die Honorarbegrenzungsregelungen sowie die zur Honorarverteilung vom BSG entwickelten Rechtsgrundsätze zutreffend beschrieben und rechtsfehlerfrei auf den vorliegenden Fall angewendet. Dies ist zwischen Beteiligten auch nicht weiter umstritten. Der Kläger zieht weder die Rechtmäßigkeit der Honorierung ärztlicher Leistungen auf der Grundlage der so genannten Regelleistungsvolumina in Frage noch hat er grundsätzliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der dieses Ziel umsetzenden Vorschriften im HVM der Beklagten. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat deshalb auf diesbezügliche Darstellung der Rechtslage im Urteil des SG Bezug (§ 136 Abs. 3 SGG i.V.m. § 153 Abs.1 und 2 SGG). Ergänzend ist aus der Sicht des Senates folgendes auszuführen:
2. Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist zunächst die Regelung unter Ziff. 4.5.1 im HVM des Beklagten, wonach die individuelle Fallpunktzahlen auf der Basis der Abrechnungswerte des Jahres 2002 ermittelt werden. Die Regelung hat im Einzelnen folgenden Wortlaut:
4.5.1 (1) In einem ersten Schritt wird je Vertragsarztpraxis eine Nettofallpunktzahl für die je Behandlungsfall (im Sinne der anerkannten Behandlungsfälle der Anlage 2 zum Honorarverteilungsmaßstab der KV NW) nach Anwendung von Praxis- und Zusatzbudgets anerkannten Punktzahlen (Ohne Euro-Werte) aus den Quartalen des Jahres 2002 berechnet; Berichtigungen der Honoraranforderungen nach Erstellung des Honorarbescheides aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Qualitätssicherung und Prüfungen auf rechnerisch/sachliche Richtigkeit bis zu jeweils 10.000 Punkten bleiben bei der Feststellung der anerkannten Punktzahlen unberücksichtigt.
(2) In einem nächsten Schritt wird die so ermittelte Nettofallpunktzahl entsprechend der Veränderung der Gesamtvergütungsanteile gem. Nr. 3.7 angepasst.
(3) Die so angepasste Nettofallpunktzahl wird in einem weiteren Schritt mit dem Arztgruppenfaktor gem. Nr. 4.5.2 Abs. 1 multipliziert.
(4) Aus der Multiplikation der nach Abs. 1 bis 3 ermittelten Fallpunktzahl mit den gemäß Anlage 2 zum Honorarverteilungsmaßstab der KV NW (Fallzahlzuwachsbegrenzung) anerkannten Behandlungsfällen in der Aufteilung nach Primär- und Ersatzkassen des jeweils aktuellen Quartals ergibt sich die Punktzahlgrenze (jeweils für Primär- und Ersatzkassen) für die Leistungen je Vertragsarztpraxis. Vorbehaltlich der Regelungen zur Fallzahlzuwachsbegrenzung werden die Punkte bis zu dieser Grenze mit einem Punktwert von 0,048 EUR bei Primärkassen und 0,046 EUR bei Ersatzkassen vergütet. Darüber hinausgehende Punktzahlanforderungen werden nicht anerkannt.
(5) Der Vorstand ist ermächtigt, den Punktwert nach Abs. 4 für das nächstmögliche Quartal anzupassen, wenn die Entwicklung des zur Verfügung stehenden budgetierten Gesamtvergütungsanteils bzw. die Entwicklung der mit dem Punktwert gemäß Abs. 4 zu vergütenden Punktzahlen dies erforderlich macht.
(6) Über Ausnahmen zu den Fallpunktzahlen wie Anträge auf Härtefälle und anzuerkennende dynamische Entwicklungen entscheidet der Vorstand der KV NW im Einzelfall.
Soweit in der Vergangenheit Abrechnungsregelungen im EBM oder im HVM an die Abrechnungsergebnisse von Ärzten in zurückliegenden Quartalen angeknüpft haben, ist dies vom Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung gebilligt worden (BSG SozR 3 - 2500 § 85 Nrn. 27 und 28 sowie Breithaupt 2004, 819 und Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 6 KA 40/02 R - und - B 6 KA 7/03 R -). Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn das SG die Auffassung vertreten hat, dass Nr. 4.5.1 Anlage 1 zum HVM für die praxisindividuellen Punktzahlvolumina an die in den Quartalen des Jahres 2002 nach Anwendung von Praxis- und Zusatzbudgets anerkannten Punktzahlen anknüpfen durfte, weil es selbst außerhalb eines unmittelbar durch das Gesetz begrenzten Anstiegs der Gesamtvergütungen sachgerecht und vom Gestaltungsspielraum der Beklagten bei der Honorarverteilung gedeckt ist, die Honorarkontingente auf der Grundlage eines bestimmten Basisjahres festzuschreiben (BSG SozR 3 - 2500 § 85 Nr. 24). Soweit ein Normprogramm auf tatsächliche Verhältnisse Bezug nimmt, weil es etwa bestimmte Begebenheiten in der Vergangenheit abbilden will, unterliegt die Normsetzung gerichtlicher Kontrolle insbesondere dahingehend, dass der festgesetzte Zahlenwert den Bedingungen rationaler Abwägung genügen muss (BSG Urt. v. 9.12.2004 - B 6 KA 83/03 R). Dies ist vorliegend der Fall.
Wenn die KV dabei einen in sich geschlossenen Zeitraum von einem Jahr (hier 2002) wählt, der abrechnungstechnisch zu Beginn des Quartals 3/03, dem Inkrafttreten der hier streitigen Regelungen in Anlage 1 zum HVM, beendet war, ist dies von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Dem liegt die berechtigte Annahme zugrunde, dass der in der Vergangenheit erreichte Praxisumsatz bei typisierender Betrachtungsweise ein maßgebendes Indiz für den Umfang ist, auf den der Vertragsarzt seine vertragsärztliche Tätigkeit ausgerichtet hat. Je weniger dabei die Zahlen zurückliegen, um so aussagekräftiger sind sie. Die sachliche Rechtfertigung für solche Honorarkontingente ergibt sich aus dem Ziel, Anreize zur Mengenausweitung zu verringern, dadurch die Gesamthonorarsituation zu stabilisieren und die Einnahmen aus der vertragsärztlichen Tätigkeit kalkulierbar zu machen bzw. zu halten und somit die Versorgungsqualität zu steigern.
Soweit ersichtlich beanstandet der Kläger im Berufungsverfahren auch nicht mehr grundsätzlich die Anknüpfung an die Abrechnungsergebnisse dem Grunde nach. Er verlangt lediglich noch, dass die Besonderheiten, die aus seiner Sicht die Aussagekraft der Zahlen des Jahres 2002 in Zweifel ziehen, nach Anwendung ergänzender Härtefallregelungen berücksichtigt werden, damit Fehler und die dadurch entstandenen nicht repräsentativen Zahlen aus der Vergangenheit nicht in die weitere Zukunft fortgeschrieben werden.
3. Ob und unter welchen Voraussetzungen die Beklagte im Einzelfall verpflichtet ist, zugunsten eines Arztes von den Abrechnungsergebnissen des Jahres 2002 bei der Ermittlung der Regelleistungsvolumina eines Arztes abzuweichen, kann vorliegend offenbleiben. Denn der Kläger vermag mit seinem Vorbringen, er hätte im Quartal 3/2002 ohne einen Softwarefehler 30 % mehr an Leistungen abgerechnet, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt durchdringen.
3a. Zunächst fällt auf, dass das Vorbringen des Klägers hinsichtlich des Programmfehlers seiner Software zu keinem Zeitpunkt näher substantiiert dargelegt wurde. Woran es gelegen hat, dass die Software nicht richtig funktionierte, ist weder schlüssig erklärt noch in irgendeiner Weise plausibel belegt worden, so dass es sich hier insoweit um eine unbewiesene Behauptung handelt. Auch stellt sich für einen Außenstehenden die Frage, warum der Kläger sich noch im Quartal 3/2002 eines Programms zur Vermeidung von Budgetüberschreitungen bedient, wenn er bei den Fallzahlen unterdurchschnittlich abgerechnet, er somit zu keinem Zeitpunkt nach Angaben der Beklagten fallzahlbegrenzt war, und er bereits im Quartal 1/2002 sein Praxisbudget nicht auszuschöpfen vermochte. Gegen das Vorbringen des Klägers spricht weiter - worauf die Beklagte hingewiesen hat - der nur geringe Rückgang des Fallwerts in Euro um lediglich sechs Prozent von 58,51 Euro je Fall im Quartal 3/2002 auf 55,02 Euro je Fall im Quartal 3/2003. Hätte der Kläger wirklich 30% zu wenig abgerechnet, müsste ihm jetzt nach seiner eigenen Rechtsauffassung ein um 24 Prozent höherer Fallwert, das wären ca. 14 EUR je Fall zusätzlich mit einem Fallwert von dann ca. 70 EUR, zustehen. Dass die Umstellung des Vergütungssystems auf Regelleistungsvolumen für einzelne Ärzte solche Gewinnsprünge zur Folge hat, ist bei unverändert gebliebenen Gesamtvergütungen und dem ausdrücklich verfolgten Ziel, die ärztlichen Einkommen zu stabilisieren, von vornherein außerordentlich unwahrscheinlich.
3b. Aber selbst wenn das Vorbringen des Klägers zutreffen sollte, dass er wegen des aufgetretenen Softwarefehlers im Jahr 2002 Behandlungsleistungen nicht erbracht bzw. Abrechnungsscheine nicht vorgelegt hat, könnte er für die Errechnung des Regelleistungsvolumens veränderte Abrechnungswerte des Jahres 2002 nicht beanspruchen. Hierfür besteht keine Rechtsgrundlage. Ein Härtefall liegt nicht vor.
Wie das SG ist auch der Senat der Auffassung, dass Nr. 4.5.1. Abs. 6 der Anlage 1 zum HVM Härtefällen ausreichend Rechnung trägt und hier kein Härtefall vorliegt, der es erfordert, trotz der bestandskräftig gewordenen Honorarabrechnungsbescheide für die Quartale 2002 abrechnungsfähige, aber nicht erbrachte bzw. nicht abgerechnete Umsätze dieses Jahres zu berücksichtigen.
Für die Frage aber, ob ein solcher Härtefall vorliegt, ist nicht auf die bloße Anzahl der gestrichenen Punkte bzw. deren Verhältnis zur Anzahl der angeforderten Punkte abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr das Gesamtbild der Honorarentwicklung des Vertragsarztes, insbesondere aber der Fallwert in Euro. Nach den vom Kläger unbestritten gebliebenen Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid lagen die Fallwerte mit 55,02 EUR im Quartal 3/03 um ca. 6 % unter dem Fallwert von 58,51 EUR in dem Referenzquartal 3/02. Auch im Vergleich zu dem Fallwert des Quartals 3/2001 mit 59,66 EUR beträgt der Rückgang nur 8,43 %. Der Kläger hat daher durch die Änderung der Systematik der Honorarverteilung ab dem Quartal 3/03 nur geringe Honorareinbußen erlitten. Der Sinn und Zweck einer Härtefallregelung besteht darin, dass der Vertragsarzt bei gleich bleibendem Leistungserbringungsvolumen infolge der Festlegung praxisindividueller Punktzahlvolumina keinen unzumutbaren, existenziell bedrohlichen wirtschaftlichen Nachteil erleiden soll. Deshalb kann nicht jede wirtschaftliche Einbuße bereits einen Härtefall darstellen. Der erkennende Senat und das BSG haben deshalb in der Vergangenheit in ständiger Rechtsprechung einen Härtefall üblicherweise erst bei Umsatzeinbußen von mehr als 20 % bejaht, sodass es in keiner Weise zu beanstanden ist, wenn nach der Entscheidung des Vorstandes der damaligen KV Nord-Württemberg ein Härtefall im Sinne dieser Regelung erst dann angenommen wird, wenn der Fallwert in Euro um mehr als 10 % gegenüber demjenigen des maßgeblichen Referenzquartals zurück geht. Eine solche Einbuße ist bei dem Kläger mit lediglich 6 % indes nicht gegeben.
3c. Eine Härte unter dem Gesichtspunkt eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Grundrechte des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG liegt hier ebenfalls nicht vor. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf die vom BSG mit Urteilen vom 22.06.2005 (B 6 KA 19/04 R und B 6 KA 20/04 R) entwickelten Grundsätze. Diese lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, weil die zu Grunde liegenden Sachverhalte zu unterschiedlich sind. Das BSG hatte entschieden, dass die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet sind, denn Rückstellungen für Nachvergütungen und Anreize zur Verlagerung von Abrechnungen in Folgequartale seien möglichst zu vermeiden. Fristen für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dienten umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je weniger Ausnahmen sie zulassen. Auf der anderen Seite könnten von Ausschlussfristen erhebliche Wirkungen für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ausgehen. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der KÄV gesetzten Termin innerhalb der ersten zwei Wochen des neuen Quartals vorlegten, liefen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Die Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist seien durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige Einschränkung des durch Art 12 Abs 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer Leistungen dar (vgl. BSG SozR 4-2500 § 72 Nr 2 RdNr 129). Das billigenswerte Ziel möglichst frühzeitiger, zu einem einheitlichen Zeitpunkt abgeschlossener Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen rechtfertige und fordere eine derart rigide und vor allem kurze Ausschlussfrist nicht. Hier liegt die Situation aber anders: Der Kläger hat - die Richtigkeit dieser Angaben unterstellt - keine Leistungen mehr erbracht bzw. abgerechnet, weil ihm seine Praxissoftware fälschlicherweise die Überschreitung seiner Budgets anzeigte. Die von ihm - bei fehlender medizinischer Notwendigkeit ggf. vertragsarztwidrig - mit geringst möglichem Aufwand angestrebte möglichst optimale Ausnutzung seiner Budgets ist kein von Art. 12 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Gut, sondern Teil seines unternehmerischen Risikos. Dieses liegt allein in seiner Sphäre. Entscheidend aber ist, dass in den vom BSG entschiedenen Fällen für die betroffenen Ärzte mit Einkommensminderungen von weit über 30% eine außerordentliche Härte vorlag und die Beteiligten jenes Falles lediglich darüber stritten, ob diese Härte zu berücksichtigen ist und wenn ja, aus welchem Rechtsgrund. Demgegenüber fehlt es im vorliegenden Fall mit einer Einkommensminderung von lediglich 6% bzw. mit einer Einkommensminderung von nur zwei Prozent bezogen auf die zwei Wertentwicklung von 2001 zu 2002 bereits an einer Härte. Damit kann von unverhältnismäßigen Auswirkungen des neuen Vergütungssystems keine Rede sein.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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