L 12 AS 947/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 682/07 ER-B
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 947/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Mannheim vom 4.1.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Bei dem Rechtsstreit geht es um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach SGB II ab 1.7.2006.

Die am 30.10.1985 geborene Antragstellerin (Ast.) lebt noch im elterlichen Haushalt und nimmt seit 1.9.2005 an einer Ausbildung zur Bürokauffrau teil. Diese Ausbildung dauert voraussichtlich bis Ende August 2007. Die Maßnahme wird von der Antragsgegnerin (Ag.) durch Zahlung von Lehrgangs- und Fahrkosten gefördert. Zudem hatte die Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II) bis 30.6.2006 erhalten.

Mit Schreiben der Ag. vom 14.7.2006 wurde die Ast. darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Gesetzesänderung Jugendliche unter 25 Jahren, die mit den Eltern in einem Haushalt leben, in deren Bedarfsgemeinschaft geführt würden. Der gestellte Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes wurde durch Bescheid vom 20.9.2006 abgelehnt, da keine Hilfebedürftigkeit bestehe. Der Widerspruch wurde mit vom 4.12.2006 zurückgewiesen. Die Bedarfsgemeinschaft verfüge über ein Gesamteinkommen von 2.660,32 EUR; wobei der Vater der Ast. ein Nettoeinkommen von 2.576,32 EUR erziele. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Ast. seien daher durch das Einkommen der Eltern voll gedeckt.

Am 30.1.2006 beantragte die Ast. den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht M. (SG). Sie machte geltend, die Ag. sei nicht berechtigt, ihr Leistungen ab 1.7.2006 vorzuenthalten. Dadurch werde gegen den Vertrauensgrundsatz und das Rückwirkungsverbot verstoßen. In die Förderung der von ihr begonnenen Ausbildung werde dadurch eingegriffen, dass nicht mehr die Leistung für den Lebensunterhalt getragen würden. Es fehle eine Übergangsregelung. Sie hätte die Ausbildung nicht in der von der Ag. geförderten Weise begonnen, wenn sie hätte ahnen können, dass ihr nach einem Jahr die Leistungen für den Lebensunterhalt verweigert würden. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Tatsache, dass sie dringend auf die Leistungen angewiesen sei. Ein Zuwarten, bis über ihren Widerspruch entschieden sei, sei ihr nicht zuzumuten.

Mit Beschluss vom 4.1.2007 wies das SG den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zurück. In den Gründen führte es aus, es bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Der Ast. stehe seit 1.7.2006 kein eigener Anspruch auf Arbeitslosengeld II mehr zu, denn nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehöre sie aufgrund ihres Lebensalters noch zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern. Bei zwangsläufig summarischer Prüfung der Rechtslage vermöge das Gericht auch keine Verfassungswidrigkeit dieser Neuregelung zu erkennen, die Anlass zur Verfahrensaussetzung und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geben könnte. Ein verfassungsrechtlich geschützter Vertrauenstatbestand auf Fortbestand der Rechtslage zur Gewährung des Arbeitslosengeldes II für die Dauer der Ausbildung sei nicht ersichtlich. Wenn die Ast. jetzt der Bedarfsgemeinschaft der Eltern zugeordnet werde, so könnten für sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes dann entstehen, wenn die Familie insgesamt bedürftig werde. Liege dies aber - wie im Falle der Antragstellerin - nicht vor, so liege es noch im Rahmen der Unterhaltspflicht der Eltern, für den Lebensunterhalt der bei ihr wohnenden Tochter für die Dauer der Ausbildung zu sorgen. Für die Antragstellerin bestehe auch kein Rechtsanspruch auf Darlehensgewährung nach § 16 Abs. 4 SGB II. Die Ag. handle nicht ermessensfehlerhaft, da die Darlehensgewährung nicht die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beträfen, sondern alleine die in § 16 Abs. 1 SGB II genannten Leistungen zur Eingliederung. Diese Leistungen erhalte die Ast. aber durch die Zahlung von Lehrgangs- und Fahrkosten. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sei auch kein Anordnungsgrund vorgebracht worden. Alleine der Umstand, dass der Ast. die vorherige Leistung nicht mehr zur Verfügung stehe, reiche nicht aus. Erforderlich wäre hierzu, dass die Ast. bzw. ihre Familie in eine wirtschaftliche Notlage geraten würde, wenn sie das Hauptsacheverfahren abwarten müssten. Bei dem Einkommen der Familie sei es auch nicht zwingend, dass der Wegfall des Arbeitslosengeldes II die Antragstellerin zum Abbruch der Berufsausbildung zwänge.

Gegen diesen Beschluss hat die Ast. Beschwerde eingelegt, welches das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg vorlegte.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat weist sie aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch auszuführen, dass der Senat keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ab 1.7.2006 geltende Fassung des § 7 Abs. 3 Ziff. 2 SGB II hat. Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Neuregelung war es zu verhindern, dass erwerbsfähige minderjährige Kinder im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II dann, wenn sie volljährig werden, selbst zu Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 SGB II werden. Sie konnten dann die Haushalts- und Bedarfsgemeinschaft verlassen und selbst die vollen Leistungen nach §§ 20, 22 SGB II beziehen. Dies zu erschweren und tendenziell zu unterbinden war der Zweck der genannten gesetzlichen Neuregelung. Der Senat sieht dies als verfassungsrechtlich unbedenklich an. Auch liegt kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot vor. In Betracht käme nur die so genannte unechte Rückwirkung, da die Rechtsfolgen nicht in die Vergangenheit wirken. Im vorliegenden Fall konnte die Ast. nicht darauf vertrauen, dass die Vorschriften über die Bedarfsgemeinschaften im SGB II nicht geändert werden. Die Leistungen nach dem SGB II sind steuerfinanziert, sie beruhen nicht auf eigenen Beiträgen des Betroffenen und besitzen deshalb nur einen geringen Vertrauensschutz. Die Ausbildung der Ast. war nicht durch die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern durch Leistungen zur Berufsausbildung gewährleistet. Diese erhält die Ast. nach wie vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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