L 8 VS 3494/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VS 2677/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 VS 3494/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Juli 2004, der Bescheid des Beklagten vom 9. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2001 sowie der Bescheid vom 16. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 abgeändert und es wird festgestellt, dass die Gesundheitsstörung "postthrombotischer Venenschaden nach tiefer Thrombose des linken Beines mit postthrombotischen Veränderungen" weitere Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Sechstel der außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung einer weiteren Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung sowie die rückwirkende Erhöhung des Grads der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE).

Der 1938 geborene Kläger leistete ab 01.04.1959 Wehrdienst in der Deutschen Bundeswehr. Am 07.08.1959 zog er sich bei einem Sturz aus dem Fenster einen Trümmerbruch des linken Tibia-Kopfes mit starker Fragmentverschiebung zu. Das Versorgungsamt I Stuttgart anerkannte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 19.12.1960 (Bl. 12 der B-Akten) diesen Unfall als Wehrdienstbeschädigung und stellte als Folgen dieser Wehrdienstbeschädigung eine "Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk nach Bruch des linken äußeren Schienbeinknorrens" sowie "Narben am linken Kniegelenk" fest. Die Gewährung einer Rente wurde damals abgelehnt, weil durch die Schädigungsfolgen keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 25 v. H. erreicht wurde. Eine Rente erhält der Kläger aber seit Januar 1963, nachdem festgestellt wurde, dass sich die Wehrdienstbeschädigung und deren Folgen wesentlich verschlimmert hatten. Im Gutachten vom 26.06.1963 (Bl. 44 ff der B-Akten) wurde zur Begründung für das Vorliegen einer Verschlimmerung u.a. ausgeführt: "Ferner bestand schon am Vormittag eine deutliche Blutrückflussstörung im linken Unterschenkel ohne variköse Venenveränderung. Man muss daher diesen Befund auf den Kniegelenksschaden beziehen". Vom Versorgungsamt Heilbronn (VA) wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.11.1988 (Blatt 469) als Wehrdienstbeschädigung eine "Streck- und Beugebehinderung, X-Fehlstellung und entartende Veränderungen vor allem im äußeren Kniegelenksanteil sowie im Kniescheibengleitlager nach in Fehlstellung verheiltem Bruch des linken äußeren Schienbeinknorrens mit Gelenkbeteiligung, Narben am linken Kniegelenk, Blutumlaufstörung am linken Unterschenkel, Spitzfuß links" als Wehrdienstbeschädigungsfolgen unter Einbeziehung einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Höhe von 10 vH mit einer MdE um 60 vH seit dem 01.09.1988 festgestellt. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 13.02.1998 (Blatt 897) stellte das VA als weitere Wehrdienstbeschädigungsfolge einen " Fersensporn linker Fuß" unter Beibehaltung des MdE um 60 vH gem. § 30 Abs. 1 und 2 BVG fest.

Am 09.02.2001 beantragte der Kläger beim VA die Neufeststellung des Versorgungsanspruches. Er machte eine alte Thrombose im linken Bein mit weiteren Folgen als zusätzliche Wehrdienstbeschädigungsfolge geltend und bat um rückwirkende Berücksichtigung. Er legte ärztliche Befundberichte vor. Das VA holte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 04.04.2001 ein, die unter Auswertung der vorgelegten Befundunterlagen zu der Beurteilung gelangte, die funktionellen Auswirkungen eines inzwischen nachgewiesenen Verschlusses der Poplitealvene links (gestörter venöser Blutrückfluss aus dem linken Fuß und Unterschenkel) seien seit dem Jahr 1963 als Schädigungsfolgen längst anerkannt. Eine wesentliche Änderung der Schädigungsfolgen ergebe sich nicht. Die Bezeichnung der Schädigungsfolgen könne konkretisiert werden, sei jedoch nicht erforderlich. Auch im Übrigen gebe es keinen Anhalt für eine wesentliche Änderung der Schädigungsfolgen beim Kläger. Mit Bescheid vom 09.04.2001 lehnte das VA dem Antrag auf Neufeststellung des Versorgungsanspruches ab.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 18.05.2001 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamtes Baden-Württemberg vom 26.06.2001 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen erhob der Kläger am 04.07.2001 beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage (S 1 V 1583/01). Er machte geltend, es gehe ihm vor allem darum, dass "die Fehlbewertung von 1960 bis 1988 korrigiert wird und die besondere berufliche Betroffenheit (bisher 10%) höher bewertet wird." (Schriftsatz seines damaligen Prozessbevollmächtigten vom 19.09.2001; Bl. 14 der SG-Akte). Auf Antrag der Beteiligten ordnete das SG mit Beschluss vom 17.12.2001 das Ruhen des Verfahrens an.

Mit Bescheid vom 16.05.2002 lehnte das VA nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 24.04.2002 den Antrag des Klägers auf rückwirkende Höherbewertung des MdE ab. Die Voraussetzungen hierfür seien nicht erfüllt. Die Erteilung eines Rücknahmebescheides für den Zeitraum von 1960 bis 1988 sei schon im Hinblick auf die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X nicht möglich. Zum anderen könne nicht die Feststellung getroffen werden, dass die vor dem 03.11.1988 ergangenen Bescheide vom 19.12.1960, 04.07.1963, 15.12.1983 und 23.05.1985 unrichtig gewesen seien.

Mit weiterem Bescheid vom 17.05.2002 lehnte das VA außerdem den Antrag des Klägers auf rückwirkende Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit nach § 44 SGB X i.V.m. § 30 Abs. 2 BVG ab. Mit rechtsverbindlichem Bescheid vom 13.5.1976 sei festgestellt worden, dass das Ausmaß der beim Kläger vorliegenden besonderen beruflichen Betroffenheit über eine Erhöhung von 10 vH nicht hinausgehe. Es seien keine neuen Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen vorgebracht worden. Der Antrag stütze sich vielmehr auf dasselbe Vorbringen, welches bereits Gegenstand der genannten Entscheidung gewesen sei.

Gegen die Bescheide vom 16.05.2002 und 17.05.2002 erhob der Kläger am 17.06.2002 Widerspruch. Er machte geltend, er habe zu Recht beantragt, bereits ab 1960 eine MdE um 50 vH gem. § 30 Abs. 1 BVG zuerkannt zu erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2002 und 11.09.2002 wurden die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 16.05.2002 und 17.05.2002 vom Landesversorgungsamt Baden-Württemberg zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.10.2002 Klagen beim SG (S 1 V 2678/02 und S 1 V 2679/02), die mit Beschlüssen des SG vom 16.12.2002 zum wieder angerufenen Verfahren S 1 V 1583/01, das unter dem Aktenzeichen S 1 VS 2677/02 fortgeführt wurde, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden.

Der Kläger machte zur Begründung der Klagen geltend, er begehre eine Abänderung der angefochtenen Bescheide insoweit, als seinem umfassenden Antrag auf weitere Erhöhung der MdE nicht entsprochen worden sei. Er berief sich hierzu auf eine erlittene Thrombose als Wehrdienstbeschädigungsfolge, eine Verschlechterung der Schmerzsymptomatik im Sprung- und Kniegelenksbereich, auf Schmerzen im Zusammenhang mit Hüftgelenks- und Wirbelsäulenschäden und auf Beschwerden in Beckenbereich, die unzutreffend nicht als Wehrdienstbeschädigung anerkannt worden seien. Der Bescheid vom 19.12.1960 sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen und habe nur Teile der MdE voll berücksichtigt. Gegen eine Beschränkung der Rückwirkung bestünden erhebliche, auch verfassungsrechtliche Bedenken. Seines Erachtens sei ein längerer Rückwirkungszeitraum in Ansatz zu bringen. Auch die Ansicht des Beklagten, eine Erhöhung aufgrund besonderer beruflicher Betroffenheit über 10 vH hinaus sei nicht möglich, begegne erheblichen Bedenken.

Der Beklagte trat den Klagen entgegen. Es sei davon auszugehen, dass in den Verhältnissen, welche der Entscheidung vom 03.11.1988 zugrunde gelegen hätten, eine wesentliche Verschlimmerung nicht eingetreten sei. Die hinreichend bezeichneten Schädigungsfolgen seien mit einer MdE um 50 vH angemessen bewertet worden. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rücknahmebescheides gem. § 44 Abs. 1 SGB X seien nicht gegeben. Die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG sei mit Bescheid vom 13.05.1976 auf ein vom Kläger angenommenes Angebot des VA hin erfolgt. Der Kläger habe keine neuen Tatsachen vorgetragen, welche erkennen ließen, dass bei Erteilung des Bescheides vom 13.05.1976 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rücknahmebescheides gem. § 44 Abs. 1 SGB X auch insoweit nicht gegeben seien.

Das SG holte das gefäßchirurigische Gutachten des Dr. E., Klinikum L., vom 02.03.2004 ein. Er gelangte in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, bei einem nahezu normentsprechenden, altersentsprechenden Befund des venösen und arteriellen Systems beider Beine lassen sich keine relevante Gesundheitsstörung feststellen. Es fänden sich lediglich im Bereich des linken Sprunggelenkes Hinweise auf eine chronisch venöse Insuffizienz Stadium I. Der Begriff "Umlaufstörung" entspreche nicht der medizinischen Terminologie und sei zur Bezeichnung eines Gefäßschadens gänzlich ungeeignet. Aus gefäßchirurigischer Sicht lägen keine Gesundheitsstörungen vor, die eine MdE beim Kläger bedingen.

Gegen das Gutachten von Dr. E. erhob der Kläger Einwendungen. Dr. E. habe ihn nicht untersucht. Er habe vorliegende Befundunterlagen nur ungenügend gewürdigt. Er habe sich auch nicht über die schädigungsbedingte MdE geäußert, die mit mindestens 60 vH anzunehmen sei. Der Kläger legte den Arztbrief des Dr. H. vom 17.06. 2004 vor, in dem mitgeteilt wurde, ob das diagnostizierte postthrombotische Syndrom links mit der Wehrdienstbeschädigung zusammenhänge, müsse einer speziellen Klärung vorbehalten bleiben.

Der Beklagte ist unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Rauch vom 30.04.2004 den Klagen weiter entgegengetreten. Die Auswirkungen eines schädigungsbedingten postthrombotischen Syndroms am linken Bein seien in die Beurteilung bereits mit einbezogen worden. Betreffend die Tenorierung der Schädigungsfolgen werde empfohlen, die bisherige Bezeichnung "Blutumlaufstörungen am linken Unterschenkel" durch "Stauungssyndroms am linken Unterschenkel" zu ersetzen.

Mit Urteil vom 08.07.2004 wies das SG die Klagen ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Feststellung eines postthrombotischen Syndroms links bei alter Poplietalvenenthrombose als weitere Wehrdienstbeschädigungsfolge. Eine solche Gesundheitsstörung bestehe beim Kläger nicht. Er habe daher auch keinen Anspruch auf eine höhere Bewertung der bisher mit 60 vH eingeschätzten schädigungsbedingten MdE in der Zeit ab Januar 2001 (Zeitpunkt des Neufeststellungsantrages) und/oder rückwirkend ab 01.01.1997 (§ 44 Abs. 4 SGB X).

Gegen das am 22.07.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.08.2004 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, entgegen der Annahme des SG habe er einen Anspruch auf die Feststellung "eines postthrombotischen Syndroms im linken Bein mit alter Poplietalvenenthrombose" als weitere Wehrdienstbeschädigungsfolge. Die Verwertung des Gutachtens von Dr. E. durch das SG sei fehlerhaft gewesen und das SG habe die Feststellungen in dem Gutachten trotz seines rechtzeitigen Hinweises auf die bestehende Problematik ungeprüft übernommen. Das SG habe es unterlassen, ein weiteres, aufgrund des von ihm vorgelegten Berichtes von Dr. H. notwendiges, Sachverständigengutachten einzuholen. Das Urteil sei daher aufzuheben und an das SG zurückzuverweisen. Unzutreffend sei auch, dass die Voraussetzungen der §§ 44,48 SGB X nicht gegeben seien.

Der Kläger beantragt (noch),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 8. Juli 2004 abzuändern sowie die Bescheide des Beklagten vom 9. April 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 2001 und vom 16. Mai 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2002 aufzuheben, festzustellen, dass die Gesundheitsstörung " postthrombotischer Venenschaden nach tiefer Thrombose des linken Beines mit postthrombotischen Veränderungen " weitere Folge einer Wehrdienstbeschädigung ist und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger am 1. Januar 1997 Versorgung nach einer MdE mit mehr als 60 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Der Einholung eines weiteren Gutachtens auf Staatskosten bedürfe es nicht.

Der Rechtsstreit ist durch den Berichterstatter mit den Beteiligten in nichtöffentlicher Sitzung am 22.04.2005 erörtert worden.

Mit Schreiben vom 03.06.2005 (Bl 35 LSG-Akte) hat der Kläger seine Berufung, soweit sie gegen den Bescheid des Beklagten vom 17.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2002 auf rückwirkende Erhöhung des MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gerichtet war, zurückgenommen.

Der Senat hat Dr. H. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat in seiner Stellungnahme vom 09.06.2005 unter Vorlage seines Befundberichtes vom 06.02.2001 ausgeführt, wenn die ihm Rentenbescheid festgestellten "Blutumlaufstörungen" im linken Unterschenkel als arthrogenes Stauungssyndrom zu interpretieren seien, komme ein bisher nicht beschriebenes Ödem infolge der Tiefvenenschädigung als nicht anerkannte Funktionsstörung hinzu. Es sei wahrscheinlich, dass sich die beim Kläger festgestellte Tiefvenenthrombose am linken Bein unmittelbar durch den Tibiakopftrümmerbruch oder im Gefolge der erforderlichen Operation und postoperativen Phase ereignet habe.

Der Senat hat von Amts wegen das gefäßchirurgische Gutachten des Prof. Dr. H., K.hospital S., vom 15.09.2006 eingeholt. Er diagnostizierte in seinem Gutachten nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers eine erhebliche Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk nach Bruch des linken äußeren Schienbeinknorrens, das Erfordernis eines Stützapparates und Schuhausgleichs, einen geringeren postthrombotischen Venenschaden nach tiefer Thrombose des linken Beines mit minimalen postthrombotischen Veränderungen mit geringer Funktionseinbuße. Zur Zusammenhangsfrage gelangte Prof. Dr. H. zu der Bewertung, die Zuordnung zum schädigenden Ereignis am 07.08.1959 sei nur mit Wahrscheinlichkeit möglich. Die abgelaufene Schädigung sei thromboseträchtig. Theoretische Grundlagen und die erhobenen Befunde kritisch zusammenfassend dürfe davon ausgegangen werden, dass es schon im Rahmen des schädigungsbedingten Schienbeinkopfbruches links und seiner Behandlung zu einer tiefen Beinvenenthrombose links gekommen sei, die die vorderen Unterschenkelvenen, die Kniekehlenvene und die Oberschenkelvene betroffen habe. Es sei kein vernünftiger Grund zu sehen, den Zusammenhang des jetzt präzisierten Schadens mit dem schädigenden Ereignis abzulehnen. Schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen bzw. Umständen komme mit Wahrscheinlichkeit keine überragende oder annähernd gleichwertige Bedeutung zu. Eine MdE von 10 vH sei zum Zeitpunkt der Venografie durch Dr. H. am 15.01.2001 und davor anzusetzen. Eine Verschlimmerung oder Besserung der Wehrdienstbeschädigung sei nicht zu objektivieren. Die Gesamt-MdE betrage - unter Abzug der besonderen beruflichen Betroffenheit - unverändert 50 vH.

Die Beklagte hat unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 20.12.2006 angekündigt, nach Abschluss des berufungsgerichtlichen Verfahrens eine neue Bezeichnung der Schädigungsfolgen unter zusätzlicher Berücksichtigung eines postthrombotischen Venenschadens nach tiefer Thrombose des linken Beines mit postthrombotischen Veränderungen bei unveränderter Bewertung des MdE vorzunehmen und diesbezüglich einen neuen Bescheid zu erteilen.

In der mündlichen Verhandlung am 20.04.2007 ist der Kläger vom Senatsvorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass der Bescheid des Beklagten vom 17.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2002, mit dem der Antrag des Klägers auf Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG abgelehnt worden ist, nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist, weil der Kläger die Berufung insoweit zurückgenommen habe. Ferner hat der Senatsvorsitzende mitgeteilt, seiner Ansicht nach sei ein Anspruch auf eine MdE von mehr als 50 v.H. im vorliegenden Fall nicht zu begründen.

Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten sowie fünf Band Akten des Beklagten und ein Band Akten des Wehrbereichsgebührnisamtes V verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 17.05.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2002, mit denen dem Antrag des Klägers auf Höherbewertung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit gemäß § 30 Abs. 2 BVG nicht entsprochen wurde. Denn der Kläger hat insoweit mit Schriftsatz vom 03.06.2005 seine Berufung zurückgenommen.

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG frist- sowie formgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers, ist nur teilweise begründet. Die Gesundheitsstörung " postthrombotischer Venenschaden nach tiefer Thrombose des linken Beines mit postthrombotischen Veränderungen " ist als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anzuerkennen. Insoweit sind die angefochtenen Bescheide abzuändern. Im Übrigen ist seine Berufung nicht begründet. Er hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Versorgung nach einer MdE von über 60 vH ab 01.01.1997.

Neben der Anfechtungs- und Leistungsklage ist hier auch eine Feststellungsklage zulässig (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Die Festestellung einer Schädigungsfolge ist im sozialen Entschädigungsrecht - und damit auch im Recht der Soldatenversorgung - nicht nur die Feststellung einer Vorfrage für das Leistungsverhältnis (BSG Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R - SozR 3200 § 81 Nr. 16).

Nach § 80 Abs. 1 SVG erhält ein Soldat, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, nach Beendigung des Wehrdienstverhältnisses wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Wehrdienstbeschädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist.

Wehrdienstbeschädigung ist nach § 81 Abs. 1 SVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben dem Schädigungstatbestand - das schädigende Ereignis, die hierbei erlittene gesundheitliche Schädigung und die verbliebene Gesundheitsstörung gehören, müssen grundsätzlich erwiesen sein (vgl. BSGE 60, 58, 59 mwN). Der Nachweis von Tatsachen setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit voraus (BSGE 45, 285, 287). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn das Gericht sie in so hohem Grade für wahrscheinlich hält, dass alle Umstände des Falles nach vernünftigem Abwägen des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSGE aaO). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, d.h. bei Tatsachen, die den Anspruch begründen sollen, zu Lasten des Klägers (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 6, 70, 72).

Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (§ 81 Abs. 6 Satz 1 SVG). Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. auch BSG SozR 3100 § 1 Nr. 29 zu § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG; und Nr. 4.12 der Verwaltungsvorschrift zu § 81 SVG); der ursächliche Zusammenhang, für dessen Vorliegen der Beschädigte die Beweislast trägt, ist nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist.

Danach ist beim Kläger vom Beklagten zu den bisher anerkennten Wehrdienstbeschädigungsfolgen zusätzlich ein postthrombotischer Venenschaden nach tiefer Thrombose des linken Beines mit postthrombotischen Veränderungen im Sinne der Hervorrufung anzuerkennen. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund des im Berufungsverfahren eingeholten überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. H. vom 15.09.2006. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig. Bei der Feststellung der weiteren Schädigungsfolge handelt es sich nach Auffassung des Senats allerdings lediglich um eine Präzisierung der bereits anerkannten Schädigungsfolge " Blutumlaufstörung am linken Unterschenkel. "

Die (zur Präzisierung) festzustellende Wehrdienstbeschädigungsfolge rechtfertigt die rückwirkende Erhöhung des MdE von 60 vH gemäß § 30 Abs1 und 2 BVG jedoch nicht. Der beim Kläger nach den von Prof. Dr. H. erhobenen Befunden bestehende geringgradige postthrombotische Venenschaden mit nur geringem Funktionsausfall bedingt nach der überzeugenden Bewertung von Prof. Dr. H. lediglich eine MdE von 10. Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Dieser geringe Funktionsausfall mit einer MdE von 10 vH führt nicht zu einer Erhöhung der Gesamt-MdE. Dem entspricht auch die Bewertung durch Prof. Dr. H., der - unter Abzug des Anteils für die besondere berufliche Betroffenheit des Klägers - die Gesamt-MdE weiterhin auf 50 vH einschätzt. Nach den vom Sachverständigen erhobenen Befunden ist die Beeinträchtigung des Klägers durch die vorhandenen Schädigungsfolgen keinesfalls gravierender als der Verlust des Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke. Für diesen Schaden ist nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX), Ausgabe 2004, (AHP) eine MdE von 50 v.H. angemessen (AHP S. 123). Die vom Sachverständigen festgestellte erhebliche Bewegungseinschränkung im linken Kniegelenk (0/20/90) ergibt nach den AHP eine Einzel-MdE von 30 (AHP S. 126). Dies macht deutlich, dass mit der Feststellung einer MdE von 50 v.H. zusätzliche Gesichtspunkte wie z. B. Schmerzen und die (geringe) Funktionseinbuße durch die postthrombotischen Veränderungen bereits berücksichtigt worden sind.

Der Senat stimmt deshalb auch der Ansicht von Dr. H. zu, die in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.04.2001 darauf hingewiesen hat, dass die funktionellen Beeinträchtigungen der später als postthrombotischer Venenschaden diagnostizierten Gesundheitsstörung bei der Bewertung der MdE bereits seit 1963 faktisch berücksichtigt worden ist. Dies folgt aus den Darlegungen im Gutachten vom 26.06.1963 sowie dem Umstand, dass für die Bewertung der MdE maßgeblich auf die Befunde und nicht auf die Diagnose abzustellen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved