L 10 R 3098/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 460/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3098/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 04.07.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge zur Rentenversicherung für die Zeit vor dem Jahr 2003 hat.

Die 1944 geborene Klägerin hat von 1960 bis zum Mai 1982 Beiträge zur Beklagten entrichtet, den letzten Pflichtbeitrag im Mai 1982. Sie ist seit September 1998 als Schwerbehinderte anerkannt.

Die Klägerin hat sich in den Jahren 1989, 1991 und im März 1998 Versicherungsverläufe ausstellen lassen. Am 25.07.2001 stellte die Klägerin bei ihrer Ortsbehörde einen weiteren Antrag auf Kontenklärung. Eine bisherige Entrichtung freiwilliger Beiträge verneinte sie. Im Fragebogen zur Prüfung der Vertrauensschutzregelungen bei vorzeitigen Altersrenten (R 240), bei der Ortsbehörde am 11.9.2001 abgegeben, hat die Klägerin dann - erstmals nachweisbar - angegeben, sie sei schwerbehindert. Daraufhin erhielt die Klägerin von der Beklagten die Rentenauskunft vom 02.10.2001. Darin sind auf S. 2 unten die berücksichtigungsfähigen Monate (377) angegeben und auf S. 3 wird im zweiten Absatz darauf hingewiesen, dass die Wartezeit für eine Altersrente für Schwerbehinderte 35 Jahre beträgt und diese Wartezeit derzeit mit 377 Monaten nicht erfüllt ist. Auf S. 4 wird im vierten Absatz darauf hingewiesen, dass kein Rentenabschlag aufgrund der Vertrauensschutzregelung bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2004 bestehe.

Am 05.12.2003 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie wolle frühest möglich die Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen und bat um Zulassung zur Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für die Zeit vor 2003. Sie wies darauf hin, dass sie in den letzten Jahren mehrmals bei der Auskunftsstelle der Gemeinde sowie dem Versichertenältesten vorgesprochen habe - unter Vorlage ihrer Unterlagen -, jedoch sei sie nicht auf die Möglichkeit der freiwilligen Beitragszahlung aufmerksam gemacht worden.

Mit Bescheid vom 01.03.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei berechtigt, ab 01.01.2003 freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu zahlen.

Mit Bescheid vom 03.03.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Nachzahlung freiwilliger Beiträge für Zeiten vor dem 01.01.2003 mit dem Hinweis ab, freiwillige Beiträge seien wirksam, wenn sie bis zum 31.03. des Jahres, das dem Jahr folge, für das sie gelten sollten, gezahlt seien. In Fällen besonderer Härte könne dem Versicherten die Zahlung von freiwilligen Beiträgen auch außerhalb dieser Frist gestattet werden, wenn der Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert gewesen sei. Der Antrag könne nur innerhalb von drei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werden. Im Falle der Klägerin sei ein Hinderungsgrund bzw. ein Beratungsmangel nicht nachgewiesen.

Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin vor, bei ihr liege ein Beratungsmangel vor. Trotz ihrer Vorsprachen in den Jahren 1998 und 2001 beim Versichertenältesten bzw. bei der Ortsbehörde sei sie nicht auf eine freiwillige Beitragszahlung aufmerksam gemacht worden. Bei dem Versichertenältesten habe es sich um Herrn B. gehandelt.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Versichertenälteste B. unter dem 19.11.2004 mit, er führe kein Tagebuch über Namen und Fragen der Versicherten während seiner Sprechstunden und könne deshalb nicht sagen, ob es bei der Vorsprache der Klägerin auch um die Frage der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zur Erfüllung der Wartezeit für eine Altersrente nach § 236a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gegangen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2005 wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 17.02.2005 Klage zum Sozialgericht Mannheim erhoben und ergänzend darauf hingewiesen, in ihrem Antrag auf Kontenklärung vom 25.07.2001 habe sie unter Punkt 4.6 (freiwillige Beiträge) "nein" angekreuzt. Spätestens hier hätte die Beklagte nachhaken müssen.

Das Sozialgericht hat am 30.06.2005 den Versichertenältesten B. als Zeugen vernommen. Er hat sich an nichts Wesentliches erinnern können. Bezüglich seiner Aussage wird auf den Inhalt des Protokolls verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.07.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, die Klägerin gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI zur nachträglichen Beitragszahlung für Zeiträume vor dem 01.01.2003 zuzulassen. Gemäß § 197 Abs. 3 SGB VI sei in Fällen besonderer Härte, insbesondere bei drohendem Verlust der Anwartschaft auf eine Rente, auf Antrag der Versicherten die Zahlung von Beiträgen auch nach Ablauf der in den Abs. 1 und 2 von § 197 SGB VI genannten Fristen zuzulassen, wenn die Versicherte an der rechtzeitigen Beitragszahlung ohne Verschulden gehindert gewesen sei. Eine besondere Härte sei neben dem bereits vom Gesetz genannten Anwartschaftsverlust wegen Fehlens einzelner Beiträge auch dann anzunehmen, wenn Wartezeiten knapp verfehlt würden oder andere in Betracht kommende erhebliche Vergünstigungen verlorengehen könnten. Fälle besonderer Härte seien weiter denkbar, wenn die rechtzeitige Zahlung zahlreicher Beiträge unterblieben sei und Rente in erheblicher Höhe auf dem Spiel stehe. Ferner sei auch ein Fehlverhalten des Versicherungsträgers von Bedeutung, es müsse sich jedoch insgesamt gesehen immer um Fälle handeln, in denen es besonders hart sei, es beim Ablauf der Fristen von § 197 Abs. 1, 2 SGB VI zu belassen. Eine solche besondere Härte hat das Sozialgericht abgelehnt und u. a. ausgeführt, eine Verletzung der Beratungspflicht durch die Beklagte sei nicht nachgewiesen. So habe die Klägerin nicht nachweisen können, dass der Zeuge B. überhaupt von ihrer Schwerbehinderteneigenschaft gewusst habe.

Gegen den am 06.07.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 27.07.2005 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht, sie habe immer wieder auf ihren Status als Schwerbehinderte hingewiesen. Vor diesem Hintergrund habe jedoch ein konkreter Beratungsbedarf bestanden. Sie hat hierzu zahlreiche Unterlagen vorgelegt. Im Übrigen sei in der Rentenauskunft vom 02.10.2001 auf S. 4 darauf hingewiesen worden, dass kein Rentenabschlag aufgrund der Vertrauensschutzregelung bei einem Rentenbeginn ab 01.07.2004 stattfinde.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 04.07.2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 03.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.01.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie zur Entrichtung freiwilliger Beträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 01.01.2003 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass in der Rentenauskunft vom 02.10.2001 die damals berücksichtigungsfähigen 377 Monate angegeben worden seien und dass weiter der Hinweis erfolgt sei, dass die Wartezeit für eine Altersrente für Schwerbehinderte 35 Jahre betrage und diese Wartezeit mit 377 Monaten nicht erfüllt sei. Daraufhin hätte die Klägerin sich an die Beklagte wegen der Entrichtung freiwilliger Beiträge wenden müssen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen (§ 197 Abs. 2 und 3 SGB VI) für die hier von der Klägerin begehrte Nachentrichtung freiwilliger Beiträge dargelegt und das Vorliegen einer besonderen Härte im Ergebnis zutreffend verneint. Insbesondere hat das SG zutreffend den Nachweis eines Beratungsfehlers durch die Beklagte verneint. Der Senat sieht deshalb insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Eine Zulassung der Klägerin zur Zahlung von Beiträgen für die Zeit vor dem 01.01.2003 kommt nach den Ermittlungen des Senats insbesondere schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin an der rechtzeitigen Beitragszahlung nicht ohne Verschulden gehindert war (BSG, Urteil vom 18.12.2001, B 12 RA 4/01 R). Schuldhaft verhält sich der Versicherte bei Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig verhält er sich, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht lässt (vgl. § 276 Abs. 1 Satz 1, 2 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).

In der Rentenauskunft vom 02.10.2001 ist die Klägerin auf S. 3 2. Absatz darauf hingewiesen worden, dass die Wartezeit für die Altersrente für Schwerbehinderte 35 Jahre beträgt und diese Wartezeit - mit derzeit 377 Monaten - nicht erfüllt ist. Die Klägerin hätte sich bei gehöriger Sorgfalt diese Rentenauskunft genauer durchlesen und sich auf Grund des o.g. Hinweises sofort bezüglich der Entrichtung von freiwilligen Beiträgen an die Beklagte wenden müssen. Denn der Klägerin war diese Möglichkeit - Entrichtung freiwilliger Beiträge - bekannt. Dies folgt für den Senat aus der Tatsache, dass die Klägerin im Antrag auf Kontenklärung vom 25.07.2001 gerade eine solche Entrichtung verneinte.

Hätte sich die Klägerin dann umgehend an die Beklagte gewandt, hätte sie freiwillige Beiträge noch für die Jahre 2001 und 2002 nachentrichten können und hätte am 31.07.2004 die Wartezeit von 420 Monaten erfüllt gehabt. Sie hätte zwar dann nicht zum frühest möglichen Zeitpunkt - ab 01.07.2004 - Altersrente wegen Schwerbehinderung erhalten können, sondern erst ab 01.08.2004. Es kann offen bleiben, ob ein um einen Monat verzögerter Rentenbeginn einen Fall besonderer Härte im Sinne von § 197 Abs. 3 SGB VI darstellt. Denn auch in diesem Zusammenhang ist maßgebend, dass einerseits die Klägerin von ihrer seit September 1998 festgestellten Schwerbehinderteneigenschaft und deren rentenrechtlichen Relevanz wusste, dass andererseits aber nicht nachgewiesen ist, dass die Klägerin die Beklagte schon vor Juli 2001 hierüber informierte. Jedenfalls im Zeitpunkt der durch die nachfolgend ergangenen Kontenklärungsbescheide von 1989, 1991 und März 1998 anzunehmenden Vorsprachen konnte eine solche Information nicht erfolgt sein, weil die Schwerbehinderung erst ab September 1998 anerkannt wurde.

Im Übrigen hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass der Hinweis auf S. 4 der Rentenauskunft nichts mit der Erfüllung der Wartezeit zu tun hat.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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