Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3071/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4764/05 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Aussetzungsbeschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 21. September 2005 aufgehoben.
Gründe:
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig und sachlich begründet.
Das Sozialgericht hat das Klageverfahren S 9 AS 3071/05 zu Unrecht ausgesetzt. Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsstreit ausgesetzt werden kann, sind nicht erfüllt.
Nach dem hier allein in Betracht kommenden und vom Sozialgericht herangezogenen § 114 Abs. 2 Satz 1 1. Regelung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht in Fällen, in denen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Entscheidung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Gegen- stand des ausgesetzten Klageverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2005, mit dem die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II (Alg II)) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 1. Januar 2005 versagt hat. Eine zuvor ergangene gleichlautende Versagungsentscheidung vom 13. Dezember 2004 war Gegenstand des mit dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 31. Mai 2005 abgeschlossenen Klageverfahren S 9 AS 800/05, in welchem die Beklagte ein "Teilanerkenntnis" abgegeben hat, mit welchem sie sich verpflichtete, den Bescheid vom 13. Dezember 2004 aufzuheben. Das Sozialgericht hat die auf Aufhebung des Bescheids vom 13. Dezember 2004 gerichtete Anfechtungsklage wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig und die auf Verurteilung zur Gewährung des Alg II ab 1. Januar 2005 gerichtete weitergehende Leistungsklage ebenfalls als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die beim Senat anhängige Berufung des Klägers (L 13 AS 2702/05). Während des Laufs der Berufungsfrist hat die Beklagte mit Schreiben vom 16. Juni 2005 in Ausführung des "Teilanerkenntnisses" den Bescheid vom 13. Dezember 2004 aufgehoben und dieselbe Versagung ausgesprochen. Dieser erneute Versagungsbescheid ist gemäß § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, denn er tritt an die Stelle des früheren Versagungsbescheides, wiederholt die sich aus diesem ergebende Beschwer in vollem Umfang und ersetzt deshalb den früher streitbefangen gewesenen Versagungsbescheid im Sinn von § 96 Abs. 1 SGG (zur Ersetzung vgl. Großer Senat des Bundessozialgerichts (BSG) BSGE 75, 159, 165). Dass die Beklagte zeitgleich den früheren Bescheid ausdrücklich aufgehoben hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn die Aufhebung und die neue Versagung stellen eine einheitliche und als Ersetzung zu qualifizierende Regelung dar. Dass die Wirkungen von § 96 Abs. 1 SGG auch dann eintreten, wenn der neue Bescheid zeitlich nach der Gerichtsentscheidung, aber vor Einlegung der Berufung ergeht, ist anerkannt (vgl. BSGE 45, 49, 51; 47, 28, 31). Dass der in unmittelbarer Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG in das Berufungsverfahren einbezogene und dessen Gegenstand bildende Versagungsbescheid vom 16. Juni 2005 vom Kläger mit einer gesonderten Klage angegriffen worden ist, bedeutet aber nicht, dass damit die Entscheidung im Berufungsverfahren für das Klageverfahren ein vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinn von § 114 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative SGG darstellt. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn ausschließlich das Berufungsgericht darüber zu entscheiden hätte, ob ein mit einer gesonderten Klage beim Sozialgericht angegriffener Bescheid Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist oder nicht. Ein derartiges Prüfungs- und Entscheidungsmonopol des Berufungsgerichts besteht jedoch nicht. Zwar hat das Berufungsgericht für sein Verfahren eine solche Prüfung und Entscheidung vorzunehmen. Das Sozialgericht ist indes nicht gehindert, für sein Verfahren diese Vorfrage in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Denn nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen hat das Gericht, bei welchem ein Verfahren anhängig ist, den gesamten Streitstoff zu würdigen und über etwaige Vorfragen selbst zu entscheiden, soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist (vgl. BSGE 3, 121, 123; 29, 44 f.; BSG SozR 3-4100 § 141 Nr. 19). Letzteres ist aber nicht der Fall. Dass es deshalb zu divergierenden Entscheidungen über die Anwendung des § 96 SGG kommen kann, ist zwar unerfreulich, rechtfertigt aber keine Einschränkung der Entscheidungskompetenz des Sozialgerichts. Dass in einem solchen Fall im Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens zweckmäßig sein und deshalb angeordnet werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Das nicht erteilte Einverständnis des Klägers zum Ruhen kann indes nicht zum Anlass genommen werden, das Verfahren auszusetzen. Es liegt auch keiner der Sachverhalte vor, in denen in der Literatur eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 114 SGG diskutiert wird (vgl. Kummer in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 114 SGG Rz 47 f.).
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig und sachlich begründet.
Das Sozialgericht hat das Klageverfahren S 9 AS 3071/05 zu Unrecht ausgesetzt. Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsstreit ausgesetzt werden kann, sind nicht erfüllt.
Nach dem hier allein in Betracht kommenden und vom Sozialgericht herangezogenen § 114 Abs. 2 Satz 1 1. Regelung des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht in Fällen, in denen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Entscheidung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Gegen- stand des ausgesetzten Klageverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juli 2005, mit dem die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II (Alg II)) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 1. Januar 2005 versagt hat. Eine zuvor ergangene gleichlautende Versagungsentscheidung vom 13. Dezember 2004 war Gegenstand des mit dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 31. Mai 2005 abgeschlossenen Klageverfahren S 9 AS 800/05, in welchem die Beklagte ein "Teilanerkenntnis" abgegeben hat, mit welchem sie sich verpflichtete, den Bescheid vom 13. Dezember 2004 aufzuheben. Das Sozialgericht hat die auf Aufhebung des Bescheids vom 13. Dezember 2004 gerichtete Anfechtungsklage wegen eines fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig und die auf Verurteilung zur Gewährung des Alg II ab 1. Januar 2005 gerichtete weitergehende Leistungsklage ebenfalls als unzulässig abgewiesen. Dagegen richtet sich die beim Senat anhängige Berufung des Klägers (L 13 AS 2702/05). Während des Laufs der Berufungsfrist hat die Beklagte mit Schreiben vom 16. Juni 2005 in Ausführung des "Teilanerkenntnisses" den Bescheid vom 13. Dezember 2004 aufgehoben und dieselbe Versagung ausgesprochen. Dieser erneute Versagungsbescheid ist gemäß § 153 Abs. 1 SGG i.V.m. § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, denn er tritt an die Stelle des früheren Versagungsbescheides, wiederholt die sich aus diesem ergebende Beschwer in vollem Umfang und ersetzt deshalb den früher streitbefangen gewesenen Versagungsbescheid im Sinn von § 96 Abs. 1 SGG (zur Ersetzung vgl. Großer Senat des Bundessozialgerichts (BSG) BSGE 75, 159, 165). Dass die Beklagte zeitgleich den früheren Bescheid ausdrücklich aufgehoben hat, führt zu keiner anderen Beurteilung, denn die Aufhebung und die neue Versagung stellen eine einheitliche und als Ersetzung zu qualifizierende Regelung dar. Dass die Wirkungen von § 96 Abs. 1 SGG auch dann eintreten, wenn der neue Bescheid zeitlich nach der Gerichtsentscheidung, aber vor Einlegung der Berufung ergeht, ist anerkannt (vgl. BSGE 45, 49, 51; 47, 28, 31). Dass der in unmittelbarer Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG in das Berufungsverfahren einbezogene und dessen Gegenstand bildende Versagungsbescheid vom 16. Juni 2005 vom Kläger mit einer gesonderten Klage angegriffen worden ist, bedeutet aber nicht, dass damit die Entscheidung im Berufungsverfahren für das Klageverfahren ein vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinn von § 114 Abs. 2 Satz 1 1. Alternative SGG darstellt. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn ausschließlich das Berufungsgericht darüber zu entscheiden hätte, ob ein mit einer gesonderten Klage beim Sozialgericht angegriffener Bescheid Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist oder nicht. Ein derartiges Prüfungs- und Entscheidungsmonopol des Berufungsgerichts besteht jedoch nicht. Zwar hat das Berufungsgericht für sein Verfahren eine solche Prüfung und Entscheidung vorzunehmen. Das Sozialgericht ist indes nicht gehindert, für sein Verfahren diese Vorfrage in eigener Zuständigkeit zu entscheiden. Denn nach allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsätzen hat das Gericht, bei welchem ein Verfahren anhängig ist, den gesamten Streitstoff zu würdigen und über etwaige Vorfragen selbst zu entscheiden, soweit nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist (vgl. BSGE 3, 121, 123; 29, 44 f.; BSG SozR 3-4100 § 141 Nr. 19). Letzteres ist aber nicht der Fall. Dass es deshalb zu divergierenden Entscheidungen über die Anwendung des § 96 SGG kommen kann, ist zwar unerfreulich, rechtfertigt aber keine Einschränkung der Entscheidungskompetenz des Sozialgerichts. Dass in einem solchen Fall im Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens zweckmäßig sein und deshalb angeordnet werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Das nicht erteilte Einverständnis des Klägers zum Ruhen kann indes nicht zum Anlass genommen werden, das Verfahren auszusetzen. Es liegt auch keiner der Sachverhalte vor, in denen in der Literatur eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 114 SGG diskutiert wird (vgl. Kummer in Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 114 SGG Rz 47 f.).
Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (vgl. § 177 SGG).
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