L 11 KR 1135/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 2319/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1135/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld (Krg).

Der 1956 geborene bei der Beklagten versicherte Kläger erhielt bis zum 02.12.2005 Arbeitslosengeld.

Am 08.12.2005 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes für Neurochirurgie Dr. B. vom 07.12.2005, wonach der Kläger seit 05.12. bis einschließlich 22.12.2005 voraussichtlich wegen der Diagnose M53.20 V (Instabilität der Wirbelsäule) arbeitsunfähig ist, die Gewährung von Krg. Auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung befindet sich der Vermerk, dass nach einem Konsil in L. am 23.11.2005 eine operative Fusion zervikal und lumbal geplant werde. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass spätestens ab dem Konsil am 23.11.2005 von Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei. Die Arbeitsunfähigkeit sei während des Bezugs von Arbeitslosengeld eingetreten. Deshalb sei Krg in Höhe des Arbeitslosengeldes zu zahlen.

Die Beklagte hörte hierzu die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK). Diese vertrat die Auffassung, dass Arbeitsunfähigkeit ab 23.11.2005 nicht nachvollziehbar sei.

Am 22.12.2005 ging bei der Beklagten eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. B. vom 22.12.2005 ein. Dieser ist zu entnehmen, dass der Kläger seit 05.12.2005 arbeitsunfähig ist und dieser Zustand bis voraussichtlich einschließlich 17.01.2006 andauert.

Mit Bescheid vom 23.12.2005 lehnte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Krg ab. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund der Anspruchserschöpfung bei der Agentur für Arbeit am 02.12.2005 bestehe nur noch ein nachgehender Anspruch auf Krg. Ab dem 03.12.2005 habe der Kläger jedoch einen Anspruch auf Familienversicherung bei seiner Ehefrau. Damit entfalle der nachrangige Anspruch auf Krg. Eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 25.11.2005 sei ihr - der Beklagten - nicht vorgelegt worden. Sie sei nach den Angaben des Klägers auch nur diskutiert. Die nachträgliche Attestierung der Arbeitsunfähigkeit könne nicht akzeptiert werden. Die Behauptung eines früheren Beginns der Arbeitsunfähigkeit vor der ärztlichen Feststellung sei regelmäßig unbeachtlich.

Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass die Arbeitsunfähigkeit rückwirkend feststellbar sei. Eine Arbeitsunfähigkeit ab dem 23.11.2005 sei diskutiert worden und werde geltend gemacht. Ergänzend fügte der Kläger den Arztbrief des Prof. Dr. H., Leitender Arzt des Klinikums K.-L., über seine ambulante Vorstellung am 23.11.2005 bei. Nach dem Arztbrief besteht derzeit keine Operationsindikation.

Am 24.01.2006 reichte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. B. vom 20.01.2006 bis voraussichtlich 28.02.2006 ein.

Die Beklagte legte dem Kläger sodann unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG - B 1 KR 11/02 R -) vom 19.09.2002 dar, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krg mit der ärztlichen Feststellung am 07.12.2005 zu prüfen gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt habe der Arbeitslosengeldbezug und damit eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg nicht mehr bestanden. Damit könne ein Anspruch auf Krg nicht eingeräumt werden.

Hierauf reagierte der Kläger mit der Vorlage eines fachärztlichen Attestes des Dr. B. vom 01.03.2006, wonach er - der Kläger - ab 16.11.2005 bis zur Arbeitsunfähigkeitsattestierung vom 05.12.2005 durchgehend "arbeitsunfähig" gewesen sei. Mit dem Attest gingen auch zwei weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 01.03.2006 bis jeweils voraussichtlich 31.03.2006 ein. Als Beginn der Arbeitsunfähigkeit ist auf einer dieser Folgebescheinigung der 16.11.2005, auf der anderen der 05.12.2005 genannt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Anspruch auf Krg setze eine Versicherung voraus, die mit einer Berechtigung zum Bezug von Krg verbunden sei. Maßgebend seien dabei die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit. Gemäß § 190 Abs. 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ende die versicherungspflichtige Mitgliedschaft der Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittem Buch (SGB III) mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung bezogen werde. Beim Kläger habe der Bezug von Arbeitslosengeld wegen Anspruchserschöpfung zum 02.12.2005 geendet. Abweichend hiervon bleibe die Mitgliedschaft erhalten, solange unter anderem Anspruch auf Krg bestehe (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Voraussetzung hierfür sei bezugnehmend auf das Urteil des BSG vom 19.09.2002 nicht allein das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, sondern ein Anspruch auf Krg. Dieser setze neben Arbeitsunfähigkeit nach § 46 Satz 1 SGB V deren ärztliche Feststellung voraus. Ohne (vertrags-)ärztliche Feststellung könne kein Anspruch entstehen. Hieraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krg mit der ärztlichen Feststellung am 07.12.2005 zu prüfen gewesen seien. Zu diesem Zeitpunkt habe der Arbeitslosengeldbezug und somit eine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg nicht mehr bestanden. Das fachärztliche Attest vom 01.03.2006 vermöge hieran nichts zu ändern.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Er trug vor, es habe bei ihm bereits am 16.11.2005 Arbeitsunfähigkeit, die entsprechend attestiert worden sei, bestanden. Zu diesem Zeitpunkt habe eine Krankenversicherung mit Anspruch auf Krg vorgelegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 21.02.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 19.09.2002 aus, die Beklagte habe zu Recht einen Krg-Anspruch des Klägers ab 05.12.2005 verneint. Ab 03.12.2005 sei der Kläger entweder im Rahmen der Familienversicherung oder als Rentenantragsteller Mitglied der Beklagten gewesen. Beide Mitgliedschaften seien solche ohne Anspruch auf Krg. Aufgrund der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. B. vom 07.12.2005 habe dem Kläger deshalb ein Krg-Anspruch nicht zugestanden. Das Fortbestehen seiner früheren Mitgliedschaft als krankengeldberechtigter Arbeitslosengeldbezieher scheitere gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V daran, dass bis zum 02.12.2005 kein Anspruch auf Krg bestanden habe. Der Anspruch auf Krg entstehe erst von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit habe beim Kläger erst am 07.12.2005 stattgefunden. Rückwirkende ärztliche Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit ließen nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG einen Anspruch auf Krg nicht entstehen. Eine Ausnahme bestehe nur dann, wenn das Unterbleiben einer früheren vertragsärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse zuzuordnen oder der betreffende Versicherte nicht handlungsfähig gewesen sei. Ein derartiger Fall werde hier nicht geltend gemacht.

Dagegen hat der Kläger am 02.03.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen wiederholt, dass auf Grund der im November 2005 erfolgten und befürworteten Operationsindikation für die Halswirbelsäule Arbeitsunfähigkeit gegeben gewesen wäre. Das Urteil des BSG vom 19.09.2002 sei auf den vorliegenden Fall überhaupt nicht anwendbar.

Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 5. Dezember 2005 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu bewilligen, hilfsweise: Die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im Gerichtsbescheid.

Auf Nachfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Kläger bei ihr seit 03.12.2005 als Rentenantragsteller pflichtversichert ist.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nach den §§ 143, 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG auch statthaft, da ein Krg-Anspruch ab 05.12.2005 die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR übersteigt.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Krg ab 05.12.2005, da er zu diesem Zeitpunkt ohne Anspruch auf Krg versichert war.

Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Krg, eine Krankenversicherung mit Anspruch auf Krg und das Ende der versicherungspflichtigen Mitgliedschaft der Bezieher von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III sind im Widerspruchsbescheid vom 28.04.2006 zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen.

In Ansehung dieser rechtlichen Gegebenheiten hat der Kläger, wie vom SG im Gerichtsbescheid ausführlich und zutreffend begründet, keinen Anspruch auf Krg ab 05.12.2005. Auf die Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen.

Zur Klarstellung wird noch einmal darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf Krg bis zum Ablauf des Arbeitslosengeldes, d. h. bis zum 02.12.2005, war, dass zum einen der Kläger arbeitsunfähig war und zum anderen aber auch die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt und der Beklagten gemeldet worden ist. Zumindest die letzten beiden Punkte liegen hier nicht vor. Dr. B. stellte ausweislich der ersten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Arbeitsunfähigkeit am 07.12.2005 fest. Als Beginn gab er den 05.12.2005 an. Abgesehen davon, dass eine rückwirkende Feststellung von Arbeitsunfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG in seinem Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R - der sich der Senat anschließt, und nach § 5 Abs. 3 Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien grundsätzlich nicht möglich ist, wird damit das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit am 02.12.2005, dem Tag, an dem der Arbeitslosengeldbezug endete, nicht bestätigt. Eine Arbeitsunfähigkeit am 02.12.2005 ergibt sich auch nicht aus dem vorgelegten Arztbrief des Krankenhauses K.-L ... Der Brief enthält keinerlei Ausführungen zur Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Eine solche ist ihm hiermit nicht bescheinigt worden. Auch eine Operationsindikation hätte nicht zwangsläufig Arbeitsunfähigkeit zur Folge. Letztendlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben, denn eine solche wurde gerade nicht gestellt. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht das vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegte ärztliche Attest des Dr. B. vom 01.03.2006 und die Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung, wonach der Kläger ab 16.11.2005 durchgehend arbeitsunfähig gewesen ist. Abgesehen davon, dass sich Dr. B. zum unterschiedlichen Beginn der Arbeitsunfähigkeit in seinen vom gleichen Tag datierenden Bescheinigungen nicht weiter geäußert hat, handelt es sich hierbei um eine rückwirkende Feststellung, die - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich nicht akzeptiert wird. Ein Versicherter kann nicht mit der nachträglichen Behauptung, er sei während des Bezugs von Arbeitslosengeld, das er bei Arbeitsunfähigkeit nicht hätte erhalten dürfen, die ganze Zeit über zu Unrecht als arbeitslos statt als arbeitsunfähig behandelt worden, gehört werden. Er muss auch als Arbeitslosengeldbezieher mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit die notwendigen Schritte unternehmen, um eine mögliche Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen und seine Ansprüche zu wahren (vgl. BSG Urteil vom 19.09.2002 - B 1 KR 11/02 R -). Dies hat der Kläger nicht getan. Er hat erst nach Ablauf des Arbeitslosengeldbezugs den Arzt aufgesucht. Im übrigen ist im Hinblick auf dieses ärztliche Attest und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch zu beachten, dass sie der Beklagten erst am 03.03.2006 und damit nahezu dreieinhalb Monate nach dem Beginn der attestierten Arbeitsunfähigkeit vorgelegt wurden. Die Meldung der Arbeitsunfähigkeit erfolgte damit auch nicht innerhalb der von § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V gesetzten Wochenfrist, wonach die Meldung noch binnen Wochenfrist nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit vorgelegt werden kann. Folge dieses verspäteten Vorlegens ist nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V das Ruhen des Anspruchs auf Krg.

Ab 03.12.2005 war der Kläger als Rentenantragsteller versichert. Damit hatte er keinen Anspruch auf Krg. Rentenantragsteller sind zwar gemäß § 44 Abs. 1 SGB V nicht generell vom Krg-Bezug ausgeschlossen. Sie können einen Anspruch auf Krg haben, wenn sie noch in einem Arbeitsverhältnis stehen und ihnen aus diesem Grund Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen auf Grund der Erkrankung entgeht (KassKomm-Höfler § 44 SGB V RdNr. 2, 4). Dies war beim Kläger indessen nicht der Fall. Er war zu diesem Zeitpunkt ohne Bezüge, so dass durch das Krg ein entsprechender Verlust nicht auszugleichen ist.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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