L 13 AL 4002/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 76/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 4002/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. März 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie die Erstattung für den Zeitraum 20. September 1995 bis 31. März 1998 bereits erbrachter Leistungen in Höhe von 64.131,70 DM.

Der 1940 geborene, aus T. stammende Kläger meldete sich erstmals am 21. Dezember 1993 beim Arbeitsamt K. (jetzt: Agentur für Arbeit; AA) arbeitslos und beantragte Alg. Zuvor hatte er seit 18. August 1977 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Schmelzereiarbeiter bei der Firma G. F. Automobilguss GmbH gestanden. Das Arbeitsverhältnis endete durch am 29. Juni 1993 mit Wirkung zum 31. Dezember 1993 ausgesprochene fristgerechte und betriebsbedingte Kündigung der Arbeitgeberin. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte diese dem Kläger eine Abfindung in Höhe von 61.490,00 DM. Mit Bescheid vom 19. Januar 1994 stellte das AA zunächst den Eintritt einer den Anspruch auf Alg um 72 Tage mindernden und das Ruhen des Anspruchs auf Alg in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 21. März 1994 nach sich ziehenden Sperrzeit fest. Mit Bescheid gleichen Datums stellte das AA wegen der vom Arbeitgeber gezahlten Entlassungsentschädigung ein Ruhen des Anspruchs auf Alg bis 17. Juni 1994 fest. Auf den Widerspruch des Klägers vom 21. Januar 1994 hob das AA die Bescheide vom 19. Januar 2004 auf und bewilligte dem Kläger - unter Berücksichtigung eines bis 19. Januar 1994 dauernden Ruhens des Anspruchs wegen Urlaubsabgeltung - mit Bescheid vom 10. Februar 1994 Alg ab 20. Januar 1994 für die Dauer von 676 Tagen. Der wöchentliche Leistungssatz betrug 505,20 DM (gerundetes Bemessungsentgelt 1130; Leistungsgruppe C; Kindermerkmal 1). Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15. März 1996 Alhi ab 19. März 1996 in Höhe von 354,84 DM wöchentlich (gerundetes Bemessungsentgelt 1190; Leistungsgruppe C; Kindermerkmal 1; Ende des Bewilligungsabschnitts: 30. November 1996). Ab 1. Juli 1996 bezog der Kläger Alhi in Höhe von 344,04 DM wöchentlich (Bescheid vom 3. Juli 1996; gerundetes Bemessungsentgelt 1150, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1). Mit Bescheid vom 27. November 1996 bewilligte das AA bei gleichbleibenden Berechnungsgrundlagen Alhi für die Zeit vom 2. bis 4. Dezember 1996 in Höhe von 344,04 DM wöchentlich, mit Bescheid vom 13. Dezember 1996 für die Zeit vom 5. bis 31. Dezember 1996 in Höhe von 353,70 DM wöchentlich und mit Bescheid vom 2. Januar 1997 für die Zeit ab 1. Januar 1997 in Höhe von 346,50 DM wöchentlich (Ende des Bewilligungsabschnitts 30. November 1997). Ab 1. Juli 1997 betrug der wöchentliche Leistungssatz 344,10 DM (Bescheid vom 2. Juli 1997; gerundetes Bemessungsentgelt 1140, Leistungsgruppe C, Kindermerkmal 1); in gleicher Höhe bewilligte das AA Alhi ab 1. Dezember 1997 (Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 1997; Ende des Bewilligungsabschnitts 30. November 1998). Ab 1. Januar 1998 belief sich die Alhi auf 315,84 DM wöchentlich (Bescheid vom 21. Januar 1998); zum 1. April 1998 stellte die Beklagte die Leistungen ein. In sämtlichen Anträgen ist die Frage, ob der Kläger eine selbständige Tätigkeit ausübe, verneint.

Am 7. April 1998 sprach der Kläger beim AA vor und teilte mit, das Hauptzollamt habe bei einer Prüfung festgestellt, dass er ein selbständiges Gewerbe betreibe. Er habe die entsprechenden Fragen in den Antragsformularen wohl falsch verstanden. In seiner Erklärung vom 14. April 1998 gab der Kläger an, er verkaufe seit Ende 1995 Mehl an Bäckereien. Er habe den Mehlhandel jedoch zu keinem Zeitpunkt in einem Umfang von mehr als 15 Stunden wöchentlich betrieben. Er sei lediglich bei den Auslieferungsfahrten dabei gewesen und habe beim Verladen geholfen. Wegen des Inhalts dieser Erklärung sowie der vom Kläger in Auszügen nachgereichten Steuerbescheide für die Jahre 1995 und 1996 wird auf Bl. 52 bis 57 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Das Hauptzollamt S. übersandte mit Schrieben vom 23. April 1998 eine Aufstellung der sich aus den sichergestellten Tachoscheiben des Firmenfahrzeugs des Klägers (Kennzeichen) ergebenden Betriebsstunden (Bl. 64 bis 68 der Verwaltungsakte), eine Gewerbeanmeldung und eine Gewerbeabmeldung betreffend ein am 15. Januar 1992 aufgenommenes und am 16. November 1995 aufgegebenes Gewerbe "Im- und Export mit Waren aller Art, Einzelhandelsgeschäft" sowie eine Gewerbeanmeldung für die Lagerung und den Verkauf von Mehlsorten vom 20. September 1995. Nach Anhörung des Klägers (Anhörungsmitteilung vom 14. April 1999) hob das AA mit Bescheid vom 21. Juni 1999 die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 20. September 1995 bis 18. März 1996 und die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 19. März 1996 bis 31. März 1998 auf. Der Kläger habe die in diesen Zeiträumen zu Unrecht bezogenen Leistungen in Höhe von 49.917,19 DM nebst von der Beklagten geleisteter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 14.214,51 DM, insgesamt also 64.131,70 DM zu erstatten. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 30. Juni 1999 Widerspruch. Zur Begründung trug er vor, das AA sei zu Unrecht von einer mehr als geringfügigen Tätigkeit ausgegangen. Der Kläger habe vor Beginn der Tätigkeit über seine Tochter beim AA nachgefragt, welche Auswirkungen die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit auf seinen Anspruch auf Alg habe. Seine Tochter habe seinerzeit die Auskunft erhalten, dass eine Tätigkeit bis zu 15 Stunden wöchentlich unschädlich sei. Das Unternehmen sei als Familienbetrieb geführt worden. Seine Tochter habe den Schrift- und Telefonverkehr erledigt; sein Sohn und teilweise auch ein geringfügig Beschäftigter hätten das Mehl beim Lieferanten abgeholt und zu den Kunden ausgeliefert. Er selbst verfüge über keinen Führerschein und könne wegen gesundheitlicher Probleme nur sehr eingeschränkt beim Abladen der schweren Mehlsäcke helfen. Im Jahre 1995 habe der Umsatz 43.544,04 DM, im Jahre 1996 82.292,12 DM betragen. Im Ergebnis hätte sich in beiden Jahren ein Verlust ergeben, im Jahr 1995 in Höhe von 5.949,96 DM und im Jahr 1996 in Höhe von 30.448,31 DM. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 1999 wies die Widerspruchsstelle des AA den Widerspruch zurück.

Mit der am 17. Januar 2000 beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Die tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit habe geschätzt circa acht bis zwölf Stunden betragen, wobei die Arbeitszeiten naturgemäß unregelmäßig gewesen seien. Erst im Jahr 1998 sei der Umsatz deutlich angestiegen, weshalb er ab 1. März 1998 seinen Sohn als Vollzeitkraft eingestellt habe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Das SG hat in der nichtöffentlichen Sitzung am 10. August 2000 den Sohn des Klägers persönlich gehört und anschließend eine schriftliche Auskunft der Firma V. Mühlen- und Mischfutterwerke GmbH in F. eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 36 bis 40 und 48 bis 74 der Klageakten des SG Bezug genommen. Mit Urteil vom 21. März 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Überzeugung der Kammer stehe fest, dass der Kläger seit 20. September 1995 sein Gewerbe in mehr als geringfügigem Umfang ausgeübt habe. Zweifel hinsichtlich des tatsächlichen zeitlichen Umfangs gingen zu Lasten des Klägers, da dieser durch seine unrichtigen Angaben gegenüber der Beklagten eine zeitnahe Überprüfung unmöglich gemacht habe.

Gegen das ihm gemäß Empfangsbekenntnis am 8. September 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Oktober 2003 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zu Unrecht sei das SG von einer Beweislastumkehr ausgegangen. Die Beklagte habe vielmehr den Nachweis zu führen, dass er in einem die Arbeitslosigkeit ausschließenden Umfang gearbeitet habe. Dieser Beweis sei nicht erbracht. Darüber hinaus habe die Beklagte die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) nicht eingehalten; das SG habe gegen §§ 134, 135 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verstoßen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 21. März 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält ihren Bescheid für rechtmäßig und das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Einlassungen des Klägers hält sie nicht für glaubhaft.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG (S 5 AL 76/00) und die Berufungsakte des Senats (L 13 AL 4002/03) Bezug genommen, außerdem haben die Akten des Ermittlungs- und Strafverfahrens vorgelegen, auf die ebenfalls Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Sie ist statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 EUR übersteigt (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und auch im übrigen zulässig, da sie unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt wurde. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen. Gegenstand der Anfechtungsklage ist der die Aufhebung der Bewilligung von Alg für die Zeit vom 20. September 1995 bis 18. März 1996 und die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 19. März 1996 bis 31. März 1998 sowie die Erstattung erbrachter Leistungen in Höhe von insgesamt 64.131,70 DM verfügende Bescheid vom 21. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 1999. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides ist hinsichtlich der Aufhebung des dem Kläger Alg bewilligenden Bescheids vom 10. Februar 1994 § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III. Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Satz 2 Nr. 4). Die Bestimmung des § 330 Abs. 3 SGB III modifiziert § 48 SGB X wie folgt: Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Bei dem Bewilligungsbescheid vom 10. Februar 1994 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (Bundessozialgericht (BSG) BSGE 66, 134 , 136). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, ist darin zu sehen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Alg ab 20. September 1995 entfallen sind. Ab diesem Zeitpunkt stimmte die Leistungsbewilligung mit dem materiellen Recht nicht mehr überein.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Rücknahme- und Erstattungsbescheid hinsichtlich sämtlicher nachfolgender, dem Kläger für die Zeit vom 19. März 1996 bis 31. März 1998 Alhi bewilligender Bescheide ist § 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). Sämtliche dem Kläger Alhi bewilligenden Bescheide waren von Anfang an rechtswidrig, nachdem der Kläger bereits bei Erlass des ersten Bewilligungsbescheids vom 15. März 1996 eine selbständige Tätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang ausgeübt hat, deshalb nicht mehr arbeitslos gewesen ist und dieser Zustand jeweils bei Bekanntgabe der Bewilligungen von Alhi und darüber hinaus bis zum 31. März 1998 fortbestanden hat.

Gemäß § 100 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), der bis zum 31. Dezember 1997 galt, hatte Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim AA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Gemäß § 101 Abs. 1 AFG ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht arbeitslos, wenn er eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübt, die die Grenze des § 102 AFG überschreitet. Gemäß § 102 Abs. 1 AFG in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung (nach der Übergangsvorschrift des § 242y Abs. 1AFG weiterhin anzuwenden bis 31. Dezember 1997) ist kurzzeitig im Sinne des § 101 Abs. 1 eine Beschäftigung, die auf weniger als 18 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist. Gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Nach § 102 Abs. 2 AFG ist eine Beschäftigung u.a. nicht kurzzeitig, soweit die wöchentliche Arbeitszeit zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mindestens 18 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt. Gemäß § 101 Abs. 1 Satz 3 AFG in der ab 1. April 1997 geltenden Fassung steht die Fortführung einer mehr als geringfügigen, aber weniger als 18 Stunden umfassenden Tätigkeit als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger, die unmittelbar vor dem Tag aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens zehn Monate neben der Beschäftigung, die den Anspruch begründet, ausgeübt worden ist, der Arbeitslosigkeit nicht entgegen. Allerdings findet letztere Vorschrift für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1997 nach § 242 y Abs. 1 AFG ebenfalls keine Anwendung.

Nach § 134 Abs. 1 AFG in der bis zum 31. März 1997 geltenden Fassung (anzuwenden bis 31. Dezember 1997 (§ 242y Abs. 1 AFG)) hatte Anspruch auf Alhi, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat, keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104) nicht erfüllt, bedürftig ist und innerhalb eines Jahrs vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist), Alg bezogen hat, ohne dass der Anspruch nach § 119 Abs. 3 erloschen ist, oder mindestens hundertfünfzig Kalendertage, sofern der letzte Anspruch auf Alg oder Alhi nach § 119 Abs. 3 erloschen ist, danach mindestens zweihundertvierzig Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können. Nach § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG galten die Vorschriften des Ersten Unterabschnitts über Alg entsprechend, soweit die Besonderheiten der Alhi nicht entgegenstehen, so dass für die Arbeitslosigkeit §§ 101f. AFG entsprechend anzuwenden ist. Für die Zeit ab 1. Januar 1998 richtet sich der Anspruch auf Alhi nach §§ 190 ff. SGB III. Anspruchsvoraussetzung ist auch hier das Vorliegen von Arbeitslosigkeit (§ 190 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III setzt die Arbeitslosigkeit unter anderem voraus dass der Arbeitnehmer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit). Die Ausübung einer weniger als 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt (§ 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III). Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 SGB III stehen eine selbständige Tätigkeit und eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger einer Beschäftigung gleich. Die Fortführung einer mindestens 15 Stunden wöchentlich, aber weniger als 18 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit oder Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger, die unmittelbar vor dem Tag der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens zehn Monate neben der Beschäftigung , die den Anspruch begründet, ausgeübt worden ist, schließt Beschäftigungslosigkeit nicht aus (§ 118 Abs. 3 Satz 2 SGB III).

Der Kläger war ab dem 20. September 1995 nicht mehr arbeitslos im Sinne dieser Vorschriften. Zur vollen Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger seit diesem Zeitpunkt die Firma P. Mehl, Importer D., G., als selbständiger Gewerbetreibender in einem Umfang von mindestens 18 Stunden wöchentlich betrieben hat und deshalb nicht (mehr) arbeitslos gewesen ist. Dass der Kläger sein Betriebstätigkeit am 20. September 1995 aufgenommen hat, steht zunächst fest aufgrund der an diesem Tag erfolgten Gewerbeanmeldung beim Bürgermeisteramt G ... Wie die Firma V. Mühlen- und Mischfutterwerke GmbH in F. in ihrer schriftlichen Auskunft vom 28. August 2001, an deren Richtigkeit zu zweifeln für den Senat kein Anlass besteht, gegenüber dem SG mitgeteilt hat, bezog der Kläger bereits seit 29. Mai 1995 Mehl von dieser Firma. Die vorgelegten Kundenkontoauszüge der Finanzbuchhaltung weisen für die Monate Mai, Juni, August und September 1995 Mehllieferungen in erheblichem Umfang aus. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Gewerbebetrieb jedenfalls seit dem Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung eine umfassende Betriebstätigkeit entfaltete und deshalb sofort eine Tätigkeit des Klägers in mindestens 18-stündigem Umfang erforderte. Dafür spricht auch der im Jahr 1995 erzielte Umsatz in Höhe von 43.544,04 DM, der - obwohl das Gewerbe erst im September des Jahres angemeldet wurde - mehr als der Hälfe desjenigen des Folgejahres entsprach. Dass es sich von Anfang an um ein florierendes Unternehmen gehandelt hat, zeigt der Umstand, dass bereits im November 1996 ein (zweiter) Lastkraftwagen (Lkw) zum Preis von ca. 40.000,00 DM gekauft wurde. Am 9. April 1997 wurde dann noch ein zusätzlicher Anhänger zu diesem Lkw auf den Kläger zugelassen. Allein diese Investitionen belegen, dass der Geschäftsanfall im streitgegenständlichen Zeitraum von einem stetigen Wachstum geprägt war. Die Tätigkeit eines Selbständigen ist naturgemäß nicht auf die Kerntätigkeit - hier das Ausliefern zuvor eingekauften Mehls - beschränkt. Hinzu kommen zahlreiche weitere Betätigungen wie z. B. die Akquisition neuer Kunden, die Kundenpflege, Verwaltung, die Ausarbeitung und Gestaltung von Betriebsabläufen, die Anleitung und Überwachung von Mitarbeitern, die Organisation der Lagerhaltung, die Verwaltung und die Buchhaltung (vgl. BSG SozR 4100 § 102 Nr. 7; Urteil des erkennenden Senats vom 14. Juli 2000 - L 13 AL 3645/98 - veröffentlicht in JURIS). All diese Tätigkeiten nehmen einen selbständigen Gewerbetreibenden zeitlich in erheblichem Umfang in Anspruch. Dass dieser im Fall des Klägers mindestens 18 Stunden in der Woche betragen hat, steht außer Zweifel. Den Vortrag des Klägers, Telefon- und Schreibarbeiten habe seine Tochter durchgeführt vermag der Senat nicht zu glauben. Ausweislich der aktenkundigen Bescheinigung des H.-Gymnasiums S. hat diese bis Juni 1996 das Gymnasium besucht und - wie sich aus den Gründen des Urteils des Amtsgerichts S. vom 9. September 2002 ergibt – anschließend in F. Medizin studiert. Damit kann ausgeschlossen werden, dass die Tochter im Unternehmen des Vaters tatsächlich in nennenswertem Umfang mitgearbeitet hat. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nach seinem eigenen zeitnahen Vorbringen gegenüber der Beklagten (Schreiben des Klägers vom 14. April 1998) bei den Lieferfahrten selbst anwesend war. Insoweit kann als wahr unterstellt werden, dass die sich aus den in den Strafakten und den Verwaltungsakten der Beklagten befindlichen Auswertungen der Tachoscheiben des vom Sohn des Klägers in der fraglichen Zeit gefahrenen Lastkraftwagens ergebenden Fahrzeiten allein die Geringfügigkeitsgrenze noch nicht überschreiten. Selbstverständlich zählen zu den Arbeitszeiten eines Selbständigen aber nicht nur die Zeiten, in denen er tatsächlich seiner Tätigkeit nachgeht, sondern auch die mit der Berufsausübung notwendig verbundenen Wartezeiten und die Zeiten, in denen er seine Arbeitskraft nur vorhält. Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass die sich aus den Auswertungen der Tachoscheiben ergebenden Fahrten offensichtlich nur einen Teil der tatsächlich durchgeführten Lieferungen wiedergeben. Vorhanden sind ausschließlich die Tachoscheiben des Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen. Hierbei handelt es sich um das erst im November 1996 angeschaffte Fahrzeug. Zuvor verfügte der Kläger bereits über einen Kastenwagen mit dem amtlichen Kennzeichen, der ebenfalls im Rahmen der Gewerbeausübung genutzt wurde. Berücksichtigt man, dass mit diesem Fahrzeug weitere Fahrten angefallen sind, bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass allein durch die Lieferfahrten, bei denen der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen den jeweiligen Fahrer jedenfalls meistens begleitete, ein Zeitaufwand von wenigstens 18 Stunden wöchentlich verursacht wurde. Dass die Auswertungen der Tachoscheiben nicht die tatsächliche Anzahl der Fahrten wiedergeben, belegt auch ein Abgleich der Angaben der V. Mühlen- und Mischfutterwerke GmbH in F. in ihrer schriftlichen Auskunft vom 28. August 2001 mit den auf den Tachoscheiben ausgewiesenen Fahrten. Der Kläger hat bereits seit Mai 1995 Mehl aus F. bezogen und dieses meistens selbst abgeholt bzw. abholen lassen. Die vorgelegten Kundenkontoauszüge aus der Finanzbuchhaltung und die seit 1. Juli 1996 geführten Einzelliefernachweise belegen bereits zahlreiche Lieferungen in den Jahren 1995 und 1996 sowie in den ersten drei Monaten des Jahres 1997. Gleichwohl ergibt sich aus der Auswertung der Tachoscheiben erst für den 11. April 1997 eine erste Fahrt nach F ... Dies kann nur damit erklärt werden, dass entweder die übrigen Fahrten mit dem anderen Fahrzeug des Klägers durchgeführt wurden, Tachoscheiben für diese Fahrten überhaupt nicht geführt wurden oder diese nicht mehr vorhanden sind bzw. von den Ermittlungsbehörden nicht aufgefunden wurden. Auch betreffend die Zeit nach dem 11. April 1997 decken sich die von der V. Mühlen- und Mischfutterwerke GmbH mitgeteilten Liefertermine häufig nicht mit den Angaben auf den Tachoscheiben. So erfolgten in der Auswertung der Tachoscheiben nicht aufgeführte Lieferungen z. B. am 23. und 24. Juni 1997, am 11., 23. und 24. Juli 1997 sowie am 4., 12. und 27. August 1997. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der erforderlichen Fahrten weit höher gewesen ist als in den vorhandenen Tachoscheiben vermerkt. Im Ergebnis steht damit - unter Würdigung aller Umstände des Falls - zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger durch sämtliche, mit der Ausübung seines Gewerbes verbundenen Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens 18 Stunden und damit mehr als geringfügig in Anspruch genommen worden ist.

Das die Aufhebung des dem Kläger Alg gewährenden Bescheids vom 10. Februar 1994 mit Wirkung ab 20. September 1995 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X auslösende Fehlverhalten des Klägers besteht in seinem vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Verstoß gegen seine gesetzliche Mitteilungspflicht nach § 60 Abs 1 Nr. 2 SGB I. Danach haben Bezieher von Sozialleistungen, zu denen auch das Alg gehört, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich mitzuteilen. Hierunter fällt auch die Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Tätigkeit, da diese u.a. die Arbeitslosigkeit als eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg ausschließt (§ 101 AFG). Hinsichtlich der Rücknahme der nachfolgenden, dem Kläger für die Zeit vom 19. März 1996 bis 31. März 1998 Alhi bewilligenden Bescheide kann sich der Kläger auf Vertrauen auch nicht berufen, weil diese Bescheide darauf beruhen, dass er vorsätzlich oder grob fahrlässig die Ausübung seiner Tätigkeit als selbständiger Gewerbetreibender nicht angegeben und damit in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X). Grobe Fahrlässigkeit ist dahingehend zu verstehen, dass die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187; BSGE 62, 32, 35). Dabei ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273; SozR 3-1300 § 45 Nr. 45). Das Außerachtlassen von Hinweisen in einem Merkblatt ist im allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Erläuterungen nicht verstanden hat (BSGE 44, 264, 273). Der Kläger erhielt anlässlich seiner Anträge auf Alg und Alhi das Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte, Ihre Pflichten" in der jeweils gültigen Fassung und bestätigte den Erhalt unterschriftlich. Auf S. 17 des Merkblatts (im Folgenden Stand April 1996 und April 1997) ist aufgeführt, dass als arbeitslos ein Arbeitnehmer gilt, der vorübergehend in keinem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine Beschäftigung bzw. Tätigkeit (z.B. als Selbständiger) von weniger als 18 Stunden in der Woche ausübt. Auf S. 36 des Merkblatts wird ausgeführt, dass es wichtig sei, Nebenbeschäftigungen dem Arbeitsamt unverzüglich zu melden. Dabei sei es unerheblich, ob die Nebenbeschäftigung steuer- oder sozialversicherungspflichtig sei. Weiterhin befinden sich auf dieser Seite detaillierte Ausführungen darüber, dass während des Bezugs von Leistungen eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausgeübt und ein Nebeneinkommen erzielt werden kann. Die Nebenbeschäftigung dürfe allerdings nur weniger als 18 Stunden pro Woche betragen. Bei einer Tätigkeit von 18 oder mehr Stunden pro Woche bestehe wegen fehlender Arbeitslosigkeit kein Anspruch auf Alg oder Ahli. Auf S. 49 des Merkblatts wird auf die Verpflichtung hingewiesen, dem Arbeitsamt sofort und unaufgefordert solche Änderungen mitzuteilen, die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs bedeutsam sein können. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang auf S. 50 des Merkblatts auf die Benachrichtigungspflicht für den Fall der Übernahme einer Arbeit - auch als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger - hingewiesen. Unter Berücksichtigung der im Merkblatt enthaltenen Ausführungen und der Fragen in den Antragsvordrucken musste der Kläger wissen, dass aufgrund seiner Tätigkeit als selbständiger Gewerbetreibender ab 20. September 1995 der Anspruch auf Alg mangels Arbeitslosigkeit entfallen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 4 SGB X). Der Kläger musste damit auch wissen, dass er seine Tätigkeit in den Anträgen auf Alhi bzw. Weitergewährung von Alhi angeben musste. Zumindest trifft ihn unter Berücksichtigung der Ausführungen im Merkblatt auch insoweit der Vorwurf grober Fahrlässigkeit. Vorliegend findet sich keinerlei Anhalt, dass die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Klägers eingeschränkt war. Auch die Fragestellung in den Anträgen auf Alg und Alhi war vollkommen eindeutig und klar. Sie ließ auch nicht den geringsten Raum für Interpretationen; insbesondere konnte nicht angenommen werden, dass eine selbständige Tätigkeit nicht angegeben werden muss, selbst wenn die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten worden wäre. Dass beim Kläger eine solche Fehlvorstellung bestanden haben könnte, vermag der Senat nicht zu glauben. Sie wäre, wenn sie sich der Kläger gleichwohl zurechtgelegt haben sollte, in jedem Fall grob fahrlässig gewesen und dem Kläger hätte sich aufdrängen müssen, diesbezüglich bei der Beklagten Rückfrage zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 41/97 R - veröffentlicht in JURIS; BSG, Urteil vom 15. Oktober 1998 - B 14 KG 1/98 R -, ebenfalls veröffentlicht in JURIS). Den Vortrag des Klägers, seine Tochter habe für ihn nachgefragt, welche Auswirkungen die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit für den Anspruch auf Alg habe und darauf vom AA die Auskunft erhalten, eine bis zu 15 Stunden umfassende Tätigkeit sei leistungsunschädlich, wertet der Senat als reine Schutzbehauptung. Die Grenze von 15 Stunden wurde erst mit Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 normiert (vgl. zum Übergangsrecht § 242y Abs. 1 AFG). Bei Aufnahme der Tätigkeit durch den Kläger im Jahre 1995 gab es eine solche Grenze nicht, weshalb ausgeschlossen werden kann, dass die Tochter des Klägers bereits 1995 die behauptete Auskunft tatsächlich erhalten hat. Auch der Hinweis, er sei der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig und habe die Frage nach der Ausübung einer selbständigen Beschäftigung im Antragsvordruck und die Ausführungen im Merkblatt nicht verstehen können, vermag den Kläger nicht zu entschuldigen. Für die Frage, ob eine Tätigkeit als Selbständiger ausgeübt wird, bedarf es keiner besonderen Sprachkenntnisse. Diese Frage zu verstehen, war der immerhin über 17 Jahre in Deutschland bei einem deutschen Arbeitgeber beschäftigt gewesene und hier lebende Kläger in der Lage, zumal er z. B. in der Lage gewesen ist, die Feststellung einer Sperrzeit und eines Ruhens des Anspruchs auf Alg wegen der von seinem letzten Arbeitgeber gezahlten Entlassungsentschädigung ohne Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe mit dem Widerspruch anzufechten. Im übrigen wäre, da die Amtssprache deutsch ist (vgl. § 19 Abs. 1 SGB X), der Kläger gehalten gewesen, sich Klarheit über den Inhalt des Formantrags und des Merkblattes zu verschaffen, beispielsweise mit Hilfe einer der deutschen und türkischen Sprache mächtigen Person (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - veröffentlicht in JURIS). Dass das Verschweigen der mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit zu den fehlerhaften Bewilligungen beigetragen hat und diese darauf beruhen, kann ebenfalls nicht zweifelhaft sein und steht fest (zu diesem Erfordernis vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 1989 - 7 RAr 62/87 - in DBlR 3498a AFG/§ 137; BSG SozR 3-5425 § 25 Nr. 15).

§ 330 Abs. 2 SGB III bestimmt unter anderem für den Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, dass der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Für den Bereich des Arbeitsförderungsrechts tritt damit an die Stelle der gemäß § 45 SGB X eigentlich vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung. Ebenso ist die Aufhebung einer begünstigenden Entscheidung ab dem Zeitpunkt der Änderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gemäß § 330 Abs. 3 SGB III eine gebundene Entscheidung, ohne dass es auf eine hier auch nicht anzunehmende Atypik ankäme.

Der Bescheid wurde dem Kläger innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X bekannt gegeben, die frühestens mit der Anhörung im April 1999 zu laufen begann (vgl. BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; Wiesner in von Wulffen, SGB X, § 45 Rdnr. 33 m.w.N.). Die Frist von zehn Jahren ab Bekanntgabe des Bewilligungsbescheids ist ebenfalls gewahrt (§ 48 Abs. 4 Satz 1, § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 SGB X).

Die Rechtmäßigkeit der Erstattung des Alg und der Alhi beruht auf § 50 Abs. 1 SGB X, diejenige der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung auf § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Für den Erstattungszeitraum hat insbesondere kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden. Die Höhe der Erstattungsforderung ist zutreffend berechnet. Der Senat macht sich ausgehend von den nach den Zahlungsnachweisen erbrachten Leistungen sowie der dort ausgewiesenen richtigen Beitragssätze zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung die Berechnung auf Seite 72 und 240 der Verwaltungsakten zu eigen. Etwaige Mängel bei der Anhörung sind dadurch geheilt worden, dass der angegriffene Bescheid alle für die Rücknahme und Erstattung erforderlichen Tatsachen enthalten hat und damit die Anhörung im Widerspruchsverfahren nachgeholt wurde (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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