L 7 AS 1054/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 1906/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1054/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Dezember 2005 wird zurückgewiesen. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen, soweit die Klägerin Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den 1. Juli 2005 hinaus begehrt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewährenden Leistungen im Zeitraum Januar bis Juni 2005.

Am 5. Oktober 2004 beantragte die am 1957 geborene und verheiratete Klägerin die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ihr Ehemann befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Strafhaft, die von 20. Mai 2003 bis 13. April 2006 dauerte und mit der vorzeitigen Haftentlassung auf Bewährung endete.

Mit Bescheid vom 22. November 2004 bewilligte die (damals zuständige) Agentur für Arbeit Ravensburg vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 792,67 EUR monatlich. Die Agentur für Arbeit ging dabei von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 254,42 EUR und von angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 538,25 EUR aus. Dagegen erhob die Klägerin am 30. November 2004 Widerspruch ein, in dem sie ausführte, sie könne nicht nachvollziehen, aus welchen Gründen ihr 90,58 EUR abgezogen würden und warum sie für ihren Ehemann keinerlei Leistungen erhalte. Zwar befinde sich ihr Ehemann in Strafhaft, dies bedeute aber nicht, dass sie deswegen keine Kosten habe. Die Kosten für Unterkunft und Heizung beliefen sich auf 677,40 EUR.

Mit Bescheid des Landratsamts B. vom 16. März 2005 änderte der zuständig gewordene Beklagte die der Klägerin zu gewährenden Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2005 auf 823,07 EUR monatlich ab. Im Bescheid wird ausgeführt, dass dieser alle vorhergehenden Bescheide über die Gewährung von Leistungen aufhebt, soweit sie sich auf gleiche Zeiträume beziehen. Zugleich wurde die Klägerin in dem Bescheid darauf hingewiesen, dass ihr Ehemann nach § 7 Abs. 4 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe, da er sich länger als sechs Monate in Haft befinde. Ihre Kaltmiete von 485,73 EUR liege über der Mietobergrenze; diese betrage für sie 215,- EUR. Diese höheren Kosten seien nur solange anzuerkennen, als es nicht möglich oder zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken. In der Regel würden die unangemessenen Unterkunftskosten jedoch längstens für sechs Monate anerkannt. Die Klägerin werde aufgefordert, sich intensiv um die Senkung der Unterkunftskosten zu bemühen und ihre Bemühungen nachzuweisen. Hierzu werde ihr eine Frist bis zum 30. Juni 2005 eingeräumt.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 29. März 2005 ebenfalls Widerspruch und begehrte, die gezahlte Kaltmiete als angemessen anzuerkennen. Zur Begründung führte sie aus, zu Unrecht gehe der Beklagte davon aus, dass die Kaltmiete über der Mietobergrenze liege. Auch sei ihr Ehemann nicht bei der Angemessenheit der Wohnung berücksichtigt worden. Zu Unrecht greife der Beklagte auf § 7 Abs. 4 SGB II zurück. Die Wohnung sei durchaus angemessen. Derzeit wohne sie in einer Vier-Zimmer-Wohnung, die Kaltmiete betrage 485,- EUR. Bei der Angemessenheit der Wohnung sei ihr Ehemann zu berücksichtigen. Dort habe er seinen Lebensmittelpunkt. Die derzeitig verbüßte Haftstrafe sei insoweit unerheblich, zumal der Ehemann von Januar bis März 2005 bereits 14 Tage Hafturlaub gehabt habe. Auch befinde er sich im Regelausgang. Nach einer Untersuchung der D. Baden-Württemberg aus dem Jahre 2004 sei hier mindestens eine Kaltmiete in Höhe von 365,- EUR anzusetzen. Es müsse der höchste Betrag der Wohngeldtabelle zuzüglich eines 10 %-igen Aufschlags angesetzt werden, somit seien 401,50 EUR als Kaltmiete angemessen. Die zu zahlende Kaltmiete übersteige diesen Betrag nur geringfügig. Dies rechtfertige es nicht, sie zum Umzug aufzufordern. Die in der Wohnung befindliche Einbauküche stehe in ihrem Eigentum. Für die vom Beklagten in Ansatz gebrachte Kaltmiete in Höhe von 215,- EUR finde sich in B. keine Zwei-Zimmer-Wohnung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da sich der Ehemann der Klägerin bis zum 15. April 2007 in Haft befinde, könnten für ihn keine Leistungen gewährt werden. Deshalb könne die Klägerin auch keine Unterkunftskostenanteile für ihn erhalten. Unterkunftskosten würden in der Regel als angemessen angesehen, wenn sie die Grenzen aus der vorletzten Spalte der so genannten Wohngeldtabelle nach § 8 Wohngeldgesetz nicht übersteigen würden. Sei ein Mietspiegel regional nicht vorhanden, orientierten sich die Sozialhilfeträger bundesweit an der Wohngeldtabelle. Im Bereich des Landkreises B. werde regelmäßig die vorletzte und somit zweithöchste Stufe unabhängig vom Baujahr der Wohnung als angemessen anerkannt. Die Klägerin könne die Unterkunftskosten auch durch eine Untervermietung senken. Die Kaltmiete übersteige den als angemessen anzusehenden Betrag um 270,73 EUR. Die Reduzierung der Unterkunftskosten auf die Mietobergrenze ab l. Juli 2005 sei somit rechtmäßig.

Am 30. Juni 2005 hat die Klägerin dagegen Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit von Januar bis Juni 2005 zu verurteilen. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, ihr Ehegatte sei nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II zu berücksichtigen. Er befinde sich zwar derzeit in Haft, habe aber weiterhin seinen Lebensmittelpunkt in der von der Klägerin genutzten Wohnung, wo er auch gemeldet sei. Im Dezember 2005 habe er 2/3 seiner Haftzeit verbüßt, weshalb mit einer Entlassung auf Bewährung zu rechnen sei. § 7 Abs. 4 SGB II greife hier nicht. Die Wohnung sei für die Klägerin und deren Ehegatten angemessen im Sinne des § 22 SGB II. Auch wenn nur die Klägerin zu berücksichtigen sei, sei die derzeitige Miete weiterhin vom Beklagten voll umfänglich zu tragen. Die Klägerin sei nicht alleinige Mieterin. Aus rein rechtlichen Gründen sei es ihr nicht möglich, die Wohnung aufzugeben. Wenn der Ehegatte der Kündigung des Mietverhältnisses zustimme, könne sie dieses erst zum 30. Juni 2006 beenden. Für den vom Beklagten genannten Betrag könne sie in B. und Umgebung keine Wohnung finden. Die sechsmonatige Frist in § 22 Abs. l letzter Halbsatz SGB II stelle keine starre Frist dar, sondern gebiete es, den Einzelfall zu beachten.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2005 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die vom Beklagten vorgenommene Berechnung der der Klägerin zu gewährenden Leistungen sei nicht zu beanstanden. Gemäß § 22 Abs. l Satz l SGB II würden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen seien. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang überstiegen, seien sie als Bedarf des allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten sei, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendung zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Der Beklagte habe in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die von der Klägerin bewohnte Vier-Zimmer-Wohnung nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. l Satz l SGB II sei. Die Klägerin sei nämlich allein stehend im Sinne des Gesetzes. Ihr Ehemann sei bei der Frage der Angemessenheit der Wohnung hingegen nicht zu berücksichtigen, er befinde sich bis voraussichtlich März 2006 in Strafhaft. Hier gehe es aber allein um den Zeitraum Januar bis Juni 2005. Auf die von den Beteiligten diskutierte Frage, ob hier die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 SGB II erfüllt seien, weil der Ehemann der Klägerin sich in Strafhaft befinde und deshalb, so die Beklagte, in einer stationären Einrichtung, brauche nicht näher eingegangen zu werden. Zu prüfen seien hier nämlich einzig und allein Leistungen an die Klägerin und nicht an ihren Ehemann. Daher reduziere sich die zu prüfende Frage hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnung auf den Punkt, ob die Klägerin allein stehend sei oder nicht. Solange der Ehemann sich in Strafhaft befinde, sei die Klägerin allein stehend. Dies könne die Klägerin auch nicht ernsthaft in Frage stellen, nachdem sie selbstredend die monatliche Regelleistung für Alleinstehende in Höhe von 345,00 EUR (§ 20 Abs. 2 SGB II) in Anspruch nehme. Die Klägerin habe auch die Regelfrist von sechs Monaten (§ 22 Abs. l Satz 2 SGB II) voll umfänglich ausgeschöpft. Ihr würden nämlich nicht nur lediglich für dreieinhalb Monate (vom 16. März 2005 bis zum 30. Juni 2005) überhöhte Leistungen für die Unterkunft zugestanden, vielmehr habe sie von der Agentur für Arbeit Ravensburg bereits ab dem l. Januar 2005 Leistungen erhalten, die nicht angemessen im Sinne des § 22 SGB II seien.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung habe die Vertreterin des Beklagten auch Zeitungsannoncen vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass Wohnungen zu den vom Beklagten genannten Mietzins im Raum B. anmietbar sind. Soweit nun die Klägerin auf Vorhalt dieser Annoncen vorgetragen habe, ihr stünden die Wohnungen tatsächlich nicht zur Verfügung, da sie Hundehalterin sei, so belege dies in deutlicher Weise ihre mangelnde Bereitschaft, ihre letztendlich auf Kosten des Steuerzahlers angemietete und zu große Wohnung aufzugeben. Auch soweit die Klägerin vortrage, es sei ihr aus rechtlichen Gründen nicht möglich, die Wohnung aufzugeben, da ihr Ehemann der Kündigung des Mietverhältnisses nicht zustimmen würde, könne dies keine andere Entscheidung in der Sache begründen. Als Mitmieterin könne die Klägerin jederzeit fristgerecht die Wohnung kündigen, auf die Zustimmung ihres Ehemanns hierzu sei sie nicht angewiesen. Könne ihr Ehemann den dann allein auf ihn entfallenden Mietzins nicht entrichten, so stünde es dem Vermieter frei, das mit dem Ehemann der Klägerin noch bestehende Mietverhältnis zu kündigen. Schließlich sei die Behauptung der Klägerin, sie leide an einer psychischen Belastung, weswegen ihr auch keine Untervermietung zumutbar sei, nichts anderes als eine reine Schutzbehauptung, um sich so einer Reduzierung der Unterkunftskosten zu entziehen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 8. Februar 2006 zugestellte Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 2. März 2006 beim Landessozialgericht eingelegte Berufung, mit welcher die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und dazu ausgeführt hat, das Sozialgericht wende zu Unrecht § 7 Abs. 4 SGB II auf den Ehegatten der Berufungsklägerin an, welcher sich derzeit in Haft befinde. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Berufungsklägerin seien mindestens bis Ende September 2005 zu übernehmen. Die Aufforderung zur Senkung der Unterkunftskosten sei durch die Berufungsbeklagte im März 2005 erfolgt. Die Frist des § 22 SGB II könne erst ab der Senkungsaufforderung zu laufen beginnen, da erst dann für die Berufungsklägerin definitiv erkennbar sei, dass die Unterkunftskosten von der Berufungsbeklagten als unangemessen eingeschätzt würden. Um die Kürzung auf den von der Berufungsbeklagten angesetzten Höchstbetrag zu verhindern, müsse die Berufungsklägerin reagieren können. Das Gesetz sehe hierzu sechs Monate vor. Diese seien nur im Ausnahmefall abzukürzen. Einen solchen Ausnahmefall habe die Berufungsbeklagte aber bei Ausspruch der Kostensenkungsaufforderung nicht dargelegt. Der Beklagte sei daher nicht befugt gewesen, die Frist des § 22 SGB II bereits mit Schreiben vom 16. März 2005 zu verkürzen.

Des Weiteren habe das Gericht die Unterkunftskosten der Berufungsklägerin zu Unrecht als nicht angemessen im Sinne des § 22 SGB II qualifiziert. Die Berufungsklägerin habe zusammen mit dem Ehegatten den Mietvertrag abgeschlossen, der einer Kündigung und einer Untervermietung nicht zugestimmt habe. Die Berufungsklägerin und ihr Ehegatte seien bzgl. des Mietzinses Gesamtschuldner. Es bestehe zivilrechtlich keine Möglichkeit für die Berufungsklägerin, ohne Zustimmung des Ehegatten aus dem Mietvertrag auszuscheiden. Der Berufungsklägerin sei somit eine Senkung der Unterkunftskosten nicht möglich im Sinne des § 22 SGB II. Ihr Vermieter sei nicht bereit, einer Absenkung der Miete zuzustimmen. Der Beklagte habe auch nicht nachgewiesen, dass die Klägerin einen anderen Wohnraum zu den Obergrenzen des Beklagten hätte anmieten können. Die vorgelegten Mietangebote reichten nicht aus, um darzulegen, dass die Klägerin eine dieser Wohnungen hätte anmieten können. Zudem sei die Wohnungssuche für die Klägerin aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung und der Hundehaltung erschwert; die Klägerin leide unter Angstzuständen und hätte daher auch die Wohnungen aus den Wohnungsanzeigen nicht erhalten. Vermieter hätten in der Regel auch kein Interesse daran, "Sozialhilfeempfänger" als Mieter zu nehmen. Die Angstzustände sprächen auch gegen eine Untervermietung der derzeitigen Wohnung. Der Ehemann hätte hierzu außerdem keine Zustimmung erteilt. Schließlich sei im Rahmen des § 22 Abs. 1 S. 1 Satz 1 SGB II auch der Gesichtpunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen. Die Kosten für Umzug, Kaution und eventuelle Renovierungskosten in der bisherigen und der neu angemieteten Wohnung seien gegenüber den Einsparungen der monatlichen Miethöhe abzuwägen. Dies habe der Beklagte bislang nicht vorgenommen. Die Klägerin legte dann noch den Mietvertrag vom 8. Mai 1995 vor, wonach sie die Vier-Zimmer-Wohnung zu einem Mietzins von 950,- DM (= 485,73 EUR) angemietet hatte.

Die Klägerin beantragt nunmehr,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 6. Dezember 2005 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2005 zu verpflichten, ihr die tatsächlichen Kosten der Unterkunft über den 30. Juni 2005 hinaus zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verweist im Wesentlichen auf die ergangenen Bescheide und sein bisheriges Vorbringen.

Mit Bescheid des Landratsamt B. vom l. Juli 2005 wurden die der Klägerin zustehenden Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2005 festgesetzt. Die der Klägerin monatlich zu gewährenden Leistungen wurden dabei - unter Anerkennung von (nur noch) 274,40 EUR monatlicher Kosten der Unterkunft - auf insgesamt 549,50 EUR abgesenkt. Dagegen hat die Klägerin am 8. Juli 2005 Widerspruch erhoben, der durch Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2005 zurückgewiesen wurde. Dagegen hat die Klägerin am 20. Januar 2006 Klage (S 2 AS 296/06) beim SG, mit welcher sie auch für die Zeit von Juli bis Dezember 2005 höhere SGB II-Leistungen, darunter die Übernahme der Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe, begehrt. Das Klageverfahren ruht mit Blick auf das vorliegende Berufungsverfahren. Durch weiteren Bescheid vom 14. Dezember 2005 wurden die Grundsicherungsleistungen der Klägerin für das Jahr 2006 festgesetzt. Über den dagegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden. Durch Bescheid vom 12. Juni 2006 wurde der Bescheid vom 14. Dezember 2005 für die Zeit ab April 2006 mit Blick auf die Haftentlassung des Ehemanns der Klägerin abgeändert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 155 Abs. 3 und 4, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), hat keinen Erfolg. Die Berufung ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden. Ob die Berufung auch statthaft (§ 143 SGG) ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 500,00 Euro beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), kann dahinstehen. Denn die Berufung ist jedenfalls unbegründet. Soweit die Klage im Berufungsverfahren - durch Erweiterung des streitbefangenen Zeitraums über den 30. Juni 2005 hinaus - geändert wurde, ist diese als unzulässig abzuweisen.

Streitgegenstand des erstinstanzlichen Klageverfahrens waren - auch ausweislich des vor dem SG gestellten Sachantrags der Klägerin - allein die dieser im Zeitraum Januar bis Juni 2005 zustehenden Grundsicherungsleistungen, wie sie durch den angefochtenen Bescheid vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2005 festgesetzt wurden. Die hierauf bezogene Klageabweisung durch das SG ist nicht zu beanstanden. Soweit die Klägerin insoweit höhere Unterkunftskosten geltend macht, ist sie durch die genannten Bescheide insofern nicht beschwert, als für Januar bis Juni 2005 (noch) die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe anerkannt wurden. Die in den genannten Bescheiden enthaltene Aufforderung zur Kostensenkung stellt keinen Verwaltungsakt dar, denn es fehlt an dem Merkmal der Regelung im Sinne der Legaldefinition des Verwaltungsaktes in § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Es handelt sich insoweit vielmehr lediglich um einen allgemeinen Hinweis zur Rechtslage, mit dem keine weitere verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 B AS 10/06 R; Urteil des Senats vom 14. Juni 2007 - L 7 SO 1492/06 -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Januar 2007 - L 14 B 1068/06 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Oktober 2006 - L 7 AS 126/06 ER; Bayerisches LSG, Urteil vom 17. März 2006 - L 7 AS 41/05; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. November 2005 - L 19 B 88/05 AS ER - (alle juris); ebenso Berlit, NDV 2006, 5, 13). Für den Erlass eines Verwaltungsaktes bestünde insoweit auch keine gesetzliche Grundlage: Eine Kostensenkungsaufforderung bzw. eine Information ist weder in § 22 SGB II normiert noch sonst formelle Voraussetzung für die Weigerung, mehr als die angemessenen Kosten zu übernehmen. Der Hinweis hat vielmehr allein Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die aus Sicht des Leistungsträgers angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft und einen Hinweis auf die Rechtslage erhält (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, a.a.O.). Die Kostensenkungsaufforderung ist auch nicht deshalb zumindest formal als Verwaltungsakt anzusehen, weil sie in den Bewilligungsbescheiden enthalten war, die mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen waren. Allein durch eine Rechtsbehelfsbelehrung kann die Ankündigung zukünftigen Verhaltens, die in einem Bescheid enthalten ist, nicht selbst zu einem Verwaltungsakt werden, weil sie nicht zu dem Verfügungssatz des Bescheides gehört (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 17. März 2006, a.a.O.).

Die Klageabweisung des SG ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit die Mietnebenkosten der Klägerin, darunter die Heizkosten, welche die Klägerin ausweislich ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22. November 2004 - allerdings ohne nähere Darlegung bzw. Aufschlüsselung - mit monatlich 125,- EUR (wohl inklusive Heizkosten) beziffert hatte, nicht in voller Höhe übernommen wurden; bewilligt wurden stattdessen nur 59,40 EUR für Nebenkosten und pauschaliert 32,40 EUR für Heizung. Das erkennende Gericht vermag nicht festzustellen, dass der Klägerin tatsächlich höhere als die festgesetzten Leistungen für Heiz- und sonstige Nebenkosten zustehen. Die Klägerin hat weder im Rahmen der Begründung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. März 2005 noch im Rahmen der Klage- bzw. Berufungsbegründung Angaben zu den tatsächlichen Mietkosten gemacht. Auch auf die hierauf bezogene Verfügung des Berichterstatters vom 1. Juni 2007 wurde nichts vorgetragen; auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters beim Prozessbevollmächtigten der Klägerin erklärte dieser, es erfolgten keine Darlegungen zu den tatsächlichen Nebenkosten. Da es sich bei diesen Angaben aber um solche aus dem persönlichen Lebensbereich der Klägerin handelt, waren anderweitige Ermittlungen für den Senat nicht möglich. Einen Kläger trifft aber eine Mitwirkungsobliegenheit dahingehend, dass er Angaben zu den seine persönlichen Lebensumstände betreffenden Angelegenheiten machen muss, um ggf. Ermittlungen des Gerichts zu ermöglichen. Ohne solche konkreten Angaben ist das Gericht nicht gehalten, gewissermaßen ins Blaue hinein zu erforschen, ob im jeweiligen Fall besondere, abweichende Bedarfe bestehen (vgl. zu den Grenzen der gerichtlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung und zu den prozessualen Mitwirkungspflichten des Prozessbeteiligten Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. Oktober 2001 - 1 B 24/01 - , InfAuslR 2002, 99 und Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Juni 2004 - 12 S 2654/03 -, FEVS 56/44 jeweils m.w.N. - auch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Dies gilt bei der Beantragung von Sozialleistungen auch deshalb in besonderem Maße, weil den Betroffenen hier nach den §§ 60 ff. Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) besondere Mitwirkungspflichten auferlegt sind, deren Verletzung zur Begrenzung der Amtsermittlung führt (von Wulffen in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. § 20 Rdnr. 6). Bei dieser Sachlage ist ein erhöhter Bedarf für tatsächliche Mietkosten und damit ein entsprechend erhöhter Leistungsanspruch nicht bewiesen. Scheitert aber der Nachweis des Bedarfs wegen fehlender Angaben des Betroffenen, so ist auch eine Ablehnung der Leistung aus materiellen Gründen möglich (Urteil des Senats vom 1. Februar 2007 - L 7 SO 4267/05 -, SAR 2007, 38; vgl. auch Beschluss des Senats vom 6. März 2006 - L 7 SO 96/06 PKH-B -). Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Bescheide für die Folgezeiträume (Bescheid vom 1. Juli 2005 für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2005; Bescheid vom 14. Dezember 2005 für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2006), die unzweifelhaft nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren, sind entgegen der Auffassung Beteiligten nicht in analoger Anwendung von § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II ist nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht gerechtfertigt, da anders als im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses im Bereich des Arbeitsförderungsrechts regelmäßig kürzere Bewilligungszeiträume vorliegen, Änderungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen sind und zudem eine Abhängigkeit von der jeweiligen Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft besteht (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - und vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R (beide juris)).

Nachdem die Klägerin durch das Vorbringen in der Berufungsschrift, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft seien mindestens bis Ende September 2005 in voller Höhe zu übernehmen, jedenfalls den Folgebewilligungszeitraum (Juli bis Dezember 2005) in das Verfahren eingeführt hat und der Beklagte der Einbeziehung nicht entgegengetreten ist - ausweislich des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2005 (erster Absatz) in der Annahme, es erfolge über § 96 SGG eine Einbeziehung in das gerichtliche Verfahren - liegt jedoch eine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG vor. Allerdings müssen auch bei einer Klageänderung - und auch bei einer solchen im Berufungsverfahren - die Prozessvoraussetzungen für die geänderte Klage vorliegen (vgl. BSG, Beschlüsse vom 27. Juni 2006 - B 2 U 77/06 B -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4 und vom 9. Dezember 2003, BSGE 91, 287 = SozR 2700 § 160 Nr. 1). Hieran fehlt es in Bezug auf den Folgezeitraum Juli bis Dezember 2005. Denn gegen den diesbezüglich ergangenen Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2005 hat die Klägerin am 20. Januar 2006 Klage vor dem SG (S 2 AS 296/06) erhoben mit dem Vorbringen, die Kosten der Unterkunft seien auch für diesen Zeitraum in tatsächlicher Höhe zu übernehmen; das Verfahren ruht derzeit. Damit ist in Bezug auf die Grundsicherungsansprüche der Klägerin im Zeitraum Juli bis Dezember 2005 eine anderweitige (frühere) Rechtshängigkeit i.S.v. § 94 SGG eingetreten mit der Folge der Unzulässigkeit der geänderten Klage. Rein vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass auch die weiteren Folgezeiträume (ab Januar 2006), für die zwischenzeitlich Bescheide ergangen sind, weder über § 96 SGG noch über § 99 SGG als zulässiger Streitgegenstand des Berufungsverfahrens "angewachsen" sind. Denn neben der insoweit fehlenden Durchführung eines Vorverfahrens (§ 78 SGG; zur Möglichkeit der Nachholung, vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005 - B 1 KR 21/04 R - m.w.N.) fehlt es diesbezüglich auch an der Prozessvoraussetzung einer "erstinstanzlichen" Klage, was eine Sachentscheidung ausschließt (vgl. BSG, Urteil vom 23. März 1993 - 4 RA 39/91 -; vgl. auch BSGE 2, 225, 227; 10, 218, 219; 25, 235, 236; 42, 212, 215).

Die geänderte Klage ist daher (als unzulässig) abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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