Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 AS 1886/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 2161/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 655 EUR ab dem 1. März 2007 bis zum 31. Mai 2007 vorläufig als Darlehen, zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers des Eilverfahrens beider Instanzen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Dem 1956 geborenen Antragsteller wurde auf dessen Antrag von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14.03.2005 für die Zeit vom 17.01.2005 bis 28.02.2005 Leistungen nach dem SGB II auf der Grundlage eines monatlichen Bedarfs von 655 EUR bewilligt. Anschließend bezog der Antragsteller Arbeitslosengeld, weshalb ab März 2005 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand.
Am 27.09.2006 beantragte der Antragsteller wiederum Leistungen nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.01.2007 ab, da der Antragsteller über zu berücksichtigendes Vermögen verfüge, das den Grundfreibetrag übersteige, weshalb er nicht hilfebedürftig sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 28.02.2007 Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, der Betrag des Vermögens sei neu zu berechnen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück. Es errechne sich ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 9185,87 EUR (Lebensversicherung 7881,05 EUR abzüglich Rechte Dritter 602,42 EUR; Sterbegeldversicherung 1906,84 EUR), das den Freibetrag von insgesamt 8400 EUR (7650 EUR + 750 EUR) übersteige.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 09.03.2007 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage (S 19 AS 1887/07). Gleichzeitig stellte er den vorliegend streitigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er machte geltend, nicht über ein Vermögen in Höhe von 9370,94 EUR zu verfügen.
Das SG holte die schriftliche Auskunft der H.-M.-Versicherungs-AG vom 22.03.2007 zu den Versicherungen des Antragstellers ein. Diese teilte mit, dass zum 09.03.2007 der Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung des Antragstellers 3463,51 EUR zuzüglich Gewinnanteile 4603,01 EUR und der Sterbegeldversicherung 748,09 EUR zuzüglich Gewinnanteile 1162,86 EUR betrage. Bis zum 01.01.2004 seien Beiträge auf die Kapitallebensversicherung in Höhe von 4686,50 EUR und auf die Sterbegeldversicherung in Höhe von 1352,00 EUR entrichtet worden. Die Versicherungen seien mit einer Frist von einem Monat kündbar. Zur Kapitallebensversicherung liege ein Pfändung- und Überweisungsbeschluss mit einer Hauptforderung in Höhe von 606,42 EUR vor.
Mit Beschluss vom 27.03.2007 lehnte das SG den Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Beim Antragsteller sei insgesamt ein Vermögen in Höhe von 9371,06 EUR zu berücksichtigen. Der Freibetrag betrage insgesamt 8400 EUR. Das zu verwertende Vermögen übersteige damit den Freibetrag um 971,05 EUR. Bis zur Verwertung seines Vermögens in Höhe von 971,05 EUR sei der Antragsteller nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf darlehensweise Leistungen nach § 23 Abs. 5 i. V. m. § 9 Abs. 4 SGB II glaubhaft gemacht.
Gegen den dem Antragsteller am 29.03.2007 zugestellten Beschluss hat er am 27.04.2007 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Er hat zur Begründung unter Bezug auf sein bisheriges Vorbringen vorgetragen, er habe seine Sterbegeldversicherung mit Schreiben vom 03.04.2007 gekündigt. Laut einer telefonischen Mitteilung der H.-M.-Versicherung könne die Auszahlung (ca. 2000 EUR) frühestens im Juni 2007 erfolgen. Seine Wohnung sei am 04.12.2006 wegen Mietrückstandes fristlos gekündigt worden. Daneben bestünden Stromschulden. Sein Girokonto sei gekündigt worden. Aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation sei er der Ansicht, dass ihm Leistungen nach dem SGB II zu gewähren seien. Der Antragsteller hat unter anderem das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 28.03.2007 (7 C 160/07) vorgelegt, mit dem er verurteilt worden ist, die von ihm bewohnte Wohnung G.straße in H. zu räumen und an die Klägerin (Vermieterin) herauszugeben.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Darlehens würden nicht angeboten, da der Antragsteller ausreichend Vermögen habe, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet. Der Antragsteller hat nach Auffassung des Senats für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.05.2007 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 655 EUR in Form von Darlehen. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit zu Unrecht abgelehnt. Im Übrigen ist die Beschwerde des Antragstellers jedoch nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
Diese Voraussetzungen sind beim Antragsteller teilweise erfüllt.
Das SG hat im angefochtenen Beschluss unter Anwendung der für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften des SGB II allerdings zutreffend entschieden, dass der Antragsteller über zu verwertendes Vermögen in Höhe von insgesamt 9371,06 EUR verfügt, das den ihm zustehenden Freibetrag in Höhe von insgesamt 8400 EUR um 971,05 EUR übersteigt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten eingehenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss (Seite 4 bis Seite 8) an, die er sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen macht und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG analog).
Entgegen der Ansicht des SG hat der Antragsteller jedoch einen Anordnungsanspruch auf darlehensweise Leistungen nach dem SGB II glaubhaft gemacht. Nach § 9 Abs. 4 SGB II ist hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller glaubhaft gemacht. Nach dem Schreiben der H.-M.-Versicherungs-AG vom 22.03.2007 waren die Kapitallebensversicherung und die Sterbegeldversicherung, die das verwertbare Vermögen des Antragstellers ausmachen, nur mit einer Frist von einem Monat kündbar. Der Antragsteller ist somit nicht in der Lage, auf seinem Vermögen sofort zuzugreifen. Weiter besteht für den Antragsteller nach seinem Vorbringen, das er durch Vorlage weiterer Schreiben belegt hat, auch nicht die Möglichkeit, dieses Vermögen anderweitig sofort zu verwerten. So wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 20.12.2006 von der Kreissparkasse Ludwigsburg aufgefordert, sein Kontosollstand in Höhe von 7421,40 EUR bis 03.01.2007 auszugleichen; andernfalls wurden ihm die Kündigung und gerichtliche Schritte angekündigt. Damit ist der Antragsteller glaubhaft nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch Beleihung seines Vermögens oder sonst (z. B. durch die Inanspruchnahme eines Überziehungskredits bis zur Auszahlung der gekündigten Sterbegeldversicherung) zu sichern. Er ist vielmehr zur Sicherung seines Lebensunterhaltes bis zur Auszahlung der Sterbegeldversicherung auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Diese Auszahlung erfolgt nach dem Vorbringen des Antragstellers (frühestens) im Juni 2007. Damit ist der Bedarf für den Lebensunterhalt des Antragstellers bis zum Mai 2007 nicht abgedeckt. Insoweit hat der Antragsteller für die Zeit ab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (März 2007) bis Mai 2007 einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach § 25 Abs. 5 SGB II sind, soweit dem Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist, wie dies beim Antragsteller zutrifft, jedoch Leistungen (nur) als Darlehen - bis zum Verbrauch des Auszahlungsbetrages der Sterbegeldversicherung, der den Vermögensfreibetrag überschreitet, was der näheren Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann - zu erbringen. Sie können weiter davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.
Einen Anordnungsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Form von Zuschuss hat der Antragsteller damit nicht glaubhaft gemacht. Insoweit war seine Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II hat sich der Senat an die zuletzt von Antragsgegner gewährten Leistungen (monatlich 655 EUR für Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 14.03.2005) orientiert. Dass zwischenzeitlich eine relevante Änderung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Zwar ist der Antragsteller nach dem von ihm vorgelegten Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 28.03.2007 verurteilt worden, seine Wohnung zu räumen und an die Vermieterin herauszugeben. Dass dem Antragsteller nunmehr geringere Kosten für Unterkunft und Heizung erwachsen, ist aber nicht ersichtlich. Der Antragsteller ist vielmehr unter seiner bisherigen Wohnungsanschrift weiter erreichbar, was dafür spricht, dass das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen derzeit noch nicht vollzogen wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers des Eilverfahrens beider Instanzen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Dem 1956 geborenen Antragsteller wurde auf dessen Antrag von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 14.03.2005 für die Zeit vom 17.01.2005 bis 28.02.2005 Leistungen nach dem SGB II auf der Grundlage eines monatlichen Bedarfs von 655 EUR bewilligt. Anschließend bezog der Antragsteller Arbeitslosengeld, weshalb ab März 2005 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand.
Am 27.09.2006 beantragte der Antragsteller wiederum Leistungen nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30.01.2007 ab, da der Antragsteller über zu berücksichtigendes Vermögen verfüge, das den Grundfreibetrag übersteige, weshalb er nicht hilfebedürftig sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller am 28.02.2007 Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, der Betrag des Vermögens sei neu zu berechnen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch des Antragstellers zurück. Es errechne sich ein zu berücksichtigendes Vermögen in Höhe von 9185,87 EUR (Lebensversicherung 7881,05 EUR abzüglich Rechte Dritter 602,42 EUR; Sterbegeldversicherung 1906,84 EUR), das den Freibetrag von insgesamt 8400 EUR (7650 EUR + 750 EUR) übersteige.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 09.03.2007 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage (S 19 AS 1887/07). Gleichzeitig stellte er den vorliegend streitigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er machte geltend, nicht über ein Vermögen in Höhe von 9370,94 EUR zu verfügen.
Das SG holte die schriftliche Auskunft der H.-M.-Versicherungs-AG vom 22.03.2007 zu den Versicherungen des Antragstellers ein. Diese teilte mit, dass zum 09.03.2007 der Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung des Antragstellers 3463,51 EUR zuzüglich Gewinnanteile 4603,01 EUR und der Sterbegeldversicherung 748,09 EUR zuzüglich Gewinnanteile 1162,86 EUR betrage. Bis zum 01.01.2004 seien Beiträge auf die Kapitallebensversicherung in Höhe von 4686,50 EUR und auf die Sterbegeldversicherung in Höhe von 1352,00 EUR entrichtet worden. Die Versicherungen seien mit einer Frist von einem Monat kündbar. Zur Kapitallebensversicherung liege ein Pfändung- und Überweisungsbeschluss mit einer Hauptforderung in Höhe von 606,42 EUR vor.
Mit Beschluss vom 27.03.2007 lehnte das SG den Antrag des Antragstellers auf einstweiligen Rechtsschutz ab. Beim Antragsteller sei insgesamt ein Vermögen in Höhe von 9371,06 EUR zu berücksichtigen. Der Freibetrag betrage insgesamt 8400 EUR. Das zu verwertende Vermögen übersteige damit den Freibetrag um 971,05 EUR. Bis zur Verwertung seines Vermögens in Höhe von 971,05 EUR sei der Antragsteller nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Der Antragsteller habe auch keinen Anspruch auf darlehensweise Leistungen nach § 23 Abs. 5 i. V. m. § 9 Abs. 4 SGB II glaubhaft gemacht.
Gegen den dem Antragsteller am 29.03.2007 zugestellten Beschluss hat er am 27.04.2007 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Er hat zur Begründung unter Bezug auf sein bisheriges Vorbringen vorgetragen, er habe seine Sterbegeldversicherung mit Schreiben vom 03.04.2007 gekündigt. Laut einer telefonischen Mitteilung der H.-M.-Versicherung könne die Auszahlung (ca. 2000 EUR) frühestens im Juni 2007 erfolgen. Seine Wohnung sei am 04.12.2006 wegen Mietrückstandes fristlos gekündigt worden. Daneben bestünden Stromschulden. Sein Girokonto sei gekündigt worden. Aufgrund seiner schlechten finanziellen Situation sei er der Ansicht, dass ihm Leistungen nach dem SGB II zu gewähren seien. Der Antragsteller hat unter anderem das Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 28.03.2007 (7 C 160/07) vorgelegt, mit dem er verurteilt worden ist, die von ihm bewohnte Wohnung G.straße in H. zu räumen und an die Klägerin (Vermieterin) herauszugeben.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. März 2007 im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Form eines Darlehens würden nicht angeboten, da der Antragsteller ausreichend Vermögen habe, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Wegen Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Akten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die gemäß den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und teilweise begründet. Der Antragsteller hat nach Auffassung des Senats für die Zeit vom 01.03.2007 bis 31.05.2007 Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 655 EUR in Form von Darlehen. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung insoweit zu Unrecht abgelehnt. Im Übrigen ist die Beschwerde des Antragstellers jedoch nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236; BVerfG, NVwZ 2004, 95,96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG, NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928).
Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005, NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).
Diese Voraussetzungen sind beim Antragsteller teilweise erfüllt.
Das SG hat im angefochtenen Beschluss unter Anwendung der für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsvorschriften des SGB II allerdings zutreffend entschieden, dass der Antragsteller über zu verwertendes Vermögen in Höhe von insgesamt 9371,06 EUR verfügt, das den ihm zustehenden Freibetrag in Höhe von insgesamt 8400 EUR um 971,05 EUR übersteigt. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er schließt sich den hierzu gemachten eingehenden Ausführungen des SG im angefochtenen Beschluss (Seite 4 bis Seite 8) an, die er sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu eigen macht und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG analog).
Entgegen der Ansicht des SG hat der Antragsteller jedoch einen Anordnungsanspruch auf darlehensweise Leistungen nach dem SGB II glaubhaft gemacht. Nach § 9 Abs. 4 SGB II ist hilfebedürftig auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller glaubhaft gemacht. Nach dem Schreiben der H.-M.-Versicherungs-AG vom 22.03.2007 waren die Kapitallebensversicherung und die Sterbegeldversicherung, die das verwertbare Vermögen des Antragstellers ausmachen, nur mit einer Frist von einem Monat kündbar. Der Antragsteller ist somit nicht in der Lage, auf seinem Vermögen sofort zuzugreifen. Weiter besteht für den Antragsteller nach seinem Vorbringen, das er durch Vorlage weiterer Schreiben belegt hat, auch nicht die Möglichkeit, dieses Vermögen anderweitig sofort zu verwerten. So wurde der Antragsteller mit Schreiben vom 20.12.2006 von der Kreissparkasse Ludwigsburg aufgefordert, sein Kontosollstand in Höhe von 7421,40 EUR bis 03.01.2007 auszugleichen; andernfalls wurden ihm die Kündigung und gerichtliche Schritte angekündigt. Damit ist der Antragsteller glaubhaft nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch Beleihung seines Vermögens oder sonst (z. B. durch die Inanspruchnahme eines Überziehungskredits bis zur Auszahlung der gekündigten Sterbegeldversicherung) zu sichern. Er ist vielmehr zur Sicherung seines Lebensunterhaltes bis zur Auszahlung der Sterbegeldversicherung auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Diese Auszahlung erfolgt nach dem Vorbringen des Antragstellers (frühestens) im Juni 2007. Damit ist der Bedarf für den Lebensunterhalt des Antragstellers bis zum Mai 2007 nicht abgedeckt. Insoweit hat der Antragsteller für die Zeit ab dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (März 2007) bis Mai 2007 einen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach § 25 Abs. 5 SGB II sind, soweit dem Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist, wie dies beim Antragsteller zutrifft, jedoch Leistungen (nur) als Darlehen - bis zum Verbrauch des Auszahlungsbetrages der Sterbegeldversicherung, der den Vermögensfreibetrag überschreitet, was der näheren Klärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben kann - zu erbringen. Sie können weiter davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.
Einen Anordnungsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Form von Zuschuss hat der Antragsteller damit nicht glaubhaft gemacht. Insoweit war seine Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der Höhe der vorläufig zu gewährenden Leistungen nach dem SGB II hat sich der Senat an die zuletzt von Antragsgegner gewährten Leistungen (monatlich 655 EUR für Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 14.03.2005) orientiert. Dass zwischenzeitlich eine relevante Änderung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Zwar ist der Antragsteller nach dem von ihm vorgelegten Urteil des Amtsgerichts Waiblingen vom 28.03.2007 verurteilt worden, seine Wohnung zu räumen und an die Vermieterin herauszugeben. Dass dem Antragsteller nunmehr geringere Kosten für Unterkunft und Heizung erwachsen, ist aber nicht ersichtlich. Der Antragsteller ist vielmehr unter seiner bisherigen Wohnungsanschrift weiter erreichbar, was dafür spricht, dass das Urteil des Amtsgerichts Waiblingen derzeit noch nicht vollzogen wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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