L 11 R 622/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 291/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 622/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, insbesondere ob die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hierfür erfüllt sind, streitig.

Die 1950 geborene Klägerin hat keine Ausbildung absolviert. Sie war bis einschließlich 30.06.1991 versicherungspflichtig beschäftigt, danach bezog sie bis 17.07.1992 Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Im Anschluss hieran machte sie sich ihren Angaben zufolge mit zwei Parfümerien selbständig. Diese Tätigkeit gab sie im Juni 1995 auf und war danach wiederum als arbeitslos ohne Leistungsbezug bis 2001 gemeldet. Seitdem bezieht sie Sozialhilfe.

Ausweislich der von der Beklagten vorliegenden Verwaltungsakte wandte sich die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 20.11.2002 an die Beklagte mit der Bitte um Übersendung eines Versicherungsverlaufs mit einer Rentenberechnung. Am 23.04.2003 reichte sie Anträge auf Kontenklärung sowie auf Feststellung von Kindererziehungszeiten ein und gab im Fragebogen für Anrechnungszeiten an, von 1979 bis 1986 sowie von 1992 bis 1995 selbständig gewesen zu sein und 1997 Sozialhilfe bezogen zu haben.

Am 19.05.2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, wobei sie angab, sich bereits seit 1994 wegen starker Rückenschmerzen, Depressionen, Schilddrüsenproblemen nach Operation, Gehproblemen, Schwindelanfällen und dauernder Stürze wegen fehlender Kontrolle in den Füßen für erwerbsgemindert zu halten. Sie gab an, im Zeitraum von August 1965 bis 1969 als Hotelgehilfin bzw. zeitweise in einer Bäckerei beschäftigt gewesen zu sein, danach wäre sie nur Mutter gewesen. Vom 30.06.1991 bis zum 30.06.1992 sei sie arbeitslos und vom 30.09.1992 bis zum September 1995 selbständig gewesen, seitdem krank.

Die Beklagte ließ die Klägerin nervenärztlich nach ambulanter Untersuchung begutachten. Der Nervenarzt Dr. N. stellte die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, eines Zustandes nach Strumitis de Querrain und nach Strumektomie sowie einer Adipositas. Die Klägerin habe angegeben, der Käufer der letzten Parfümerie habe sie betrogen, weil notarielle Angelegenheiten nicht korrekt abgewickelt worden wären. Sie habe damals ihr Vermögen von über 400.000,- DM verloren, sei dann mittellos gewesen. Mittlerweile habe sie zwar keine Schulden mehr, müsse aber von ihrer Tochter zeitweilig unterstützt werden. Seit etwa 1997 beziehe sie Sozialhilfe. Die Klägerin sei psychomotorisch verlangsamt, in Alltagsverrichtungen auf Gehhilfen angewiesen, könne wegen Gelenksbeschwerden und gelegentlichem Schwindel nicht klettern, steigen, keine absturzgefährdenden Tätigkeiten verrichten und im übrigen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur bis zu drei Stunden arbeitstäglich berufstätig sein. Dies gelte seit dem 17.07.2004.

Vom 09.02.2005 bis zum 09.03.2005 führte die Klägerin ein stationäres Heilverfahren in der B.-Klinik D. durch, aus dem sie arbeitsunfähig aufgrund ausgeprägter depressiver Symptomatik entlassen, wobei für Tätigkeiten des Bezugsberufes wie auch des allgemeinen Arbeitsmarktes ein aufgehobenes Leistungsvermögen angenommen wurde.

Die Beklagte lehnte gestützt hierauf mit Bescheid vom 19.05.2005 den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin sei zwar seit 19.05.2004 voll erwerbsgemindert. Im maßgebenden Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung vom 19.05.1995 bis 18.05.2004 seien jedoch keine Monate mit Pflichtbeiträgen belegt. Der Zeitraum vom 01.01.1984 bis 18.05.2004 sei ebenfalls nicht durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien daher nicht erfüllt.

Mit ihrem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie habe seit 1991 Erwerbsminderungsrente beantragt. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, laut ärztlicher Beurteilung bestehe zwar seit dem 19.05.2004 volle Erwerbsminderung. Der Rentenanspruch sei jedoch wegen der fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausgeschlossen.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht K. erhobenen Klage, verwiesen an das örtlich zuständige Sozialgericht Reutlingen (Beschluss vom 19.01.2006), trug die Klägerin vor, sie sei seit 1991 erwerbsgemindert und nicht mehr arbeitsfähig. Sie legte hierzu ein ärztliches Attest des Allgemeinarztes Dr. G. vom 18.06.1991 vor, wonach sie aus gesundheitlichen Gründen ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma B. gekündigt habe.

Das Gericht forderte die Klägerin mehrfach auf vorzutragen und Ärzte dafür zu benennen, dass sie bereits seit Sommer 1994 durchgehend gesundheitlich erwerbsgemindert gewesen sei. Hierauf teilte sie mit, sie sei aufgrund mehrerer Umzüge nicht mehr in der Lage, Ärzte zu benennen. Sie legte lediglich zwei weitere Arztberichte vor, zum einen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie K. vom 19.08.2005 (Diagnose: Karpaltunnelsyndrom rechts) und zum anderen der Ärzte für Chirurgie Dres. M., L., H. vom 09.08.2005.

Mit Urteil vom 24.01.2007 wies das SG unter Bezugnahme auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und auch im Widerspruchsbescheid die Klage mit der Begründung ab, bei der Klägerin wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Nach dem vorgelegten Versicherungsverlauf seien vielmehr die letzten zwei Pflichtbeiträge für die Monate Juli und August 1995 entrichtet worden; davor liege eine Lücke von knapp drei Jahren, da die Pflichtbeiträge nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nur für die Zeit vom 20.07.1991 bis zum 17.07.1992 gezahlt worden wären. Im Hinblick hierauf hätte der Leistungsfall der Erwerbsminderung (vor dem 01.01.2001 Erwerbsunfähigkeit) bis zum 17.07.1994 nachweislich eingetreten sein müssen. Dies ließe sich aber nach den aktenkundigen Unterlagen nicht feststellen. Das vorgelegte Attest von Dr. G. bestätige lediglich, dass die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis bei der Firma B. aus gesundheitlichen Gründen gekündigt habe. Daraus ergebe sich aber nicht, in welchem Umfang und für welche Dauer die Klägerin in ihrer Erwerbsfähigkeit gesundheitlich eingeschränkt gewesen wäre. Gegenüber dem nervenärztlichen Rentengutachter Dr. N. habe sie angegeben, zwischen 1992 und 1995 in T. zwei Parfümerien aufgebaut zu haben. Auch nach der sozialmedizinischen Anamnese im ärztlichen Entlassungsbericht der B.-Klinik D.n sei sie in dieser Zeit selbständig gewesen. Nach dem damals geltenden Recht sei aber nicht erwerbsunfähig gewesen, wer eine selbständige Tätigkeit ausgeübt habe. Für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit mangle es an einem speziellen Berufsschutz. Selbst wenn bis zum Sommer 1995 bereits eine rentenrelevante Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten sei, lägen in den letzten fünf Jahren davor lediglich 24 Monate Pflichtbeiträge. Auch der Ersatztatbestand sei nicht erfüllt, weil für die Zeit ab dem 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsfähigkeit nicht durchgehend Beitragszeiten oder sonstige rentenrelevante Zeiten lägen.

Mit ihrer dagegen am 05.02.2007 eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, sie leide seit dem Jahre 1989, seit sie bei der Firma B. im Außendienst als Ausbildungsleiterin und Repräsentantin beschäftigt gewesen wäre, an Angststörungen. Sie habe Selbstmordversuche unternommen und auch ihren Arbeitsvertrag gekündigt, da sie nicht mehr im Außendienst habe tätig sein können. Ihr Hausarzt habe dies mit der vorgelegten Bescheinigung bestätigt. Sie habe diese Papiere an die Beklagte gesendet. Nachdem nach zwei Jahren nichts passiert sei, habe sie alles in Bewegung gesetzt um gesund zu sein. Ohne Arbeit habe ihr Leben keinen Sinn mehr gehabt, so dass sie sich entschlossen habe, eine Parfümerie zu eröffnen. Sie habe fünf bis sieben Beschäftigte gehabt. Trotz vieler Therapien und Infusionen habe ihr auch damals keiner helfen können. Sie habe monatelang nicht das Bett verlassen können, so dass ihre Geschäftsleiterin die Parfümerie hätte leiten müssen. Sie sei nicht in der Lage gewesen sich um das Geschäft zu kümmern. Deswegen habe sie auch ihr ganzes großes Vermögen verloren und sei plötzlich zum Sozialfall geworden. Sie habe sich dann wieder an die Rentenanstalt gewandt und diese habe mitgeteilt, keinen Rentenantrag erhalten zu haben.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Januar 2007 sowie den Bescheid vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und hat dem Senat einen neuen Versicherungsverlauf sowie eine Proberentenberechnung vorgelegt.

Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft, da die Berufung einen Zeitraum von mehr als einem Jahr umfasst (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Die Rechtsgrundlagen hierfür sind in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 13.07.2005 zutreffend dargestellt, weswegen der Senat hierauf zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen nach §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG Bezug nimmt.

Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin auch zur Überzeugung des Senats nicht. Zwar kann in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. N., das im Wege des Urkundsbeweises verwertbar ist, davon ausgegangen werden, dass die Klägerin seit 17.07.2004 erwerbsgemindert ist. Sie kann jedoch nicht nachweisen, dass der Leistungsfall bereits vor diesem Zeitpunkt eingetreten ist, an dem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dies hat das SG in Auswertung der vorliegenden Unterlagen, insbesondere des Gutachtens von Dr. N. wie dem Entlassungsbericht der B.-Klinik D. und nicht zuletzt dem vorgelegten Attest von Dr. G. ausführlich begründet dargelegt. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat in vollem Umfang an und sieht auch insofern von einer Darstellung der Urteilsgründe nach § 153 Abs. 2 SGG ab.

Auch das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Dass die Klägerin bereits zu einem früheren Zeitpunkt Rente beantragt hat, lässt sich weder aus der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte nachvollziehen, noch hat sie irgendwelche unterlagen vorlegen können, die ihre Angaben nachvollziehbar machen. Sie hat weiter auch dem Senat keine Ärzte benannt, die Angaben zu ihrem Gesundheitszustand im damals relevanten Zeitraum machen konnten. Aus dem Attest von Dr. G. ergibt sich lediglich, dass sie gesundheitsbedingt ihren Arbeitsplatz bei der Firma B. hat aufgeben müssen, nicht jedoch dass sie in rentenrelevantem Umfang erwerbsgemindert war. Dagegen spricht, dass sie sich noch 1992 bis 1995 mit zwei Parfümerien selbständig machen konnte. Dass diese Parfümerien tatsächlich nicht von der Klägerin geleitet wurden, hat sie erstmalig im Berufungsverfahren vorgetragen, dafür aber ebenfalls keinerlei Hinweise erbracht. Es mag daher sein, dass die Klägerin seit 1989 immer wieder Zeiten der Arbeitsunfähigkeit hatte und an diversen gesundheitlichen Beeinträchtigungen litt, daraus ergibt sich nicht jedoch, inwiefern dadurch ihre Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in rentenberechtigendem Ausmaß quantitativ limitiert war. Das geht nach dem auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der allgemeinen Beweislast zu Lasten der Klägerin (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 103 Rdnr. 19 a).

Die Berufung der Klägerin war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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