Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 293/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5463/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2005 insoweit abgeändert, als die Beklagte verurteilt wird, Verletztenrente ab 24. März 2003 nach einer MdE um 20 v. H. und nach einer MdE um 30 v. H. ab 21. Juni 2006 zu gewähren.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Verletztenrente ab November 2002.
Der 1948 geborene Kläger stürzte bei seiner Tätigkeit als Zimmermann am 10. Januar 1980 von einem Gerüst zwei Meter tief ab. Er kam mit dem rechten Kniegelenk sowie dem rechten Handgelenk am Boden auf und zog sich eine Patellatrümmerfraktur rechts zu, die operativ versorgt wurde, eine Distorsion des rechten Handgelenks und oberflächliche Riss- und Schürfwunden (Durchgangsarztbericht des Dr. D. vom 15. Januar 1980). Die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 1980 Rente in Form einer Gesamtvergütung für die Zeit vom 31. März 1980 bis 31. Dezember 1980 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Muskelschwäche des Ober- und Unterschenkels, Schwellneigung und Bewegungseinschränkung des Kniegelenks, Kalksalzminderung im Bereich des Kniegelenks nach Bruch der Kniescheibe mit noch liegendem Osteosynthesematerial. Weiter wurde ausgeführt, dass die Verstauchung des rechten Handgelenks folgenlos ausgeheilt sei. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde nicht anerkannt ein Bruch des linken Handgelenks. Diesem Bescheid lag das Gutachten der Dres. H. und Sch. vom 16. Juni 1980 zugrunde, das als Unfallfolgen eine leichte Muskelminderung am rechten Bein sowie eine schmerzhafte eingeschränkte Beugung im rechten Kniegelenk (rechts: 0/0/130 - links: 0/0/150) bezeichnete und eine MdE um 20 v.H. bis 31. Dezember 1980, danach um 10 v.H. annahm.
In der Folgezeit war der Kläger mehrmals wegen Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks in ärztlicher Behandlung. Der Chirurg Dr. B. diagnostizierte eine - beginnende - posttraumatische Arthrose (Berichte vom 12. Juli 1985 und 24. November 1992). Auf den Antrag des Klägers vom 19. Februar 1993, ihm wegen der Verschlimmerung der Unfallfolgen eine Rente zu gewähren, beauftragte die Beklagte Prof. Dr. W. mit der Erstellung des zweiten Rentengutachtens. In seinem Gutachten vom 6. April 1993 führte er als Unfallfolgen einen knöchern fest verheilten Bruch der rechten Kniescheibe mit Verformung der Kniescheibe, reizlose Operationsnarben, Hinweiszeichen für einen Knorpelschaden an der Kniescheibengelenkfläche, eine Schwäche der Oberschenkelmuskulatur sowie eine Streckhemmung auf. Die Kniegelenksbeweglichkeit wurde nach der Neutral-Null-Methode mit beidseits 0-5-140 gemessen. Unfallunabhängig wurde u.a. eine röntgenologisch nachweisbare, leicht ausgeprägte degenerative Veränderung am rechten Kniegelenk, vor allem an der Innenseite, bei doppelseitigem O-Bein beschrieben. Die MdE wurde mit 10 v.H. eingeschätzt.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Rentengewährung ab, weil die MdE nicht 20 v.H. betrage (Bescheid vom 6. Mai 1993; Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1993). Die hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 11 U 2104/93) nahm der Kläger zurück. In den Jahren 1992 bis 2001 diagnostizierten mehrere behandelnde Ärzte eine posttraumatische Femuropatellararthrose rechts. Der Arzt für Chirurgie Dr. B. führte in seinem Zwischenbericht vom 27. April 2001 gegenüber der Beklagten aus, eine Arthroskopie sei durchgeführt worden. Dabei habe sich eine glatte Kniescheibenrückfläche ohne Stufenbildung, jedoch mit generalisiertem Knorpelschaden gefunden, der jedoch auch sämtliche übrigen Gelenkflächen an Oberschenkelrolle und Schienbeinkopf erfasse. Es handle sich um eine generalisierte Arthrose des rechten Kniegelenks, nicht um eine isolierte posttraumatische Retropatellararthrose, und somit um ein unfallunabhängiges, schicksalhaftes Geschehen.
Im November 2002 beantragte der Kläger erneut, ihm wegen einer wesentlichen Verschlimmerung der unfallbedingten Schädigung des rechten Kniegelenks eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Der behandelnde Orthopäde Dr. M. berichtete der Beklagten unter dem 21. Januar 2003, es bestehe röntgenologisch eine fortgeschrittene Varusgonarthrose, eine deutliche Bewegungseinschränkung (0/10/100), eine lateral gelockerte Bandführung bei guter sagittaler Stabilität, fraglich positive Zeichen einer medialen Meniskopathie (differentialdiagnostisch: mediale Arthrose) und eine deutliche rechtsseitige Muskelatrophie.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Prof. Dr. Sch. mit der Erstellung eines Rentengutachtens. In seinem Gutachten vom 25. März 2003 bezeichnete er als Unfallfolgen eine endgradige Streckhemmung sowie ein Beugedefizit (0-0-100) nach längerem Stehen und Gehen sowie bei Belastung im Bereich des rechten Knies, glaubhafte Beschwerden des Klägers (Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenkes bei längerem Stehen und Gehen sowie beim Treppensteigen), verstrichene Konturen und eine beginnende posttraumatische Arthrose am rechten Kniegelenk. Auf Grund der endgradigen Beuge- und Streckhemmung im rechten Kniegelenk sowie der Schmerzangaben nach längerem Gehen und Stehen und beim Treppensteigen sei eine deutliche Verschlechterung der Beweglichkeit eingetreten. Röntgenologisch zeigten sich am rechten Kniegelenk ausgeprägte, deutlich über die Altersnorm hinausgehende degenerative Veränderungen des femoropatellaren Gleitlagers mit ausgedehnten osteophytären Randkantenausziehungen, Osteochondrose und Arthrose der Patellarückfläche nach vorausgegangener Patellafraktur rechts. Die MdE betrage 20 v.H.
Der Orthopäde Dr. M. vertrat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 9. April 2003 die Auffassung, Prof. Dr. Sch. habe es unterlassen, zwischen der medialen (unfallunabhängigen) und patellofemoralen Arthrose und den dadurch jeweils bedingten Funktionsstörungen zu differenzieren. Es sei davon auszugehen, dass ein Teil der Funktionsstörung, dessen Höhe schwer abschätzbar sei, auf die schicksalhaft entstandene Arthrose des medialen Kompartiments zurückzuführen und eine wesentliche Änderung im Verhältnis zu den maßgeblichen Vergleichsbefunden nicht eingetreten sei.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2003 lehnte die Beklagte den Antrag, eine Rente zu gewähren, ab. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2004 zurück.
Der Kläger hat am 27. Januar 2004 Klage beim SG erhoben, da nach seiner Auffassung, gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. Sch., die stetig zunehmende Funktionsstörung des rechten Knies Folge des Unfalls sei.
Das SG hat den Orthopäden Dr. M. und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P. als sachverständige Zeugen befragt. Dr. M. hat unter dem 23. März 2004, ergänzt unter dem 12. Juli 2004, ausgeführt, trotz regelmäßiger konservativer Therapie sei es im Behandlungszeitraum von August 2002 bis März 2004 zu einer stetigen Zunahme der Schmerzhaftigkeit und einer Verschlechterung der Beweglichkeit (zuletzt: 0/10/90) des rechten Kniegelenkes gekommen. Durch die vermehrte Belastung des linken Kniegelenkes habe sich auch hier eine Schmerzhaftigkeit entwickelt. Die massive, retropatellar betonte Arthrose des rechten Knies sei Unfallfolge. Auf im Jahr 1993 angefertigten Röntgenbildern sei bereits eine deutliche Retropatellararthrose zu erkennen. Die Einschätzung der Arthrose in den anderen Kniekompartimenten als völlig unfallunabhängig und schicksalhaft sehe er als problematisch an. Es sei zwar zutreffend, dass die Varusstellung der Kniegelenke und die Knorpelschäden am linken Kniegelenk für eine schicksalhafte, unfallunabhängige Genese der rechtsseitigen Pangonarthrose sprechen würden. Evident sei jedoch auch, dass auf der rechten Seite eine deutlich über die Altersnorm und den Befund der Gegenseite hinausgehende Destruktion vorliege. Es sei vorstellbar, dass sich aus der massiven retropatellaren Arthrose sekundär eine Schädigung der Femurkondylen entwickelt habe oder eine primäre Schädigung der Femurkondylen im Unfallzusammenhang nicht erkannt worden sei. Die aktuelle MdE schätze er auf 20 v.H. Dr. P. hat ausgeführt, seit Frühjahr 2003 sei eine deutliche Zunahme der Arthrosezeichen an beiden Kniegelenken festzustellen gewesen. Hinsichtlich der Beurteilung der Unfallfolgen fehle ihm die spezifische fachliche Kompetenz (schriftliche Aussage vom 10. April 2004).
Im Auftrag des SG hat Dr. H. das chirurgische Gutachten vom 1. Dezember 2004 erstattet. Folge des Unfallereignisses sei eine schwerste posttraumatisch eingetretene Retropatellararthrose mit teilweiser Aufhebung des retropatellaren Gelenkspaltes, eine messbare Muskelverschmächtigung des rechten Ober- und Unterschenkels, ein deutlicher Schwellungszustand des rechten Kniegelenkes, belastungsabhängige Schmerzen, eine erhebliche Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes, insbesondere bei Beugung und endgradig auch bei Streckung (0/5/100) sowie eine röntgenologisch nachweisbare im Vergleich zu links stärker ausgeprägte medialseitige Gonarthrose rechts. Auch die sicherlich altersentsprechend und schicksalhaft eingetretene Femorotibialarthrose, insbesondere die medialseitig ausgeprägte Varusgonarthrose, sei zu einem Teil mit großer Wahrscheinlichkeit Folge des Unfalls. Das Kniegelenk bilde eine Einheit und könne nicht funktionell in Kompartimente unterteilt werden. Es sei im Vergleich zu links anzuerkennen, dass unfallunabhängig aufgrund der O-Beinfehlstellung (Varusstellung) eine Arthrose eingetreten sei. Diese sei aber rechts erheblich verstärkt und im Zusammenhang mit der sich stetig verschlechternden Retropatellararthrose zu sehen. Diese führe zu den glaubhaften Beschwerden und zu einer deutlichen Bewegungseinschränkung. Die MdE sei in der Vergangenheit sicherlich für einen langen Zeitraum zu Recht mit 10 v.H. festgestellt worden. Aus den Akten und den Angaben des Klägers gehe jedoch hervor, dass seit 1993 eine nachhaltige Verschlimmerung eingetreten sei. Jedenfalls ab 1. Januar 2003 sei deshalb eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt.
Die Beklagte hat daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. M. vom 17. Januar 2005 vorgelegt. Er hat u.a. unter Verweis auf einen Operationsbericht des Dr. R. vom 27. April 2001 (Diagnose: Knorpelschaden Kniegelenk rechts) ausgeführt, die retropatellaren Beschwerden könnten in dem vom Gutachter geschilderten Ausmaß bezüglich des Reizzustandes und auch für die Beugeeinschränkung mit verantwortlich sein. Für ihn sei jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich belegt, dass die Varus-Gonarthrose, die eigentlich eine generalisierte Arthrose sei, in ihrem wesentlichen Anteil auf die stufenlos verheilte Patellafraktur zurückzuführen sei. Die Beklagte hat auch den Operationsbericht über die am 27. April 2001 durchgeführte Arthroskopie (OA Dr. R.) vorgelegt.
Durch Urteil vom 22. November 2005 hat das SG den Bescheid vom 27. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 16. Juli 1980 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. Januar 1980 ab dem 24. März 2003 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Gegenüber dem Gutachten vom 16. Juni 1980, das eine nur geringfügige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes festgestellt habe, habe Dr. H. im März 2004 eine erhebliche Bewegungseinschränkung ermittelt. Diese Verschlechterung sei auch durch die Unfallfolgen ausgelöst worden. Dies folge nicht nur aus dem Gutachten und den Stellungnahmen des Prof. Dr. Sch., des Dr. H. und des Dr. M., sondern auch aus den von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahmen. Die von der Beklagten behauptete Aufteilung der funktionellen Einschränkungen in unfallabhängige und unfallunabhängige sei auch nach Auffassung der Beratungsärzte nicht möglich. Die unfallbedingten Anteile seien deutlich überwiegend und damit wesentlich im Rechtssinne für die eingetretene Verschlechterung.
Gegen das ihr am 29. November 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Dezember 2005 Berufung eingelegt. Das SG sei auf die von ihr aufgeworfenen medizinischen Fragen bzw. Widersprüchlichkeiten nicht im erforderlichen Maß eingegangen. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt seien degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes aktenkundig geworden, die von den damals behandelnden Ärzten bzw. Gutachtern ausdrücklich als nicht unfallbedingt bewertet worden seien. Allein die Feststellung des SG, die Unfallfolgen hätten zu der zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers beigetragen und das Ausmaß des unfallunabhängigen Anteils müsse im Einzelnen nicht bewertet werden, reiche nicht aus, um die erforderliche Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, unter Erhebung einer Anschlussberufung,
die Berufung zurückzuweisen und das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide insoweit abzuändern, als Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren ist.
Er hat in der mündlichen Verhandlung Anschlussberufung eingelegt und sich auf das Gutachten von Dr. O. gestützt.
Im Auftrag des Gerichts hat Dr. O. das orthopädische Gutachten vom 27. Juni 2006 (mit radiologischer Untersuchung durch Prof. Dr. L. vom 21. Juni 2006) erstattet. Er hat ausgeführt, als Unfallfolge liege eine ausgeprägte Retropatellararthrose nach stattgehabter Patellafraktur im Bereich des rechten Knies vor. Unfallunabhängig bestehe eine ausgeprägte medial betonte Gonarthrose des rechten Knies. Er hat weiter dargestellt, dass zum heutigen Zeitpunkt keine wissenschaftlich belegbaren Daten und Untersuchungen vorliegen würden, die beweisen würden, dass eine posttraumatisch entstandene Retropatellararthrose zu einer wie auch immer gearteten Verschlimmerung oder Verschlechterung bzw. Beschleunigung der Entwicklung einer medial betonten Gonarthrose führe. Ein solcher Zusammenhang müsse daher abgelehnt werden. Das geschädigte Knie bedinge insgesamt eine MdE um 30 v.H. Hiervon sei der Verursachungsanteil jeweils hälftig der Retropatellarartrose bzw. der medial betonten Gonarthrose zuzuschreiben, sodass sich für die Unfallfolgen eine MdE um 15 v.H. ergebe. Das Gutachten vom 16. Juni 1980 könne als erstes Rentengutachten nur schlecht als Referenz genommen werden, da die gutachterliche Erfahrung zeige, dass bis zum Ablauf des 2. Unfalljahres noch Verbesserungen durch Gewöhnung und Training möglich seien. Dies belege vorliegend auch der im zweiten Rentengutachten von Prof. Dr. W. vom 16. März 1993 beschriebene Zustand. Im Vergleich hierzu liege jetzt eine deutliche Progredienz der radiologischen Befunde vor, die eine Steigerung der MdE auf 15 v.H. ungefähr seit dem Jahre 2001 rechtfertige.
Auf Nachfrage des Senats hat Dr. O. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Februar 2007 ausgeführt, dass die jeweils hälftige Zuschreibung der Verursachungsanteile auf einer rein subjektiven Einschätzung im Rahmen der gutachterlichen Erfahrung beruhe. Eine exakte Aufschlüsselung sei jedoch unwissenschaftlich und lasse sich nicht anhand der Literatur belegen. Berücksichtige man die für eine wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache im Rechtssinne maßgeblichen Kriterien, dann könne auch der unfallabhängigen Schädigung (Retropatellararthrose) eine rechtlich wesentliche Mitursache zugeschrieben werden. Eine überragende Bedeutung komme der medial betonten Gonarthrose vorliegend nicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. jedenfalls ab 24. März 2003 zu.
Ist nach allgemeinen Erfahrungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls zu erwarten, dass nur eine Rente in Form der vorläufigen Entschädigung zu zahlen ist, kann der Unfallversicherungsträger die Versicherten nach Abschluss der Heilbehandlung mit einer Gesamtvergütung in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwands abfinden. Nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, wird auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder Rente auf unbestimmte Zeit gezahlt, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 75 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]).
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung der Überzeugung, dass die funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Knies rechtlich wesentlich unfallbedingt verursacht sind. Dabei stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr. O. und Dr. H. sowie auf dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme.
Beim Kläger liegen im Bereich beider Knie erhebliche Gesundheitsschäden vor. Es liegt eine ausgeprägte Retropatellararthrose rechts nach vorausgegangener osteosynthetischer Versorgung einer Patellatrümmerfraktur (1980) mit knöcherner Konsolidierung der Fraktur, eine ausgeprägte, medial betonte Gonarthrose des rechten Knies mit annäherndem Aufbrauch des medialen Kniespalts, eine O-Beinstellung im rechten Knie von ca. 10 Grad, eine Muskelminderung des rechten Beins, eine Narbenbildung, eine Bewegungseinschränkung des rechten Knies, eine gering ausgebildete, allenfalls beginnende Retropatellararthrose und medial betonte Arthrose im Bereich des linken Knies sowie eine geringe O-Beinstellung des linken Knies vor.
Als unfallbedingt ist dabei, wie Dr. O. und insoweit auch Dr. H. in ihren Gutachten ausgeführt haben, die ausgeprägte Retropatellararthrose im Bereich des rechten Knies, zum Teil die beschriebene Muskelminderung, und teilweise die eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich des rechten Kniegelenks, die seit 1985 deutlich zugenommen hat (1985: 0-0-130; 1993: 0-5-140; 2004: 0-5-100) sowie eine Bewegungsschmerzhaftigkeit insbesondere beim Treppensteigen.
Abweichend von den Ausführungen von Dr. H. in seinem Gutachten für das SG geht der Senat in Übereinstimmung mit Dr. O. nicht davon aus, dass die beim Kläger weiter bestehende Gonarthrose des rechten Knies und die dadurch bedingten funktionellen Einschränkungen wesentlich auf das angeschuldigte Unfallereignis - auch nicht mittelbar - zurückzuführen sind.
Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die im Unfallversicherungsrecht maßgebende Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung. Ursachen im Rechtssinne sind danach diejenigen Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (z.B. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R = BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Die Theorie der wesentlichen Bedingung setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Der Begriff "wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Ist allerdings eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur sie "wesentlich" und damit Ursache im Rechtssinn.
Dr. O. hat schlüssig und unter Verweis auf - fehlende - epidemiologische Daten ausgeführt, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Daten und Untersuchungen gibt, die beweisen würden, dass eine posttraumatisch entstandene Retropatellararthrose zu einer wie auch immer gearteten Verschlimmerung einer medial betonten Gonarthrose führt. Der naturwissenschaftliche Ursachenzusammenhang dieser arthrotischen Veränderung mit dem angeschuldigten Unfallereignis ist deshalb abzulehnen.
Allerdings führt dies - abweichend von dem Schluss der Beklagten und letztlich auch von Dr. O. in seinem Gutachten - nicht zwangsläufig dazu, dass die erheblichen funktionellen Einschränkungen der Kniegelenksbeweglichkeit rechts in Teile aufzuspalten wären und deren Anteil an der Gesamt-MdE rechnerisch zu ermitteln wäre.
Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG (zuletzt zusammenfassend Urteil vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R. veröffentlicht in Juris) in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger. Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1)
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind weitere, aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten. Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog Vorschäden), werden diese nach ständiger Rechtsprechung des BSG und der in der Literatur vertretenen Auffassung für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr. 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr. 42 mwN). Dies verlangt § 56 Abs 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. O. und Dr. H. geht der Senat bei der Bemessung der MdE für die bestehenden funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Knies davon aus, dass sich die unfallbedingten und unfallunabhängigen Einschränkungen nicht in einzeln aufspaltbare Teile trennen lassen. Die nachvollziehbaren Darlegungen von Dr. O., dass das Kniegelenk in seiner Gesamtheit ein biomechanisch und funktionell sehr komplex gestalteter Apparat ist, der eine derartige Aufschlüsselung nach Einzelkomponenten nicht erlaubt, rechtfertigt den Schluss, dass der unfallbedingten Retropatellararthrose wesentliche Bedeutung für die bestehenden Beschwerden zukommt. Die unfallunabhängige Gonarthrose hat keinen so überragenden Anteil an der Funktionsbeeinträchtigung des Kniegelenks, dass der Anteil der Retropatellararthrose gänzlich in den Hintergrund gedrängt wäre. Deshalb ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung die gesamte Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit in die Schätzung der MdE einzustellen. Bei der medialen Gonarthrose handelt es sich überdies nicht um einen unbeachtlichen Nachschaden, wie die Beklagte meint. Denn die Unfallfolge Retropatellararthrose und die unfallunabhängige Gonarthrose haben sich parallel entwickelt.
Bei einer Kniegelenksbeweglichkeit 2002 (sachverständige Zeugenaussage Dr. M. vom 23. März 2004, Untersuchung am 22. August 2002) von 0-10-100, 2004 (Gutachten Dr. H.) von 0-5-100 und 2006 (Gutachten Dr. O.) von 0-15-90 ist jedenfalls seit 23. März 2003, wie das SG ausgesprochen hat, nach den Erfahrungswerten in der unfallversicherungsrechtlichen und medizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 724) eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt. Die von Dr. O. vorgeschlagene MdE um 30 v.H. ist ab der Untersuchung durch ihn am 21. Juni 2006 zutreffend eingeschätzt, da die von ihm ermittelten Bewegungsmaße nach den genannten Bewertungsgrundsätzen die Feststellung einer MdE um 30 v.H. rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Im Streit steht die Gewährung einer Verletztenrente ab November 2002.
Der 1948 geborene Kläger stürzte bei seiner Tätigkeit als Zimmermann am 10. Januar 1980 von einem Gerüst zwei Meter tief ab. Er kam mit dem rechten Kniegelenk sowie dem rechten Handgelenk am Boden auf und zog sich eine Patellatrümmerfraktur rechts zu, die operativ versorgt wurde, eine Distorsion des rechten Handgelenks und oberflächliche Riss- und Schürfwunden (Durchgangsarztbericht des Dr. D. vom 15. Januar 1980). Die Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Juli 1980 Rente in Form einer Gesamtvergütung für die Zeit vom 31. März 1980 bis 31. Dezember 1980 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Muskelschwäche des Ober- und Unterschenkels, Schwellneigung und Bewegungseinschränkung des Kniegelenks, Kalksalzminderung im Bereich des Kniegelenks nach Bruch der Kniescheibe mit noch liegendem Osteosynthesematerial. Weiter wurde ausgeführt, dass die Verstauchung des rechten Handgelenks folgenlos ausgeheilt sei. Als Folge des Arbeitsunfalls wurde nicht anerkannt ein Bruch des linken Handgelenks. Diesem Bescheid lag das Gutachten der Dres. H. und Sch. vom 16. Juni 1980 zugrunde, das als Unfallfolgen eine leichte Muskelminderung am rechten Bein sowie eine schmerzhafte eingeschränkte Beugung im rechten Kniegelenk (rechts: 0/0/130 - links: 0/0/150) bezeichnete und eine MdE um 20 v.H. bis 31. Dezember 1980, danach um 10 v.H. annahm.
In der Folgezeit war der Kläger mehrmals wegen Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks in ärztlicher Behandlung. Der Chirurg Dr. B. diagnostizierte eine - beginnende - posttraumatische Arthrose (Berichte vom 12. Juli 1985 und 24. November 1992). Auf den Antrag des Klägers vom 19. Februar 1993, ihm wegen der Verschlimmerung der Unfallfolgen eine Rente zu gewähren, beauftragte die Beklagte Prof. Dr. W. mit der Erstellung des zweiten Rentengutachtens. In seinem Gutachten vom 6. April 1993 führte er als Unfallfolgen einen knöchern fest verheilten Bruch der rechten Kniescheibe mit Verformung der Kniescheibe, reizlose Operationsnarben, Hinweiszeichen für einen Knorpelschaden an der Kniescheibengelenkfläche, eine Schwäche der Oberschenkelmuskulatur sowie eine Streckhemmung auf. Die Kniegelenksbeweglichkeit wurde nach der Neutral-Null-Methode mit beidseits 0-5-140 gemessen. Unfallunabhängig wurde u.a. eine röntgenologisch nachweisbare, leicht ausgeprägte degenerative Veränderung am rechten Kniegelenk, vor allem an der Innenseite, bei doppelseitigem O-Bein beschrieben. Die MdE wurde mit 10 v.H. eingeschätzt.
Die Beklagte lehnte daraufhin die Rentengewährung ab, weil die MdE nicht 20 v.H. betrage (Bescheid vom 6. Mai 1993; Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1993). Die hiergegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobene Klage (S 11 U 2104/93) nahm der Kläger zurück. In den Jahren 1992 bis 2001 diagnostizierten mehrere behandelnde Ärzte eine posttraumatische Femuropatellararthrose rechts. Der Arzt für Chirurgie Dr. B. führte in seinem Zwischenbericht vom 27. April 2001 gegenüber der Beklagten aus, eine Arthroskopie sei durchgeführt worden. Dabei habe sich eine glatte Kniescheibenrückfläche ohne Stufenbildung, jedoch mit generalisiertem Knorpelschaden gefunden, der jedoch auch sämtliche übrigen Gelenkflächen an Oberschenkelrolle und Schienbeinkopf erfasse. Es handle sich um eine generalisierte Arthrose des rechten Kniegelenks, nicht um eine isolierte posttraumatische Retropatellararthrose, und somit um ein unfallunabhängiges, schicksalhaftes Geschehen.
Im November 2002 beantragte der Kläger erneut, ihm wegen einer wesentlichen Verschlimmerung der unfallbedingten Schädigung des rechten Kniegelenks eine Rente nach einer MdE um mindestens 20 v.H. zu gewähren. Der behandelnde Orthopäde Dr. M. berichtete der Beklagten unter dem 21. Januar 2003, es bestehe röntgenologisch eine fortgeschrittene Varusgonarthrose, eine deutliche Bewegungseinschränkung (0/10/100), eine lateral gelockerte Bandführung bei guter sagittaler Stabilität, fraglich positive Zeichen einer medialen Meniskopathie (differentialdiagnostisch: mediale Arthrose) und eine deutliche rechtsseitige Muskelatrophie.
Die Beklagte beauftragte daraufhin Prof. Dr. Sch. mit der Erstellung eines Rentengutachtens. In seinem Gutachten vom 25. März 2003 bezeichnete er als Unfallfolgen eine endgradige Streckhemmung sowie ein Beugedefizit (0-0-100) nach längerem Stehen und Gehen sowie bei Belastung im Bereich des rechten Knies, glaubhafte Beschwerden des Klägers (Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenkes bei längerem Stehen und Gehen sowie beim Treppensteigen), verstrichene Konturen und eine beginnende posttraumatische Arthrose am rechten Kniegelenk. Auf Grund der endgradigen Beuge- und Streckhemmung im rechten Kniegelenk sowie der Schmerzangaben nach längerem Gehen und Stehen und beim Treppensteigen sei eine deutliche Verschlechterung der Beweglichkeit eingetreten. Röntgenologisch zeigten sich am rechten Kniegelenk ausgeprägte, deutlich über die Altersnorm hinausgehende degenerative Veränderungen des femoropatellaren Gleitlagers mit ausgedehnten osteophytären Randkantenausziehungen, Osteochondrose und Arthrose der Patellarückfläche nach vorausgegangener Patellafraktur rechts. Die MdE betrage 20 v.H.
Der Orthopäde Dr. M. vertrat in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 9. April 2003 die Auffassung, Prof. Dr. Sch. habe es unterlassen, zwischen der medialen (unfallunabhängigen) und patellofemoralen Arthrose und den dadurch jeweils bedingten Funktionsstörungen zu differenzieren. Es sei davon auszugehen, dass ein Teil der Funktionsstörung, dessen Höhe schwer abschätzbar sei, auf die schicksalhaft entstandene Arthrose des medialen Kompartiments zurückzuführen und eine wesentliche Änderung im Verhältnis zu den maßgeblichen Vergleichsbefunden nicht eingetreten sei.
Mit Bescheid vom 27. Mai 2003 lehnte die Beklagte den Antrag, eine Rente zu gewähren, ab. Den Widerspruch des Klägers wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2004 zurück.
Der Kläger hat am 27. Januar 2004 Klage beim SG erhoben, da nach seiner Auffassung, gestützt auf die Ausführungen von Prof. Dr. Sch., die stetig zunehmende Funktionsstörung des rechten Knies Folge des Unfalls sei.
Das SG hat den Orthopäden Dr. M. und den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. P. als sachverständige Zeugen befragt. Dr. M. hat unter dem 23. März 2004, ergänzt unter dem 12. Juli 2004, ausgeführt, trotz regelmäßiger konservativer Therapie sei es im Behandlungszeitraum von August 2002 bis März 2004 zu einer stetigen Zunahme der Schmerzhaftigkeit und einer Verschlechterung der Beweglichkeit (zuletzt: 0/10/90) des rechten Kniegelenkes gekommen. Durch die vermehrte Belastung des linken Kniegelenkes habe sich auch hier eine Schmerzhaftigkeit entwickelt. Die massive, retropatellar betonte Arthrose des rechten Knies sei Unfallfolge. Auf im Jahr 1993 angefertigten Röntgenbildern sei bereits eine deutliche Retropatellararthrose zu erkennen. Die Einschätzung der Arthrose in den anderen Kniekompartimenten als völlig unfallunabhängig und schicksalhaft sehe er als problematisch an. Es sei zwar zutreffend, dass die Varusstellung der Kniegelenke und die Knorpelschäden am linken Kniegelenk für eine schicksalhafte, unfallunabhängige Genese der rechtsseitigen Pangonarthrose sprechen würden. Evident sei jedoch auch, dass auf der rechten Seite eine deutlich über die Altersnorm und den Befund der Gegenseite hinausgehende Destruktion vorliege. Es sei vorstellbar, dass sich aus der massiven retropatellaren Arthrose sekundär eine Schädigung der Femurkondylen entwickelt habe oder eine primäre Schädigung der Femurkondylen im Unfallzusammenhang nicht erkannt worden sei. Die aktuelle MdE schätze er auf 20 v.H. Dr. P. hat ausgeführt, seit Frühjahr 2003 sei eine deutliche Zunahme der Arthrosezeichen an beiden Kniegelenken festzustellen gewesen. Hinsichtlich der Beurteilung der Unfallfolgen fehle ihm die spezifische fachliche Kompetenz (schriftliche Aussage vom 10. April 2004).
Im Auftrag des SG hat Dr. H. das chirurgische Gutachten vom 1. Dezember 2004 erstattet. Folge des Unfallereignisses sei eine schwerste posttraumatisch eingetretene Retropatellararthrose mit teilweiser Aufhebung des retropatellaren Gelenkspaltes, eine messbare Muskelverschmächtigung des rechten Ober- und Unterschenkels, ein deutlicher Schwellungszustand des rechten Kniegelenkes, belastungsabhängige Schmerzen, eine erhebliche Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes, insbesondere bei Beugung und endgradig auch bei Streckung (0/5/100) sowie eine röntgenologisch nachweisbare im Vergleich zu links stärker ausgeprägte medialseitige Gonarthrose rechts. Auch die sicherlich altersentsprechend und schicksalhaft eingetretene Femorotibialarthrose, insbesondere die medialseitig ausgeprägte Varusgonarthrose, sei zu einem Teil mit großer Wahrscheinlichkeit Folge des Unfalls. Das Kniegelenk bilde eine Einheit und könne nicht funktionell in Kompartimente unterteilt werden. Es sei im Vergleich zu links anzuerkennen, dass unfallunabhängig aufgrund der O-Beinfehlstellung (Varusstellung) eine Arthrose eingetreten sei. Diese sei aber rechts erheblich verstärkt und im Zusammenhang mit der sich stetig verschlechternden Retropatellararthrose zu sehen. Diese führe zu den glaubhaften Beschwerden und zu einer deutlichen Bewegungseinschränkung. Die MdE sei in der Vergangenheit sicherlich für einen langen Zeitraum zu Recht mit 10 v.H. festgestellt worden. Aus den Akten und den Angaben des Klägers gehe jedoch hervor, dass seit 1993 eine nachhaltige Verschlimmerung eingetreten sei. Jedenfalls ab 1. Januar 2003 sei deshalb eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt.
Die Beklagte hat daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. M. vom 17. Januar 2005 vorgelegt. Er hat u.a. unter Verweis auf einen Operationsbericht des Dr. R. vom 27. April 2001 (Diagnose: Knorpelschaden Kniegelenk rechts) ausgeführt, die retropatellaren Beschwerden könnten in dem vom Gutachter geschilderten Ausmaß bezüglich des Reizzustandes und auch für die Beugeeinschränkung mit verantwortlich sein. Für ihn sei jedoch nicht hinreichend wahrscheinlich belegt, dass die Varus-Gonarthrose, die eigentlich eine generalisierte Arthrose sei, in ihrem wesentlichen Anteil auf die stufenlos verheilte Patellafraktur zurückzuführen sei. Die Beklagte hat auch den Operationsbericht über die am 27. April 2001 durchgeführte Arthroskopie (OA Dr. R.) vorgelegt.
Durch Urteil vom 22. November 2005 hat das SG den Bescheid vom 27. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Januar 2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 16. Juli 1980 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. Januar 1980 ab dem 24. März 2003 Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. Gegenüber dem Gutachten vom 16. Juni 1980, das eine nur geringfügige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes festgestellt habe, habe Dr. H. im März 2004 eine erhebliche Bewegungseinschränkung ermittelt. Diese Verschlechterung sei auch durch die Unfallfolgen ausgelöst worden. Dies folge nicht nur aus dem Gutachten und den Stellungnahmen des Prof. Dr. Sch., des Dr. H. und des Dr. M., sondern auch aus den von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahmen. Die von der Beklagten behauptete Aufteilung der funktionellen Einschränkungen in unfallabhängige und unfallunabhängige sei auch nach Auffassung der Beratungsärzte nicht möglich. Die unfallbedingten Anteile seien deutlich überwiegend und damit wesentlich im Rechtssinne für die eingetretene Verschlechterung.
Gegen das ihr am 29. November 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Dezember 2005 Berufung eingelegt. Das SG sei auf die von ihr aufgeworfenen medizinischen Fragen bzw. Widersprüchlichkeiten nicht im erforderlichen Maß eingegangen. Bereits zu einem früheren Zeitpunkt seien degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes aktenkundig geworden, die von den damals behandelnden Ärzten bzw. Gutachtern ausdrücklich als nicht unfallbedingt bewertet worden seien. Allein die Feststellung des SG, die Unfallfolgen hätten zu der zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers beigetragen und das Ausmaß des unfallunabhängigen Anteils müsse im Einzelnen nicht bewertet werden, reiche nicht aus, um die erforderliche Wahrscheinlichkeit zu begründen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, unter Erhebung einer Anschlussberufung,
die Berufung zurückzuweisen und das angefochtene Urteil und die angefochtenen Bescheide insoweit abzuändern, als Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu gewähren ist.
Er hat in der mündlichen Verhandlung Anschlussberufung eingelegt und sich auf das Gutachten von Dr. O. gestützt.
Im Auftrag des Gerichts hat Dr. O. das orthopädische Gutachten vom 27. Juni 2006 (mit radiologischer Untersuchung durch Prof. Dr. L. vom 21. Juni 2006) erstattet. Er hat ausgeführt, als Unfallfolge liege eine ausgeprägte Retropatellararthrose nach stattgehabter Patellafraktur im Bereich des rechten Knies vor. Unfallunabhängig bestehe eine ausgeprägte medial betonte Gonarthrose des rechten Knies. Er hat weiter dargestellt, dass zum heutigen Zeitpunkt keine wissenschaftlich belegbaren Daten und Untersuchungen vorliegen würden, die beweisen würden, dass eine posttraumatisch entstandene Retropatellararthrose zu einer wie auch immer gearteten Verschlimmerung oder Verschlechterung bzw. Beschleunigung der Entwicklung einer medial betonten Gonarthrose führe. Ein solcher Zusammenhang müsse daher abgelehnt werden. Das geschädigte Knie bedinge insgesamt eine MdE um 30 v.H. Hiervon sei der Verursachungsanteil jeweils hälftig der Retropatellarartrose bzw. der medial betonten Gonarthrose zuzuschreiben, sodass sich für die Unfallfolgen eine MdE um 15 v.H. ergebe. Das Gutachten vom 16. Juni 1980 könne als erstes Rentengutachten nur schlecht als Referenz genommen werden, da die gutachterliche Erfahrung zeige, dass bis zum Ablauf des 2. Unfalljahres noch Verbesserungen durch Gewöhnung und Training möglich seien. Dies belege vorliegend auch der im zweiten Rentengutachten von Prof. Dr. W. vom 16. März 1993 beschriebene Zustand. Im Vergleich hierzu liege jetzt eine deutliche Progredienz der radiologischen Befunde vor, die eine Steigerung der MdE auf 15 v.H. ungefähr seit dem Jahre 2001 rechtfertige.
Auf Nachfrage des Senats hat Dr. O. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 26. Februar 2007 ausgeführt, dass die jeweils hälftige Zuschreibung der Verursachungsanteile auf einer rein subjektiven Einschätzung im Rahmen der gutachterlichen Erfahrung beruhe. Eine exakte Aufschlüsselung sei jedoch unwissenschaftlich und lasse sich nicht anhand der Literatur belegen. Berücksichtige man die für eine wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache im Rechtssinne maßgeblichen Kriterien, dann könne auch der unfallabhängigen Schädigung (Retropatellararthrose) eine rechtlich wesentliche Mitursache zugeschrieben werden. Eine überragende Bedeutung komme der medial betonten Gonarthrose vorliegend nicht zu.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Dem Kläger steht eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. jedenfalls ab 24. März 2003 zu.
Ist nach allgemeinen Erfahrungen unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalls zu erwarten, dass nur eine Rente in Form der vorläufigen Entschädigung zu zahlen ist, kann der Unfallversicherungsträger die Versicherten nach Abschluss der Heilbehandlung mit einer Gesamtvergütung in Höhe des voraussichtlichen Rentenaufwands abfinden. Nach Ablauf des Zeitraums, für den die Gesamtvergütung bestimmt war, wird auf Antrag Rente als vorläufige Entschädigung oder Rente auf unbestimmte Zeit gezahlt, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen (§ 75 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch [SGB VII]).
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).
Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22).
Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung der Überzeugung, dass die funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Knies rechtlich wesentlich unfallbedingt verursacht sind. Dabei stützt sich der Senat im Wesentlichen auf die Gutachten von Dr. O. und Dr. H. sowie auf dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme.
Beim Kläger liegen im Bereich beider Knie erhebliche Gesundheitsschäden vor. Es liegt eine ausgeprägte Retropatellararthrose rechts nach vorausgegangener osteosynthetischer Versorgung einer Patellatrümmerfraktur (1980) mit knöcherner Konsolidierung der Fraktur, eine ausgeprägte, medial betonte Gonarthrose des rechten Knies mit annäherndem Aufbrauch des medialen Kniespalts, eine O-Beinstellung im rechten Knie von ca. 10 Grad, eine Muskelminderung des rechten Beins, eine Narbenbildung, eine Bewegungseinschränkung des rechten Knies, eine gering ausgebildete, allenfalls beginnende Retropatellararthrose und medial betonte Arthrose im Bereich des linken Knies sowie eine geringe O-Beinstellung des linken Knies vor.
Als unfallbedingt ist dabei, wie Dr. O. und insoweit auch Dr. H. in ihren Gutachten ausgeführt haben, die ausgeprägte Retropatellararthrose im Bereich des rechten Knies, zum Teil die beschriebene Muskelminderung, und teilweise die eingeschränkte Beweglichkeit im Bereich des rechten Kniegelenks, die seit 1985 deutlich zugenommen hat (1985: 0-0-130; 1993: 0-5-140; 2004: 0-5-100) sowie eine Bewegungsschmerzhaftigkeit insbesondere beim Treppensteigen.
Abweichend von den Ausführungen von Dr. H. in seinem Gutachten für das SG geht der Senat in Übereinstimmung mit Dr. O. nicht davon aus, dass die beim Kläger weiter bestehende Gonarthrose des rechten Knies und die dadurch bedingten funktionellen Einschränkungen wesentlich auf das angeschuldigte Unfallereignis - auch nicht mittelbar - zurückzuführen sind.
Für die haftungsbegründende Kausalität zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden gilt die im Unfallversicherungsrecht maßgebende Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung. Ursachen im Rechtssinne sind danach diejenigen Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (z.B. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R = BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Die Theorie der wesentlichen Bedingung setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus und in einem zweiten wertenden Schritt, dass das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Der Begriff "wesentlich" ist dabei nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Ist allerdings eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur sie "wesentlich" und damit Ursache im Rechtssinn.
Dr. O. hat schlüssig und unter Verweis auf - fehlende - epidemiologische Daten ausgeführt, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Daten und Untersuchungen gibt, die beweisen würden, dass eine posttraumatisch entstandene Retropatellararthrose zu einer wie auch immer gearteten Verschlimmerung einer medial betonten Gonarthrose führt. Der naturwissenschaftliche Ursachenzusammenhang dieser arthrotischen Veränderung mit dem angeschuldigten Unfallereignis ist deshalb abzulehnen.
Allerdings führt dies - abweichend von dem Schluss der Beklagten und letztlich auch von Dr. O. in seinem Gutachten - nicht zwangsläufig dazu, dass die erheblichen funktionellen Einschränkungen der Kniegelenksbeweglichkeit rechts in Teile aufzuspalten wären und deren Anteil an der Gesamt-MdE rechnerisch zu ermitteln wäre.
Die Bemessung des Grades der MdE wird vom BSG (zuletzt zusammenfassend Urteil vom 5.9.2006 - B 2 U 25/05 R. veröffentlicht in Juris) in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger. Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (vgl. BSG Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1)
Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind weitere, aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten. Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog Vorschäden), werden diese nach ständiger Rechtsprechung des BSG und der in der Literatur vertretenen Auffassung für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr. 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr. 42 mwN). Dies verlangt § 56 Abs 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen von Dr. O. und Dr. H. geht der Senat bei der Bemessung der MdE für die bestehenden funktionellen Einschränkungen im Bereich des rechten Knies davon aus, dass sich die unfallbedingten und unfallunabhängigen Einschränkungen nicht in einzeln aufspaltbare Teile trennen lassen. Die nachvollziehbaren Darlegungen von Dr. O., dass das Kniegelenk in seiner Gesamtheit ein biomechanisch und funktionell sehr komplex gestalteter Apparat ist, der eine derartige Aufschlüsselung nach Einzelkomponenten nicht erlaubt, rechtfertigt den Schluss, dass der unfallbedingten Retropatellararthrose wesentliche Bedeutung für die bestehenden Beschwerden zukommt. Die unfallunabhängige Gonarthrose hat keinen so überragenden Anteil an der Funktionsbeeinträchtigung des Kniegelenks, dass der Anteil der Retropatellararthrose gänzlich in den Hintergrund gedrängt wäre. Deshalb ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung die gesamte Einschränkung der Kniegelenksbeweglichkeit in die Schätzung der MdE einzustellen. Bei der medialen Gonarthrose handelt es sich überdies nicht um einen unbeachtlichen Nachschaden, wie die Beklagte meint. Denn die Unfallfolge Retropatellararthrose und die unfallunabhängige Gonarthrose haben sich parallel entwickelt.
Bei einer Kniegelenksbeweglichkeit 2002 (sachverständige Zeugenaussage Dr. M. vom 23. März 2004, Untersuchung am 22. August 2002) von 0-10-100, 2004 (Gutachten Dr. H.) von 0-5-100 und 2006 (Gutachten Dr. O.) von 0-15-90 ist jedenfalls seit 23. März 2003, wie das SG ausgesprochen hat, nach den Erfahrungswerten in der unfallversicherungsrechtlichen und medizinischen Literatur (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 724) eine MdE um 20 v.H. gerechtfertigt. Die von Dr. O. vorgeschlagene MdE um 30 v.H. ist ab der Untersuchung durch ihn am 21. Juni 2006 zutreffend eingeschätzt, da die von ihm ermittelten Bewegungsmaße nach den genannten Bewertungsgrundsätzen die Feststellung einer MdE um 30 v.H. rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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