Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 6339/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 4594/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) mit daraus folgender Entschädigungspflicht streitig.
Der am 22.06.1951 geborene Kläger war vom 01.04.1966 bis 15.03.1970 als Kfz-Mechaniker-Lehrling beim Autohaus L und vom 16.03.1970 bis 29.03.1974 als Kfz-Mechaniker bei den US-Streitkräften beschäftigt. Seit 01.04.1974 arbeitet er - zunächst als Mechaniker, später als Gruppenleiter in der Montage und im Testbereich, bei der M GmbH.
Mit Schreiben vom 05.05.2000 zeigte Dr. H vom Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienst (BAD), B, auf Wunsch des Klägers eine Lärmschwerhörigkeit als BK an. Der Kläger gab auf Befragen an, Hörbeschwerden im täglichen Leben seit 1984, im jetzigen Maße seit 1985, bemerkt zu haben. Die Beklagte holte Befunde der behandelnden Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Ärzte Dr. F und Dr. M mit Ton- und Sprachaudiogrammen seit 23.01.1991 ein. Dr. F berichtete am 31.05.2000 von einer kurzzeitigen homöopathischen Behandlung 1991, nachdem bei einer betriebsärztlichen Untersuchung eine Hörstörung aufgefallen war, sowie von einer Behandlung wegen Sinusitis 1993. Dr. M teilte mit, keinen pathologischen Befund erhoben zu haben und übersandte das Audiogramm vom 03.02.2000. Die M GmbH gab auf Befragen an, dass Dokumentationen über Lärmmessungen nicht vorlägen. Seit 01.01.1993 werde sie arbeitsmedizinisch von der GFA, Tuttlingen, übergegangen in TÜV Süddeutschland, und den Betriebsarzt Dr. H betreut. Über Untersuchungen von Mitarbeitern lägen keine Dokumentationen vor. Beigefügt wurde eine Anfrage von HNO-Arzt Dr. G K vom 03.06.1976 mit der Bitte um eine Arbeitsplatzanalyse bezüglich der Lärmbelastung des Klägers, das Antwortschreiben vom 24.06.1976, eine Aktennotiz über Schallpegelmessung im Industrielabor am Frequenzgangstand vom 15.06.1976 (Grundpegel 64 - 72 dB(A), Betriebspegel zwischen 84 und 97 dB(A), Lärmbereich, Verpflichtung zum Tragen von persönlichen Schallschutzmitteln), eine Notiz des BAD vom 05.05.1988 zur Betriebsbegehung am 14.04.1983 u. a. mit Lärmmessungen im Labor (Schallpegel unter 85 dB(A), Prüfstand 92 dB(A)) und im Pumpenraum 95 dB(A)), sowie Kopien von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen vom 17.02.1983, 02.09.1985, 18.02.1988 und 05.11.1990 - jeweils ohne gesundheitliche Bedenken für den Kläger -. Der Unfallverhütungsdienst der Beklagten ermittelte für den Zeitraum bis 1997 einen - infolge veränderter räumlicher Verhältnisse nur geschätzten - Beurteilungspegel von 82 dB(A) und ab 1997 einen solchen von 72 dB(A) (Lärmermittlungen am Arbeitsplatz vom 12.04.2001). Nachdem auf Veranlassung der Dr. G, Staatliche Gewerbeärztin Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, die Ermittlung der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz näher aufgeschlüsselt worden waren und weitere Ermittlungen zur Einschätzung der Lärmexposition beim Autohaus L zunächst erfolglos blieben, schlug diese eine BK nicht zur Anerkennung vor. Mit Bescheid vom 13.12.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK und die Gewährung von Leistungen ab, da der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz bei der Fa. M den relevanten Beurteilungspegel von 85 dB(A) nicht erreicht oder überschritten habe. Mit seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass seine lärmbelasteten Tätigkeiten von April 1966 bis März 1974 sowie seine Lärmbelastung von April 1974 bis April 1994 durch die Ultraschallanlage nicht berücksichtigt seien und legte eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung vom 05.11.1990 vor, nach der im Hörtest eine muldenförmige Senke beidseits bestehe, die seit 1985 kaum Verschlechterung erfahren habe. Dr. de V stellte in seiner konsiliarärztlichen Stellungnahme vom 13.05.2002 kaum eine Zunahme der Hörminderung zwischen 1991 und 2000 fest und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 10 vH. ein. Eine beginnende Lärmschwerhörigkeit könne allerdings vorliegen. Die Süddeutsche Metallberufsgenossenschaft teilte auf Anfrage mit, dass beim Autohaus L für die damalige Beschäftigungszeit des Klägers erfahrungsgemäß von einer Lärmbelastung von 87 dB(A) auszugehen sei. Die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung gab unter dem 25.06.2002 an, dass der Kläger in der Zeit vom 16.03.1970 bis 29.03.1984 als Kfz-Mechaniker bei den US Streitkräften bei einem Beurteilungspegel von mindestens 90 dB(A) lärmexponiert beschäftigt gewesen sei. Abschließend bestätigte die Präventionsabteilung der Beklagten ihre bisher getroffenen Feststellungen und führte aus, bei der Beurteilung - ausgehend von der heute vorhandenen, den Lärmpegel bestimmenden Ultraschall-Reinigungsanlage mit einem Dauerschallpegel von 77 dB(A) - die alte Anlage auf 82 dB(A) eingeschätzt zu haben, wobei eine Pegelerhöhung von 3 dB bereits eine Verdoppelung der Schallintensität darstelle. Die bei den Lärmmessungen von 1976 und 1983 festgestellten Pegel von 90 bis 97 dB(A) seien kurzzeitige momentane Spitzenwerte, die keine Bewertung als Beurteilungspegel darstellten, aber darin eingeflossen seien. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2002 zurückgewiesen.
Mit der dagegen am 27.12.2002 erhobenen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) hat sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Feststellungen der Beklagten zur Höhe der Lärmexposition und die daraus getroffenen Schlussfolgerungen gewandt. Nach Durchführung eines ersten Erörterungstermins am 09.07.2003 hat das SG Dr. K, Dr. V und Dr. K schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K hat nach längerer Praxisaufgabe keine Angaben über den Kläger machen können (Auskunft vom 15.07.2003). Dr. V, Arzt für Allgemeinmedizin, hat einen Befundbericht von Dr. M vom 20.11.1997 vorgelegt, in dem über einen schon lange bestehenden Hörverlust und frühere Lärmarbeit berichtet wird; weiter hat er einen Ärztlichen Entlassungsbericht der B Klinik vom 27.08.1998 übersandt, in dem ein chronischer Tinnitus, Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits und HWS-Syndrom diagnostiziert sind. Dr. Krapp, als HNO-Arzt Nachfolger von Dr.G K, hat nicht mehr über Unterlagen über den Kläger verfügt. In einem weiteren Erörterungstermin vom 31.07.2003 hat das SG J S, kaufmännischer Angestellter bei der Firma M, als Zeugen zu den Verhältnissen am Arbeitsplatz des Klägers befragt. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf die SG-Akte Bezug genommen. Auf Nachfrage teilte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt S mit, keine Aufzeichnungen über Lärmwerte im Montage- und Testbereich der M GmbH zu haben. Das SG hat weiter das HNO-ärztliche Gutachten bei Prof. Dr. J, Universitäts-HNO-Klinik U, vom 27.11.2003 eingeholt, in dem der Gutachter eine symmetrische beginnende Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits mit Einbeziehung der tiefen und mittleren Frequenzen, Maximum im Hochtonbereich ohne Wiederanstieg zu den höheren Frequenzen, und einen Tinnitus rechts diagnostiziert hat. Prof. Dr. J hat offen gelassen, ob der Kläger überhaupt einer adäquaten beruflichen Lärmbelastung ausgesetzt gewesen sei. Er ist auf Grund des medizinischen Befunds nicht zur Feststellung einer BK gelangt, da die Innenohrschwerhörigkeit in ihrem Verlauf nicht die Kriterien einer Lärmschwerhörigkeit erfülle. Bei einer nur beginnenden Schwerhörigkeit müsse sich diese - anders als beim Kläger - auf den Hochtonbereich um 4 kHz beschränken. Außerdem habe sich die Schwerhörigkeit unter Wegfall der Lärmbelastung seit der Gehörmessung durch Dr. M am 03.02.2000 untypisch in einigen Frequenzbereichen um 10 dB verstärkt und der Tinnitus sei erstmalig später aufgetreten. Ebenfalls untypisch seien erste Probleme bereits 1976. Im Übrigen betrage die MdE für den beiderseitigen 15-prozentigen Hörverlust 0 vH, der Tinnitus sei mit 5 vH ausreichend bewertet. Unter Berücksichtigung des vom Kläger vorgelegten Tonaudiogramms vom 07.07.1997 des Dr. M hat Prof. Dr. J in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2004 daran festgehalten, dass beim Kläger die audiometrischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK nicht vorlägen, sondern eine Berufslärm unabhängige Dynamik bestehe. Auf das Kostenrisiko des Klägers gem. § 109 SGG erstattete Arzt für HNO-Krankheiten, Allergologe Dr. J das Gutachten vom 14.02.2006 nach Aktenlage. Grundsätzlich hat er sich den Ausführungen von Prof. Dr. J angeschlossen. Er hat zwar die wenigstens am rechten Ohr typischerweise vorliegende Senkenbildung im Hochtonbereich sowie den Nachweis eines Haarzellschadens als lärmbedingte Läsionen gedeutet, hielt jedoch eine adäquate Lärmbelastung nicht für gegeben. Die Lärmbelastung am Arbeitsplatz könne nur durch Lärmpegelmessungen, keinesfalls gefühlsmäßig festgestellt werden. Grundsätzlich sei ein von Lärmspitzen zu unterscheidender Beurteilungspegel mit einem Mittelwert verschiedener Lärmeinflüsse während des Arbeitsvorganges von 85 dB(A) bei entsprechend langjähriger Expositionsdauer gehörschädigend. Auf Grund der schlüssigen Ermittlungen und Messungen der Beklagten hat er eine berufliche Lärmbelastung gehörschädigenden Umfangs ausgeschlossen. Krankheitsverlauf und Lärmbelastung am Arbeitsplatz seien nicht in Einklang zu bringen, weshalb eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit nicht vorliege. Das SG hat die Klage gestützt auf die Gutachten mit Urteil vom 21.07.2006 abgewiesen.
Gegen das am 17.08.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.2006 mit der Begründung Berufung eingelegt, die Lärmbelastung sei nicht genügend geklärt und im Zweifel auch durch Zeugenbeweis weiter zu ermitteln. Zu den bisher eingeholten Gutachten hat er sich mit der Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. H vom 01.08.2006 auseinandergesetzt. Dieser hat die audiometrischen Voraussetzungen für gegeben erachtet, hielt jedoch aufgrund von unterschiedlichen Lärmmessungen eine nochmalige Überprüfung der Arbeitsplatzsituation seit 1974 für erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat weitere Ermittlungen durchgeführt. Die Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen über den Kläger beim BAD B und bei der Unfallkasse des Bundes wegen der Tätigkeit bei den US- Streitkräften blieb erfolglos (Antwortschreiben ohne Datum - eingegangen am 18.12.2006 - und vom 29.01.2007). Die AOK B hat das Vorerkrankungsverzeichnis für den Kläger übersandt. Der Kläger hat ein Gesprächsprotokoll vom 14.12.2006 vorgelegt, worin die Lärmbelastung am Arbeitsplatz seit 1974 mittels eines Lärmzeitstrahls versucht wurde zu rekonstruieren. Dr. M und Dr. K, beide als sachverständige Zeugen befragt, übersandten weitere Tonaudiogramme vom 18.11.1997, 16.03.1999, 03.02.2000 und vom 18.10.2004 sowie einen Bericht der HNO-Universitätsklinik T vom 24.05.2006.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 13.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2002 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 26 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Unfallversicherung (SGB VII) haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen. Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Rente ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus, um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BK en. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BK en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Bk en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden; dazu zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV auch eine Lärmschwerhörigkeit. Voraussetzung für die Anerkennung einer BK ist, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) sowie die Erkrankung nachgewiesen sind. Es muss ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 61, 127, 129). Dies bedeutet, dass nach sachgerechter Abwägung aller medizinischen Gesichtspunkte des Einzelfalls aufgrund der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass der Kläger durchgehend seit 1966 eine versicherte Tätigkeit, zunächst als Lehrling, dann als Kfz-Mechaniker und später als Gruppenleiter ausgeübt hat. Auf Grund des Gutachtens von Prof. Dr. J, dem der Wahlgutachter Dr. J insoweit zugestimmt hat, ist auch erwiesen, dass der Kläger an einer beginnenden Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie einem Tinnitus leidet.
Der Anspruch des Klägers scheitert aber daran, dass das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zur vollen Überzeugung des Senats erwiesen ist. Voraussetzung hierfür ist, worauf alle Gutachter und auch Dr. Horn übereinstimmend und im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 417 f; Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1996, S. 19) hingewiesen haben, dass am Arbeitsplatz über einen mehrjährigen Zeitraum eine Exposition gegenüber einem Beurteilungspegel von mindestens 85 dB vorgelegen hat. Erst dann besteht die Möglichkeit der Entstehung einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit. Darüber hinaus muss sich die Lärmschwerhörigkeit notwendigerweise während der Lärmarbeit entwickeln (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, S. 416). Diese Voraussetzungen haben - zwischen den Beteiligten unbestritten - seit dem Umbau des Arbeitsplatzes ab 1997 nicht mehr vorgelegen. Für den davor liegenden Zeitraum ist zu differenzieren: Nach den Feststellungen der Süddeutschen Metallberufsgenossenschaft und der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung ist der Kläger von April 1964 bis März 1974 bei Beurteilungspegeln von 87 bzw. 90 dB(A) lärmbelastet tätig gewesen, sodass für diesen Zeitraum die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind. Gleichwohl kann sich der Kläger hierauf nicht berufen, weil sich seine Hörstörung erstmals 1984 bemerkbar gemacht hat. Da sich - wie oben dargelegt - eine Lärmschwerhörigkeit parallel zur Lärmarbeit entwickeln muss, kann aus medizinischen Gründen die Lärmbelastung der Jahre 1966 bis 1974 nicht für die erstmals 1984 - also 10 Jahre später - bemerkte Hörstörung ursächlich sein. Die Lärmexposition der Jahre 1966 bis (Anfang) 1974 wäre nur dann relevant, wenn auch für den nachfolgenden Zeitraum, wenigstens bis 1984 eine Lärmbelastung von mindestens 85 dB(A) belegt wäre. Das vermag der Senat jedoch nicht festzustellen. Im Zeitraum von April 1974 bis 1997 hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Lärmbelastung des Klägers mit einem Beurteilungspegel von 85 dB(A) und mehr nicht vorgelegen. Der Senat stützt seine Entscheidung insoweit auf die Beurteilung des Präventionsdienstes der Beklagten, deren Ermittlungen - ausgehend von den im Zeitpunkt der Begehung vorliegenden Verhältnissen und in Kenntnis der Tatsache, dass die frühere Ultraschallanlage erheblich lauter gewesen ist - für den Zeitraum von 1974 bis 1997 einen Beurteilungspegel von geschätzten 82 dB(A) ergeben haben. Nachdem der Arbeitsplatz des Klägers in den Jahren zwischen 1974 und 1997 mehrfach durch Umbauten und Einsatz anderer Maschinen umgestaltet wurde, sind die damaligen Verhältnisse nicht mehr genau zu rekonstruieren. Die Beurteilung kann - auch mangels anderer zur Verfügung stehender älterer technischer Unterlagen - nur noch ausgehend von den heutigen Verhältnissen vorgenommen werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, S. 418 f). Der Kläger selber hat die Datengrundlage des Präventionsdienstes nicht durch objektivierbare Angaben zu erschüttern vermocht. Zutreffend hat Dr. J darauf hingewiesen, dass allein objektive Lärmmessungen relevante Beurteilungsergebnisse über die Lärmbelastung geben können, nicht dagegen subjektive Lautheitsempfindungen. Die Einvernahme von Zeugen - wie vom Kläger gefordert - ist daher von vorneherein ungeeignet zur Verifizierung des beruflichen Lärms. Die Lärmzeitstrahlmessung des Klägers beruht ebenfalls auf subjektiver Wahrnehmung, sie vermittelt somit eine Pseudogenauigkeit, die die Ermittlungen des Präventionsdienstes nicht zu entkräften vermag. Schließlich steht der vom Präventionsdienst schätzungsweise ermittelte Beurteilungspegel für die Zeit von 1974 bis 1997 zu den früheren Messprotokollen am Frequenzgangstand und im Labor vom 15.06.1976 und 14.04.1983 nicht im Widerspruch. Maßgebend ist - wie der Präventionsdienst zutreffend erläutert hat - der auf 8 Stunden bezogene energieäquivalente Dauerschallpegel, der sich über eine Arbeitsschicht verteilt und sich aus unterschiedlichen Lärmquellen zusammensetzt (Königsteiner Merkblatt, aaO). Die damals ermittelten Werte beziehen sich nur auf Ausschnitte der Tätigkeit an einem Arbeitstag. Sie sind daher als Spitzenwerte und nicht als Beurteilungspegel einzustufen und haben als solche Eingang in die Bewertung des Präventionsdienstes gefunden. Zudem waren nicht diese Maschinen, sondern eine Ultraschall-Waschanlage für den Kläger pegelbestimmend. Im Ergebnis haben daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Zeitraum von April 1974 bis 1977 nicht vorgelegen.
Dessen ungeachtet scheitert der Anspruch des Klägers auch daran, dass seine Innenohrschwerhörigkeit aus medizinischen Gründen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die während der Berufstätigkeit ab 1974 erfolgte Lärmexposition zurückzuführen ist. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. J, in denen für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt ist, aus welchen Gründen die beim Kläger bestehende Hörstörung nicht wahrscheinlich durch Lärmexposition bedingt ist. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass der Umfang der Hörschädigung des Klägers beginnend mit dem Tonaudiogramm vom 23.01.1991 dokumentiert ist. Da die darin gemessenen Werte gegenüber dem späteren Tonaudiogramm vom 18.11.1997 schlechter sind und eine Besserung einer Lärmschwerhörigkeit aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, ist von den im Tonaudiogramm am 18.11.1997 gemessenen Werten auszugehen. Danach beginnt rechts bei 0,125 kH die Hörstörung bei 10 dB, um im Bereich ab 1,5 kHz bis 4 kHz auf 50 dB abzusinken und bis 8 kHz auf 30 dB wieder anzusteigen; links beträgt das Hörvermögen bei 0,125 kHz 20dB, bei 0,25 kHz 10 dB und fällt im Bereich zwischen 1 und 8 kHz schräg auf 40 dB ab. Es handelt sich bei einem prozentualen Hörverlust von 15 % um eine beginnende Schwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt, aaO S. 27) mit Hörverlusten im tiefen und mittleren Frequenzbereich. Dieser Kurvenverlauf - besonders links - ist für eine Lärmschwerhörigkeit, die grundsätzlich durch Nichtbetroffenheit des Tieftonbereichs, Hochtonsenke im Bereich von 4 kHz - erst im späteren Verlauf wird der mittlere Frequenzbereich zunehmend betroffen und es findet ein Übergang in einen Schrägverlauf zum Tieftonbereich hin statt - und Wiederanstieg der Hörkurve im Bereich über 4 kHz gekennzeichnet ist, untypisch. Weiter untypisch ist der Entwicklungsverlauf der Hörstörung, die erst unter günstigeren Arbeitsplatzbedingungen nach 1997 eine Progredienz erfahren hat und ein Tinnitus hinzugetreten ist, was dann nicht mehr aus beruflichen Gründen möglich ist. Diese Bewertung des Verlaufs der Hörminderung wird durch den Vermerk im Bericht des BAD über die Vorsorgeuntersuchung vom 05.11.1990 bestätigt, wonach eine muldenförmige Senke beidseits seit 1985 kaum eine Verschlechterung erfahren hat. Den Senat überzeugt die Argumentation von Prof. Dr. J, wonach bei einer beginnenden Innenohrschwerhörigkeit - anders als beim Kläger - sich diese auf den Hochtonbereich um 4 kHz als sogenannte C5-Senke beschränken muss und die tiefen und mittleren Frequenzen beim Kläger in einem Ausmaß beteiligt sind, wie es nur bei langjähriger Arbeit mit deutlich höherer Lärmbelastung vorkommt. Der Kläger ist zudem erblich vorbelastet, nachdem sein Vater mit 60 Jahren schwerhörig wurde. Im Übrigen hat kein Arzt das Vorliegen einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit bestätigen können. Weder Dr. J noch Dr. H hielten eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit für wahrscheinlich, Dr. H hat eine solche beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen lediglich für "möglich" gehalten. Wie dem zuletzt noch vorgelegten Befundbericht der HNO-Universitätsklinik Tübingen vom 24.05.2006 zu entnehmen ist, sehen auch diese Ärzte anhand der Anamnese eine lärmbedingte Genese der Hörstörung als nicht hinreichend wahrscheinlich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) mit daraus folgender Entschädigungspflicht streitig.
Der am 22.06.1951 geborene Kläger war vom 01.04.1966 bis 15.03.1970 als Kfz-Mechaniker-Lehrling beim Autohaus L und vom 16.03.1970 bis 29.03.1974 als Kfz-Mechaniker bei den US-Streitkräften beschäftigt. Seit 01.04.1974 arbeitet er - zunächst als Mechaniker, später als Gruppenleiter in der Montage und im Testbereich, bei der M GmbH.
Mit Schreiben vom 05.05.2000 zeigte Dr. H vom Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienst (BAD), B, auf Wunsch des Klägers eine Lärmschwerhörigkeit als BK an. Der Kläger gab auf Befragen an, Hörbeschwerden im täglichen Leben seit 1984, im jetzigen Maße seit 1985, bemerkt zu haben. Die Beklagte holte Befunde der behandelnden Hals-Nasen-Ohren(HNO)-Ärzte Dr. F und Dr. M mit Ton- und Sprachaudiogrammen seit 23.01.1991 ein. Dr. F berichtete am 31.05.2000 von einer kurzzeitigen homöopathischen Behandlung 1991, nachdem bei einer betriebsärztlichen Untersuchung eine Hörstörung aufgefallen war, sowie von einer Behandlung wegen Sinusitis 1993. Dr. M teilte mit, keinen pathologischen Befund erhoben zu haben und übersandte das Audiogramm vom 03.02.2000. Die M GmbH gab auf Befragen an, dass Dokumentationen über Lärmmessungen nicht vorlägen. Seit 01.01.1993 werde sie arbeitsmedizinisch von der GFA, Tuttlingen, übergegangen in TÜV Süddeutschland, und den Betriebsarzt Dr. H betreut. Über Untersuchungen von Mitarbeitern lägen keine Dokumentationen vor. Beigefügt wurde eine Anfrage von HNO-Arzt Dr. G K vom 03.06.1976 mit der Bitte um eine Arbeitsplatzanalyse bezüglich der Lärmbelastung des Klägers, das Antwortschreiben vom 24.06.1976, eine Aktennotiz über Schallpegelmessung im Industrielabor am Frequenzgangstand vom 15.06.1976 (Grundpegel 64 - 72 dB(A), Betriebspegel zwischen 84 und 97 dB(A), Lärmbereich, Verpflichtung zum Tragen von persönlichen Schallschutzmitteln), eine Notiz des BAD vom 05.05.1988 zur Betriebsbegehung am 14.04.1983 u. a. mit Lärmmessungen im Labor (Schallpegel unter 85 dB(A), Prüfstand 92 dB(A)) und im Pumpenraum 95 dB(A)), sowie Kopien von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen vom 17.02.1983, 02.09.1985, 18.02.1988 und 05.11.1990 - jeweils ohne gesundheitliche Bedenken für den Kläger -. Der Unfallverhütungsdienst der Beklagten ermittelte für den Zeitraum bis 1997 einen - infolge veränderter räumlicher Verhältnisse nur geschätzten - Beurteilungspegel von 82 dB(A) und ab 1997 einen solchen von 72 dB(A) (Lärmermittlungen am Arbeitsplatz vom 12.04.2001). Nachdem auf Veranlassung der Dr. G, Staatliche Gewerbeärztin Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, die Ermittlung der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz näher aufgeschlüsselt worden waren und weitere Ermittlungen zur Einschätzung der Lärmexposition beim Autohaus L zunächst erfolglos blieben, schlug diese eine BK nicht zur Anerkennung vor. Mit Bescheid vom 13.12.2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK und die Gewährung von Leistungen ab, da der Beurteilungspegel am Arbeitsplatz bei der Fa. M den relevanten Beurteilungspegel von 85 dB(A) nicht erreicht oder überschritten habe. Mit seinem Widerspruch wies der Kläger darauf hin, dass seine lärmbelasteten Tätigkeiten von April 1966 bis März 1974 sowie seine Lärmbelastung von April 1974 bis April 1994 durch die Ultraschallanlage nicht berücksichtigt seien und legte eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung vom 05.11.1990 vor, nach der im Hörtest eine muldenförmige Senke beidseits bestehe, die seit 1985 kaum Verschlechterung erfahren habe. Dr. de V stellte in seiner konsiliarärztlichen Stellungnahme vom 13.05.2002 kaum eine Zunahme der Hörminderung zwischen 1991 und 2000 fest und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit unter 10 vH. ein. Eine beginnende Lärmschwerhörigkeit könne allerdings vorliegen. Die Süddeutsche Metallberufsgenossenschaft teilte auf Anfrage mit, dass beim Autohaus L für die damalige Beschäftigungszeit des Klägers erfahrungsgemäß von einer Lärmbelastung von 87 dB(A) auszugehen sei. Die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung gab unter dem 25.06.2002 an, dass der Kläger in der Zeit vom 16.03.1970 bis 29.03.1984 als Kfz-Mechaniker bei den US Streitkräften bei einem Beurteilungspegel von mindestens 90 dB(A) lärmexponiert beschäftigt gewesen sei. Abschließend bestätigte die Präventionsabteilung der Beklagten ihre bisher getroffenen Feststellungen und führte aus, bei der Beurteilung - ausgehend von der heute vorhandenen, den Lärmpegel bestimmenden Ultraschall-Reinigungsanlage mit einem Dauerschallpegel von 77 dB(A) - die alte Anlage auf 82 dB(A) eingeschätzt zu haben, wobei eine Pegelerhöhung von 3 dB bereits eine Verdoppelung der Schallintensität darstelle. Die bei den Lärmmessungen von 1976 und 1983 festgestellten Pegel von 90 bis 97 dB(A) seien kurzzeitige momentane Spitzenwerte, die keine Bewertung als Beurteilungspegel darstellten, aber darin eingeflossen seien. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2002 zurückgewiesen.
Mit der dagegen am 27.12.2002 erhobenen Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) hat sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Feststellungen der Beklagten zur Höhe der Lärmexposition und die daraus getroffenen Schlussfolgerungen gewandt. Nach Durchführung eines ersten Erörterungstermins am 09.07.2003 hat das SG Dr. K, Dr. V und Dr. K schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Dr. K hat nach längerer Praxisaufgabe keine Angaben über den Kläger machen können (Auskunft vom 15.07.2003). Dr. V, Arzt für Allgemeinmedizin, hat einen Befundbericht von Dr. M vom 20.11.1997 vorgelegt, in dem über einen schon lange bestehenden Hörverlust und frühere Lärmarbeit berichtet wird; weiter hat er einen Ärztlichen Entlassungsbericht der B Klinik vom 27.08.1998 übersandt, in dem ein chronischer Tinnitus, Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits und HWS-Syndrom diagnostiziert sind. Dr. Krapp, als HNO-Arzt Nachfolger von Dr.G K, hat nicht mehr über Unterlagen über den Kläger verfügt. In einem weiteren Erörterungstermin vom 31.07.2003 hat das SG J S, kaufmännischer Angestellter bei der Firma M, als Zeugen zu den Verhältnissen am Arbeitsplatz des Klägers befragt. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf die SG-Akte Bezug genommen. Auf Nachfrage teilte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt S mit, keine Aufzeichnungen über Lärmwerte im Montage- und Testbereich der M GmbH zu haben. Das SG hat weiter das HNO-ärztliche Gutachten bei Prof. Dr. J, Universitäts-HNO-Klinik U, vom 27.11.2003 eingeholt, in dem der Gutachter eine symmetrische beginnende Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits mit Einbeziehung der tiefen und mittleren Frequenzen, Maximum im Hochtonbereich ohne Wiederanstieg zu den höheren Frequenzen, und einen Tinnitus rechts diagnostiziert hat. Prof. Dr. J hat offen gelassen, ob der Kläger überhaupt einer adäquaten beruflichen Lärmbelastung ausgesetzt gewesen sei. Er ist auf Grund des medizinischen Befunds nicht zur Feststellung einer BK gelangt, da die Innenohrschwerhörigkeit in ihrem Verlauf nicht die Kriterien einer Lärmschwerhörigkeit erfülle. Bei einer nur beginnenden Schwerhörigkeit müsse sich diese - anders als beim Kläger - auf den Hochtonbereich um 4 kHz beschränken. Außerdem habe sich die Schwerhörigkeit unter Wegfall der Lärmbelastung seit der Gehörmessung durch Dr. M am 03.02.2000 untypisch in einigen Frequenzbereichen um 10 dB verstärkt und der Tinnitus sei erstmalig später aufgetreten. Ebenfalls untypisch seien erste Probleme bereits 1976. Im Übrigen betrage die MdE für den beiderseitigen 15-prozentigen Hörverlust 0 vH, der Tinnitus sei mit 5 vH ausreichend bewertet. Unter Berücksichtigung des vom Kläger vorgelegten Tonaudiogramms vom 07.07.1997 des Dr. M hat Prof. Dr. J in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.09.2004 daran festgehalten, dass beim Kläger die audiometrischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK nicht vorlägen, sondern eine Berufslärm unabhängige Dynamik bestehe. Auf das Kostenrisiko des Klägers gem. § 109 SGG erstattete Arzt für HNO-Krankheiten, Allergologe Dr. J das Gutachten vom 14.02.2006 nach Aktenlage. Grundsätzlich hat er sich den Ausführungen von Prof. Dr. J angeschlossen. Er hat zwar die wenigstens am rechten Ohr typischerweise vorliegende Senkenbildung im Hochtonbereich sowie den Nachweis eines Haarzellschadens als lärmbedingte Läsionen gedeutet, hielt jedoch eine adäquate Lärmbelastung nicht für gegeben. Die Lärmbelastung am Arbeitsplatz könne nur durch Lärmpegelmessungen, keinesfalls gefühlsmäßig festgestellt werden. Grundsätzlich sei ein von Lärmspitzen zu unterscheidender Beurteilungspegel mit einem Mittelwert verschiedener Lärmeinflüsse während des Arbeitsvorganges von 85 dB(A) bei entsprechend langjähriger Expositionsdauer gehörschädigend. Auf Grund der schlüssigen Ermittlungen und Messungen der Beklagten hat er eine berufliche Lärmbelastung gehörschädigenden Umfangs ausgeschlossen. Krankheitsverlauf und Lärmbelastung am Arbeitsplatz seien nicht in Einklang zu bringen, weshalb eine berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit nicht vorliege. Das SG hat die Klage gestützt auf die Gutachten mit Urteil vom 21.07.2006 abgewiesen.
Gegen das am 17.08.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.09.2006 mit der Begründung Berufung eingelegt, die Lärmbelastung sei nicht genügend geklärt und im Zweifel auch durch Zeugenbeweis weiter zu ermitteln. Zu den bisher eingeholten Gutachten hat er sich mit der Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. H vom 01.08.2006 auseinandergesetzt. Dieser hat die audiometrischen Voraussetzungen für gegeben erachtet, hielt jedoch aufgrund von unterschiedlichen Lärmmessungen eine nochmalige Überprüfung der Arbeitsplatzsituation seit 1974 für erforderlich.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anzuerkennen und ihm Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat weitere Ermittlungen durchgeführt. Die Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen über den Kläger beim BAD B und bei der Unfallkasse des Bundes wegen der Tätigkeit bei den US- Streitkräften blieb erfolglos (Antwortschreiben ohne Datum - eingegangen am 18.12.2006 - und vom 29.01.2007). Die AOK B hat das Vorerkrankungsverzeichnis für den Kläger übersandt. Der Kläger hat ein Gesprächsprotokoll vom 14.12.2006 vorgelegt, worin die Lärmbelastung am Arbeitsplatz seit 1974 mittels eines Lärmzeitstrahls versucht wurde zu rekonstruieren. Dr. M und Dr. K, beide als sachverständige Zeugen befragt, übersandten weitere Tonaudiogramme vom 18.11.1997, 16.03.1999, 03.02.2000 und vom 18.10.2004 sowie einen Bericht der HNO-Universitätsklinik T vom 24.05.2006.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK abgelehnt. Der Bescheid der Beklagten vom 13.12.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.12.2002 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Nach § 26 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Unfallversicherung (SGB VII) haben Versicherte nach Maßgabe der folgenden Vorschriften Anspruch auf Leistungen. Grundvoraussetzung für die Gewährung einer Rente ist gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus, um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BK en. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BK en Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Bk en bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden; dazu zählt nach Nr. 2301 der Anlage zur BKV auch eine Lärmschwerhörigkeit. Voraussetzung für die Anerkennung einer BK ist, dass die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) sowie die Erkrankung nachgewiesen sind. Es muss ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSGE 61, 127, 129). Dies bedeutet, dass nach sachgerechter Abwägung aller medizinischen Gesichtspunkte des Einzelfalls aufgrund der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59).
Zwischen den Beteiligten ist nicht umstritten, dass der Kläger durchgehend seit 1966 eine versicherte Tätigkeit, zunächst als Lehrling, dann als Kfz-Mechaniker und später als Gruppenleiter ausgeübt hat. Auf Grund des Gutachtens von Prof. Dr. J, dem der Wahlgutachter Dr. J insoweit zugestimmt hat, ist auch erwiesen, dass der Kläger an einer beginnenden Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits sowie einem Tinnitus leidet.
Der Anspruch des Klägers scheitert aber daran, dass das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht zur vollen Überzeugung des Senats erwiesen ist. Voraussetzung hierfür ist, worauf alle Gutachter und auch Dr. Horn übereinstimmend und im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 417 f; Königsteiner Merkblatt, 4. Aufl. 1996, S. 19) hingewiesen haben, dass am Arbeitsplatz über einen mehrjährigen Zeitraum eine Exposition gegenüber einem Beurteilungspegel von mindestens 85 dB vorgelegen hat. Erst dann besteht die Möglichkeit der Entstehung einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit. Darüber hinaus muss sich die Lärmschwerhörigkeit notwendigerweise während der Lärmarbeit entwickeln (Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, S. 416). Diese Voraussetzungen haben - zwischen den Beteiligten unbestritten - seit dem Umbau des Arbeitsplatzes ab 1997 nicht mehr vorgelegen. Für den davor liegenden Zeitraum ist zu differenzieren: Nach den Feststellungen der Süddeutschen Metallberufsgenossenschaft und der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung ist der Kläger von April 1964 bis März 1974 bei Beurteilungspegeln von 87 bzw. 90 dB(A) lärmbelastet tätig gewesen, sodass für diesen Zeitraum die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind. Gleichwohl kann sich der Kläger hierauf nicht berufen, weil sich seine Hörstörung erstmals 1984 bemerkbar gemacht hat. Da sich - wie oben dargelegt - eine Lärmschwerhörigkeit parallel zur Lärmarbeit entwickeln muss, kann aus medizinischen Gründen die Lärmbelastung der Jahre 1966 bis 1974 nicht für die erstmals 1984 - also 10 Jahre später - bemerkte Hörstörung ursächlich sein. Die Lärmexposition der Jahre 1966 bis (Anfang) 1974 wäre nur dann relevant, wenn auch für den nachfolgenden Zeitraum, wenigstens bis 1984 eine Lärmbelastung von mindestens 85 dB(A) belegt wäre. Das vermag der Senat jedoch nicht festzustellen. Im Zeitraum von April 1974 bis 1997 hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Lärmbelastung des Klägers mit einem Beurteilungspegel von 85 dB(A) und mehr nicht vorgelegen. Der Senat stützt seine Entscheidung insoweit auf die Beurteilung des Präventionsdienstes der Beklagten, deren Ermittlungen - ausgehend von den im Zeitpunkt der Begehung vorliegenden Verhältnissen und in Kenntnis der Tatsache, dass die frühere Ultraschallanlage erheblich lauter gewesen ist - für den Zeitraum von 1974 bis 1997 einen Beurteilungspegel von geschätzten 82 dB(A) ergeben haben. Nachdem der Arbeitsplatz des Klägers in den Jahren zwischen 1974 und 1997 mehrfach durch Umbauten und Einsatz anderer Maschinen umgestaltet wurde, sind die damaligen Verhältnisse nicht mehr genau zu rekonstruieren. Die Beurteilung kann - auch mangels anderer zur Verfügung stehender älterer technischer Unterlagen - nur noch ausgehend von den heutigen Verhältnissen vorgenommen werden (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, S. 418 f). Der Kläger selber hat die Datengrundlage des Präventionsdienstes nicht durch objektivierbare Angaben zu erschüttern vermocht. Zutreffend hat Dr. J darauf hingewiesen, dass allein objektive Lärmmessungen relevante Beurteilungsergebnisse über die Lärmbelastung geben können, nicht dagegen subjektive Lautheitsempfindungen. Die Einvernahme von Zeugen - wie vom Kläger gefordert - ist daher von vorneherein ungeeignet zur Verifizierung des beruflichen Lärms. Die Lärmzeitstrahlmessung des Klägers beruht ebenfalls auf subjektiver Wahrnehmung, sie vermittelt somit eine Pseudogenauigkeit, die die Ermittlungen des Präventionsdienstes nicht zu entkräften vermag. Schließlich steht der vom Präventionsdienst schätzungsweise ermittelte Beurteilungspegel für die Zeit von 1974 bis 1997 zu den früheren Messprotokollen am Frequenzgangstand und im Labor vom 15.06.1976 und 14.04.1983 nicht im Widerspruch. Maßgebend ist - wie der Präventionsdienst zutreffend erläutert hat - der auf 8 Stunden bezogene energieäquivalente Dauerschallpegel, der sich über eine Arbeitsschicht verteilt und sich aus unterschiedlichen Lärmquellen zusammensetzt (Königsteiner Merkblatt, aaO). Die damals ermittelten Werte beziehen sich nur auf Ausschnitte der Tätigkeit an einem Arbeitstag. Sie sind daher als Spitzenwerte und nicht als Beurteilungspegel einzustufen und haben als solche Eingang in die Bewertung des Präventionsdienstes gefunden. Zudem waren nicht diese Maschinen, sondern eine Ultraschall-Waschanlage für den Kläger pegelbestimmend. Im Ergebnis haben daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Zeitraum von April 1974 bis 1977 nicht vorgelegen.
Dessen ungeachtet scheitert der Anspruch des Klägers auch daran, dass seine Innenohrschwerhörigkeit aus medizinischen Gründen nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die während der Berufstätigkeit ab 1974 erfolgte Lärmexposition zurückzuführen ist. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme des Prof. Dr. J, in denen für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt ist, aus welchen Gründen die beim Kläger bestehende Hörstörung nicht wahrscheinlich durch Lärmexposition bedingt ist. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass der Umfang der Hörschädigung des Klägers beginnend mit dem Tonaudiogramm vom 23.01.1991 dokumentiert ist. Da die darin gemessenen Werte gegenüber dem späteren Tonaudiogramm vom 18.11.1997 schlechter sind und eine Besserung einer Lärmschwerhörigkeit aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, ist von den im Tonaudiogramm am 18.11.1997 gemessenen Werten auszugehen. Danach beginnt rechts bei 0,125 kH die Hörstörung bei 10 dB, um im Bereich ab 1,5 kHz bis 4 kHz auf 50 dB abzusinken und bis 8 kHz auf 30 dB wieder anzusteigen; links beträgt das Hörvermögen bei 0,125 kHz 20dB, bei 0,25 kHz 10 dB und fällt im Bereich zwischen 1 und 8 kHz schräg auf 40 dB ab. Es handelt sich bei einem prozentualen Hörverlust von 15 % um eine beginnende Schwerhörigkeit (Königsteiner Merkblatt, aaO S. 27) mit Hörverlusten im tiefen und mittleren Frequenzbereich. Dieser Kurvenverlauf - besonders links - ist für eine Lärmschwerhörigkeit, die grundsätzlich durch Nichtbetroffenheit des Tieftonbereichs, Hochtonsenke im Bereich von 4 kHz - erst im späteren Verlauf wird der mittlere Frequenzbereich zunehmend betroffen und es findet ein Übergang in einen Schrägverlauf zum Tieftonbereich hin statt - und Wiederanstieg der Hörkurve im Bereich über 4 kHz gekennzeichnet ist, untypisch. Weiter untypisch ist der Entwicklungsverlauf der Hörstörung, die erst unter günstigeren Arbeitsplatzbedingungen nach 1997 eine Progredienz erfahren hat und ein Tinnitus hinzugetreten ist, was dann nicht mehr aus beruflichen Gründen möglich ist. Diese Bewertung des Verlaufs der Hörminderung wird durch den Vermerk im Bericht des BAD über die Vorsorgeuntersuchung vom 05.11.1990 bestätigt, wonach eine muldenförmige Senke beidseits seit 1985 kaum eine Verschlechterung erfahren hat. Den Senat überzeugt die Argumentation von Prof. Dr. J, wonach bei einer beginnenden Innenohrschwerhörigkeit - anders als beim Kläger - sich diese auf den Hochtonbereich um 4 kHz als sogenannte C5-Senke beschränken muss und die tiefen und mittleren Frequenzen beim Kläger in einem Ausmaß beteiligt sind, wie es nur bei langjähriger Arbeit mit deutlich höherer Lärmbelastung vorkommt. Der Kläger ist zudem erblich vorbelastet, nachdem sein Vater mit 60 Jahren schwerhörig wurde. Im Übrigen hat kein Arzt das Vorliegen einer beruflich bedingten Lärmschwerhörigkeit bestätigen können. Weder Dr. J noch Dr. H hielten eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit für wahrscheinlich, Dr. H hat eine solche beim Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen lediglich für "möglich" gehalten. Wie dem zuletzt noch vorgelegten Befundbericht der HNO-Universitätsklinik Tübingen vom 24.05.2006 zu entnehmen ist, sehen auch diese Ärzte anhand der Anamnese eine lärmbedingte Genese der Hörstörung als nicht hinreichend wahrscheinlich an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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