Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 P 503/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 5318/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. September 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I.
Der am 1954 geborene Kläger, bei der Beklagten pflegeversichert, leidet unter Einschränkungen der Beweglichkeit bei Verschleißerscheinungen von Skelett und Gelenken (chronische Beschwerden an Kopf, Hals und Armen, therapieresistentes Rückenleiden, Arthropathie der Schultern beidseits, chronische Kniegelenksarthralgie beiderseits), ferner an diabetischer Polyneuropathie beider Beine, Polyangiopathie der Arme und Beine, erheblichem Übergewicht sowie an akzentuierter Persönlichkeit. Ein Grad der Behinderung von 100 ist festgestellt. Der Kläger wohnt allein und wird regelmäßig von einem in Sindelfingen wohnenden Bekannten (S.) besucht; im Übrigen versucht er sich selbst zu versorgen.
Am 13. Dezember 2004 beantragte der Kläger Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte veranlasste über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg (Ärztin Dr. B.-D.) das Gutachten vom 04. Februar 2005. Aufgrund Untersuchung vom 01. Februar 2005 legte die Ärztin dar, es bestehe ein täglicher Zeitaufwand für die Grundpflege von 25 Minuten. Dies setze sich zusammen aus einer Teilübernahme der Verrichtungen Ganzkörperwäsche und Duschen je dreimal wöchentlich sechs Minuten, Baden einmal wöchentlich zwei Minuten, Aufstehen und Zu-Bett-Gehen zweimal täglich zwei Minuten, Ankleiden einmal täglich sechs Minuten sowie Entkleiden einmal täglich drei Minuten. Weitere Hilfe, insbesondere bei der Ernährung, Gehen und Stehen sowie Verlassen der Wohnung werde nicht benötigt. Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt. Die Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung sei mit täglich 60 Minuten anzusetzen. Durch Bescheid vom 28. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Zeitaufwand für Pflegestufe I von mehr als 45 Minuten nicht erreicht werde. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch legte der Kläger einen Vordruck zur Bestimmung des Hilfebedarfs vom 07. September 2005 vor. Er bedürfe der Hilfe beim Waschen (30 Minuten), ferner bei der Zahnpflege, dem Kämmen und dem Toilettengang sowie bei der Ernährung (30 Minuten). Im Gutachten nach Aktenlage des MDK vom 20. Oktober 2005 (Frau U.) wurde dargelegt, auf der Grundlage der Voruntersuchung könne allenfalls eine geringfügige Erhöhung dahingehend erkannt werden, dass für Körperpflege 14 Minuten und für Mobilität zwölf Minuten, zusammen 26 Minuten benötigt würden. Die Zeitangaben des Klägers insbesondere über Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung von Nahrung seien nicht nachvollziehbar. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ unter Bezugnahme auf diese Einschätzung den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005.
Am Montag, 23. Januar 2006 erhob der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage. Er trug vor, im Juni 2005 sei er im Bürgerhospital Stuttgart nach einem Schlaganfall behandelt worden. Für die Grundpflege benötige er mindestens eine Stunde täglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG beauftragte Altenpflegerin/Qualitätsmanagerin/Pflegeberaterin K. mit der Erstattung eines Gutachtens. Im Gutachten vom 09. Mai 2006 nach Hausbesuch vom selben Tag legte die Sachverständige dar, aufgrund der Beweglichkeitseinschränkungen sei für Körperwäsche ein täglicher Hilfebedarf von 14 Minuten, für Zähnereinigung von drei Minuten, für Kämmen von zwei Minuten, für Hand- und Fußpflege von vier Minuten, Rasieren drei Minuten, schließlich Richten der Kleidung beim Toilettengang drei Minuten zu schätzen. Dies ergebe zusammen 29 Minuten; hinzu kämen für Ernährung (Unterstützung und Anleitung) drei Minuten sowie für Mobilität (Handreichungen beim An- und Auskleiden) neun Minuten. Dies ergebe für die Grundpflege etwa "40" (richtig: 41) Minuten. Für den Bereich der Hauswirtschaft verbleibe es bei 60 Minuten. Die Sachverständige führte ferner aus, hinsichtlich der "Fähigkeitsstörungen" (Verhalten, Kommunikation, Selbstversorgung, Fortbewegung, körperliche Beweglichkeit, Geschicklichkeit sowie situationsbedingte Fähigkeitsstörungen) bestehe ein tagesdurchschnittlicher Hilfebedarf von 236 Minuten. Zu vermerken sei, dass der Kläger bei der Begutachtung in einem alkoholisierten, wenig kooperativen Zustand angetroffen worden sei, insbesondere habe er Angaben zu Hilfspersonen nicht machen wollen; die Gutachtenssituation sei jedoch eindeutig erkennbar gewesen.
Durch Gerichtsbescheid vom 11. September 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, für die Pflegestufe I müssten auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten täglich entfallen. Dieser Hilfebedarf werde nicht erreicht. Es stütze sich auf das Gutachten der Frau K. sowie die beiden MDK-Gutachten. Hilfe benötige der Kläger beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen sowie beim An- und Auskleiden von Hosen und Strümpfen. Durch seine Bewegungseinschränkungen sei er daran gehindert, den Oberkörper (Rücken) sowie Beine und Füße selbstständig zu waschen und abzutrocknen. Der zeitliche Bedarf bezüglich dieser Hilfeleistungen werde in den Gutachten übereinstimmend berichtet. Hilfe beim Toilettengang sei nicht erforderlich, sodass die von der Sachverständigen K. angesetzten drei Minuten nicht nachvollziehbar seien. Auch der angesetzte zeitliche Aufwand für Maniküre und Pediküre von vier Minuten täglich erscheine sehr hoch. Der Hilfebedarf für Zahnpflege und Kämmen sei zumindest nicht mit den beschriebenen Bewegungseinschränkungen zu begründen. Gleiches gelte für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung.
Gegen den ihm am 30. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. Oktober 2006 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts Berufung eingelegt. Er macht geltend, er sei zum Untersuchungszeitpunkt der Sachverständigen K. unter Alkoholeinfluss gestanden und habe sich nur schwer auszudrücken vermocht. Orientierungsstörungen seien vermerkt worden. Im Übrigen habe die Sachverständige für "Fähigkeitsstörungen" einen tagesdurchschnittlichen Hilfebedarf von 236 Minuten genannt. Es müsse ein neues Gutachten eingeholt werden. Seine private Pflegeversicherung (Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG) habe Pflegestufe I ab 01. Juni 2005 anerkannt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Dezember 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Auf Anforderung des Senats hat die Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG einen von der Praktischen Ärztin L.-P. ausgefüllten Fragebogen zur Pflegebedürftigkeit vom 20. Dezember 2006, der auch den Hinweis auf die Behandlung im Bürgerhospital vom 30. Juni bis 12. Juli 2005 enthält, sowie deren Schreiben vom 07. Februar 2007 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet. Es besteht kein Anspruch auf Pflegegeld.
Anspruchsgrundlage für das begehrte Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen ist § 37 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI). Hiernach können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen (Abs. 1 Satz 1). Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die vorrangige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (Abs. 1 Satz 2). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind für die Gewährung von Leistungen bei häuslicher Pflege pflegebedürftige Personen einer der drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftig nach Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Gemäß § 15 Abs. 3 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt (1.) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt demnach ein Hilfebedarf bei dem Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), bei dem mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie bei dem selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht fest, dass der Zeitaufwand für die Pflege des Klägers den für die Pflegestufe I geforderten Zeitaufwand für die Grundpflege von mehr als 45 Minuten nicht erreicht. Wie das SG stützt auch der Senat sich auf das vom SG veranlasste Gutachten der Altenpflegerin/Qualitätsmanagerin/Pflegeberaterin K. vom 09. Mai 2006 nach Hausbesuch vom selben Tag sowie auf die von der. Beklagten veranlassten Gutachten der Dr. B.-D. vom 04. Februar 2005 und der Frau U. vom 20. Oktober 2005, die der Senat urkundenbeweislich verwertet. Die erheblichen Beweglichkeitseinschränkungen des Klägers sind insbesondere im Gutachten der Sachverständigen K. vollständig wiedergegeben. Der Kläger leidet an Beschwerden und Verschleißerscheinungen des gesamten Stütz- und Bewegungsapparats, an diabetischer Polyneuropathie der Beine sowie Polioangiopathie der oberen und unteren Extremitäten, erheblichem Übergewicht und einer "akzentuierten Persönlichkeit" mit aggressiven und aufbrausenden Inhalten. Aufgrund der hieraus resultierenden Beweglichkeitseinschränkungen ist für Körperpflege ein täglicher Hilfebedarf von 29 Minuten (Waschen vierzehn Minuten, Zähnereinigung drei Minuten, Kämmen zwei Minuten, Hand- und Fußpflege vier Minuten, Rasieren drei Minuten, Richten der Kleidung beim Toilettengang drei Minuten) gegeben. Der Kläger benötigt Unterstützung bei der morgendlichen Dusche und der abendlichen Teilwaschung am Waschbecken, weil aufgrund der Bewegungseinschränkungen Oberkörper, Unterkörper, Beine und Füße nicht selbstständig gewaschen und abgetrocknet werden können. Im Bereich der Ernährung ist lediglich Unterstützung und Anleitung im Umfang von drei Minuten zu schätzen; im Bereich der Mobilität (An- und Auskleiden) werden drei Minuten veranschlagt. Hinzu kommt Hilfe beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen von sechs Minuten. Dies ergibt einen täglichen durchschnittlichen Hilfebedarf von etwa 40 Minuten. Ebenso wie für das SG besteht für den Senat kein Anlass, an den auf ihrer Erfahrung beruhenden Schätzungen der Sachverständigen K. zu zweifeln. Die Situation des Klägers ist außerordentlich präzise und eingehend erhoben worden. Der ermittelte Zeitaufwand für die Grundpflege stimmt auch mit den Zeitkorridoren der auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien überein, die als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten sind (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-3300 § 15 Nr. 1). Dass der Kläger bei der Begutachtung vom 09. Mai 2006 unter Alkoholeinfluss gestanden hat und sich nur schwer auszudrücken vermochte, wie die Sachverständige vermerkt hat, veranlasst nicht, an der Zuverlässigkeit des Gutachtens zu zweifeln oder ein neues Gutachten einzuholen. Seitens des Klägers ist nicht schlüssig dargetan worden, dass sich einzelne Berechnungen hierdurch wesentlich erschwert haben oder gar unmöglich gemacht worden sind. Die Sachverständige hat das so entstandene Defizit ersichtlich durch Erfahrungswerte kompensiert. Die für Pflegestufe I erforderlichen mindestens 46 Minuten werden mithin nicht erreicht. Für das hier bestätigte Ergebnis spricht, dass sich der Kläger bei mehreren der hier maßgeblichen Verrichtungen ohne Hilfe versorgen kann und sein Bekannter (Herr S.), der angeblich die Pflegekraft sein soll, sich nur bei Tag zu einzelnen Hilfeleistungen bereit hält. Der Senat lässt deshalb dahingestellt, ob die Bedenken des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid hinsichtlich des Zeitansatzes einzelner Verrichtungen im Gutachten der Frau K. zutreffend sind oder nicht, ebenso ob überhaupt eine Pflegeperson, die Hilfe bei den zur Grundpflege gehörenden Verrichtungen leistet, vorhanden ist. Hierzu hat der Kläger keine eindeutigen Angaben gemacht.
Soweit die Sachverständige K. für "Fähigkeitsstörungen" einen tagesdurchschnittlichen Hilfebedarf von 236 Minuten genannt hat, handelt es sich um Darlegungen, die über den eng begrenzten und abschließenden Katalog der in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgezählten Verrichtungen hinausgehen. Wenn der Kläger der Hilfe bedarf etwa bei der Medikamentenbeschaffung, beim Erfassen und Registrieren von Situationen, bei der Gewährleistung der persönlichen Sicherheit und zum Schutz vor Selbstgefährdung, ferner Betreuung bei der Aufrechterhaltung sozialer Aktivitäten, liegt dies außerhalb des Risikobereichs der Pflegeversicherung. Hierzu gehört auch die Unterstützung bei Kommunikation und sozialen Kontakten. Die Zubereitung der Mahlzeiten zählt zur hauswirtschaftlichen Versorgung, die von den Gutachtern und Sachverständigen übereinstimmend mit etwa 60 Minuten Hilfebedarf eingeschätzt wird, was beim Umfang der hier ermittelten Grundpflege nicht ausreicht, um die Voraussetzungen der Pflegestufe I zu erfüllen. Die - letztlich nicht geforderte - Auflistung all dieser "Fähigkeitsstörungen" durch die Sachverständige K. bestärkt lediglich in der Überzeugung, dass der maßgebliche Aufwand im Bereich der pflegerelevanten Verrichtungen zuverlässig ermittelt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger erhebt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I.
Der am 1954 geborene Kläger, bei der Beklagten pflegeversichert, leidet unter Einschränkungen der Beweglichkeit bei Verschleißerscheinungen von Skelett und Gelenken (chronische Beschwerden an Kopf, Hals und Armen, therapieresistentes Rückenleiden, Arthropathie der Schultern beidseits, chronische Kniegelenksarthralgie beiderseits), ferner an diabetischer Polyneuropathie beider Beine, Polyangiopathie der Arme und Beine, erheblichem Übergewicht sowie an akzentuierter Persönlichkeit. Ein Grad der Behinderung von 100 ist festgestellt. Der Kläger wohnt allein und wird regelmäßig von einem in Sindelfingen wohnenden Bekannten (S.) besucht; im Übrigen versucht er sich selbst zu versorgen.
Am 13. Dezember 2004 beantragte der Kläger Leistungen der Pflegeversicherung. Die Beklagte veranlasste über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg (Ärztin Dr. B.-D.) das Gutachten vom 04. Februar 2005. Aufgrund Untersuchung vom 01. Februar 2005 legte die Ärztin dar, es bestehe ein täglicher Zeitaufwand für die Grundpflege von 25 Minuten. Dies setze sich zusammen aus einer Teilübernahme der Verrichtungen Ganzkörperwäsche und Duschen je dreimal wöchentlich sechs Minuten, Baden einmal wöchentlich zwei Minuten, Aufstehen und Zu-Bett-Gehen zweimal täglich zwei Minuten, Ankleiden einmal täglich sechs Minuten sowie Entkleiden einmal täglich drei Minuten. Weitere Hilfe, insbesondere bei der Ernährung, Gehen und Stehen sowie Verlassen der Wohnung werde nicht benötigt. Die Alltagskompetenz sei nicht eingeschränkt. Die Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung sei mit täglich 60 Minuten anzusetzen. Durch Bescheid vom 28. Februar 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da der Zeitaufwand für Pflegestufe I von mehr als 45 Minuten nicht erreicht werde. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch legte der Kläger einen Vordruck zur Bestimmung des Hilfebedarfs vom 07. September 2005 vor. Er bedürfe der Hilfe beim Waschen (30 Minuten), ferner bei der Zahnpflege, dem Kämmen und dem Toilettengang sowie bei der Ernährung (30 Minuten). Im Gutachten nach Aktenlage des MDK vom 20. Oktober 2005 (Frau U.) wurde dargelegt, auf der Grundlage der Voruntersuchung könne allenfalls eine geringfügige Erhöhung dahingehend erkannt werden, dass für Körperpflege 14 Minuten und für Mobilität zwölf Minuten, zusammen 26 Minuten benötigt würden. Die Zeitangaben des Klägers insbesondere über Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung von Nahrung seien nicht nachvollziehbar. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ unter Bezugnahme auf diese Einschätzung den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 2005.
Am Montag, 23. Januar 2006 erhob der Kläger zum Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage. Er trug vor, im Juni 2005 sei er im Bürgerhospital Stuttgart nach einem Schlaganfall behandelt worden. Für die Grundpflege benötige er mindestens eine Stunde täglich.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG beauftragte Altenpflegerin/Qualitätsmanagerin/Pflegeberaterin K. mit der Erstattung eines Gutachtens. Im Gutachten vom 09. Mai 2006 nach Hausbesuch vom selben Tag legte die Sachverständige dar, aufgrund der Beweglichkeitseinschränkungen sei für Körperwäsche ein täglicher Hilfebedarf von 14 Minuten, für Zähnereinigung von drei Minuten, für Kämmen von zwei Minuten, für Hand- und Fußpflege von vier Minuten, Rasieren drei Minuten, schließlich Richten der Kleidung beim Toilettengang drei Minuten zu schätzen. Dies ergebe zusammen 29 Minuten; hinzu kämen für Ernährung (Unterstützung und Anleitung) drei Minuten sowie für Mobilität (Handreichungen beim An- und Auskleiden) neun Minuten. Dies ergebe für die Grundpflege etwa "40" (richtig: 41) Minuten. Für den Bereich der Hauswirtschaft verbleibe es bei 60 Minuten. Die Sachverständige führte ferner aus, hinsichtlich der "Fähigkeitsstörungen" (Verhalten, Kommunikation, Selbstversorgung, Fortbewegung, körperliche Beweglichkeit, Geschicklichkeit sowie situationsbedingte Fähigkeitsstörungen) bestehe ein tagesdurchschnittlicher Hilfebedarf von 236 Minuten. Zu vermerken sei, dass der Kläger bei der Begutachtung in einem alkoholisierten, wenig kooperativen Zustand angetroffen worden sei, insbesondere habe er Angaben zu Hilfspersonen nicht machen wollen; die Gutachtenssituation sei jedoch eindeutig erkennbar gewesen.
Durch Gerichtsbescheid vom 11. September 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, für die Pflegestufe I müssten auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten täglich entfallen. Dieser Hilfebedarf werde nicht erreicht. Es stütze sich auf das Gutachten der Frau K. sowie die beiden MDK-Gutachten. Hilfe benötige der Kläger beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen sowie beim An- und Auskleiden von Hosen und Strümpfen. Durch seine Bewegungseinschränkungen sei er daran gehindert, den Oberkörper (Rücken) sowie Beine und Füße selbstständig zu waschen und abzutrocknen. Der zeitliche Bedarf bezüglich dieser Hilfeleistungen werde in den Gutachten übereinstimmend berichtet. Hilfe beim Toilettengang sei nicht erforderlich, sodass die von der Sachverständigen K. angesetzten drei Minuten nicht nachvollziehbar seien. Auch der angesetzte zeitliche Aufwand für Maniküre und Pediküre von vier Minuten täglich erscheine sehr hoch. Der Hilfebedarf für Zahnpflege und Kämmen sei zumindest nicht mit den beschriebenen Bewegungseinschränkungen zu begründen. Gleiches gelte für die mundgerechte Zubereitung der Nahrung.
Gegen den ihm am 30. September 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 23. Oktober 2006 zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landessozialgerichts Berufung eingelegt. Er macht geltend, er sei zum Untersuchungszeitpunkt der Sachverständigen K. unter Alkoholeinfluss gestanden und habe sich nur schwer auszudrücken vermocht. Orientierungsstörungen seien vermerkt worden. Im Übrigen habe die Sachverständige für "Fähigkeitsstörungen" einen tagesdurchschnittlichen Hilfebedarf von 236 Minuten genannt. Es müsse ein neues Gutachten eingeholt werden. Seine private Pflegeversicherung (Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG) habe Pflegestufe I ab 01. Juni 2005 anerkannt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 01. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 2005 zu verurteilen, ihm Pflegegeld nach Pflegestufe I ab 01. Dezember 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Auf Anforderung des Senats hat die Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG einen von der Praktischen Ärztin L.-P. ausgefüllten Fragebogen zur Pflegebedürftigkeit vom 20. Dezember 2006, der auch den Hinweis auf die Behandlung im Bürgerhospital vom 30. Juni bis 12. Juli 2005 enthält, sowie deren Schreiben vom 07. Februar 2007 vorgelegt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache nicht begründet. Es besteht kein Anspruch auf Pflegegeld.
Anspruchsgrundlage für das begehrte Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen ist § 37 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI). Hiernach können Pflegebedürftige anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen (Abs. 1 Satz 1). Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die vorrangige Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung in geeigneter Weise selbst sicherstellt (Abs. 1 Satz 2). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI sind für die Gewährung von Leistungen bei häuslicher Pflege pflegebedürftige Personen einer der drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftig nach Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Gemäß § 15 Abs. 3 SGB XI muss der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt (1.) in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen. Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt demnach ein Hilfebedarf bei dem Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung (Körperpflege), bei dem mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung (Ernährung) sowie bei dem selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung (Mobilität).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht fest, dass der Zeitaufwand für die Pflege des Klägers den für die Pflegestufe I geforderten Zeitaufwand für die Grundpflege von mehr als 45 Minuten nicht erreicht. Wie das SG stützt auch der Senat sich auf das vom SG veranlasste Gutachten der Altenpflegerin/Qualitätsmanagerin/Pflegeberaterin K. vom 09. Mai 2006 nach Hausbesuch vom selben Tag sowie auf die von der. Beklagten veranlassten Gutachten der Dr. B.-D. vom 04. Februar 2005 und der Frau U. vom 20. Oktober 2005, die der Senat urkundenbeweislich verwertet. Die erheblichen Beweglichkeitseinschränkungen des Klägers sind insbesondere im Gutachten der Sachverständigen K. vollständig wiedergegeben. Der Kläger leidet an Beschwerden und Verschleißerscheinungen des gesamten Stütz- und Bewegungsapparats, an diabetischer Polyneuropathie der Beine sowie Polioangiopathie der oberen und unteren Extremitäten, erheblichem Übergewicht und einer "akzentuierten Persönlichkeit" mit aggressiven und aufbrausenden Inhalten. Aufgrund der hieraus resultierenden Beweglichkeitseinschränkungen ist für Körperpflege ein täglicher Hilfebedarf von 29 Minuten (Waschen vierzehn Minuten, Zähnereinigung drei Minuten, Kämmen zwei Minuten, Hand- und Fußpflege vier Minuten, Rasieren drei Minuten, Richten der Kleidung beim Toilettengang drei Minuten) gegeben. Der Kläger benötigt Unterstützung bei der morgendlichen Dusche und der abendlichen Teilwaschung am Waschbecken, weil aufgrund der Bewegungseinschränkungen Oberkörper, Unterkörper, Beine und Füße nicht selbstständig gewaschen und abgetrocknet werden können. Im Bereich der Ernährung ist lediglich Unterstützung und Anleitung im Umfang von drei Minuten zu schätzen; im Bereich der Mobilität (An- und Auskleiden) werden drei Minuten veranschlagt. Hinzu kommt Hilfe beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen von sechs Minuten. Dies ergibt einen täglichen durchschnittlichen Hilfebedarf von etwa 40 Minuten. Ebenso wie für das SG besteht für den Senat kein Anlass, an den auf ihrer Erfahrung beruhenden Schätzungen der Sachverständigen K. zu zweifeln. Die Situation des Klägers ist außerordentlich präzise und eingehend erhoben worden. Der ermittelte Zeitaufwand für die Grundpflege stimmt auch mit den Zeitkorridoren der auf der Ermächtigung des § 17 SGB XI beruhenden Begutachtungs-Richtlinien überein, die als Konkretisierung des Gesetzes zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen zu beachten sind (vgl. Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-3300 § 15 Nr. 1). Dass der Kläger bei der Begutachtung vom 09. Mai 2006 unter Alkoholeinfluss gestanden hat und sich nur schwer auszudrücken vermochte, wie die Sachverständige vermerkt hat, veranlasst nicht, an der Zuverlässigkeit des Gutachtens zu zweifeln oder ein neues Gutachten einzuholen. Seitens des Klägers ist nicht schlüssig dargetan worden, dass sich einzelne Berechnungen hierdurch wesentlich erschwert haben oder gar unmöglich gemacht worden sind. Die Sachverständige hat das so entstandene Defizit ersichtlich durch Erfahrungswerte kompensiert. Die für Pflegestufe I erforderlichen mindestens 46 Minuten werden mithin nicht erreicht. Für das hier bestätigte Ergebnis spricht, dass sich der Kläger bei mehreren der hier maßgeblichen Verrichtungen ohne Hilfe versorgen kann und sein Bekannter (Herr S.), der angeblich die Pflegekraft sein soll, sich nur bei Tag zu einzelnen Hilfeleistungen bereit hält. Der Senat lässt deshalb dahingestellt, ob die Bedenken des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid hinsichtlich des Zeitansatzes einzelner Verrichtungen im Gutachten der Frau K. zutreffend sind oder nicht, ebenso ob überhaupt eine Pflegeperson, die Hilfe bei den zur Grundpflege gehörenden Verrichtungen leistet, vorhanden ist. Hierzu hat der Kläger keine eindeutigen Angaben gemacht.
Soweit die Sachverständige K. für "Fähigkeitsstörungen" einen tagesdurchschnittlichen Hilfebedarf von 236 Minuten genannt hat, handelt es sich um Darlegungen, die über den eng begrenzten und abschließenden Katalog der in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgezählten Verrichtungen hinausgehen. Wenn der Kläger der Hilfe bedarf etwa bei der Medikamentenbeschaffung, beim Erfassen und Registrieren von Situationen, bei der Gewährleistung der persönlichen Sicherheit und zum Schutz vor Selbstgefährdung, ferner Betreuung bei der Aufrechterhaltung sozialer Aktivitäten, liegt dies außerhalb des Risikobereichs der Pflegeversicherung. Hierzu gehört auch die Unterstützung bei Kommunikation und sozialen Kontakten. Die Zubereitung der Mahlzeiten zählt zur hauswirtschaftlichen Versorgung, die von den Gutachtern und Sachverständigen übereinstimmend mit etwa 60 Minuten Hilfebedarf eingeschätzt wird, was beim Umfang der hier ermittelten Grundpflege nicht ausreicht, um die Voraussetzungen der Pflegestufe I zu erfüllen. Die - letztlich nicht geforderte - Auflistung all dieser "Fähigkeitsstörungen" durch die Sachverständige K. bestärkt lediglich in der Überzeugung, dass der maßgebliche Aufwand im Bereich der pflegerelevanten Verrichtungen zuverlässig ermittelt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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