L 6 R 5346/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 2423/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 R 5346/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Neuberechnung seiner Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) unter Berücksichtigung seiner Lehrzeit im elterlichen Betrieb vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 als Beitragszeit.

Der 1940 geborene Kläger bezieht seit 06. September 1989 Rente wegen EU (Bescheid vom 24. November 1989). Der Rentenberechnung liegen ausweislich des Versicherungsverlaufs beginnend ab 05. November 1958 überwiegend Pflichtbeiträge zugrunde. Gegen diesen Bescheid hatte der Kläger u.a. mit der Begründung Widerspruch eingelegt, die Beitragszeiten seiner Ausbildung als Bauglaser und Bauschreiner im elterlichen Betrieb von 1955 bis 1958 seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Der Widerspruch wurde mit der Begründung zurückgewiesen, für den Kläger seien nachweisbar keine Beiträge entrichtet worden; die Anerkennung als Ausfallzeit setze den Nachweis eines Abschlusses voraus, den der Kläger nicht erbringen könne. Da er bei seinem Vater gelernt habe, sei er offenbar als Meistersohn angesehen worden, denn dieser Personenkreis sei versicherungsfrei gewesen (Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1990). Die dagegen beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage (S 4 An 447/90) nahm der Kläger durch Schriftsatz seines seinerzeitigen Bevollmächtigten vom 11. April 1990 wieder zurück.

Am 03. Februar 1992 machte der Kläger unter Bezugnahme auf die "neue Rentenreform 1992" die Anerkennung seiner Ausbildungszeit im elterlichen Betrieb vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 als Ausfallzeit geltend und führte aus, Unterlagen über diese Zeit seien nicht aufzufinden. Mit Schreiben vom 07. Juli 1992 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die bezeichnete Ausbildungszeit könne nicht angerechnet werden, da sie nicht nachgewiesen sei.

Am 17. Oktober 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Regelaltersrente. Gleichzeitig wandte er sich gegen die Nichtberücksichtigung seiner Lehrzeit vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 bei der Rentenberechnung. Die Beklagte behandelte dieses Vorbringen als Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Mit Bescheid vom 03. November 2005 lehnte sie die nachträgliche Berücksichtigung der bezeichneten Lehrzeit mit der Begründung ab, die Überprüfung des Bescheids vom 24. November 1989 habe ergeben, dass weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Der Rentenberechnung seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitrags-, Ersatz- und Anrechnungszeiten zugrunde gelegt worden. Mit Bescheid vom 17. November 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger im Übrigen Regelaltersrente ab 01. Januar 2006. Gegen diese Bescheide erhob der Kläger Widerspruch und machte wiederum die Berücksichtigung seiner Lehrzeit bei der Rentenberechnung geltend. Dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. November 2005 half die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2006 in vollem Umfang ab und berechnete die Regelaltersrente für die Zeit ab 01. Januar 2006 unter Anerkennung einer Beitragszeit vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 neu. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 03. November 2005 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2006 mit der Begründung des angefochtenen Bescheids sowie dem weiteren Hinweis zurück, nach § 247 Abs. 2a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) habe die streitige Zeit erst bei der Regelaltersrente Berücksichtigung finden können, nicht aber bereits bei der Rente wegen EU. Es gelte immer das Recht zum Zeitpunkt des Rentenbeginns. Die genannte Regelung sei erst am 01. Januar 1992 in Kraft getreten und habe deshalb bei der EU-Rente noch nicht berücksichtigt werden können.

Dagegen erhob der Kläger am 05. Juli 2006 beim SG Klage, mit der er nochmals bekräftigte, über keinerlei Unterlagen bezüglich seiner Lehrzeit zu verfügen. Aufgefunden habe er die Meldung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 201 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V); diese legte er u.a. vor. Da die Regelung des § 247 Abs. 2a SGB VI am 01. Januar 1992 in Kraft getreten sei, sei die Lehrzeit bei der EU-Rente vom 01. Januar 1992 an zu berücksichtigen. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die zum 01. Januar 1992 in Kraft getretene Regelung des § 247 Abs. 2a SGB VI, aufgrund der die Lehrzeit des Klägers im elterlichen Betrieb als rentenrechtliche Zeit anerkannt werden könne, sei erst für Leistungsfälle nach dem 01. Januar 1992 anwendbar, d.h. für den Leistungsfall der Regelaltersrente. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des dem Kläger am 20. Oktober 2006 zugestellten Gerichtsbescheids verwiesen.

Mit seiner am 25. Oktober 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens weiter. Er hat zahlreiche bereits aktenkundige Unterlagen vorgelegt.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 2006 zu verurteilen, den Bescheid vom 24. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 1990 abzuändern und ihm höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Anerkennung der Zeit vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 als Beitragszeit ab 01. Januar 1992 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 03. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 24. November 1989 und den Widerspruchsbescheid vom 28. September 1990 abzuändern und die Rente wegen EU unter Berücksichtigung der geltend gemachten Lehrzeit im elterlichen Betrieb vom 14. Dezember 1955 bis 04. August 1958 als Beitragszeit für die Zeit ab 01. Januar 1992 neu zu berechnen.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Im Sinne dieser Regelung hat die Beklagte bei Erlass des Bescheids vom 24. November 1989 weder das Recht unrichtig angewandt, noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat die Beklagte die Lehrzeit des Klägers im elterlichen Betrieb zu Recht nicht als Beitragszeit rentensteigernd berücksichtigt. Denn es ist weder nachgewiesen, dass der Vater des Klägers für die Zeit der Ausbildung Rentenversicherungsbeiträge entrichtet hat, noch ergeben sich Anhaltspunkte für eine entsprechende Beitragsentrichtung. Die Angaben in dem vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Formular Meldung zur KVdR sprechen sogar ausdrücklich gegen eine Beitragsentrichtung, da darin bestätigt ist, dass der Kläger vom 01. Januar 1950 bis 04. November 1958 durch seinen Vater familienversichert war. Da die Familienversicherung als subsidiäre Versicherung gerade das Nichtbestehen von Versicherungspflicht voraussetzt, belegt die Führung des Klägers als Familienversicherter, dass er als Lehrling gerade nicht als versicherungspflichtig, sondern als versicherungsfrei behandelt wurde. Mit der Nichtanerkennung der Zeit vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 als Beitragszeit hat die Beklagte das Recht somit nicht unrichtig angewandt. Da der Kläger im Übrigen auch nach wie vor nicht nachweisen kann, dass seinerzeit Beiträge entrichtet wurden, ist die Beklagte auch nicht von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich zwischenzeitlich als unrichtig erwiesen hat.

Der Bescheid vom 24. November 1989 auch im Hinblick auf die rückwirkende Einführung der fiktiven Beitragszeit gemäß § 247 Abs. 2a SGB VI durch das Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz [Rü-ErgG]) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S. 1038) zum 01. Januar 1992 nicht nachträglich rechtswidrig geworden. Denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids ist im Rahmen des § 44 SGB X die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblich. Zum Zeitpunkt des Erlasses des angesprochenen Bescheids war die Berücksichtigung einer fiktiven Beitragszeit jedoch noch nicht möglich, da die insoweit maßgebliche Regelung erst mit Wirkung ab 01. Januar 1992 in Kraft gesetzt wurde, also mehr als zwei Jahre nach dem in Rede stehenden Bescheid. Die den Kläger begünstigende Neuregelung kann diesem daher nach dem Grundsatz des § 306 Abs. 1 SGB VI, wonach allein aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nicht neu bestimmt werden, nur bei einer Folgerente berücksichtigt werden, oder wenn die bereits laufende Rente ohnehin neu zu berechnen ist. Diesem Grundsatz hat die Beklagte Rechnung getragen, indem sie bei der Berechnung der dem Kläger ab 01. Januar 2006 zustehenden Altersrente - wie der Bescheid vom 12. Mai 2006 aufzeigt - die Zeit vom 14. Dezember 1955 bis 04. November 1958 als Beitragszeit zugrunde gelegt hat.

Dass die mit Bescheid vom 24. November 1989 bewilligte Rente wegen EU - anders als vom Kläger begehrt - nicht ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 247 Abs. 2a SGB VI neu zu berechnen ist, ergibt sich im Übrigen auch aus der Übergangsvorschrift des Art. 16 Abs. 5 des RÜ-ErgG. Diese bestimmt: Soweit aufgrund von Vorschriften, die durch dieses Gesetz geändert worden sind, mit Wirkung von einem Zeitpunkt vor dem Tag seiner Verkündung eine Rente berechnet worden ist und dem Berechtigten hierüber ein bindender Bescheid erteilt worden ist, verbleibt es dabei, wenn nicht ein sonstiger Neufeststellungsgrund vorliegt. Mit dieser Bestimmung wurde die Anwendbarkeit des § 247 Abs. 2a SGB V auf die ab 01. Januar 1992 bereits bestandskräftig entschiedenen Rentenfälle ausdrücklich eingeschränkt. Zu diesem Zeitpunkt war aber auch der Bescheid der Beklagten vom 24. November 1989 bereits bestandskräftig. Denn seine dagegen gerichtete Klage hatte der Kläger bereits mit Schriftsatz seines seinerzeitigen Bevollmächtigten vom 11. April 1990 zurückgenommen, so dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 247 Abs. 2a SGB VI zum 01. Januar 1992 über die Rente des Klägers wegen EU bestandskräftig entschieden war.

Nach alledem konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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