L 6 SB 5673/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1946/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5673/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. November 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers.

Der 1987 geborene Kläger zog sich am 13. Juni 2002 bei einem Verkehrsunfall eine drittgradige, offene, distale Unterschenkelfraktur links zu. Vom 13. Juni 2002 bis zum 3. August 2002 wurde er deswegen in der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums M. stationär behandelt (Arztbrief von Dr. D.-E./Stationsarzt S. vom 3. August 2002). Auch die anschließende ambulante Weiterbehandlung erfolgte bis zum 27. November 2002 im Universitätsklinikum M. (Arztbriefe vom 25. Oktober 2002, 19. November 2002 und 17. Dezember 2002). Wegen Schmerzen im Bereich des linken Kniegelenkes und Unterschenkels erfolgte eine Weiterbehandlung in der Orthopädischen Universitätsklinik H. (Arztbriefe von Prof. Dr. O./Dr. G. vom 3. Februar 2003 und von Dr. B./Dr. L. vom 3. März 2003). Vom 19. Mai 2003 bis zum 4. Juni 2003 befand sich der Kläger stationär in der Orthopädischen Universitätsklinik H ... Durchgeführt wurde die Revision einer Pseudarthrose (Arztbrief von Prof. Dr. C./Dr. Sch. vom 4. Juni 2003). Am 25. September 2003 stellte sich der Kläger dort erneut vor. Dr. L./A.i.P. G. erhoben im Wesentlichen reizlose Narbenverhältnisse, eine OSG-Beweglichkeit 15/0/30, ein frei bewegliches Kniegelenk und keine Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der OP-Narbe. Die Behandlung wurde als abgeschlossen betrachtet. Im Rahmen dieser Vorstellung gab der Kläger an, bei normaler Belastung bestünden keine Beschwerden. Schmerzen bzw. Blockierungen träten lediglich beim Versuch auf, zu rennen. Seit der letzten Vorstellung belaste er sich zunehmend voll (Arztbrief von Dr. L./A.i.P. G. vom 29. September 2003).

Am 24. Oktober 2003 beantragte der Kläger die Feststellung seines GdB. Zur Begründung wies er auf die Unterschenkelpseudarthrose links hin. Das Versorgungsamt Heidelberg (VA) holte den Befundbericht der Fachärzte für Orthopädie Dr. R./Dr. B. vom 7. November 2003 ein. Diese teilten den Behandlungsverlauf unter Beifügung der Arztbriefe des Universitätsklinikums M. und der Orthopädischen Universitätsklinik H. mit. Der Beklagte zog die von der Orthopädischen Universitätsklinik H. angefertigten Röntgenbilder bei. Dr. K. brachte in ihrer versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 2. Dezember 2003 Restbeschwerden nach Unterschenkelfraktur links als Funktionsbeeinträchtigungen in Ansatz und bewertete den GdB mit 20. Daraufhin stellte das VA mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 den GdB mit 20 fest. Hierbei berücksichtigte es Restbeschwerden nach Unterschenkelfraktur links als Funktionsbeeinträchtigungen.

Hiergegen legte der Kläger am 14. Januar 2004 Widerspruch ein. Er legte das Gutachten von Dr. Sch. vom MDK Baden-Württemberg vom 20. Februar 2004 vor, welches von der IKK M. zu der Frage eingeholt worden war, ob er im Universitätsklinikum M. falsch behandelt worden sei. Dr. W. führte in ihrer vä Stellungnahme vom 25. März 2004 aus, aus diesem Gutachten ergäben sich keine neuen Erkenntnisse. Sie bewertete den GdB weiterhin mit 20. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 2. Juli 2004 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Das SG holte die sachverständige Zeugenaussage von Dr. R. vom 30. August 2004 ein. Dieser teilte mit, der derzeitige Befund ergebe eine noch deutliche Muskelminderung im linken Unterschenkel, weshalb noch weiterhin intensive krankengymnastische Behandlung durchgeführt werde. Mit einer vollen Remission des Befundbildes sei ca. nach Ablauf von 2 Jahren zu rechnen. Mit einem GdB von 20 seien auf seinem Fachgebiet die dauerhaften Behinderungen vollständig bezeichnet. Mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2004 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, beim Kläger liege eine gering- bis mittelgradige Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks vor, die mit einem GdB von allenfalls 10 bewertet werden könne. Die Unterschenkelpseudarthrose rechtfertige angesichts der Tatsache, dass bei normaler Bewegung keine Beschwerden bestünden, einen GdB von 20. Der Muskelminderung am linken Unterschenkel komme daneben kein eigenständiger Behinderungswert zu.

Der Kläger hat am 6. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Seines Erachtens sei der festgesetzte GdB nicht korrekt.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. November 2004 aufzuheben sowie den Bescheid vom 4. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm ab Antragstellung einen GdB von mehr als 20 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung des fachorthopädischen Gutachtens von Dr. T. vom 14. Juni 2006. Der Sachverständige hat eine unter Achsfehlstellung im Sinne eines X-Beines von 11 Grad knöchern stabil ausgeheilte distale Unterschenkelfraktur links mit noch bestehenden Funktionseinschränkungen im linken oberen und unteren Sprunggelenk sowie ein Patellarsyndrom links und eine Beinverkürzung links von 1,5 cm mit linkskonvexer lumbaler Fehlstellung von 12 Grad diagnostiziert und hat den GdB des Klägers mit 20 bewertet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Dem Kläger steht kein GdB von mehr als 20 zu.

Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend dargestellt und ausgeführt, weshalb im vorliegenden Verfahren ein höherer GdB als 20 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AP) als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und deshalb normähnliche Auswirkungen haben. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzlichen Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9 a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).

Auch die im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen haben den vom Beklagten mit 20 festgestellten GdB des Klägers bestätigt. Denn Dr. T. hat in seinem fachorthopädischen Gutachten vom 14. Juni 2006 für den Senat unter Berücksichtigung der AP schlüssig und gut nachvollziehbar dargelegt, dass die Bandlockerung im Bereich des linken Kniegelenks muskulär komplett zu kompensieren und auch nur sehr gering ist, das Patellarsyndrom lediglich klinisch angenommen werden kann, eine nennenswerte Reizsymptomatik im Kniegelenk nicht besteht, die Bewegungseinschränkung im Bereich des oberen Sprunggelenks ein deutlich besseres Bewegungsspiel als eine aufgehobene Dorsalextension zeigt und die Beweglichkeit im unteren Sprunggelenk nur eine Funktionsminderung um etwa ein Drittel aufweist. Dr. T. hat daher unter Berücksichtigung der X-Fehlstellung im Unterschenkel mit dadurch bedingter Fehlstatik und entsprechenden arthralgischen Beschwerden in Knie- und Sprunggelenk den GdB zutreffend mit 20 eingeschätzt. Er hat dabei für den Senat gut begründet darauf hingewiesen, dass ein GdB von 30 z. B. bei einem Vorliegen einer Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks in Mittelstellung (AP, 26.18, S. 127) oder bei einer Parese des Nervus peronaeus mit entsprechendem Muskelausfall mit dem Bild eines Stepperganges (AP 26.18, S. 128) gegeben ist und die Gesundheitssörungen des Klägers diesen Schweregard nicht erreichen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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