L 6 SB 5814/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 2199/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5814/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2004 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, einen GdB von 30 ab 1. November 2000 festzustellen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus beiden Rechtszügen zu 1/5.

Tatbestand:

Im Streit steht die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin bereits ab November 2000.

Die 1945 geborene Klägerin beantragte erstmals am 29. März 2001 die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft beim Versorgungsamt Freiburg (VA), gestützt auf die Folgen einer Brustamputation, eine Bluthochdruckerkrankung, Anstrengungsasthma und chronische Bronchitis.

Das VA zog daraufhin ärztliche Unterlagen bei der P.-Klinik Sch. (Anschlussheilbehandlung vom 18. April bis 16. Mai 2001, Arztbrief vom 18. Mai 2001) und der behandelnden Ärztin Dr. K.-S. (Arztbrief des Klinikums K. vom 4. April 2001 über den stationären Aufenthalt vom 6. bis 24. März 2001) bei. Nach versorgungsärztlicher (vä) Stellungnahme stellte das VA mit Bescheid vom 21. August 2001 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab 1. März 2001 fest, dem als Behinderungen eine Erkrankung der rechten Brust (in Heilungsbewährung) sowie eine chronische Bronchitis zugrunde lagen.

Im Juli 2002 bat die Klägerin um Überprüfung der Entscheidung und machte geltend, dass ein GdB von 50 bereits ab Januar 2000, spätestens jedoch ab November 2000 gerechtfertigt sei, da bereits, wie dem Arztbrief des Klinikums K. entnommen werden könne, im Januar 2000 ein Tumor bekannt gewesen sei, auch wenn dieser tatsächlich erst im März 2001 eine Operationsindikation hervorgerufen habe. Im Hinblick auf die von ihr angestrebte Altersrente für Schwerbehinderte bestehe ein Bedürfnis zur Feststellung des GdB von 50 bereits ab diesem Zeitpunkt.

Mit Bescheid vom 2. August 2002 lehnte das VA die Erteilung eines Rücknahmebescheids nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab, da bei malignen Geschwulsterkrankungen auf den Zustand nach operierter oder anderweitiger Beseitigung abzustellen sei. Allein ein auffälliger Untersuchungsbefund bedinge keine dauerhafte Funktionsminderung.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch und brachte u. a. vor, es sei nicht nachvollziehbar, dass für die Zeit vor der Operation kein GdB festgestellt werden könne, was insbesondere bei beispielsweise nicht operablen Tumoren zu ungerechtfertigten Ungleichbehandlungen führe. Man habe darüber hinaus die im übrigen bestehenden Erkrankungen, insbesondere das Asthma und Beschwerden an der Halswirbelsäule, nicht angemessen in die Beurteilung eingestellt.

Nach Einholung einer vä Stellungnahme wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2002 zurück. Die Brusterkrankung könne erst mit der Diagnosesicherung zum Operationszeitpunkt als Behinderung anerkannt werden. Denn ein Tumor könne zunächst auch gutartig sein und sich erst im Laufe der Zeit in einen bösartigen Tumor verwandeln. Eine rückwirkende Bewertung, ab wann ein bösartiger Tumor vorgelegen habe, sei nicht möglich. Hinsichtlich der Lungenfunktion und des Asthma bronchiale handle es sich seit 1999 um eine vorübergehende bronchiale Hyperreagibilität. Der entsprechende Test und die Lungenfunktion seien unauffällig gewesen. Was die geltend gemachte Erkrankung der Halswirbelsäule anbelange, liege zwar ein radiologischer Befundbericht vor, in welchem degenerative Veränderungen beschrieben seien. Allerdings seien keine Funktionsstörungen belegt. Eine Verschlimmerung des GdB lasse sich deshalb nicht feststellen.

Dagegen erhob die Klägerin am 25. November 2002 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG). Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde M. berichtete unter dem 11. März 2003 (mit mehreren Arztbriefen und Berichten über lungenfachärztliche Untersuchungen) über eine protrahierte, wechselnd obstruktive Bronchitis bei am ehesten infektgetriggerter unspezifischer bronchialer Hyperreagibilität sowie über einen Zustand nach Mamma-Ablatio rechts unter Tamoxifen-Therapie. Den GdB schätzte er auf seinem Fachgebiet mit 20 ein. Dr. K.-S. berichtete unter dem 29. April 2003 (mit Arztbriefen in Anlage) über eine chronisch rezidivierende obstruktive Bronchitis, eine saisonale Rhinoconjunktivitis, eine arterielle Hypertonie, eine chronische Colitis mäßiger Ausprägung bei Colon irritabile, einen Zustand nach Choleozystektomie sowie Tinnitus. Auf gynäkologischem Fachgebiet bestehe ein Mammacarzinom rechts mit Zustand nach Ablatio und Entfernung der axillären Lymphknoten rechts 3/2001 sowie ein Endometriumpolyp mit Abrasio 10/2002. Sie führte u. a. aus, die klinische Untersuchung, die zur Formulierung des Tumorverdachts geführt habe, sei am 8. Januar 2001 erfolgt. Eine Mammographie vom 7. Januar 2000 habe bereits Veränderungen gezeigt, die damals als Fibrom gedeutet worden seien. Eine histologische Abklärung sei leider unterblieben und erst nach einem Arztwechsel im Januar 2001 erfolgt. Es sei also davon auszugehen, dass bereits im Januar 2000 und zuvor tumoröse Veränderungen in Gestalt eines Mammacarzinoms vorgelegen hätten, die durch eine Probeexcision eindeutig diagnostizierbar gewesen wären. Beigefügt war auch der Arztbrief des Prof. Dr. Z. über die am 4. Januar 2000 durchgeführte Mammographie, wonach bei einem winzigen körnigen Tastbefund kein Anhalt für Malignität bestehe.

Unter dem 17. Juni 2003 schlug der Beklagte eine vergleichsweise Einigung dahingehend vor, dass ab 1. November 2000 ein GdB von 20 und ab 1. März 2001 ein GdB von 60 festgestellt werde. Dieses Angebot stützte sich auf die vä Stellungnahme des Dr. Franke vom 16. Juni 2003, wonach aus dem mitgeteilten Mammographiebefund eine rückwirkende Feststellung eines GdB von 50 schon ab Januar oder November 2000 nicht möglich sei. Hinsichtlich der arteriellen Hypertonie werde ein Teil-GdB von 10 empfohlen, bezüglich der Bronchitis ein Teil-GdB von 20 (statt bisher 10) ab November bei dort nachgewiesener Verschlechterung. Die chronische Gastritis und die chronische Dickdarmentzündung sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten, aufgrund den mit der Wirbelsäulenerkrankung verbundenen Beschwerden seien diese, auch wenn funktionelle Einschränkungen nicht dokumentiert seien, mit einem Teil-GdB von ebenfalls 10 zu bewerten.

Die Klägerin nahm das Vergleichsangebot des Beklagten nicht an. Das SG beauftragte daraufhin Prof. Dr. Z., Facharzt für Röntgenologie, mit der Erstellung eines radiologischen Gutachtens nach Aktenlage. Dieser führte unter dem 13. Januar 2004 aus, es habe sicherlich bereits im Januar 2000 ein solider bösartiger Tumor (5x2 mm) vorgelegen, der damals allerdings wegen seiner geringen Größe und fehlenden Röntgenkriterien der Malignität (etwa Verkalkungen) damals noch nicht als solcher identifiziert worden sei. Dies ergebe sich aus tumorbiologischen Überlegungen in Kenntnis der Histologie des entfernten Gewebes. Die Zeitpunkte der ärztlichen Diagnose seien der 11. Januar 2001 (begründeter Verdacht) bzw. der 7. März 2001 (feingewebliche Sicherung). Zu einem früheren Zeitpunkt habe der Tumor aus den vorliegenden mammographischen und sonographischen Untersuchungen nicht nachgewiesen werden können.

Durch Urteil vom 16. November 2004 hob das SG die angefochtenen Bescheide auf und verurteilte den Beklagten, den Bescheid vom 29. März 2001 (gemeint: 21. August 2001) zurückzunehmen und den GdB ab 1. November 2000 mit 20 und ab 1. März 2001 mit 60 festzustellen. Zur Begründung führte das SG u. a. aus, eine rückwirkende Vergabe des GdB von 50 für die Brusterkrankung komme nicht in Betracht. Die Heilungsbewährung beginne erst mit der Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors zu laufen. Davor sei der Gesundheitszustand der Klägerin nicht funktionell beeinträchtigt gewesen.

Gegen das am 22. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie im wesentlichen vorgebracht, dass sie schon seit der erstmaligen Mitteilung einer Veränderung in der Brust im Januar 2000 in ständiger Angst gelebt habe. In diese Zeit seien allerdings auch erhebliche psychische Belastungen durch Todesfälle und Betreuungsaufgaben gegenüber älteren Angehörigen aufgetreten sowie Erbstreitigkeiten und Probleme am Arbeitsplatz. Erst Ende des Jahres 2000 habe sie sich deshalb entschlossen, sich endgültig Klarheit zu verschaffen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16. November 2004 abzuändern sowie den Bescheid vom 2. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 21. August 2001 zurückzunehmen und bei ihr einen GdB von 50 schon ab 1. November 2000 und ab 1. März 2001 von 60 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr. B., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, unter dem 1. November 2005 ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Dieser hat eine depressive Anpassungsstörung, nach Krebsoperation ohne Rezidiv oder Metastasenhinweis und Herausnahme aus der Berufstätigkeit gebessert, jedoch noch leicht bis mittelschwer fortbestehend, diagnostiziert. Er hat weiter ausgeführt, seit Anfang 2000 hätten seelische Belastungen im Vordergrund der funktionellen Beeinträchtigungen gestanden, die mit zumindest mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten einher gegangen seien. Er schätze den GdB deshalb seit Anfang 2000 mit 60 ein, seit Anfang 2001, unter Berücksichtigung der Bronchitis, auf 80. Die abweichende Beurteilung beruhe darauf, dass bislang die depressive Anpassungsstörung mit Somatisierung nicht ausreichend gewürdigt worden sei.

Das Gericht hat daraufhin Dr. K.-S. als sachverständige Zeugin insbesondere zu den in den Jahren 1999/2000 aufgetretenen Erkrankungen, auch psychosomatischen Hintergrunds, befragt. Dr. K.-S. hat unter dem 14. März 2006 ausgeführt, ein Schwerpunkt der Behandlungen habe auf den Oberbauchbeschwerden gelegen. Angesichts der stark wechselnden und uncharakteristischen Ausprägungen der Beschwerden ohne spezifischen Organbefund habe schon frühzeitig der Verdacht einer somatoformen autonomen Funktionsstörung bestanden. Eine Aggravierung sei durch die von der Klägerin massiv erlebte Belastung am Arbeitsplatz sowie die familiäre Überforderungssituation durch die Versorgung von 4 älteren Angehörigen und einen langdauernden Erbschaftsstreit eingetreten. Der zweite Behandlungsschwerpunkt habe auf der chronischen obstruktiven Bronchitis gelegen. Auch hier habe sich der Verdacht erhärtet, dass die Beschwerden durch die sozialen Konfliktsituationen verstärkt worden seien. Die Einschätzung von Dr. B., dass die Klägerin die Diagnosestellung hinsichtlich der Krebserkrankung aus Angst unbewusst verzögert habe, decke sich mit ihrer Einschätzung.

Unter dem 30. Juni 2006 hat der Beklagte eine vergleichsweise Streitbeilegung angeboten, worin er einen GdB von 30 ab 1. November 2000 und von 70 ab 1. März 2001 angeboten hat, gestützt auf die vä Stellungnahme vom 28. Juni 2006. Die Klägerin hat das Vergleichsangebot nicht angenommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist teilweise begründet. Der GdB ist ab 1. März 2001 mit 70 festzustellen. Im übrigen ist die Berufung unbegründet.

Dem Begehren auf rückwirkende Feststellung eines GdB von 50 jedenfalls ab November 2000 fehlt nicht bereits das Rechtsschutzbedürfnis, so dass der Senat in der Sache über den geltend gemachten Anspruch zu entscheiden hatte.

Grundsätzlich ist die Schwerbehinderteneigenschaft nicht rückwirkend, sondern erst mit dem Tag des Eingangs des Antrages beim VA festzustellen (§ 6 Abs. 1 S.1 Schwerbehindertenausweisverordnung [SchwbAwV]). Ist auf Antrag des schwerbehinderten Menschen nach Glaubhaftmachung eines besonderen Interesses festgestellt worden, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, ein anderer Grad der Behinderung oder ein oder mehrere gesundheitliche Merkmale bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen haben, ist nach § 6 Abs. 1 S. 2 SchwbAwV zusätzlich das Datum einzutragen, von dem ab die jeweiligen Voraussetzungen mit dem Ausweis nachgewiesen werden können. Die von der Versorgungsverwaltung vorzunehmenden Statusentscheidungen sind hiernach grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Antragstellung mit Wirkung für die Zukunft zu treffen. Regelmäßig fehlt es deshalb bei Klagen auf rückwirkende Feststellung eines GdB an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, so dass die Klage unzulässig ist (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.05.1992 - L 4 VS 3/91). Ob etwas anderes dann gilt, wenn substantiiert vorgebracht oder gegebenenfalls belegt wird, dass die Feststellung etwa aus steuerlichen Gründen noch sinnvoll ist, etwa weil durch die Finanzverwaltung ein Vorbehalt in den entsprechenden Steuerbescheid für den vergangenen Veranlagungszeitraum aufgenommen worden ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27.05.1992 - L 4 VS 3/91), oder ob das besondere Interesse an der rückwirkenden Feststellung auch in diesem Fall zu verneinen ist (so LSG für das Saarland, Urteil vom 05.11.2002 - L 5 B 12/01 SB) ist vom BSG noch nicht abschließend entschieden. Jedenfalls sind Steuervorteile, auch wenn sie Anlass zu einem Feststellungs-, also Statusverfahren gegeben haben, nur eine der möglichen Folgen des feststellenden Verwaltungsaktes. Sie prägen das sozialrechtliche Statusverfahren nicht, das auf die Gesamtheit der Berechtigungen und Nachteilsausgleiche von Schwerbehinderten ausgerichtet ist (BSG, Urteil vom 29.01.1991 - 9 a/9 RVs 11/89 = BSGE 69, 14 - 20). Die Statusänderung mit beschränkter Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Antragstellung trägt lediglich dem Interesse der Behinderten daran Rechnung, dass sie nicht durch die Dauer eines Verwaltungsverfahrens unzumutbar benachteiligt werden. Die weitere Rückwirkung eines Antrages, wie sie in § 6 Abs. 1 S. 2 SchwbAwV vorgesehen ist, muss daher nach der Rechtsprechung des BSG - welcher sich der Senat anschließt - auf "offenkundige Fälle" beschränkt werden (BSG, Urteil vom 29.05.1991 - 9 a/9 RVs 11/89 aaO; LSG für das Saarland, Beschluss vom 05.11.2002 - L 5 B 12/01 SB).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend ein besonderes Interesse der Klägerin an einer rückwirkenden Feststellung des GdB anzuerkennen, denn im Sinne der o.g. Rechtsprechung des BSG ist ein "offenkundiger Fall" gegeben. Gem. § 236 a Satz 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) wird nämlich die Altersgrenze von 60 Jahren für die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente für Versicherte, die bis zum 16.11.1950 geboren sind und am 16.11.2000 schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch [SGB IX]) waren, nicht angehoben.

Verfahrensrechtlich beurteilt sich der geltend gemachte Anspruch nach § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Danach ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Beim Erlass des Bescheids vom 21. August 2001 ist die Sach- und Rechtslage unzutreffend beurteilt worden. Daher sind auch der Bescheid vom 2. August 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2002, mit denen die Rücknahme des Bescheids vom 21. August 2001 abgelehnt worden ist, aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Konstanz entsprechend abzuändern.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen zur materiell-rechtlichen Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sind seit 01.07.2001 die Vorschriften des SGB IX, die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63, 68 des SGB IX vom 19.06.2001, BGBl. I S. 1046).

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag stellen die Behörden einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den Grad der Behinderung sowie über weitere gesundheitliche Merkmale aus.

Diese Vorschriften sind weitgehend inhaltsgleich mit den bis zum 30.06.2001 geltenden Vorschriften der §§ 3 und 4 SchwbG, weshalb die bisherigen Grundsätze zur GdB-Bewertung weiter angewandt werden können. Inwieweit in Einzelfällen Gesundheitsstörungen über die damit verbundenen Funktionseinschränkungen hinaus Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft haben und auch diese Auswirkungen insoweit bei der GdB-Einschätzung zu berücksichtigten sind (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2001 - B 9 SB 1/01 R), kann dahinstehen, denn solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (vgl. BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4; SozR 3 - 3870 § 4 SchwbG Nr. 19 und Urteil vom 07.11.2001 aaO). Die AP besitzen zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Auch sind sie im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (vgl. BSGE 72, 285, 286; BSG SozR 3 - 3870 aaO; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R).

Unter Berücksichtigung der in den Anhaltspunkten niedergelegten Grundsätze ist im Fall der Klägerin ein GdB von 30 ab 1. November 2000 und von 70 ab 1. März 2001 festzustellen.

Bei der Klägerin liegen für die Feststellung des GdB relevante Erkrankungen in Form einer Brusterkrankung rechts in Heilungsbewährung, einer chronischen Bronchitis, einer depressiven Verstimmung und funktionellen Organbeschwerden, eines Bluthochdrucks, einer chronischen Gastritis und einer chronischen Entzündung des Dickdarms sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule vor.

Allerdings kann eine rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft vorliegend deshalb nicht erfolgen, weil ein Teil-GdB für die maligne Brusterkrankung erst ab Diagnosestellung im März 2001 zuerkannt werden kann.

Nach den AP 2004 Nr. 26.14 S. 95 ist nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der GdB während dieser Zeit (einschl. Operationsfolgen und ggf. anderer Behandlungsfolgen, sofern diese für sich allein keinen GdB-Grad von wenigstens 50 bedingen) beträgt bei Entfernung im Stadium T1-2 pN0 M0 50, bei Entfernung im Stadium T1-2 pN1 M0 60 und in anderen Stadien wenigstens 80. Bedingen die Folgen der Operation und ggf. anderer Behandlungsmaßnahmen einen GdB von 50 oder mehr, ist der während der Heilungsbewährung anzusetzende GdB entsprechend höher zu bewerten.

Dass bei der Klägerin ein maligner Brustdrüsentumor im März 2001 entfernt worden ist und jedenfalls ab diesem Zeitpunkt ein Teil-GdB von 50 im Stadium der Heilungsbewährung festzustellen ist, entspricht den AP und steht vorliegend nicht im Streit.

Der Beklagte hat jedoch zu Recht einen Teil-GdB für die Brusterkrankung erst ab März 2001 nach der Mamma-Ablatio festgestellt. Maßgebender Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann. Eine zusätzliche Therapie hat keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung (AP 26.1 S.37). Zwar ist die Protokollnotiz des Sachverständigenbeirats beim Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) vom 13.11.2002 als verwaltungsinterne Vorgabe für den Senat nicht bindend. Hierin wird aber inhaltlich zu Recht ausgeführt, dass die Anerkennung besonderer Auswirkungen aufgrund einer noch nicht erkannten Krebserkrankung grundsätzlich nicht möglich ist, denn erst die besondere soziale Situation (z. B. der Versuch der aktiven Bewältigung der Diagnose "Krebs") rechtfertigt einen GdB von wenigstens 50. Erst ab der Diagnosestellung - und nicht vorher - muss der Betroffene seine gesamte Lebensführung auf diese Bedrohung einstellen, und ohne Zweifel bedeutet diese Situation in der Regel auch eine erhebliche psychische Belastung (Rohr/Strässer, Kommentar BVG, A 105, Nr. 18). Die in den AP empfohlenen GdB-Werte tragen diesen Gesichtspunkten, auch hinsichtlich des jeweiligen Ausmaßes der Bedrohung während dieser Zeit, Rechnung und berücksichtigen ebenso den regelhaft verbliebenen Organschaden wie auch die regelhaften psychischen Belastungen (Rohr/Strässer aaO).

Zwar weist die Klägerin darauf hin, dass der Tumor bereits im Januar 2000 erkannt worden sei, sich lediglich die Diagnosestellung verzögert habe. Jedoch war durch den Umstand, dass im Januar 2000 Veränderungen des Brustgewebes erkannt worden waren, die Tumordiagnose noch nicht gesichert. Ganz im Gegenteil hatten die festgestellten Veränderungen nach Auffassung der die Klägerin behandelnden Ärzte keinen Anhalt für Malignität ergeben und lediglich die Notwendigkeit engmaschigerer Kontrollen bedingt. Die Veränderungen hatten also die körperliche Funktion der Klägerin nicht dergestalt eingeschränkt, dass dafür ein GdB von mindestens 50 gerechtfertigt wäre.

Soweit der nach § 109 SGG tätig gewordene Dr. B. wie auch die Ärztin Dr. K.-S. ausgeführt haben, jedenfalls die psychische Gesundheit der Klägerin sei durch die im Januar 2000 gewonnene Erkenntnis einer fibrösen Veränderung des Brustgewebes derart eingeschränkt gewesen, dass deshalb ein Teil-GdB von 50 zu rechtfertigen sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht.

Nach den AP 2004 S. 49 sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 – 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Teil-GdB von 30 – 40 und erst schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Teil-GdB von 50 – 70 und solche mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit einem Teil-GdB von 80 – 100 zu bewerten.

Es ist nach Auffassung des Gerichts bereits zweifelhaft, ob bei der Klägerin überhaupt Erkrankungen auf psychischem Fachgebiet vorliegen, die über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten andauern und daher als Behinderungen anzusehen sind. Geht man davon jedoch aus, dass entsprechende funktionelle Einschränkungen vorliegen, bestehen diese jedoch in einem Ausmaß, die einen GdB von maximal 20 rechtfertigen.

Denn das Gericht ist in einer Gesamtschau aller aktenkundigen ärztlichen Meinungsäußerungen davon überzeugt, dass die Klägerin schon seit einigen Jahren unter psychosomatisch geprägten Krankheitserscheinungen, z.B. Oberbauchbeschwerden und bronchialasthmatische Anfällen, litt, wie insbesondere Dr. K.-S. in ihren sachverständigen Zeugenaussagen gegenüber dem SG und auch dem erkennenden Gericht ausgeführt hat. Diese Situation bestand zwar auch in den Jahren 1999/2000, bedingt insbesondere durch familiäre Belastungssituationen infolge der Betreuung älterer Angehöriger, den kurz aufeinander folgenden Tod von Mutter und Schwiegermutter, erheblichen Erbauseinandersetzungen mit dem Bruder und Belastungssituationen am Arbeitsplatz, und hat zu phasenweisen depressiven Verstimmungen der Klägerin geführt. Diese konnten jedoch, wie Dr. K.-S. berichtete, durch regelmäßige vertrauensvolle Gespräche zwischen ihr und der Klägerin immer wieder gebessert werden. Da die Klägerin nie Zeichen einer schweren Depression aufgewiesen hatte und sich immer wieder Phasen einer deutlichen Verbesserung des psychischen und körperlichen Zustands gezeigt hatten, war durch die behandelnde Ärztin auch keine Überweisung zu einem Psychiater erfolgt. Auch gegenüber Dr. B. hat die Klägerin berichtet, nach der Mammographie vom Januar 2000, bei welcher keine Malignität festgestellt worden war, zunächst beruhigt gewesen zu sein, da der Arzt gesagt habe, dass es sich wahrscheinlich um ein gutartiges Geschehen handle.

Die Klägerin hat dann gegenüber Dr. B. zwar weiter ausgeführt, dass sich im Laufe der Zeit eine unterschwellige Angst entwickelt habe, die zunächst habe verdrängt werden können, dann aber immer mehr in den Vordergrund getreten sei, bis sie dann nach dem Wechsel des Gynäkologen den Entschluss zu einer diagnostischen Abklärung gefasst habe. Jedoch berichtete Dr. K.-S. für den vergleichbaren Zeitraum, dass die Klägerin im Jahr 2000 im März, Mai und Juni wegen klimakterischer Beschwerden in Behandlung gewesen sei, zur halbjährlichen Kontrolluntersuchung des Mamma- und Genitalbefundes aber nicht erschienen sei, sondern erst wieder im Januar 2001 zur Krebsvorsorge. Dabei habe sie über erhebliche Belastungen am Arbeitsplatz und in der Familie berichtet. Psychische Belastungen durch die fibrösen Veränderungen des Mammagewebes waren nicht Gegenstand dieser Gespräche, so dass auch schwerlich von einer erheblichen Belastung der Klägerin durch diese Veränderungen ausgegangen werden kann. Es wäre aus Sicht des Senats aber zu erwarten gewesen, dass die Klägerin diese Ängste - wären sie vorhanden gewesen - in den Gesprächen mit der ihr vertrauensvoll zugewandten Dr. K.-S. geäußert hätte. Dies ist aber offenbar nicht geschehen. Vielmehr hat die familiäre und berufliche Belastungssituation im Vordergrund gestanden und diese auch auf das psychische Wohlbefinden der Klägerin entscheidend eingewirkt.

Aber auch wenn man in einer Gesamtschau davon ausgeht, dass bei der Klägerin zwar schon im Jahr 2000 eine depressive Entwicklung verschiedenster Ursachen angelegt war, die sich in multiplen somatischen Beschwerden geäußert hat, haben diese die Klägerin nicht gehindert, ihrer Arbeit sowie insbesondere den familiären Verpflichtungen nachzugehen. Ein soziales Rückzugsverhalten, das auf eine schwerere depressive Entwicklung hindeuten könnte, kann daher nicht erkannt werden. Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin infolge der von ihr geschilderten psychischen Erschöpfung bestehende Sozialkontakte oder Freizeitaktivitäten eingeschränkt hat, liegt darin keine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, z.B. in Gestalt einer ausgeprägteren depressiven Störung oder somatoformen Störung, die mit einem Teil-GdB von 30 – 40 zu bewerten wäre. Vielmehr ist allenfalls von einer leichteren depressiven Störung auszugehen, die unter Berücksichtigung der somatischen Beschwerden nur einen Teil-GdB von maximal 20 ab Januar 2000 rechtfertigen kann.

Berücksichtigt man darüber hinaus die chronische Gastritis sowie die chronische Dickdarmentzündung - neben ihrer somatoformen (Teil-)Ursächlichkeit - als eigenständige Erkrankungen, sind diese, wie in der vä Stellungnahme vom 16. Juni 2003 ausgeführt, mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten (AP 26.10 S. 78).

Eine chronische Bronchitis bzw. Bronchiektasen werden als eigenständige Krankheiten – ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion, und in leichter Form (symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) - mit einem Teil-GdB von 0 – 10 (AP 2004 26.8 S. 67), solche in schwerer Form (fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) mit einem Teil-GdB von 20 – 30 bewertet. Wie in der vä Stellungnahme vom 26. Juni 2003 gegenüber dem SG ausgeführt, hat die Klägerin ab November 2000 unter ständigen bronchialen Beschwerden mit Hustenattacken gelitten. Die bronchialen Beschwerden sind daher ab November 2000, als die diesbezügliche Verschlechterung des Gesundheitszustands dokumentiert wurde, mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten, zuvor mit einem Teil-GdB von 10.

Die leichte Bluthochdruckerkrankung der Klägerin ist, da damit keine oder allenfalls geringe Leistungsbeeinträchtigungen verbunden sind, nach den AP 26.9 S. 75 mit einem Teil-GdB von 10 zu bemessen.

Soweit Dr. K.-S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft vom 14. März 2006 über das Auftreten einer belastungsabhängigen Dyspnoe berichtet hat, die sie auf die Bluthochdruckerkrankung zurückführt und damit von einer Verschlechterung der Hypertonie und der chronischen Bronchitis ab November 2000 auszugehen ist, bedingen diese Erkrankungen, wie in der vä Stellungnahme vom 16. Juni 2003 vorgeschlagen, einen Teil-GdB von 20 ab November 2000.

Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) rechtfertigen nach den AP 26.18 S. 116 lediglich einen Teil-GdB von 10, erst solche mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Teil-GdB von 20. In den aktenkundigen ärztlichen Äußerungen, insbesondere auch dem Bericht von Prof. Dr. Z. vom 18. Mai 2000, sind zwar röntgenologisch degenerative Veränderungen dokumentiert. Allerdings sind diese nicht mit wesentlichen funktionellen Einschränkungen verbunden, so dass auf orthopädischem Fachgebiet ein Teil-GdB von 10 den bestehenden Behinderungen ausreichend Rechnung trägt.

Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den Grundsätzen zu verfahren, wie sie in den AP (Abschnitt 19) ihren Niederschlag gefunden haben. Danach sind bei der Festsetzung des Gesamt-GdB die Auswirkungen aller Beeinträchtigungen unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander maßgebend (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, führen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung, auch wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Gesundheitsstörungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB verursacht. Dann ist im Hinblick auf weitere Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung insgesamt größer wird und deshalb dem höchsten Einzel-GdB ein Behinderungsgrad von 10 oder 20 oder mehr hinzuzufügen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Mathematische Methoden, insbesondere eine Addition der einzelnen GdB-Werte, sind hierbei ausgeschlossen (BSG SozR 3870 § 3 SchwbG Nr. 4).

Ab 1. November 2000 liegen als relevante Leiden eine chronische Bronchitis (Teil-GdB 20), eine depressive Verstimmung mit funktionellen Organbeschwerden (Teil-GdB 20), ein Bluthochdruck (Teil-GdB 10), eine chronische Gastritis und eine chronische Entzündung des Dickdarms (Teil-GdB 10) sowie degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) vor, die zusammenfassend einen GdB von 30 ergeben (AP Nr. 19.4 S. 26).

Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin noch beantragt hat, bei der Klägerin ab 1. März 2001 einen GdB von 60 festzustellen, ist dieser Antrag unzulässig, da bereits das SG ab 1. März 2001 einen GdB von 60 zugesprochen hat. Das darüber hinausgehende Vergleichsangebot des Beklagten, das dieser als Teilanerkenntnis aufrechterhalten hat, hat die Klägerin nicht angenommen. Angesichts dieser Ausführungen war das Urteil des SG abzuändern, die darüber hinaus gehende Berufung zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved