L 6 SB 2263/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2774/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2263/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. April 2005 abgeändert und der Beklagte verurteilt, unter Abänderung der Bescheide vom 25. April 2002 und 27. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2002 den GdB ab 09. November 2005 mit 40 festzustellen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 im Sinne des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) streitig.

Die 1959 geborene Klägerin beantragte beim Versorgungsamt Karlsruhe (VA) erstmals im Februar 1996 die Feststellung von Behinderungen nach dem (früheren) Schwerbehindertengesetz (SchwbG), worauf mit Bescheid vom 10. April 1996 unter Berücksichtigung von "Entzündliche Fettleber, Wirbelsäulensyndrom" ein GdB von 20 seit 27. Februar 1996 festgestellt wurde. Ein im Juni 2000 gestellter Antrag auf Erhöhung des GdB war erfolglos.

Am 14. Januar 2002 beantragte die Klägerin beim VA erneut die Erhöhung des GdB und machte geltend, die entzündliche Fettleber habe sich zu einer chronischen Hepatitis C entwickelt und somit verschlimmert; neu aufgetreten seien ein Erschöpfungssyndrom sowie Depressionen. Das VA holte den Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Grimme vom 28. Januar 2002 ein, dem u.a. die Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 29. Dezember 1997 und des Facharztes für Innere Krankheiten Dr. T. vom 21. Dezember 2001 beigefügt waren; diese waren im Hinblick auf einen Rehabilitationsantrag bzw. einen Rentenantrag der Klägerin für die frühere Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erstattet worden. Im Rahmen der sodann veranlassten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22. April 2002 gelangte Dr. M. zu der Beurteilung, dass eine Verschlimmerung nicht zu erkennen sei und die chronische Leberentzündung sowie das Wirbelsäulensyndrom nach wie vor mit einem Teil-GdB von 20 bzw. 10 zu bewerten seien. Mit Bescheid vom 25. April 2002 lehnte das VA den Neufeststellungsantrag der Klägerin daraufhin mit der Begründung ab, eine wesentliche Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, ihre Behinderungen seien in ihrer Schwere verkannt worden; diese rechtfertige die Zuerkennung eines GdB von mindestens 50. Zu berücksichtigen sei ein Erschöpfungszustand, der durch eine Sauerstoffunterversorgung wegen der erheblich gestörten Blutversorgung im Kreislauf bedingt sei. Im Übrigen wirke sich der Druckschmerz des kindskopfgroßen Uterus im unteren Teil des Beckens auf die Beinnerven als äußerst belastend aus. In der weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17. Juni 2002 bewertete Dr. K. über die bisher berücksichtigten Behinderungen hinaus zusätzlich eine seelische Störung mit einem Teil-GdB von 20 und eine Erkrankung der Gebärmutter mit einem Teil-GdB von 10 und gelangte dadurch zu einem Gesamt-GdB von 30. Mit Bescheid vom 27. Juni 2002 half das VA dem Widerspruch der Klägerin daraufhin teilweise ab und bewertete den GdB ab 14. Januar 2002 mit 30, wobei es als Funktionsbeeinträchtigungen chronische Leberentzündung (Hepatitis), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, seelische Störung, Erkrankung der Gebärmutter zugrunde legte. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2002 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen.

Dagegen erhob die Klägerin am 14. August 2002 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage und machte wiederum geltend, die festgestellten Behinderungen seien in ihrer Schwere verkannt worden; diese rechtfertigten zumindest die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage seiner Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung seines bisherigen Standpunktes entgegen. Er legte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. B. vom 30. Juni 2003 und 11. April 2005 vor. Das SG hörte die Internistin M.-K. unter dem 10. Dezember 2002, die Fachärztin für Allgemeinmedizin G. unter dem 17. Januar 2003 sowie die Fachärztin für Orthopädie Dr. M.-L. unter dem 06. Dezember 2002 schriftlich als sachverständige Zeugen und zog die in dem gleichzeitig beim SG anhängig gewesenen Rentenrechtsstreit der Klägerin S 15 RA 3400/02 erhobenen Gutachten des Prof. Dr. G., Frauenarzt, vom 02. Juli 2003, nebst Ergänzung vom 06. Oktober 2003, des PD Dr. B., Chefarzt der Medizinischen Abteilung im Kreiskrankenhaus K., vom 11. Dezember 2003 sowie der Dr. Sch., Nervenärztin/spezielle Schmerztherapie, Psychotherapie, vom 26. März 2004 bei. Mit Urteil vom 21. April 2005 wies es die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Behinderungen der Klägerin seien, wie die aus dem Rentenverfahren beigezogenen Gutachten deutlich machten, mit einem GdB von 30 zutreffend bewertet. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des den Bevollmächtigten der Klägerin am 09. Mai 2005 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 06. Juni 2005 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, die Funktionsstörungen von psychiatrischer Seite rechtfertigten einen Teil-GdB von 40, weshalb unter Berücksichtigung der weiter festgestellten Behinderungen ein GdB von 50 erreicht werde. Die Nervenärztin Dr. Sch. habe eine schizoide Persönlichkeitsstörung bzw. eine chronische Dysthymie diagnostiziert und ausgeführt, diese Störungen seien sowohl psychotherapeutisch als auch medikamentös schwer behandelbar. Diese Diagnosen konzeptualisierten ihre vorherrschenden Eigenschaften des behindernden Misstrauens und der Isolierung. Sämtliche Gutachter hätten die schwere Beeinträchtigung der Kontaktfähigkeit gesehen und in ihre Leistungsbeurteilung aufgenommen. Es müsse als sicher gelten, dass sie schwer in ein Team integriert werden könne. Zwischenzeitlich sei der Rentenrechtsstreit im Berufungsverfahren (L 12 RA 4230/04) und unter dem 25. April 2005 habe der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. ein weiteres nervenärztliches Gutachten erstattet. Dieser habe eine sie zweifellos seit Jahrzehnten in der Lebensführung und Lebensgestaltung beeinträchtigende kombinierte Persönlichkeitsstörung, die vor allem schizoide und erregbare Persönlichkeitsanteile umfasse, bestätigt. Sie legte das erwähnte Gutachten zusammen mit einer von der Fachärztin für Allgemeinmedizin G. unter dem 10. März 2005 verfassten Stellungnahme vor, ferner das in dem genannten Berufungsverfahren eingeholte weitere nervenärztliche Gutachten des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T. vom 10. Dezember 2005 sowie die ergänzenden Ausführungen des Dr. D. vom 16. Januar 2006 zu dem Gutachten des Dr. T ... Das vom Beklagten daraufhin unterbreitete Vergleichsangebot, wonach der GdB unter Zugrundelegung eines Teil-GdB von 30 für die seelische Störung ab November 2005 40 betrage, sei im Hinblick auf Art und Intensität ihrer Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht sachgerecht und könne daher nicht angenommen werden. Angesichts der beschriebenen massiven sozialen Defizite bei ständig spürbarer paranoid misstrauischer Grundhaltung, Neigung zu Schuldprojektion, einer geringen Fähigkeit auf andere Menschen emotional einzugehen und sich ihnen vertrauensvoll zuzuwenden und dem Umstand, dass sie infolge ihrer geringen Introspektionsfähigkeit nur noch ein Nischendasein führe, sei von einem Einzel-GdB für die seelische Störung von 40 an der Grenze zu 50 auszugehen. Auch der Sachverständige Dr. T. habe im Rahmen seines für den erkennenden Senat erstatteten nervenärztlichen Gutachtens vom 10. Juli 2006 den GdB für die seelische Störung mit 40 bewertet. Da sich der Beklagte dieser Einschätzung zuletzt auch angeschlossen habe, könne der Gesamt-GdB nicht lediglich 40 betragen. Vielmehr sei unter Einbeziehung der weiter zu berücksichtigenden Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. April 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25. April und 27. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Juli 2002 zu verurteilen, den GdB ab 14. Januar 2002 mit 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Hinblick auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. T. in seinem vom Senat erhobenen nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage vom 10. Juli 2006 könne die seelische Störung ab November 2005 zwar mit einem Teil-GdB von 40 bewertet werden, unter Berücksichtigung der weiteren Behinderungen chronische Leberentzündung (Teil-GdB 20), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 10) und Erkrankung der Gebärmutter (Teil-GdB 10) werde die Schwerbehinderteneigenschaft - wovon auch der Sachverständige Dr. T. ausgegangen sei - gleichwohl nicht erreicht. Denn auch die weiteren Behinderungen erhöhten das Ausmaß der Gesamtbehinderung nicht wesentlich. Dementsprechend könne das mit Schriftsatz vom 08. März 2006 unterbreitete Vergleichsangebot, wonach der GdB ab 09. November 2005 40 betrage, auch nicht erweitert werden. Er legte die versorgungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. G. vom 06. März 2006 und 02. Januar 2007 sowie des Dr. B. vom 06. September 2006 vor.

Der frühere Berichterstatter des Verfahren hat das Gutachten nach Aktenlage des Dr. T. vom 10. Juli 2006 erhoben.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nur zum Teil begründet, und zwar im Hinblick auf die im Laufe des Berufungsverfahrens festgestellte Verschlimmerung, deretwegen nunmehr ein GdB von 40 festzustellen ist.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die angefochtenen Bescheide, mit denen das VA bei der Klägerin für die Funktionsstörungen chronische Leberentzündung, Wirbelsäulensyndrom, seelische Störung, Erkrankung der Gebärmutter einen GdB von 30 ab 14. Januar 2002 festgestellt hat, waren rechtmäßig und haben die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Die Behinderungen der Klägerin rechtfertigen wegen der für einen Zeitpunkt nach Bescheiderteilung festzustellenden Verschlimmerung zwar zwischenzeitlich den höheren GdB von 40 ab November 2005, nicht jedoch einen solchen von 50 und damit die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung ist § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Als wesentlich in diesem Sinne ist eine Änderung dann anzusehen, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. In diesem Fall ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen.

Unter Anwendung dieser Regelung hat das VA den bei der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. April 1996 festgestellten GdB von 20 durch Abhilfebescheid vom 27. Juni 2002 unter zusätzlicher Berücksichtigung einer seelischen Störung und einer Erkrankung der Gebärmutter ab 14. Januar 2002 zutreffend mit 30 bewertet. Eine weitere Verschlimmerung ist bei diesen insgesamt festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen dann erst im Laufe des Berufungsverfahrens eingetreten, weshalb der GdB bei der Klägerin seit November 2005 mit 40 zu bewerten ist. Dementsprechend war das angefochten Urteil ebenso wie die diesem zugrunde liegenden Entscheidungen des VA abzuändern und der Beklagte zu verurteilen, den GdB entsprechend höher festzustellen.

Da der Beklagte, der im Rahmen seines ursprünglichen Vergleichsangebots vom 08. März 2006 die seelische Störung noch mit einem Teil-GdB von 30 bewertet hatte, sich im Hinblick auf die Einschätzung des Sachverständigen Dr. T. in seinem Gutachten nach Aktenlage vom 10. Juli 2006 dessen Beurteilung angeschlossen und für die seelische Störung zuletzt auch einen Teil-GdB von 40 für angemessen erachtet hat, hat zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren zuletzt nur noch Streit darüber bestanden, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt im Hinblick auf die Gesamtheit der bei der Klägerin festzustellenden Funktionseinschränkungen ein GdB von 50 und damit die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt ist. Denn auch die Klägerin hat die Einschätzung des Sachverständigen Dr. T., der für die seelische Störung einen Teil-GdB von 40 für angemessen erachtet hat, als zutreffend angesehen. Was die Bewertung der im Übrigen berücksichtigten Behinderungen anbelangt, hat sie die von dem Beklagten zugrunde gelegten Einzelwerte nicht in Frage gestellt. Auch der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Werte, nämlich ein Teil-GdB von 20 für die chronische Leberentzündung sowie ein Teil-GdB von jeweils 10 für das Wirbelsäulensyndrom und die Erkrankung der Gebärmutter, den hiervon ausgehenden Funktionseinschränkungen nicht mehr Rechnung tragen würden. Damit war zwischen den Beteiligten zuletzt lediglich noch streitig, ob die Gesamtheit der Funktionsbeeinträchtigungen bei der Klägerin die Bewertung mit einem GdB von 50 rechtfertigen.

Nach Auswertung der aktenkundigen medizinischen Unterlagen, insbesondere der aus dem Rentenverfahren beigezogenen nervenärztlichen Gutachten, und des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. T. vom 10. Juli 2006 ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die seelische Störung der Klägerin unter Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Stand 2004 (AHP) - wie von dem Sachverständigen Dr. T. angenommen - mit einem Teil-GdB von 40 angemessen bewertet ist. Ausgehend hiervon rechtfertigen allerdings die Auswirkungen der weiter zu berücksichtigenden Funktionseinschränkungen chronische Leberentzündung, Wirbelsäulensyndrom und Erkrankung der Gebärmutter keinen höheren Gesamt-GdB.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass beim Vorliegen mehrer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft bei der Ermittlung des Gesamt-GdB die einzelnen Werte nicht addiert werden dürfen. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. Vielmehr wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Daher ist darauf abzustellen, ob und wie die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (vgl. AHP, Seite 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. AHP, Seite 26).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der bei der Klägerin festzustellende Gesamt-GdB nicht mit 50, sondern lediglich mit 40 bewertet werden. Der Senat schließt sich diesbezüglich den auch insoweit zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. T. an, der schlüssig und überzeugend dargelegt hat, dass von der psychischen Störung die alles dominierenden Funktionsbeeinträchtigungen ausgehen und diese Auswirkungen durch die somatischen Erkrankungen nicht wesentlich verschlimmert werden. Der Senat berücksichtigt dabei, dass von der chronischen Leberentzündung keine wesentlichen weiteren Beeinträchtigungen ausgehen, da die Leberfunktion bei der Klägerin bislang nicht erkennbar beeinträchtigt ist, weil die leberspezifischen Enzyme nur leichtgradig erhöht sind. Damit lässt diese Behinderung die Beeinträchtigung der Klägerin bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht wesentlich schwerer erscheinen, als sie bereits durch die psychische Störung bedingt ist. Auch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen, die lediglich mit einem Teil-GdB von 10 bewertet werden können und damit leichterer Art sind, führen entsprechend den diesbezüglichen Richtlinien der AHP nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.

Da die seelische Störung der Klägerin im Laufe ihrer Entwicklung immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, indem sich die Persönlichkeitszüge immer stärker akzentuiert haben und dadurch für ihr soziales Agieren immer bedeutender geworden sind, geht der Senat davon aus, dass insoweit eine kontinuierliche Verschlimmerung eingetreten ist und die von der Störung ausgehenden Beeinträchtigung jedenfalls zum Zeitpunkt der Untersuchung bei dem Sachverständigen Dr. T. ein Ausmaß erreicht hat, das den auch von Dr. T. für angemessen erachteten GdB von 40 rechtfertigt. Hinreichend sichere Ansatzpunkte für die Annahme, dass dieses konkrete Ausmaß auch schon zu einem früheren Zeitpunkt zu objektivieren war, bieten sich für den Senat nicht, da die Klägerin psychotherapeutische Hilfe bisher nicht in Anspruch genommen hat und die konkrete Entwicklung der Auswirkungen ihrer seelischen Störung daher nicht dokumentiert ist.

Nach alledem war das angefochtene Urteil daher ebenso wie die Bescheide des Beklagten abzuändern und dieser zu verurteilen, den GdB ab dem genannten Zeitpunkt mit dem höheren Wert von 40 festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Nachdem die Verschlimmerung der Gesundheitsstörungen, die ab November 2005 einen GdB von 40 rechtfertigen, erst im Laufe des Berufungsverfahrens eingetreten ist, sich die angefochtenen Bescheide zum Zeitpunkt ihres Erlasses daher als rechtmäßig erweisen, hat es der Senat nicht für angemessen erachtet, den Beklagten mit außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu belasten.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
Saved