Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 362/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4344/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers.
Der 1948 geborene Kläger beantragte am 12. Februar 2002 beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) die Feststellung seines GdB. Beigefügt waren das Attest des Praktischen Arztes K. vom 10. November 1971 und die Arztbriefe von Dr. M., Pathologisches Institut am M.hospital S., vom 13. Januar 2000 und Prof. Dr. B./Dr. L./Dr. S., Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie am M.hospital S., vom 3. Februar 2000. Das VA holte den ärztlichen Befundschein der Ärztin für Psychiatrie und Naturheilverfahren R. vom 5. April 2002 ein. Sie führte u.a. aus, der Kläger sei wegen einer mittelgradigen depressiven Episode in ihrer Behandlung. Durch die schwere seelische Erkrankung seiner Ehefrau sei er in seinem Lebensaktionsradius sehr eingeschränkt. In der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 8. Mai 2002 wurde eine Depression mit einem GdB von 30 in Ansatz gebracht. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 11. Juni 2002 den GdB mit 30 ab 12. Februar 2002 fest.
Hiergegen erhob der Kläger am 17. Juni 2002 Widerspruch. Dr. G. führte in seiner vä Stellungnahme vom 5. November 2002 aus, die Depression sei weiterhin mit einem GdB von 30 zu bewerten. Durch die Lungen-, Magen- und Schilddrüsenerkrankung werde kein GdB von wenigstens 10 bewirkt. Daher wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 22. Januar 2003 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG).
Das SG holte zunächst die sachverständigen Zeugenauskünfte der Gemeinschaftspraxis Dr. F./C. L./Dr. V. vom 5. Mai 2003 und der Ärztin für Psychiatrie und Naturheilverfahren R. vom 20. Mai 2003 ein. Dr. F./C. L./ Dr. V. beschrieben ein von ihnen als mittel bis schwer eingestuftes rezidivierendes cervicobrachiales Syndrom in Halswirbelsäule/Nacken, Schultern und Armen. Die Ärztin für Psychiatrie und Naturheilverfahren R. vertrat die Ansicht, durch die depressive Erkrankung mit Anhedonie, Interessen- und Motivationsverlust sowie einer negativ-passiven Lebenseinstellung sei der Kläger deutlich in seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und seinem Aktionsradius eingeschränkt. Die seelische Erkrankung führe zu einer mittelschweren bis schweren sozialen Anpassungsstörung. Dr. F. hielt in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 8. September 2003 an der bisherigen GdB-Einschätzung fest.
Sodann holte das SG das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 23. Januar 2004 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine depressive Anpassungsstörung bei chronischer psychosozialer Belastungssituation. Dabei handele es sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, welche mit einem GdB von 30 angemessen beurteilt sei. Eine primäre eigenständige, von den reaktiven sozialen Beeinträchtigungen abgehobene funktionelle Beeinträchtigung lasse sich nicht feststellen. Wäre der Kläger in der Lage, ein von seiner erkrankten Ehefrau unabhängiges, frei gestaltetes Leben zu führen, wäre er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung. Somit handele es sich nicht um eine eigenständige Erkrankung. Ohne die Erkrankung seiner Ehefrau und ohne die konsekutiven Belastungen läge also keine eigenständige psychiatrische oder neurologische Erkrankung vor. Schließlich fänden sich auch nach der Schilderung des Alltags keine Hinweise für eine höhergradige Einstufung des GdB.
Das SG holte ferner die sachverständige Zeugenauskunft der Gemeinschaftspraxis Dr. F./C. L./ Dr. V. vom 2. März 2004 ein. Dort wurde ausgeführt, der Kläger habe sich wegen der Schmerzen der Halswirbelsäule/Schulter und im Nacken im November 2000, September und Oktober 2001, August und September 2002 sowie März 2003 in ihrer Behandlung befunden. Die Beschwerden und Schmerzen hätten teils ein bis zwei Monate angehalten, wobei es unter physiotherapeutischer Therapie jeweils zu einer Besserung gekommen sei, sodass man von einer muskulären Verspannung ausgegangen sei. Inwieweit bzw. ob überhaupt ein pathologischer Befund der Wirbelsäule oder des Schultergelenks vorliege, müsse von einem Orthopäden festgestellt werden.
Sodann holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. vom 7. April 2004 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine depressive Störung bei gemischter Persönlichkeitsstörung (perfektionistisch und narzisstisch) und eine chronifizierte depressive Episode, vorwiegend neurotischer Genese. Es handle sich dabei um eine mittelschwere Beeinträchtigung der alltäglichen Anpassungsfähigkeit, welche einem GdB von 50 entspreche. Die Abweichung zu der Einschätzung von Dr. P. ergebe sich aus einer psychodynamisch betrachteten biographischen Anamnese. Dr. A. teilte in seinem Gutachten mit, die Ehefrau habe sich nunmehr vom Kläger getrennt. Seither hätten sich dessen Beschwerden weiter verschlimmert. Er erlebe keine Rechtfertigung seiner Existenz mehr. Dr. F. bewertete in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 10. August 2004 den GdB weiterhin mit 30.
Schließlich holte das SG die sachverständigen Zeugenauskünfte der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Naturheilverfahren R. vom 14. September 2004 und der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. vom 19. April 2005 ein. Die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Naturheilverfahren R. führte aus, der Kläger habe sich bis September 2003 in ihrer Behandlung befunden. Dr. E. teilte mit, sie habe den Kläger von April bis Oktober 2004 behandelt, und beschrieb eine nach ihrer Ansicht mit einem GdB von 20 zu bewertende mittelgradige soziale Anpassungsstörung.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2005 ab. Schwere Störungen, die einen GdB von mindestens 50 rechtfertigen würden, seien nicht nachgewiesen. Dabei stützte sich das SG auf das Gutachten von Dr. P ...
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 21. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Auf psychiatrischem Fachgebiet betrage der GdB 50. Außerdem ergebe sich aus dem cervicobrachialen Syndrom ein GdB von 20. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden befinde er sich in Behandlung des Orthopäden Dr. W ... Im übrigen leide er an einer Schwerhörigkeit.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 11. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seinen GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anfrage des Senats hat Dr. W. am 8. Mai 2006 mitgeteilt, der Kläger sei nicht in seiner Kartei vorhanden.
Der Berichterstatter hat den Kläger im Rahmen des am 5. Oktober 2006 durchgeführten Erörterungstermins angehört. Dort hat der Kläger ausgeführt, wenn er morgens aufwache, trinke er etwas Tee und gehe dann spazieren. Mittags koche er. Nachmittags, wenn seine Tochter zur Arbeit gehe, betreue er seine zwei Enkelkinder. Diese seien ca. sechseinhalb und dreizehn Jahre alt. Diese Betreuung führe er ungefähr zwei bis drei Tage in der Woche durch. Abends bereite er sich in der Regel ein Vesper und gehe sodann gegen 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr zu Bett.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 30.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, 19 Abs. 4, S. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 30.
Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger an einer Depression mit Anpassungsstörungen. Nach den AP beträgt der GdB für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0 bis 20, für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 bis 40, für schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 bis 100 (AP, 26.3, S. 48). Vorliegend handelt es sich zwar nicht mehr nur um eine leichtere psychovegetative Störung, aber auch noch nicht um eine schwere Störung im Sinne der AP. Vielmehr ist von einer stärker behindernden Störung, für welche der GdB-Rahmen 30 bis 40 beträgt, auszugehen. Dieser Rahmen war nicht nach oben auszuschöpfen, da der Kläger nach Einschätzung des Senats in seinem Tagesablauf nicht erheblich eingeschränkt ist. So hat der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins ausgeführt, dass er seinen Tagesablauf selbstständig gestalte und darüber hinaus mehrmals wöchentlich seine beiden Enkelkinder allein betreue. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die von Dr. P. in seinem Gutachten vom 23. Januar 2004 vorgenommene Bewertung des GdB mit 30 für schlüssig und gut nachvollziehbar. Demgegenüber vermochte der Senat der GdB-Bewertung von Dr. A. in seinem Gutachten vom 7. April 2004 nicht zu folgen. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Kläger noch gegenüber Dr. A. angegeben hat, seit der Trennung seiner Ehefrau hätten sich seine Beschwerden weiter verschlimmert, die Anhörung des Klägers im Erörterungstermin jedoch ergeben hat, dass eine Trennung von der Ehefrau nicht vorliegt. Mithin dürfte Dr. A. bei seiner GdB-Bewertung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sein. Schließlich wird die Richtigkeit der von Dr. P. vorgenommenen Einstufung des Schweregrades der psychiatrischen Erkrankung des Klägers durch die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. E. vom 19. April 2005 gestützt, in welcher diese nur von einer mittelgradig ausgeprägten Anpassungsstörung ausgegangen ist. Nach alledem beträgt der GdB auf psychiatrischem Fachgebiet 30.
Weitere Erkrankungen, die zu einer Erhöhung dieses GdB führen, liegen beim Kläger nicht vor. Das von der Gemeinschaftspraxis Dr. F./C. L./Dr. V. in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 5. Mai 2003 und im Attest vom 2. März 2004 beschriebene cervicobrachiale Syndrom bedingt nach Überzeugung des Senats keinen GdB von mindestens 10. Zum einen liegen keine Funktionswerte vor, welche einen GdB von mindestens 20 bedingen. Zum anderen haben die Beschwerden und Schmerzen nur ein bis zwei Monate angehalten und unter physiotherapeutischer Therapie kam es zu einer Besserung, sodass nur eine muskuläre Verspannung, die keinen GdB bedingt, vorlag. Im Übrigen hat die Anfrage des Senats bei Dr. W. ergeben, dass eine diesbezügliche orthopädische Behandlung nicht stattgefunden hat.
Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte, davon auszugehen, dass die von Prof. Dr. B./Dr. L./Dr. S. in deren Arztbrief vom 3. Februar 2000 beschriebene subtotale Schilddrüsenresektion beidseits sowie die von Prof. Dr. T./Dr. S./Assistenzarzt D. in deren Arztbrief vom 22. Dezember 1997 beschriebene Ulcusexzision eine dauerhafte Gesundheitseinschränkung und mithin eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX hinterlassen haben. Auch auf hals-nasen-ohren-ärztlichem Fachgebiet liegt kein GdB von mindestens 10 vor. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er höre schlecht, weist der Senat darauf hin, dass eine Verständigung mit dem Kläger während des Termins problemlos möglich war und im Übrigen keine Arztbesuche wegen Schwerhörigkeit aktenkundig sind.
Somit beträgt der Gesamt-GdB des Klägers 30.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht der Grad der Behinderung (GdB) des Klägers.
Der 1948 geborene Kläger beantragte am 12. Februar 2002 beim Versorgungsamt Stuttgart (VA) die Feststellung seines GdB. Beigefügt waren das Attest des Praktischen Arztes K. vom 10. November 1971 und die Arztbriefe von Dr. M., Pathologisches Institut am M.hospital S., vom 13. Januar 2000 und Prof. Dr. B./Dr. L./Dr. S., Klinik für Allgemein- und Visceralchirurgie am M.hospital S., vom 3. Februar 2000. Das VA holte den ärztlichen Befundschein der Ärztin für Psychiatrie und Naturheilverfahren R. vom 5. April 2002 ein. Sie führte u.a. aus, der Kläger sei wegen einer mittelgradigen depressiven Episode in ihrer Behandlung. Durch die schwere seelische Erkrankung seiner Ehefrau sei er in seinem Lebensaktionsradius sehr eingeschränkt. In der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 8. Mai 2002 wurde eine Depression mit einem GdB von 30 in Ansatz gebracht. Hierauf gestützt stellte das VA mit Bescheid vom 11. Juni 2002 den GdB mit 30 ab 12. Februar 2002 fest.
Hiergegen erhob der Kläger am 17. Juni 2002 Widerspruch. Dr. G. führte in seiner vä Stellungnahme vom 5. November 2002 aus, die Depression sei weiterhin mit einem GdB von 30 zu bewerten. Durch die Lungen-, Magen- und Schilddrüsenerkrankung werde kein GdB von wenigstens 10 bewirkt. Daher wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2003 zurück.
Dagegen erhob der Kläger am 22. Januar 2003 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG).
Das SG holte zunächst die sachverständigen Zeugenauskünfte der Gemeinschaftspraxis Dr. F./C. L./Dr. V. vom 5. Mai 2003 und der Ärztin für Psychiatrie und Naturheilverfahren R. vom 20. Mai 2003 ein. Dr. F./C. L./ Dr. V. beschrieben ein von ihnen als mittel bis schwer eingestuftes rezidivierendes cervicobrachiales Syndrom in Halswirbelsäule/Nacken, Schultern und Armen. Die Ärztin für Psychiatrie und Naturheilverfahren R. vertrat die Ansicht, durch die depressive Erkrankung mit Anhedonie, Interessen- und Motivationsverlust sowie einer negativ-passiven Lebenseinstellung sei der Kläger deutlich in seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und seinem Aktionsradius eingeschränkt. Die seelische Erkrankung führe zu einer mittelschweren bis schweren sozialen Anpassungsstörung. Dr. F. hielt in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 8. September 2003 an der bisherigen GdB-Einschätzung fest.
Sodann holte das SG das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 23. Januar 2004 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine depressive Anpassungsstörung bei chronischer psychosozialer Belastungssituation. Dabei handele es sich um eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, welche mit einem GdB von 30 angemessen beurteilt sei. Eine primäre eigenständige, von den reaktiven sozialen Beeinträchtigungen abgehobene funktionelle Beeinträchtigung lasse sich nicht feststellen. Wäre der Kläger in der Lage, ein von seiner erkrankten Ehefrau unabhängiges, frei gestaltetes Leben zu führen, wäre er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung. Somit handele es sich nicht um eine eigenständige Erkrankung. Ohne die Erkrankung seiner Ehefrau und ohne die konsekutiven Belastungen läge also keine eigenständige psychiatrische oder neurologische Erkrankung vor. Schließlich fänden sich auch nach der Schilderung des Alltags keine Hinweise für eine höhergradige Einstufung des GdB.
Das SG holte ferner die sachverständige Zeugenauskunft der Gemeinschaftspraxis Dr. F./C. L./ Dr. V. vom 2. März 2004 ein. Dort wurde ausgeführt, der Kläger habe sich wegen der Schmerzen der Halswirbelsäule/Schulter und im Nacken im November 2000, September und Oktober 2001, August und September 2002 sowie März 2003 in ihrer Behandlung befunden. Die Beschwerden und Schmerzen hätten teils ein bis zwei Monate angehalten, wobei es unter physiotherapeutischer Therapie jeweils zu einer Besserung gekommen sei, sodass man von einer muskulären Verspannung ausgegangen sei. Inwieweit bzw. ob überhaupt ein pathologischer Befund der Wirbelsäule oder des Schultergelenks vorliege, müsse von einem Orthopäden festgestellt werden.
Sodann holte das SG auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. vom 7. April 2004 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine depressive Störung bei gemischter Persönlichkeitsstörung (perfektionistisch und narzisstisch) und eine chronifizierte depressive Episode, vorwiegend neurotischer Genese. Es handle sich dabei um eine mittelschwere Beeinträchtigung der alltäglichen Anpassungsfähigkeit, welche einem GdB von 50 entspreche. Die Abweichung zu der Einschätzung von Dr. P. ergebe sich aus einer psychodynamisch betrachteten biographischen Anamnese. Dr. A. teilte in seinem Gutachten mit, die Ehefrau habe sich nunmehr vom Kläger getrennt. Seither hätten sich dessen Beschwerden weiter verschlimmert. Er erlebe keine Rechtfertigung seiner Existenz mehr. Dr. F. bewertete in der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme vom 10. August 2004 den GdB weiterhin mit 30.
Schließlich holte das SG die sachverständigen Zeugenauskünfte der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Naturheilverfahren R. vom 14. September 2004 und der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. vom 19. April 2005 ein. Die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Naturheilverfahren R. führte aus, der Kläger habe sich bis September 2003 in ihrer Behandlung befunden. Dr. E. teilte mit, sie habe den Kläger von April bis Oktober 2004 behandelt, und beschrieb eine nach ihrer Ansicht mit einem GdB von 20 zu bewertende mittelgradige soziale Anpassungsstörung.
Das SG wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2005 ab. Schwere Störungen, die einen GdB von mindestens 50 rechtfertigen würden, seien nicht nachgewiesen. Dabei stützte sich das SG auf das Gutachten von Dr. P ...
Gegen den Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 21. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Auf psychiatrischem Fachgebiet betrage der GdB 50. Außerdem ergebe sich aus dem cervicobrachialen Syndrom ein GdB von 20. Wegen der Wirbelsäulenbeschwerden befinde er sich in Behandlung des Orthopäden Dr. W ... Im übrigen leide er an einer Schwerhörigkeit.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. September 2005 aufzuheben, den Bescheid vom 11. Juni 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, seinen GdB mit 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anfrage des Senats hat Dr. W. am 8. Mai 2006 mitgeteilt, der Kläger sei nicht in seiner Kartei vorhanden.
Der Berichterstatter hat den Kläger im Rahmen des am 5. Oktober 2006 durchgeführten Erörterungstermins angehört. Dort hat der Kläger ausgeführt, wenn er morgens aufwache, trinke er etwas Tee und gehe dann spazieren. Mittags koche er. Nachmittags, wenn seine Tochter zur Arbeit gehe, betreue er seine zwei Enkelkinder. Diese seien ca. sechseinhalb und dreizehn Jahre alt. Diese Betreuung führe er ungefähr zwei bis drei Tage in der Woche durch. Abends bereite er sich in der Regel ein Vesper und gehe sodann gegen 19.00 Uhr oder 20.00 Uhr zu Bett.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 30.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind seit 1. Juli 2001 die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX), die an die Stelle der durch dieses Gesetz aufgehobenen Vorschriften des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) getreten sind (Artikel 63 und 68 SGB IX vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB sowie weitere gesundheitliche Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei orientiert sich der Senat im Interesse der Gleichbehandlung aller Behinderten an den Bewertungsmaßstäben, wie sie in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)", Ausgabe 2004 (AP) niedergelegt sind (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 7. November 2001 – B 9 SB 1/01 R - VersorgVerw 2002, 26). Die AP haben zwar keine Normqualität, weil sie weder auf einem Gesetz noch auf einer Verordnung oder auch nur auf Verwaltungsvorschriften beruhen. Sie sind vielmehr als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, und haben deshalb normähnliche Auswirkungen. Sie sind daher im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden (BSG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285, 286; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18. September 2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 91, 205; BSG, Urteil vom 29. August 1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1). In den AP ist der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Sie ermöglichen somit eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB. Die AP stellen dabei ein einleuchtendes, abgewogenes und geschlossenes Beurteilungsgefüge dar (BSG, Urteil vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AP, 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15. März 1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 9. April 1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP, 19 Abs. 4, S. 26).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf einen höheren GdB als 30.
Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet der Kläger an einer Depression mit Anpassungsstörungen. Nach den AP beträgt der GdB für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0 bis 20, für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 bis 40, für schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 bis 100 (AP, 26.3, S. 48). Vorliegend handelt es sich zwar nicht mehr nur um eine leichtere psychovegetative Störung, aber auch noch nicht um eine schwere Störung im Sinne der AP. Vielmehr ist von einer stärker behindernden Störung, für welche der GdB-Rahmen 30 bis 40 beträgt, auszugehen. Dieser Rahmen war nicht nach oben auszuschöpfen, da der Kläger nach Einschätzung des Senats in seinem Tagesablauf nicht erheblich eingeschränkt ist. So hat der Kläger im Rahmen des Erörterungstermins ausgeführt, dass er seinen Tagesablauf selbstständig gestalte und darüber hinaus mehrmals wöchentlich seine beiden Enkelkinder allein betreue. Vor diesem Hintergrund hält der Senat die von Dr. P. in seinem Gutachten vom 23. Januar 2004 vorgenommene Bewertung des GdB mit 30 für schlüssig und gut nachvollziehbar. Demgegenüber vermochte der Senat der GdB-Bewertung von Dr. A. in seinem Gutachten vom 7. April 2004 nicht zu folgen. Dies insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Kläger noch gegenüber Dr. A. angegeben hat, seit der Trennung seiner Ehefrau hätten sich seine Beschwerden weiter verschlimmert, die Anhörung des Klägers im Erörterungstermin jedoch ergeben hat, dass eine Trennung von der Ehefrau nicht vorliegt. Mithin dürfte Dr. A. bei seiner GdB-Bewertung von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sein. Schließlich wird die Richtigkeit der von Dr. P. vorgenommenen Einstufung des Schweregrades der psychiatrischen Erkrankung des Klägers durch die sachverständige Zeugenauskunft von Dr. E. vom 19. April 2005 gestützt, in welcher diese nur von einer mittelgradig ausgeprägten Anpassungsstörung ausgegangen ist. Nach alledem beträgt der GdB auf psychiatrischem Fachgebiet 30.
Weitere Erkrankungen, die zu einer Erhöhung dieses GdB führen, liegen beim Kläger nicht vor. Das von der Gemeinschaftspraxis Dr. F./C. L./Dr. V. in der sachverständigen Zeugenauskunft vom 5. Mai 2003 und im Attest vom 2. März 2004 beschriebene cervicobrachiale Syndrom bedingt nach Überzeugung des Senats keinen GdB von mindestens 10. Zum einen liegen keine Funktionswerte vor, welche einen GdB von mindestens 20 bedingen. Zum anderen haben die Beschwerden und Schmerzen nur ein bis zwei Monate angehalten und unter physiotherapeutischer Therapie kam es zu einer Besserung, sodass nur eine muskuläre Verspannung, die keinen GdB bedingt, vorlag. Im Übrigen hat die Anfrage des Senats bei Dr. W. ergeben, dass eine diesbezügliche orthopädische Behandlung nicht stattgefunden hat.
Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte, davon auszugehen, dass die von Prof. Dr. B./Dr. L./Dr. S. in deren Arztbrief vom 3. Februar 2000 beschriebene subtotale Schilddrüsenresektion beidseits sowie die von Prof. Dr. T./Dr. S./Assistenzarzt D. in deren Arztbrief vom 22. Dezember 1997 beschriebene Ulcusexzision eine dauerhafte Gesundheitseinschränkung und mithin eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX hinterlassen haben. Auch auf hals-nasen-ohren-ärztlichem Fachgebiet liegt kein GdB von mindestens 10 vor. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er höre schlecht, weist der Senat darauf hin, dass eine Verständigung mit dem Kläger während des Termins problemlos möglich war und im Übrigen keine Arztbesuche wegen Schwerhörigkeit aktenkundig sind.
Somit beträgt der Gesamt-GdB des Klägers 30.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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