Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 177/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3647/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1949 in Bosnien geborene Klägerin besuchte dort vier Klassen die Hauptschule und arbeitete sodann in der Landwirtschaft. 1969 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie mit Unterbrechungen als Montagearbeiterin und zuletzt bis Oktober 1995 als Packerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist die Klägerin arbeitslos bzw. arbeitsunfähig krank.
Die Klägerin hatte im Juni 1994 eine Ohr-Radikaloperation wegen eines Cholesteatoms. Im April 2002 erfolgte eine beidseitige Hörgeräteversorgung wegen Schwerhörigkeit, im April 2004 wurde ein gutartiger Tumor der rechten Niere (Onkozytom) operativ entfernt. Es folgte eine Anschlussheilbehandlung in der Zeit vom 18. Mai bis 15. Juni 2004 in der S. klinik D ... Die Klägerin wurde mit den Diagnosen Onkozytom der rechten Niere (Nierenfreilegung und Tumorexzision April 2004), Fibromyalgiesyndrom, reaktive Depression, chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie Gonarthrose arbeitsunfähig entlassen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde ausgeführt, die Klägerin sei wegen noch bestehender Narbenbeschwerden arbeitsunfähig entlassen worden, drei Monate postoperativ seien Hebe- und Tragebelastungen über zehn bis 15 kg zu vermeiden. Mittelfristig bestehe für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Packerin keine Einschränkung, die Klägerin könne diese sechs Stunden und mehr verrichten.
Am 21. Juli 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 ab und stützte sich hierbei auf den Entlassungsbericht des Heilverfahrens. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, das Versorgungsamt K. habe bei ihr eine Schwerbehinderung von 70 vom Hundert (v.H.) festgestellt. Die insoweit festgestellten Funktionseinschränkungen seien von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes ein. Der Internist und Sozialmediziner L. führte aus, dass sich aus den vom Versorgungsamt anerkannten Funktionsstörungen keine Leistungsminderung im rentenrechtlichen Sinne ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14. Januar 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, in dem Reha-Entlassungsbericht komme das Ausmaß ihrer Schmerzen und dessen Zusammenwirken mit ihrer psychischen Minderbelastbarkeit nicht ausreichend zum Ausdruck. Zudem leide sie an einer Blasenentleerungsstörung, sodass sie nur Tätigkeiten ausüben könne, die ihr die Möglichkeit für ausreichende Toilettengänge gäben. Durch einen Uterus myomatosus sei sie erheblich psychisch belastet. Wegen des Zitterns der Hände könne sie nicht mehr körperlich arbeiten, wegen der Schwerhörigkeit nicht als Telefonistin tätig sein und wegen der häufigen Toilettengänge nicht als Museumsaufsicht arbeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten für sie aufgrund der multiplen Beschwerden nicht mehr benannt werden.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Orthopäden Dr. A. , den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. und den Arzt für Allgemeinmedizin K. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Auf den Inhalt der Äußerungen wird Bezug genommen (Bl. 25/26, 29/30, 32/33 SG-Akte). Zusätzlich hat das SG bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. ein gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem Gutachten vom 21. Oktober 2005 hat Dr. R. folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Reaktive Depression (Anpassungsstörung), Gonarthrose beidseits, Tinnitus rechts, Hypacusis beidseits, Hypercholesterinämie, Zustand nach Operation eines gutartigen Nierentumors und somatoforme Schmerzstörung. Er kommt zu der Einschätzung, dass die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten acht Stunden täglich ausüben könne. Zu vermeiden seien Arbeiten im Knien, mit häufigem Bücken, mit Lärmexposition, unter besonderem Zeitdruck, in Nachtschicht oder Akkordbedingungen sowie Zwangshaltungen.
Mit Urteil vom 27. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der orthopädische Befund werde durch eine Schmerzsymptomatik und reaktive Depression überlagert. Bei der Klägerin bestehe weiter ein Zustand nach Operation eines gutartigen Nierentumors, eine Blasenentleerungsstörung sowie ein Uterus myomatosus. Mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei die Klägerin noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Das SG hat sich insoweit der in dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. R. sowie dem Reha-Entlassungsbericht vertretenen Einschätzung angeschlossen. Die Blasenentleerungsstörung erfordere keine ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen. Den Schilderungen der Klägerin lasse sich nicht entnehmen, dass die Blasenentleerungsstörung ihren Tagesablauf dirigiere. Im Übrigen sei eine jederzeit aufsuchbare Toilette mit entsprechenden Waschmöglichkeiten ein Erfordernis, das jedenfalls eine große Anzahl von Arbeitsplätzen erfülle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das ihr am 21. Juni 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Juli 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung verweist die Klägerin auf die Stellungnahme von Herrn K. zum Gutachten von Dr. R. sowie auf Atteste ihres Hausarztes K. vom 14. September 2006 sowie des Nervenarztes Dr. E. vom 13. September 2006. In dem genannten Attest des Herrn K. wird ausgeführt, das Rentengutachten von Dr. R. bewerte die Schwerhörigkeit zu gering. Diese führe zu einer Unsicherheit im Arbeitsleben. Die Klägerin habe seit über zehn Jahren eine therapieresistente Anpassungsstörung mit chronischer Somatisierungsneigung und eine generalisierte Angststörung. Neben einer Polymorbidität bestehe eine erhebliche Hörminderung des rechten Ohres, was alles zu einer erheblichen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin führe, die weniger als drei Stunden täglich belastbar sei. In dem Attest des Nervenarztes Dr. E. wird ebenfalls von einer therapieresistenten depressiven Anpassungsstörung mit ausgeprägter Somatisierung gesprochen, welche die körperliche und seelische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Klägerin auf nicht absehbare Zeit so stark mindere, dass täglich weniger als drei Stunden gearbeitet werden könne. Als Diagnose nennt Dr. E. eine somatoforme Störung mit Spannungskopfschmerz. Die Klägerin macht geltend, es sei von Amts wegen eine weitere Begutachtung zu veranlassen, diesmal auf psychosomatischem Fachgebiet.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung seit 1. Juli 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat weist die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Streitgegenstand ist vorliegend allein die geltende gemachte Rente wegen voller bzw. als Minus darin enthaltener Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, nicht dagegen jedoch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Denn einen entsprechenden Antrag haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin weder vor dem SG noch vor dem Senat gestellt.
Maßgeblich für die beanspruchten Renten ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin erst ab 1. Juli 2004 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 S. 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindesten sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGBVI) ausweislich des Versicherungsverlaufs (vgl. Anlage 2 zum Bescheid vom 1. Oktober 2004) gegeben, wenn die verminderte Erwerbsfähigkeit - wie von der Klägerin geltend gemacht - bereits im August 2003 mit Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft eingetreten wäre; sie wären jedoch auch noch bei einem erst mit der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin indes keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil sie in der Streit befangenen Zeit ab 1. Juli 2004 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI gewesen ist.
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin liegen auf nervenärztlichem, orthopädischem, Hals-Nasen-Ohren-ärztlichem, internistischem, urologischem und gynäkologischem Fachgebiet. Auf orthopädischem Gebiet liegt ein chronisches Wirbelsäulen-Syndrom mit degenerativen Veränderungen, eine Gonarthrose beidseits sowie Fußverbildungen (Senk-/Spreizfuß) vor. Dies ergibt sich übereinstimmend aus dem Reha-Entlassungsbericht der S.klinik wie auch der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. Adler. Hinzu kommt aus nervenärztlicher Sicht eine somatoforme Schmerzstörung und reaktive Depression (Anpassungsstörung). Dies ergibt sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. R ... Auch der Hausarzt geht von einer psychosomatischen Überlagerung des orthopädischen Krankheitsbildes aus, eine depressive Störung wird auch von dem behandelnden Nervenarzt Dr. S. festgestellt und ebenfalls bereits im Reha-Entlassungsbericht erwähnt. Eine mittelschwere oder gar schwere depressive Episode, wie sie Dr. S. beschrieben hat, konnte dagegen durch das Gutachten von Dr. R. nicht bestätigt werden. Aus HNO-ärztlicher Sicht leidet die Klägerin an einem Tinnitus rechts sowie Schwerhörigkeit beidseits (mit Hörgeräten versorgt), wie sich aus der Aussage des Hausarztes vor dem SG ergibt sowie den dort vorgelegten Befundberichten von Dr. Sp. vom 19. November 2002 und 4. April 2005. Zusätzlich besteht bei der Klägerin ein Zustand nach Tumorexzision rechte Niere, eine Belastungshypertonie, Hyperlipidämie, Struma nodosa, chronische Obstipation sowie eine Blasenentleerungsstörung, Megaureter links und Uterus myomatosus. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus der Aussage des Hausarztes K. sowie den von ihm vorgelegten weiteren Befundberichten sowie dem Entlassungsbericht der S.klinik.
Die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen bewirken keine Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. an sowie der Leistungsbeurteilung im Entlassungsbericht des durchgeführten Heilverfahrens, welcher im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird. Das SG hat insoweit die ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen ausführlich und zutreffend gewürdigt, der Senat nimmt daher insoweit auf S. 6 bis 8 des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist ergänzend anzumerken, dass das Gutachten von Dr. R. , der als Psychiater und Neurologe besonders geeignet ist, die Auswirkungen von Schmerzerkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen etwa auch durch den Tinnitus oder den Uterus myomatosus zu beurteilen, auch für den Senat schlüssig, nachvollziehbar und gut begründet ist. Dr. R. hat nicht nur umfassend den psychischen und neurologischen Befund erhoben, sondern auch die bestehenden Beeinträchtigungen im Alltagsleben berücksichtigt, indem er einen ausführlichen Tagesablauf erhoben und die Klägerin zu Einschränkungen in Bezug auf ihr Alltagsleben befragt hat. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Klägerin durchaus einen geordneten und ausgefüllten Tagesablauf hat, sie ihren Haushalt selbst führen kann und familiäre und freundschaftliche Kontakte pflegt. Ein infolge erheblicher Schmerzbeeinträchtigung zu erwartender sozialer Rückzug liegt somit gerade nicht vor. Insoweit hat Dr. R. auch ausgeführt, dass die von der Klägerin bei der Untersuchung überall geklagte Druckschmerzhaftigkeit in Ablenkungssituationen so nicht reproduzierbar war, sich auch nicht auf Tenderpoints reduzieren ließe. Insgesamt ergaben sich bei der Untersuchung überhaupt keine relevanten Hinweise für eine gravierende depressive Symptomatik, nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. R. handelt es sich vielmehr um eine depressive Reaktion, die sekundär im Rahmen des Tinnitus und der Arbeitslosigkeit aufgetreten ist ohne eigenständigen Krankheitswert. Die Beurteilung der zeitlichen Leistungsfähigkeit durch Dr. R. deckt sich auch mit der Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht aus der Reha-Maßnahme in der S.klinik. Diese Stellungnahme ist besonders aussagekräftig, weil die Klägerin in dieser Klinik für die Dauer von vier Wochen zur Behandlung und Untersuchung verweilte, sodass die Beurteilung nicht auf einer je nach Tagesform besseren oder schlechteren augenblicklichen Situation erfolgte, sondern aufgrund einer gründlichen und langdauernden Beobachtung. Wegen der Ausrichtung der Klinik auf Nierenerkrankungen und Rheumatologie kann sich der Senat zudem ein vollständiges Bild auch der somatischen Beschwerdeseite und der Folgen der Tumorentfernung an der Niere der Klägerin machen. Die Klägerin hat die krankengymnastischen und physikalischen Therapiemaßnahmen kooperativ durchgeführt und problemlos vertragen. In der Epikrise wird nach Abklingen der akuten Operationsfolgen eine Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten ohne zeitliche Einschränkung für möglich gehalten, was auch den Senat überzeugt.
Die im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste von Herrn K. und Dr. E. sind nicht geeignet, die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. R. zu erschüttern oder zu weiteren Ermittlungen Anlass zu geben. Der Hausarzt K. erneuert seine Aussage aus dem sozialgerichtlichen Verfahren beim SG, dass die Klägerin nicht mehr leistungsfähig sei. Eine Änderung des Gesundheitszustands der Klägerin ist seiner Aussage nicht zu entnehmen. Die von ihm mitgeteilte Auffassung, dass die Klägerin nicht mehr leistungsfähig sei, ist bereits vom SG berücksichtigt worden und auch nach Auffassung des Senats mit zutreffender Argumentation hinter das Gutachtensergebnis von Dr. R. zurückgestellt worden. Im Übrigen wiederholt der Hausarzt die im Attest des Dr. E. genannte Diagnose und Leistungseinschätzung. Dr. E. , bei dem die Klägerin nach Beendigung der Praxistätigkeit durch Dr. S. erst seit kurzem in Behandlung ist, gibt an, dass die Klägerin seit zehn Jahren an einer therapieresistenten depressiven Anpassungsstörung mit chronischer Somatisierungsstörung und generalisierter Angststörung leide. Nicht ersichtlich ist, ob diese Diagnosen von Dr. S. übernommen, aufgrund welcher Anamneseerhebungen und Befunde sie abgeleitet wurden und in welcher Regelmäßigkeit die Klägerin Dr. E. aufgesucht hat. Dr. S. ist nicht häufig (alle ein bis zwei Monate) konsultiert worden, was gegen einen erheblichen Leidensdruck der Klägerin spricht. Ebenso ungeklärt ist, inwieweit der behandelnde Allgemeinmediziner und der jetzt konsultierte Nervenarzt die Angaben der Klägerin kritisch auch im Hinblick auf das laufende Rentenverfahren hinterfragt haben. Als behandelnde Ärzte ist dies nicht ihre Aufgabe, eine kritische Distanz ist vielmehr lediglich Voraussetzung einer gutachterlichen Tätigkeit. Nicht nachvollzogen werden kann, dass die Klägerin nunmehr angibt, durch den Uterus myomatosus stark psychisch beeinträchtigt zu sein. Bei der Untersuchung durch Dr. R. hat sie auf die Frage nach Belastungsfaktoren hierauf nicht einmal hingewiesen. Darüber hinaus handelt es sich um eine sehr häufige Erkrankung, die bei 20 bis 30% aller Frauen jenseits des 30. Lebensjahres auftritt, wobei bösartige Tumore nur in 0,1% der Fälle zu verzeichnen sind (Feige/Rempen/Würfel/Jawny/Caffier, Frauenheilkunde, 2. Aufl., S. 610).
Hinsichtlich des zu beachtenden positiven und negativen Leistungsbildes würdigt der Senat die schlüssigen ärztlichen Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin jedenfalls körperlich leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen oder häufiges Bücken noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Ausgeschlossen sind schwere und überwiegend mittelschwere Tätigkeiten, Arbeiten im Knien oder in der Hocke, Arbeiten unter Lärmbelastung, besonderem Zeitdruck oder Nachtschicht. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) besteht unter Würdigung der ärztlichen Ausführungen ebenso wenig wie eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Entsprechende Einschränkungen hat Dr. R. in seinem Gutachten ausdrücklich verneint.
Vorliegend besteht auch keine Pflicht, ausnahmsweise eine Verweisungstätigkeit für die Klägerin zu benennen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannten beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)). Eine Vielzahl der bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z.B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, im Knien oder in der Hocke (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen; sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Insbesondere bedingt die bei der Klägerin vorhandene Schwerhörigkeit auch keine gravierende Einschränkung im Hinblick auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sofern Lärmbelastung vermieden wird. Wie sich aus den Ausführungen von Dr. R. ergibt, musste dieser bei der Untersuchung zwar gelegentlich die Stimme erheben oder eine Frage wiederholen, bei der körperlichen Untersuchung zeigte sich aber, dass auch leise gesprochene Aufforderungen meistens gut verstanden wurden. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1949 in Bosnien geborene Klägerin besuchte dort vier Klassen die Hauptschule und arbeitete sodann in der Landwirtschaft. 1969 übersiedelte sie in die Bundesrepublik Deutschland. Hier war sie mit Unterbrechungen als Montagearbeiterin und zuletzt bis Oktober 1995 als Packerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist die Klägerin arbeitslos bzw. arbeitsunfähig krank.
Die Klägerin hatte im Juni 1994 eine Ohr-Radikaloperation wegen eines Cholesteatoms. Im April 2002 erfolgte eine beidseitige Hörgeräteversorgung wegen Schwerhörigkeit, im April 2004 wurde ein gutartiger Tumor der rechten Niere (Onkozytom) operativ entfernt. Es folgte eine Anschlussheilbehandlung in der Zeit vom 18. Mai bis 15. Juni 2004 in der S. klinik D ... Die Klägerin wurde mit den Diagnosen Onkozytom der rechten Niere (Nierenfreilegung und Tumorexzision April 2004), Fibromyalgiesyndrom, reaktive Depression, chronisches Wirbelsäulensyndrom sowie Gonarthrose arbeitsunfähig entlassen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wurde ausgeführt, die Klägerin sei wegen noch bestehender Narbenbeschwerden arbeitsunfähig entlassen worden, drei Monate postoperativ seien Hebe- und Tragebelastungen über zehn bis 15 kg zu vermeiden. Mittelfristig bestehe für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Packerin keine Einschränkung, die Klägerin könne diese sechs Stunden und mehr verrichten.
Am 21. Juli 2004 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 ab und stützte sich hierbei auf den Entlassungsbericht des Heilverfahrens. Die Klägerin erhob Widerspruch und machte geltend, das Versorgungsamt K. habe bei ihr eine Schwerbehinderung von 70 vom Hundert (v.H.) festgestellt. Die insoweit festgestellten Funktionseinschränkungen seien von der Beklagten nicht berücksichtigt worden. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme ihres Sozialmedizinischen Dienstes ein. Der Internist und Sozialmediziner L. führte aus, dass sich aus den vom Versorgungsamt anerkannten Funktionsstörungen keine Leistungsminderung im rentenrechtlichen Sinne ergebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 14. Januar 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage. Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, in dem Reha-Entlassungsbericht komme das Ausmaß ihrer Schmerzen und dessen Zusammenwirken mit ihrer psychischen Minderbelastbarkeit nicht ausreichend zum Ausdruck. Zudem leide sie an einer Blasenentleerungsstörung, sodass sie nur Tätigkeiten ausüben könne, die ihr die Möglichkeit für ausreichende Toilettengänge gäben. Durch einen Uterus myomatosus sei sie erheblich psychisch belastet. Wegen des Zitterns der Hände könne sie nicht mehr körperlich arbeiten, wegen der Schwerhörigkeit nicht als Telefonistin tätig sein und wegen der häufigen Toilettengänge nicht als Museumsaufsicht arbeiten. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könnten für sie aufgrund der multiplen Beschwerden nicht mehr benannt werden.
Das SG hat die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Orthopäden Dr. A. , den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. und den Arzt für Allgemeinmedizin K. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Auf den Inhalt der Äußerungen wird Bezug genommen (Bl. 25/26, 29/30, 32/33 SG-Akte). Zusätzlich hat das SG bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. ein gerichtliches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem Gutachten vom 21. Oktober 2005 hat Dr. R. folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Reaktive Depression (Anpassungsstörung), Gonarthrose beidseits, Tinnitus rechts, Hypacusis beidseits, Hypercholesterinämie, Zustand nach Operation eines gutartigen Nierentumors und somatoforme Schmerzstörung. Er kommt zu der Einschätzung, dass die Klägerin leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten acht Stunden täglich ausüben könne. Zu vermeiden seien Arbeiten im Knien, mit häufigem Bücken, mit Lärmexposition, unter besonderem Zeitdruck, in Nachtschicht oder Akkordbedingungen sowie Zwangshaltungen.
Mit Urteil vom 27. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Der orthopädische Befund werde durch eine Schmerzsymptomatik und reaktive Depression überlagert. Bei der Klägerin bestehe weiter ein Zustand nach Operation eines gutartigen Nierentumors, eine Blasenentleerungsstörung sowie ein Uterus myomatosus. Mit diesen gesundheitlichen Beeinträchtigungen sei die Klägerin noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes mehr als sechs Stunden täglich auszuüben. Das SG hat sich insoweit der in dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. R. sowie dem Reha-Entlassungsbericht vertretenen Einschätzung angeschlossen. Die Blasenentleerungsstörung erfordere keine ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen. Den Schilderungen der Klägerin lasse sich nicht entnehmen, dass die Blasenentleerungsstörung ihren Tagesablauf dirigiere. Im Übrigen sei eine jederzeit aufsuchbare Toilette mit entsprechenden Waschmöglichkeiten ein Erfordernis, das jedenfalls eine große Anzahl von Arbeitsplätzen erfülle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen das ihr am 21. Juni 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Juli 2006 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Zur Begründung verweist die Klägerin auf die Stellungnahme von Herrn K. zum Gutachten von Dr. R. sowie auf Atteste ihres Hausarztes K. vom 14. September 2006 sowie des Nervenarztes Dr. E. vom 13. September 2006. In dem genannten Attest des Herrn K. wird ausgeführt, das Rentengutachten von Dr. R. bewerte die Schwerhörigkeit zu gering. Diese führe zu einer Unsicherheit im Arbeitsleben. Die Klägerin habe seit über zehn Jahren eine therapieresistente Anpassungsstörung mit chronischer Somatisierungsneigung und eine generalisierte Angststörung. Neben einer Polymorbidität bestehe eine erhebliche Hörminderung des rechten Ohres, was alles zu einer erheblichen Einschränkung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin führe, die weniger als drei Stunden täglich belastbar sei. In dem Attest des Nervenarztes Dr. E. wird ebenfalls von einer therapieresistenten depressiven Anpassungsstörung mit ausgeprägter Somatisierung gesprochen, welche die körperliche und seelische Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Klägerin auf nicht absehbare Zeit so stark mindere, dass täglich weniger als drei Stunden gearbeitet werden könne. Als Diagnose nennt Dr. E. eine somatoforme Störung mit Spannungskopfschmerz. Die Klägerin macht geltend, es sei von Amts wegen eine weitere Begutachtung zu veranlassen, diesmal auf psychosomatischem Fachgebiet.
Die Klägerin beantragt (teilweise sinngemäß),
Das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. April 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung seit 1. Juli 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat weist die Berufung der Klägerin durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufung wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Streitgegenstand ist vorliegend allein die geltende gemachte Rente wegen voller bzw. als Minus darin enthaltener Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, nicht dagegen jedoch ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit. Denn einen entsprechenden Antrag haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin weder vor dem SG noch vor dem Senat gestellt.
Maßgeblich für die beanspruchten Renten ist vorliegend das ab 1. Januar 2001 für die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geltende Recht (eingeführt durch Gesetz vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827)), denn im Streit steht ein Anspruch der Klägerin erst ab 1. Juli 2004 (vgl. § 300 Abs. 1 und 2 SGB VI). Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 1 S. 1 SGB VI bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie (1.) voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind, (2.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und (3.) vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindesten sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu allgemein Bundessozialgericht (BSG) - Großer Senat - BSGE 80, 24 ff. = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI) hat die Klägerin erfüllt. Ferner wären die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGBVI) ausweislich des Versicherungsverlaufs (vgl. Anlage 2 zum Bescheid vom 1. Oktober 2004) gegeben, wenn die verminderte Erwerbsfähigkeit - wie von der Klägerin geltend gemacht - bereits im August 2003 mit Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft eingetreten wäre; sie wären jedoch auch noch bei einem erst mit der Rentenantragstellung eingetretenen Leistungsfall erfüllt. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens hat die Klägerin indes keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung oder auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, weil sie in der Streit befangenen Zeit ab 1. Juli 2004 nicht erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI gewesen ist.
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin liegen auf nervenärztlichem, orthopädischem, Hals-Nasen-Ohren-ärztlichem, internistischem, urologischem und gynäkologischem Fachgebiet. Auf orthopädischem Gebiet liegt ein chronisches Wirbelsäulen-Syndrom mit degenerativen Veränderungen, eine Gonarthrose beidseits sowie Fußverbildungen (Senk-/Spreizfuß) vor. Dies ergibt sich übereinstimmend aus dem Reha-Entlassungsbericht der S.klinik wie auch der Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. Adler. Hinzu kommt aus nervenärztlicher Sicht eine somatoforme Schmerzstörung und reaktive Depression (Anpassungsstörung). Dies ergibt sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten von Dr. R ... Auch der Hausarzt geht von einer psychosomatischen Überlagerung des orthopädischen Krankheitsbildes aus, eine depressive Störung wird auch von dem behandelnden Nervenarzt Dr. S. festgestellt und ebenfalls bereits im Reha-Entlassungsbericht erwähnt. Eine mittelschwere oder gar schwere depressive Episode, wie sie Dr. S. beschrieben hat, konnte dagegen durch das Gutachten von Dr. R. nicht bestätigt werden. Aus HNO-ärztlicher Sicht leidet die Klägerin an einem Tinnitus rechts sowie Schwerhörigkeit beidseits (mit Hörgeräten versorgt), wie sich aus der Aussage des Hausarztes vor dem SG ergibt sowie den dort vorgelegten Befundberichten von Dr. Sp. vom 19. November 2002 und 4. April 2005. Zusätzlich besteht bei der Klägerin ein Zustand nach Tumorexzision rechte Niere, eine Belastungshypertonie, Hyperlipidämie, Struma nodosa, chronische Obstipation sowie eine Blasenentleerungsstörung, Megaureter links und Uterus myomatosus. Das Vorliegen dieser Gesundheitsstörungen ergibt sich aus der Aussage des Hausarztes K. sowie den von ihm vorgelegten weiteren Befundberichten sowie dem Entlassungsbericht der S.klinik.
Die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen bewirken keine Einschränkung ihres Leistungsvermögens in quantitativer Hinsicht. Der Senat schließt sich insoweit der überzeugenden Beurteilung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. R. an sowie der Leistungsbeurteilung im Entlassungsbericht des durchgeführten Heilverfahrens, welcher im Wege des Urkundsbeweises verwertet wird. Das SG hat insoweit die ihm vorliegenden medizinischen Unterlagen ausführlich und zutreffend gewürdigt, der Senat nimmt daher insoweit auf S. 6 bis 8 des angefochtenen Urteils Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe insoweit ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin ist ergänzend anzumerken, dass das Gutachten von Dr. R. , der als Psychiater und Neurologe besonders geeignet ist, die Auswirkungen von Schmerzerkrankungen und psychischen Beeinträchtigungen etwa auch durch den Tinnitus oder den Uterus myomatosus zu beurteilen, auch für den Senat schlüssig, nachvollziehbar und gut begründet ist. Dr. R. hat nicht nur umfassend den psychischen und neurologischen Befund erhoben, sondern auch die bestehenden Beeinträchtigungen im Alltagsleben berücksichtigt, indem er einen ausführlichen Tagesablauf erhoben und die Klägerin zu Einschränkungen in Bezug auf ihr Alltagsleben befragt hat. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Klägerin durchaus einen geordneten und ausgefüllten Tagesablauf hat, sie ihren Haushalt selbst führen kann und familiäre und freundschaftliche Kontakte pflegt. Ein infolge erheblicher Schmerzbeeinträchtigung zu erwartender sozialer Rückzug liegt somit gerade nicht vor. Insoweit hat Dr. R. auch ausgeführt, dass die von der Klägerin bei der Untersuchung überall geklagte Druckschmerzhaftigkeit in Ablenkungssituationen so nicht reproduzierbar war, sich auch nicht auf Tenderpoints reduzieren ließe. Insgesamt ergaben sich bei der Untersuchung überhaupt keine relevanten Hinweise für eine gravierende depressive Symptomatik, nach den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. R. handelt es sich vielmehr um eine depressive Reaktion, die sekundär im Rahmen des Tinnitus und der Arbeitslosigkeit aufgetreten ist ohne eigenständigen Krankheitswert. Die Beurteilung der zeitlichen Leistungsfähigkeit durch Dr. R. deckt sich auch mit der Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht aus der Reha-Maßnahme in der S.klinik. Diese Stellungnahme ist besonders aussagekräftig, weil die Klägerin in dieser Klinik für die Dauer von vier Wochen zur Behandlung und Untersuchung verweilte, sodass die Beurteilung nicht auf einer je nach Tagesform besseren oder schlechteren augenblicklichen Situation erfolgte, sondern aufgrund einer gründlichen und langdauernden Beobachtung. Wegen der Ausrichtung der Klinik auf Nierenerkrankungen und Rheumatologie kann sich der Senat zudem ein vollständiges Bild auch der somatischen Beschwerdeseite und der Folgen der Tumorentfernung an der Niere der Klägerin machen. Die Klägerin hat die krankengymnastischen und physikalischen Therapiemaßnahmen kooperativ durchgeführt und problemlos vertragen. In der Epikrise wird nach Abklingen der akuten Operationsfolgen eine Belastbarkeit für leichte Tätigkeiten ohne zeitliche Einschränkung für möglich gehalten, was auch den Senat überzeugt.
Die im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste von Herrn K. und Dr. E. sind nicht geeignet, die Überzeugungskraft des Gutachtens von Dr. R. zu erschüttern oder zu weiteren Ermittlungen Anlass zu geben. Der Hausarzt K. erneuert seine Aussage aus dem sozialgerichtlichen Verfahren beim SG, dass die Klägerin nicht mehr leistungsfähig sei. Eine Änderung des Gesundheitszustands der Klägerin ist seiner Aussage nicht zu entnehmen. Die von ihm mitgeteilte Auffassung, dass die Klägerin nicht mehr leistungsfähig sei, ist bereits vom SG berücksichtigt worden und auch nach Auffassung des Senats mit zutreffender Argumentation hinter das Gutachtensergebnis von Dr. R. zurückgestellt worden. Im Übrigen wiederholt der Hausarzt die im Attest des Dr. E. genannte Diagnose und Leistungseinschätzung. Dr. E. , bei dem die Klägerin nach Beendigung der Praxistätigkeit durch Dr. S. erst seit kurzem in Behandlung ist, gibt an, dass die Klägerin seit zehn Jahren an einer therapieresistenten depressiven Anpassungsstörung mit chronischer Somatisierungsstörung und generalisierter Angststörung leide. Nicht ersichtlich ist, ob diese Diagnosen von Dr. S. übernommen, aufgrund welcher Anamneseerhebungen und Befunde sie abgeleitet wurden und in welcher Regelmäßigkeit die Klägerin Dr. E. aufgesucht hat. Dr. S. ist nicht häufig (alle ein bis zwei Monate) konsultiert worden, was gegen einen erheblichen Leidensdruck der Klägerin spricht. Ebenso ungeklärt ist, inwieweit der behandelnde Allgemeinmediziner und der jetzt konsultierte Nervenarzt die Angaben der Klägerin kritisch auch im Hinblick auf das laufende Rentenverfahren hinterfragt haben. Als behandelnde Ärzte ist dies nicht ihre Aufgabe, eine kritische Distanz ist vielmehr lediglich Voraussetzung einer gutachterlichen Tätigkeit. Nicht nachvollzogen werden kann, dass die Klägerin nunmehr angibt, durch den Uterus myomatosus stark psychisch beeinträchtigt zu sein. Bei der Untersuchung durch Dr. R. hat sie auf die Frage nach Belastungsfaktoren hierauf nicht einmal hingewiesen. Darüber hinaus handelt es sich um eine sehr häufige Erkrankung, die bei 20 bis 30% aller Frauen jenseits des 30. Lebensjahres auftritt, wobei bösartige Tumore nur in 0,1% der Fälle zu verzeichnen sind (Feige/Rempen/Würfel/Jawny/Caffier, Frauenheilkunde, 2. Aufl., S. 610).
Hinsichtlich des zu beachtenden positiven und negativen Leistungsbildes würdigt der Senat die schlüssigen ärztlichen Äußerungen dahingehend, dass die Klägerin jedenfalls körperlich leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen oder häufiges Bücken noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Ausgeschlossen sind schwere und überwiegend mittelschwere Tätigkeiten, Arbeiten im Knien oder in der Hocke, Arbeiten unter Lärmbelastung, besonderem Zeitdruck oder Nachtschicht. Die Notwendigkeit zu Arbeitsunterbrechungen in einem das betriebsübliche Maß übersteigenden Rahmen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 19. August 1997 - 13 RJ 11/96 - (juris)) besteht unter Würdigung der ärztlichen Ausführungen ebenso wenig wie eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Gehfähigkeit (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Entsprechende Einschränkungen hat Dr. R. in seinem Gutachten ausdrücklich verneint.
Vorliegend besteht auch keine Pflicht, ausnahmsweise eine Verweisungstätigkeit für die Klägerin zu benennen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn qualitative Leistungsbeschränkungen vorliegen, die eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung darstellen (vgl. etwa BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12), oder der Arbeitsmarkt sonst praktisch verschlossen ist, etwa weil der Versicherte nicht in der Lage ist, noch unter betriebsüblichen Bedingungen Tätigkeiten zu verrichten oder seine Fähigkeit, einen Arbeitsplatz zu erreichen, aus gesundheitlichen Gründen eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139). Derartige letztgenannten beiden Gründe für eine Verschlossenheit des Arbeitsmarktes liegen nach dem Beweisergebnis - wie oben ausgeführt - nicht vor. Ebenso wenig stellt das bei der Klägerin zu beachtende positive und negative Leistungsbild eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Hinsichtlich der vorhandenen qualitativen Beschränkungen hängt das Bestehen einer Benennungspflicht im Übrigen entscheidend von deren Anzahl, Art und Umfang ab, wobei zweckmäßigerweise in zwei Schritten - einerseits unter Beachtung der beim Restleistungsvermögen noch vorhandenen Tätigkeitsfelder, andererseits unter Prüfung der "Qualität" der Einschränkungen (Anzahl, Art und Umfang) - zu klären ist, ob hieraus eine deutliche Verengung des Arbeitsmarktes resultiert (vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 Nrn. 17 und 21; SozR a.a.O. § 44 Nr. 12; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 35/97 R - (juris)). Eine Vielzahl der bei der Klägerin zu beachtenden qualitativen Einschränkungen ist bereits vom Begriff der "körperlich leichten Arbeiten" erfasst, z.B. Arbeiten ohne schweres Heben und Tragen, im Knien oder in der Hocke (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10; BSG, Urteile vom 19. August 1997 - 13 RJ 91/96 - und vom 24. März 1998 - 4 RA 44/96 - (beide juris)); regelmäßig stellen derartige Arbeitsplätze auch keine besonderen Anforderungen an die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10). Nicht gedeckt sind die verbleibenden Einschränkungen; sie führen jedoch zu keiner wesentlichen zusätzlichen Einschränkung des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsfeldes (vgl. hierzu BSGE 80, 24, 32). Körperlich leichte Arbeiten werden nicht typischerweise unter diesen Bedingungen ausgeübt. Insbesondere bedingt die bei der Klägerin vorhandene Schwerhörigkeit auch keine gravierende Einschränkung im Hinblick auf eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, sofern Lärmbelastung vermieden wird. Wie sich aus den Ausführungen von Dr. R. ergibt, musste dieser bei der Untersuchung zwar gelegentlich die Stimme erheben oder eine Frage wiederholen, bei der körperlichen Untersuchung zeigte sich aber, dass auch leise gesprochene Aufforderungen meistens gut verstanden wurden. Etwaige häufigere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bewirken für sich allein im Übrigen noch keine verminderte Erwerbsfähigkeit (vgl. BSGE 9, 192, 194; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 12 S. 23).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
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