L 12 AL 2548/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 4097/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 2548/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.4.2006 wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) wegen des Eintritts einer zwölfwöchigen Sperrzeit.

Der 1944 geborene Kläger war vom 15.3.1999 bis 2.4.2001 als Kaufmann bei der Firma W. GmbH in W. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristlose Kündigung des Arbeitgebers wegen unwahrer Beschuldigungen des Geschäftsführers und beleidigender Äußerungen Dritten gegenüber.

Am 26.4.2001 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gab er an, er sei vom Geschäftsführer des Arbeitgebers gemobbt worden, er habe Kündigungsschutzklage erhoben. Durch Bescheid vom 25.6.2001 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 3.4.2001 bis 25.6.2001 und die Minderung der Anspruchsdauer um 120 Tage fest.

Dagegen legte der Kläger am 18.7.2001 Widerspruch ein. Es liege kein schuldhaftes Verhalten von ihm vor. Er legte dazu den arbeitsgerichtlichen Vergleich (Arbeitsgericht Karlsruhe 5 Ca 103/01) vom 19.9.2001 vor. Danach stellten die Parteien außer Streit, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitgeberseitiger Kündigung vom 30.3.2001 mit Ablauf des 30.4.2001 geendet habe; "der Kläger erklärt im Hinblick auf die heutigen ausführlichen Erörterungen, dass er die gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten erhobenen Vorwürfen zurücknimmt und daran nicht weiter festhält. Er erklärt, dass diese Beschuldigungen nach seinem heutigen Kenntnisstand unzutreffend sind und jeder Tatsachengrundlage entbehren. Der Kläger weist abschließend darauf hin, dass er diese Beschuldigungen nicht böswillig erhoben habe. Hinsichtlich der Sachverhaltskomplexe Spielbank und Veruntreuung von Geldern sei er haltlosen Falschinformationen Dritter aufgesessen". Durch Widerspruchsbescheid vom 26.10.2001 wies die Beklagte dem Widerspruch zurück. Der Kläger habe durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Die nachträgliche vergleichsweise Beendigung des arbeitsgerichtlichen Rechtsstreits führe zwar zu einer Verlängerung des Arbeitsverhältnisses bis einschließlich 30.4.2001, nach den vorliegenden Unterlagen ändere sich aber hierdurch am Ende des Beschäftigungsverhältnisses nichts.

Dagegen hat der Kläger am 20.11.2001 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben. Hintergrund der zunächst ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung seien Anschuldigungen gewesen, die er gegen den Geschäftsführer vorgebracht habe. Im Laufe des Arbeitsgerichtsprozesses habe sich herausgestellt, dass die Vorwürfe nicht berechtigt gewesen seien. Er habe aber die zur Kündigung führenden Vorwürfe nicht leichtfertig erhoben, sondern im Vorfeld vielfältige Ermittlungen angestellt, um den ihm zugetragenen Verdacht zu prüfen, bevor er mit diesem an die Öffentlichkeit gegangen sei. Er sei jedenfalls der Auffassung, er sei berechtigt gewesen, die erhobenen Vorwürfe auszusprechen. Es liege daher kein arbeitsvertragswidriges Verhalten, mindestens kein schuldhaftes arbeitsvertragswidriges Verhalten vor.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 20.4.2006 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens vom 30.3.2003 und den dortigen Ausführungen in einem Telefonat sowie per Fax an den Beiratsvorsitzenden Behauptungen bezüglich des Geschäftsführers geäußert, die er nur vom Hörensagen gekannt habe und die nach den Ausführungen des Geschäftsführers unwahr gewesen seien. Am 20.3.2001 habe der Kläger eigenmächtig die Polizei gerufen, da angeblich zwei Modems aus dem Lager verschwunden seien; er habe eine Durchsuchung der Fahrzeuge sämtlicher Mitarbeiter durch die Polizei veranlasst und den Geschäftsführer gegenüber Polizeibeamten und in Gegenwart von Mitarbeitern beschuldigt, die Geräte an sich genommen zu haben, um sie ihm (dem Kläger) unterzuschieben und somit einen Diebstahl der Geräte durch ihn zu fingieren. Daraus und aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ergebe sich, dass der Kläger den Geschäftsführer Verhaltensweisen beschuldigt habe, die strafrechtliche Relevanz hätten und darüber hinaus auch beleidigenden Charakter. Dem Kläger habe klar sein müssen, dass diese so erheblich seien, dass es zu einer Erschütterung des Vertrauens innerhalb der Firma habe kommen können und eine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Ein wichtiger Grund sei nicht etwa darin zu erkennen, dass er Falschinformationen Dritter erst nach eigener Überprüfung weitergegeben habe. Es falle in den Risikobereich des Klägers als Arbeitnehmer, sich nicht auf möglicherweise unrichtige Angaben Dritter zu verlassen. Wenn er dies gleichwohl tue, handele er arbeitsvertragswidrig im Sinne des Gesetzes. Anhaltspunkte für die Anwendung einer Härteregelung seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen am 24.4.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17.5.2006 Berufung eingelegt. Die Verhängung einer zwölfwöchigen Sperrzeit sei nicht gerechtfertigt. Dies ergebe sich daraus, dass im arbeitsgerichtlichen Klageverfahren sich die Vorwürfe des Klägers als unberechtigt herausgestellt hätten und deswegen auf Vorschlag des Gerichts der genannte arbeitsgerichtliche Vergleich geschlossen worden sei. Ein Vorsatz oder eine grobe Fahrlässigkeit könnten dem Kläger nicht unterstellt werden, weil er unzutreffenden Informationen von anderen Arbeitnehmern aufgesessen sei.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20.4.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.6.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2001 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch in der Zeit vom 1.5.2001 bis 25.6.2001 gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und sieht sich nach Akteneinsicht in die arbeitsgerichtliche Akte darin bestärkt, dass der Arbeitgeber auf Grund des klägerischen arbeitsvertragswidrigen Verhaltens seit dem 19.3.2001 berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Es habe sich sogar herausgestellt, dass der Kläger bereits wegen einer Störung im Bereich der betrieblichen Ordnung abgemahnt worden sei. Dass die Kündigung berechtigt gewesen sei, werde auch durch die Zustimmung des Klägers zum arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 19.9.2001 zum Ausdruck gebracht. Der Kläger habe eingesehen, dass seine Klage auf Grund seines ungerechtfertigten Verhaltens erfolglos sein würde und habe daher die Zustimmung zum Vergleich gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Arbeitsgerichtakten, auf die ebenfalls beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Die Beklagte hat im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 26.10.2001 die hier anzuwendenden Rechtsnormen ausführlich und zutreffend zitiert, der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug. Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zum Berufungsvorbringen des Klägers ist ergänzend auszuführen, dass auch der Senat davon überzeugt ist, dass der Kläger durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat. Er hat durch das leichtfertige Äußern von Behauptungen hinsichtlich des Geschäftsführers, die er nur vom Hörensagen kannte, die sich als unwahr herausstellten und die beleidigende Charakter hatten, den Anlass für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses selbst gesetzt. Bevor der Kläger solche schwer wiegenden Anschuldigungen äußern durfte, hätte er diese auf den Wahrheitsgehalt überprüfen müssen. Dies gilt erst recht für die gegenüber der von ihm selbst gerufenen Polizei und in Gegenwart von Mitarbeitern geäußerten Beschuldigung seines Vorgesetzten, einen Diebstahl fingiert zu haben. Dass diese Behauptungen und Handlungen von strafrechtlicher Relevanz waren und beleidigenden Charakter hatten, war dem Kläger klar. Dann musste er sich aber auch bewusst sein, dass diese Behauptungen, sollten Sie sich als unwahr herausstellen, die Vertrauensbasis des Arbeitgebers ihm gegenüber so weit erschüttern konnte, dass diesem seine Weiterbeschäftigung nicht mehr zumutbar gewesen wäre. Darauf, dass der Kläger bereits wegen der Störung der betrieblichen Ordnung eine Abmahnung erhalten hatte, kommt es insoweit nicht einmal an. Der Kläger konnte nämlich nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber eine solche schwerwiegende Vertragsverletzung im Vertrauensbereich hinnehmen werde. Leichtfertig falsche Anzeigen berechtigen den Arbeitgeber auch ohne Abmahnung zur Kündigung (Schaub, Arbeitsrechts-Hdb., 9. Aufl., § 130 Rdnr. 21 mit Rechtsprechungsnachweisen). Danach kann das Einleiten eines Strafverfahrens oder sonstiger behördlicher Verfahren gegen den Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung selbst dann rechtfertigen, wenn die vom Arbeitnehmer Dritten mitgeteilten Tatsachen erweislich wahr sind. Dies muss erst recht gelten, wenn die Anschuldigungen wie hier vom Kläger nicht zuvor sorgfältig überprüft werden und sich danach ohne weiteres als unwahr herausstellen, was vom Kläger auch im arbeitsgerichtlichen Vergleich eingeräumt worden ist. Der Kläger hat also zum einen durch arbeitsvertragswidriges Verhalten die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses verursacht und zum anderen dadurch mindestens grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Dem Kläger hätte sich nämlich ohne weiteres aufdrängen müssen, dass der Arbeitgeber eine derartige Störungen des Vertrauensverhältnisses nicht hinnehmen werde.

Nachdem Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes auch nicht im Ansatz ersichtlich sind, ist der gesetzliche Tatbestand für den Eintritt einer Regelsperrzeit von 12 Wochen erfüllt. Die Beklagte hat die zeitliche Lage der Sperrzeit zutreffend mit dem 3.4. bis 25.6.2001 festgestellt.

Auch der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der Eintritt einer Regelsperrzeit nach dem für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Umstände eine besondere Härte darstellen würde. Die Voraussetzungen für eine Reduzierung der Sperrzeit liegen damit nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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