L 8 AS 1225/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AS 463/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AS 1225/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20. Februar 2007 aufgehoben und der An trag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind im Antrags- und Beschwerdever- fahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Ulm (SG), mit der er im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 07.02.2007 bis zum 31.07.2007 - vorbehaltlich des Fortbestehens von Hilfebedürftigkeit - Leistungen in Höhe von monatlich 545,00 EUR zu gewähren.

Der am 1974 geborene Antragsteller beantragte am 03.05.2006 bei der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Leistungen sollten auf das Konto Nr. bei der Kreissparkasse H. überwiesen werden und er sei der Kontoinhaber. Von der gesetzlichen Rentenversicherung sei er befreit; der Bescheid sei jedoch nicht mehr auffindbar. Seine Alterssicherung sei gekündigt worden. Auf Nachfrage des Antragsgegners trug er ergänzend vor, es bestehe seit 2005 ein Vertrag zur Alterssicherung bei dem Münchener Verein Versicherungsgruppe; da dieser Vertrag erst unter zwei Jahren laufe, bestehe noch kein Rückkaufswert. Eine Kopie des Versicherungsscheines müsse er erneut anfordern und werde diesen dem Antragsgegner dann zukommen lassen. An Kontoauszügen legte er solche über die Kontonummer der HypoVereinsbank vor, woraus sich ergibt, dass er sich im Minus befindet. Außerdem legte er die Seite 1 eines "Nachtrags zum Versicherungsschein" einer abgeschlossenen Kapitallebensversicherung vor, aus dem sich allerdings nicht die Höhe des Kapitals ergibt. Der Antragsgegner wies anschließend erneut darauf hin, dass er die geltend gemachte Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuweisen habe und sich für den Fall, dass der Bescheid bei ihm nicht mehr auffindbar sei, an die deutsche Rentenversicherung zu wenden habe, um den Befreiungsbescheid nochmals zu erhalten. Des Weiteren habe er im Antrag angegeben, dass Zahlungen auf ein Konto bei der Kreissparkasse H. erfolgen sollten, weshalb er die Kontoauszüge der letzten drei Monate dieses Kontos bei der Kreissparkasse H. vorlegen solle.

Daraufhin teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, die genannte Kontoverbindung bei der Kreissparkasse H. betreffe ein Konto seines Vermieters, der sich bereit erklärt habe, die durch die Antragsgegnerin veranlassten Beträge an ihn auszuzahlen. Kontoinhaber sei sein Vermieter J. H ... Kontoauszüge über dieses Konto könne er dem Antragsgegner nicht vorlegen, da sich sein Vermieter weigere, dem Antragsgegner Kontoauszüge auszuhändigen. Mit Schreiben vom 08.06.2006 teilte er der Beklagten mit, von der Rentenversicherungspflicht sei er mit Wirkung durch den Bescheid seit dem 18.03.2002 befreit worden. Am 29.06.2006 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin telefonisch mit, er sei doch nicht von der Rentenversicherung befreit.

Am 05.07.2006 wollte der Antragsgegner beim Antragsteller einen Hausbesuch durchführen, was jedoch scheiterte, da auf Klingeln niemand öffnete. An der Klingel war ein Büroschriftzug ersichtlich mit dem Inhalt: "H. und K., Versicherungen, Büroöffnungszeiten ...". Ein weiterer Versuch eines Hausbesuchs erfolgte am 07.07.2006, scheiterte jedoch ebenfalls, da auf das Klingeln des Antragsgegners die Tür nicht geöffnet wurde. Die Befragung von Mitbewohnern ergab, dass Herr K. und Herr H. angeblich ein Paar seien. Beide seien ausserdem mit einem weißen Transporter ständig unterwegs. Zudem hätten sie noch weitere zwei oder drei Kraftfahrzeuge. Im Laufe des Vormittags des 07.07.2006 wurde erneut ein Versuch eines Hausbesuchs gestartet, aber auch dieses Mal öffnete keiner die Tür.

Mit Bescheid vom 13.07.2006 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Arbeitslosengeld II (Alg II)/Sozialgeld ab.

Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, er komme derzeit keinerlei beruflicher und/oder gewerblichen Tätigkeit nach. Da er in keiner Bedarfsgemeinschaft bzw. Partnerschaft lebe, sei er derzeit mittellos. Der Antragsgegner habe angegeben, dass er mehrere Hausbesuche durchgeführt habe und ihn unter seiner Adresse nicht angetroffen habe. Laut Gesetz besitze der Antragsgegner keine rechtliche Grundlage, einen Hausbesuch bei ihm unaufgefordert und ohne jegliche Zustimmung durchzuführen. Die Unverletzlichkeit der Wohnung als unantastbares Grundrecht gehe vor. Deshalb existiere keine gesetzliche Grundlage für derartige Hausbesuche und demzufolge bestehe auch keine Verpflichtung für ihn, solche Besuche zu dulden. Er beantrage daher weiterhin, ihm die Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen. Mit Schreiben vom 18.09.2006 meldete sich der Bevollmächtigte des Antragstellers und trug ergänzend vor, es sei behauptet worden, dass der Antragsteller und der Vermieter ein Paar seien. Diese Aussage sei eindeutig nicht wahr.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2006 wurde der Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Antragsteller am 13.11.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG, S 2 AS 4393/06).

Am 07.02.2007 stellte der Antragsteller den Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, für die Dauer des Verfahrens monatlich 276,00 EUR zuzüglich 160,00 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung für die ersten sechs Monate zu gewähren. Zur Begründung gab er an, er habe keine Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit und sein Vermieter habe ihn eindringlich aufgefordert, Zahlungen zu leisten, da ihm sonst nur die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bleibe. Hierzu legte der Antragsteller seine eidesstattliche Versicherung vom 06.02.2007 und eine eidesstattliche Versicherung des J. H. vom 17.10.2006 vor, in der u.a. ausgeführt ist, er habe zu keinem Zeitpunkt eine Beziehung mit dem Antragsteller geführt. Eine Verantwortungs- und Einstehungsgemeinschaft bestehe nicht. Die Verbindung zum Antragsteller sei lediglich freundschaftlicher Natur. Seit dem Jahr 2000 habe er einen Untermietvertrag mit dem Antragsteller geschlossen, der Mietvertrag sei mündlich geschlossen worden. Es sei ein Mietzins von pauschal 200,00 EUR vereinbart worden, dieser sei in bar entrichtet worden. Derzeit erhalte er aufgrund der finanziellen Situation vom Antragsteller keine Mietzinszahlungen. Aufgrund der Verbindlichkeiten des Antragstellers habe er diesem erlaubt, Leistungen vom Antragsgegner auf sein Konto bei der Kreissparkasse H. überweisen zu lassen. Damit habe er dem Antragsteller die Möglichkeit geben wollen, weiterhin frei über das angewiesene Geld zu verfügen. Nach Eingang hätte er das Geld an den Antragsteller in bar ausbezahlt. Nach Auskunft des Antragstellers wäre ansonsten ein Teil der Leistungen bei seiner eigenen Bank aufgrund der Verbindlichkeiten direkt einbehalten worden. Da er während der Woche grundsätzlich europaweit auf Montage für die Firma Schlecker unterwegs sei, habe er dem Antragsteller gestattet, seinen Kleinbus während der Woche zu nutzen. Dies habe er auch deswegen getan, da der Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner erklärt habe, dass er mobil sei.

Auf das erneute Begehren des Antragsgegners nach Durchführung eines Hausbesuchs hat der Antragsteller am 15.02.2007 mitgeteilt, er sei mit der Durchführung eines Hausbesuches nicht einverstanden.

Mit Beschluss vom 20.02.2007 wurde der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 07.02.2007 bis zum 31.07.2007 - vorbehaltlich des Fortbestehens von Hilfebedürftigkeit - Leistungen in Höhe von monatlich 545,00 EUR zu gewähren. Zur Begründung ist ausgeführt, ein Anordnungsanspruch sei zu bejahen. Der Antragsteller und Herr H. hätten jeweils eine Versicherung an Eides statt abgegeben, worin der Antragsteller angegeben habe, keine Einkünfte aus einer beruflichen Tätigkeit zu erzielen. Herr H. habe versichert, dass er mit dem Antragsteller zu keinem Zeitpunkt eine Verantwortungs- und Einstehungsgemeinschaft gebildete habe. Im Rahmen der Prüfung auf Erlass einer einstweiligen Anordnung müsse dies zur Glaubhaftmachung genügen.

Gegen den - dem Antragsgegner am 27.02.2007 zugestellten - Beschluss hat der Antragsgegner am 05.03.2007 Beschwerde beim SG eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Zur Begründung hat er vorgetragen, es sei nicht glaubhaft, dass der Antragsteller einen Mietzins an Herrn H. entrichten müsse. Bereits seit dem Jahr 2000 würden der Antragsteller und Herr H. in der Wohnung in der B.Straße 22 in U. wohnen. Nachweise über Mietzinszahlungen lägen nicht vor. Der Mietvertrag sei rückwirkend für die Zeit ab dem Jahr 2000 abgeschlossen worden und es dürfte sich hierbei um ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 BGB handeln. Anhand der Girokontoauszüge sei ersichtlich, dass keinerlei Abbuchungen oder Abhebungen zur Bestreitung des Lebensunterhaltes - und damit auch zur Zahlung von Miete in bar - vorlägen. Dies bedeute, dass der Antragsteller in anderer Art und Form über Einkommen und/oder Vermögen verfügen müsse, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können und um die behauptete Mietzinszahlung in der Vergangenheit tätigen zu können. Auf der dem Antragsformular beigefügten Mietbescheinigung sei angegeben worden, dass Mietrückstände seit April 2006 bestehen würden. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Girokontoauszügen sei jedoch ersichtlich, dass auch für März 2006 keine Miete bezahlt worden sei. Dies unterstreiche die Tatsache, dass kein rechtswirksamer Mietvertrag vorliege und dass der Beschwerdegegner zu keiner Entrichtung eines Mietzinses verpflichtet sei. Es sei auch davon auszugehen, dass der Antragsteller mit Herrn H. in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Der Antragsteller lebe seit dem Jahr 2000 und somit länger als ein Jahr mit Herrn H. zusammen. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, werde vermutet, wenn Partner länger als 1 Jahr zusammenlebten, wie sich dies aus der seit 01.08.2006 geltenden gesetzlichen Bestimmung ergebe. Hinzu komme, dass der Antragsteller dem Antragsgegner mitgeteilt habe, dass mögliche SGB II-Leistungen auf ein Konto bei der Kreissparkasse H. überwiesen werden sollten. Kontoinhaber dieses Kontos sei Herr H ... Herr H. habe somit die Möglichkeit, über das Einkommen oder Vermögen des Antragstellers zu verfügen. Aufgrund dessen sei auch davon auszugehen, dass Einkünfte aufgrund der früheren selbstständigen Tätigkeit des Antragstellers über dieses Konto des Herrn H. abgewickelt worden seien, da die vom Antragsteller dem Antragsgegner vorgelegten Girokontoauszüge des Antragstellers keine entsprechenden Buchungen aufwiesen. Aufgrund dessen sei davon auszugehen, dass zwischen dem Antragsteller und Herrn H. eine Verantwortungs- und Einstehungsgemeinschaft bestehe. Der Gesetzgeber habe zum 01.08.2006 in diesem Bereich eine Beweislastumkehr eingeführt. Durch diese Beweislastumkehr müsse im Zweifel im Gegensatz zum bisherigen Recht zugunsten des Antragsgegners entschieden werden. Die Durchführung eines Hausbesuches habe der Antragsteller vereitelt. Der Gesetzgeber habe die Wichtigkeit eines Hausbesuches mit der Einführung des § 6 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz SGB II ausdrücklich betont. Demnach sollen Behörden zur Bekämpfung von Leistungsmissbrauch einen Außendienst einrichten, welcher vor Ort anhand von Hausbesuchen die Hilfebedürftigkeit von Antragstellern überprüfen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Ulm vom 20. Februar 2007 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten des Antragsgegners sowie auf die Akten des SG und des Senats Bezug genommen.

II.

Die gemäß den §§ 172 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es - wie hier - im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums während eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens geht. Ist während des Hauptsacheverfahrens das Existenzminimum nicht gedeckt, kann diese Beeinträchtigung nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden, selbst wenn die im Rechtsbehelfsverfahren erstrittenen Leistungen rückwirkend gewährt werden (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237; BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinen Begehren verfolgt (BVerfG NVwZ 2004, 95, 96). Dies gilt insbesondere, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Außerdem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG NJW 2003, 1236, 1237). Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen andererseits nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (vgl. BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928; SG Düsseldorf, NJW 2005, 845, 847).

Ein Anordnungsanspruch ist nicht gegeben. Der Senat ist aufgrund der aktenkundigen Unterlagen und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers davon überzeugt, dass zwischen dem Antragsteller und Herrn J. H. eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Ziff. 3 Buchst. c SGB II in der ab 01.08.2006 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 20.07.2006 (BGBl I S. 1706) besteht. Nach dieser gesetzlichen Vorschrift gehören zur Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammen lebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (§ 7 Abs. 3a Ziff. 1 und 4 SGB II). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Antragsteller und J. H. leben seit dem Jahr 2000, mithin länger als ein Jahr, zusammen in der Wohnung B.Straße 22 in U ... Darüber hinaus haben die Angaben des Antragstellers gezeigt, dass der Antragsteller J. H. in die Lage versetzt hat, über sein Einkommen zu verfügen. Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsteller im Antragsformular vom 03.05.2006 bestimmt hat, dass die ihm zustehenden Leistungen nach dem SGB II auf das Konto des J. H. bei der Kreissparkasse H. mit der Kontonummer überwiesen werden sollen, unabhängig davon, dass unklar geblieben ist, ob ausschließlich J. H. Inhaber dieses Kontos ist oder ob neben J. H. auch der Antragsteller Kontoinhaber ist. Letzteres kann der Senat dahingestellt sein lassen, da jedenfalls feststeht, dass J. H. zumindest Mit-Inhaber dieses Kontos und damit auch verfügungsbefugt ist, sodass er über die für den Antragsteller auf dieses Konto überwiesenen Leistungen auch verfügen konnte.

Hinsichtlich der vom Antragsteller gemachten Angaben hat der Senat außerdem erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit. Dies aus folgenden Gründen:

Hinsichtlich der Frage der Befreiung von der Rentenversicherungspflicht hat der Antragsteller zunächst angegeben, er sei von der Rentenversicherungspflicht befreit und erst auf die hartnäckigen Nachfragen des Antragsgegners hat er eingeräumt, dass er doch nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit ist. Als Inhaber des Kontos Nr. bei der Kreissparkasse H. hat der Antragsteller zunächst sich selbst angegeben (vgl. seine Angaben im Antrag vom 3.5.2006), später - als der Antragsgegner die Vorlage von Kontoauszügen verlangt hat - aber behauptet, nicht er, sondern J.H. sei der Kontoinhaber.

Hinzu kommt, dass das Verhalten des Antragstellers für den Senat den Verdacht nahelegt, dass der Antragsteller einiges zu verbergen hat, was bei Bekanntgabe einen Leistungsanspruch ausschließen würde. Dies ergibt sich für den Senat aus folgendem Verhalten des Antragstellers:

Als Kontoauszüge hat der Antragsteller solche von einer Bank vorgelegt, bei der er im Minus ist. Guthaben sollen nach seiner Bestimmung auf das Konto des J. H. bei der Kreissparkasse H. eingehen. Diese Verhaltensweise legt nahe, dass der Antragsteller sein Konto bei der HypoVereinsbank (Kundennummer:) lediglich dazu benutzt, Hilfebedürftigkeit zu deklarieren. Soweit der Antragsteller geregelt hat, dass Einkünfte - wie z.B. Leistungen nach dem SGB II - auf das Konto des J. H. bei der Kreissparkasse H. eingehen sollen, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller derartige Eingänge von Einkünften nicht offenbart. Denn er hat sich hinter den Angaben des J. H. verschanzt, dieser sei nicht bereit, Kontoauszüge des Kontos bei der Kreissparkasse H. dem Antragsgegner vorzulegen. Damit ist der Antragsteller aber seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen.

Es liegen auch weitere widersprüchliche Angaben des Antragstellers vor. An Vermögen hat er u.a. eine Kapitallebensversicherung erwähnt und zum einen ausgeführt, seine Alterssicherung sei gekündigt worden (vgl. seine Angaben im Zusatzblatt 3 zum Antrag vom 03.05.2006) und zum anderen hat er behauptet, die Kapitallebensversicherung bestehe noch, es bestehe aber noch kein Rückkaufswert, da der Vertrag erst unter zwei Jahren laufe (vgl. Schreiben des Antragstellers vom 15.05.2006). Darüber hinaus sind die Angaben des Antragstellers zur Kapitallebensversicherung unvollständig, da er den Kontostand nicht angegeben hat, sondern von dieser Kapitallebensversicherung lediglich die S. 1 übersandt hat, aus der sich keine Angaben zur Höhe des aufgelaufenen Kapitals befinden. Auch insoweit ist er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen.

Aufgrund dieser widersprüchlichen Angaben und des oben beschriebenen Verhaltens des Antragstellers vermag sich der Senat insgesamt nicht von der Richtigkeit auch der übrigen Angaben des Antragstellers zu überzeugen.

Der Beschluss des Sozialgerichts Ulm war daher aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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