Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1213/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1498/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Februar 2006 wird zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers wird der Bescheid vom 3. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2005 aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger auch seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht Rentenbescheide teilweise zurückgenommen hat und der Kläger verpflichtet ist, überzahlte Rentenleistungen zurückzuzahlen.
Die Ehe des 1941 geborenen Klägers mit E. K. wurde im Oktober 1978 geschieden und in Durchführung des Versorgungsausgleichs (VA) wurden vom Konto des Klägers bei der damals kontoführenden Landesversicherungsanstalt W. (LVA) Rentenanwartschaften auf ein bei der LVA errichtetes Konto der E. K. übertragen. Die LVA sandte an den Kläger ein Schreiben vom 3. Juni 1980, wonach die Rentenanwartschaften auf den früheren Ehegatten teilweise übertragen seien und sich die Übertragung sofort auswirke, wenn künftig eine Rente zu zahlen sei. Der Kläger behauptet, dessen Zugang sei ihm nicht erinnerlich.
Im April 1999 beantragte der Kläger eine "fiktive Berechnung" seiner Rente. In der Folge stellte er einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, in welchem er angab, ein VA wegen Ehescheidung sei durchgeführt. Unterhalt an die frühere Ehefrau zahle er nicht, er wisse nicht, ob diese noch lebe, und deren Anschrift sei ihm nicht bekannt. Im Rentenverfahren erklärte der Kläger - vertreten durch einen Rechtsanwalt -, er habe im April 1999 noch keinen Rentenantrag stellen wollen und begehre Rente frühestens ab 1. Oktober 1999.
Mit Bescheid vom 25. August 2000 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 24. November 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, ohne den VA zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Rentenbescheid Bezug genommen.
Im Mai 2004 erhielt die Beklagte Kenntnis von einem Rentenantrag der geschiedenen E. K. und vom erfolgten VA. Im Rahmen der Anhörung teilte die Beklagte dem Kläger u. a. mit, es sei beabsichtigt, die Rente rückwirkend neu festzustellen, wobei sich bei richtiger Berechnung ab Januar 2005 ein Zahlbetrag von 982,61 EUR und eine Überzahlung bis 31. Dezember 2004 von 9.456,42 EUR ergebe.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2005, dem Kläger am 4. Februar 2005 zugegangen, nahm die Beklagte den Bescheid vom 25. August 2000 mit Wirkung vom 24. November 1999 hinsichtlich der Rentenhöhe zurück, stellte die Rente ab diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung eines Abschlags für den VA neu fest (Zahlbetrag ab 1. März 2005 1.057,39 EUR) und entschied, die Überzahlung bis 28. Februar 2005 sei zu erstatten. Die Rückforderung werde allerdings in Ausübung von Ermessen auf 4.876,42 EUR (die Hälfte) begrenzt. Über diesen Betrag hinaus könne nicht auf eine Bescheidrücknahme verzichtet werden, weil insoweit besondere Gründe nicht erkennbar seien, die eine günstigere Entscheidung ermöglichen könnten. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er auf Grund der im Schreiben der LVA enthaltenen Informationen habe wissen müssen, dass sich der VA mindernd auf die Rente auswirkte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 25. Januar 2005 verwiesen. Deswegen erhob der Kläger am 4. März 2005 Widerspruch, den die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 als unzulässig zurückwies, da er verfristet sei.
Mit dem dem Kläger am 11. März 2005 bekannt gegebenen Bescheid vom 3. März 2005 und Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 nahm die Beklagte - wie zuvor bei einem Telefonat vom 2. März 2005 angekündigt (vgl. Aktenvermerk vom 2. März 2005, auf den verwiesen wird) - den Bescheid vom 25. Januar 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1. Mai 2005 zurück und bewilligte eine Rente in Höhe von nur noch 982,61 EUR. Der Kläger habe spätestens seit der Anhörung vom 16. November 2004 wissen müssen, dass ihm nur dieser Betrag zustehe.
Am 18. Mai 2005 hat der Kläger auf den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, der Bescheid sei erst am 4. Februar 2005 zugegangen und der Widerspruch sei am 4. März 2005 eingelegt worden. Im Übrigen sei die Neuberechnung der Rente für die Vergangenheit und für die Zukunft rechtswidrig, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Der Erhalt der Mitteilung der LVA sei ihm nicht erinnerlich und aus dem Bescheid vom 25. August 2000 sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Rente zu hoch gewesen sei.
Die Beklagte hat u. a. vorgetragen, der Bescheid vom 25. August 2000 sei rechtswidrig gewesen, da der VA nicht berücksichtigt worden sei. Vertrauensschutz des Klägers sei zu verneinen, da dieser von den Auswirkungen des VA auf Grund des Scheidungsurteils und des Schreibens der LVA Kenntnis gehabt habe und der Rentenbescheid habe an keiner Stelle einen Hinweis auf eine Minderung der Rente wegen des VA enthalten, was dem Kläger hätte auffallen müssen.
Wegen des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2005 hat der Kläger am 30. Juni 2005 Klage beim SG erhoben, die er inzwischen nach erfolgreichem Klageverfahren (Urteil vom 15. November 2006, S 7 R 1640/05) auf Hinweis des Senats, der Bescheid vom 3. März 2005 und der Widerspruchsbescheid seien Gegenstand des Verfahrens S 7 R 1213/05 geworden, im Berufungsverfahren L 10 R 6221/06 am 29. Juni 2006 zurückgenommen hat.
Mit Urteil vom 15. Februar 2006 hat das SG den Bescheid vom 25. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 aufgehoben. Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids vom 25. August 2000 sei keine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers festzustellen. Damit scheide eine rückwirkende Rücknahme aus, ebenso eine Rücknahme für die Zukunft, da diese nicht binnen zwei Jahren nach Erlass des Rentenbescheids erfolgt sei.
Gegen das am 1. März 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte im selben Monat Berufung eingelegt. Sie trägt im Wesentlichen vor, der Kläger sei im Rentenverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten gewesen. Dieser habe zumindest grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides nicht erkannt, nachdem er von der Durchführung des VA gewusst und die Hinweise der LVA vom 3. Juni 1980 erhalten habe. Deren Zugang sei vom Kläger nicht ernsthaft bestritten. Insofern liege eine Schutzbehauptung vor. Da der Bescheid vom 20. August 2000 keinen Hinweis auf den VA enthalten habe, habe der Kläger nicht davon ausgehen können, dass er berücksichtigt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Februar 2006 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 25. Januar 2005 und 3. März 2005 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 15. April 2005 und 26. Mai 2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Februar 2005 zurückzuweisen und den Bescheid vom 3. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2005 aufzuheben.
Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorlägen, sei auf seine subjektive Sicht abzustellen. Ob dem früher bevollmächtigten Rechtsanwalt die Durchführung des VA bekannt gewesen sei, sei aus den Akten nicht zu entnehmen. Dieser Rechtsanwalt habe auch nur einen beschränkten Auftrag gehabt, nämlich die Klarstellung, dass das Schreiben vom 19. April 1999 keinen Rentenantrag darstelle, und die Akten nie eingesehen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 15. Februar 2006 ist gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber nicht begründet. Demgegenüber ist die Berufung des Klägers begründet.
Der den Bescheid vom 25. Januar 2005 für die Zeit ab 1. Mai 2005 abändernde und dem Kläger am 11. März 2005 bekannt gegebene Bescheid vom 3. März 2005 wurde gemäß § 86 SGG Gegenstand des ersten Widerspruchsverfahrens wegen des Bescheids vom 25. Januar 2005 (Widerspruch am 4. März 2005). Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 wurde allerdings nur über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Januar 2005 entschieden. Die zunächst unterbliebene Widerspruchsentscheidung wegen des Bescheids vom 3. März 2005 wurde während des Klageverfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 nachgeholt. Damit ist dieser gemäß § 95 SGG auch Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Die davon unabhängig erhobene weitere und inzwischen zurückgenommene Klage war von Anbeginn unzulässig. Dass das SG den Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 nicht in das (erste) Klageverfahren einbezogen und über ihn im Urteil vom 15. Februar 2006 nicht entschieden hat, steht einer Entscheidung des Senats auch über den Bescheid vom 3. März 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 im Berufungsverfahren L 10 R 1498/06 nicht entgegen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 57/04 R in SozR 4-1500 § 96 Nr. 4). Der Senat entscheidet insoweit auf Anschlussberufung des Klägers.
Zunächst ist festzustellen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Januar 2005 entgegen der Widerspruchsentscheidung zulässig war, weil ein Zugang des Bescheids vor dem 4. Februar 2005 nicht erfolgte (ein früherer Zugang ergibt sich weder aus den Akten, noch wird er von der Beklagten behauptet) und der Widerspruch am 4. März 2005 (wie von der Beklagten zuletzt bestätigt) eingelegt wurde. Damit war die einmonatige Widerspruchsfrist gewahrt (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Aufhebung des Rentenbescheids vom 20. August 2000 durch den Bescheid vom 25. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2005 bzw. - für die Zeit ab 1. Mai 2005 - in der Fassung des Bescheides vom 3. März 2005 war auch rechtswidrig, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Rücknahme sind nicht erfüllt.
Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 20. August 2000 kommt alleine § 45 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 dieser Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bei dem Bescheid vom 20. August 2000 handelte es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Rechtswidrig war er insofern, als bei der Berechnung der Rente die Durchführung des VA von Seiten der Beklagten nicht berücksichtigt wurde. Begünstigend war er insofern, als mit ihm eine zu hohe Rente gewährt wurde.
Die Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine Rücknahme des Bescheids liegen indes nicht vor.
Ein solcher rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Dies gilt nach § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X, die einen Vertrauensschutz ausschließen, gegeben sind oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X). In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X).
Diese Voraussetzungen sind bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes vom 25. Januar 2005 nicht erfüllt, denn mit diesem hat die Beklagte den Bescheid vom 20. August 2000 erst nach Ablauf von mehr als zwei Jahren zurückgenommen. Ein Fall, der eine Rücknahme auch nach mehr als zwei Jahren zulässt, liegt nicht vor.
Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO liegen nicht vor und auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, dass nämlich der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigten vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, sind nicht erfüllt. Der Kläger gab vielmehr zu seinem Rentenantrag zutreffend an, dass der VA durchgeführt wurde. Seine Angaben waren weder unrichtig, noch unvollständig. Einen Widerruf hat sich die Beklagte nicht vorbehalten.
Der Kläger hat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vom 20. August 2000 nicht erkannt. Dies wird selbst von der Beklagten nicht behauptet.
Er hat die Rechtswidrigkeit aber auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt. Dies wäre der Fall, wenn er schlechthin wissen musste, dass der VA bei dem Rentenbescheid nicht berücksichtigt war und der Bescheid deswegen falsch war. Nachdem der Kläger zutreffend im Rentenantrag angegeben hatte, dass der VA durchgeführt worden war, er nicht wisse ob seine frühere Ehefrau noch lebe und deren Anschrift nicht kenne, durfte er auf ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln vertrauen. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn der Betroffene "auf Grund einfachster und (ganz) nahe liegender Überlegungen" die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können bzw. wenn dass "dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle einem jeden hätte einleuchten müssen". Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 39; BSG im BSGE 62, 103 ff). Ein Versicherter kann sich zwar offensichtlichen Unrichtigkeiten eines Bescheids nicht verschließen, doch darf er - ohne sich dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen - in der Regel darauf vertrauen, dass der Bescheid, wenn er selbst alle erforderlichen Angaben wahrheitsgemäß gemacht hat, rechtmäßig ist. Eine offenbare Unrichtigkeit, die gerade der Kläger unter Berücksichtigung seines Bildungsstandes und seiner Kenntnisse hätte erkennen können, lag somit nicht vor. Allein die Tatsache, dass der Bescheid keine Ausführungen zum VA enthielt, verpflichtete den Kläger nicht, ihn daraufhin zu überprüfen oder fachkundig überprüfen zu lassen, ob der VA Berücksichtigung gefunden hatte bzw. falls nicht - ob besondere Gründe vorlagen (z.B. Tod der Ausgleichsberechtigten, vgl. § 4 Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich), deretwegen der VA keine Auswirkung auf die Rentenhöhe hatte und - bei Fehlen solcher Gründe - rechtswidrig war. Eine solche kritische Betrachtung und umfassende Prüfung der Rechtslage war auch nicht auf Grund des Schreibens der LVA vom 3. Juni 1980 geboten. Es kann dabei dahinstehen, ob der Kläger dieses erhielt oder nicht, denn ggf. im Jahr 1980 gegebene Hinweise, der VA wirke sich unmittelbar beim Beginn einer Rente aus, mussten dem Kläger in Anbetracht des Zeitablaufs bei Erhalt des Rentenbescheids ohnehin nicht präsent sein, ganz abgesehen davon, dass dieses Schreiben keine Hinweise dazu enthält, wie sich die Berücksichtigung des VA aus dem Rentenbescheid ersehen lässt und ob bzw. welche Ausnahmen von der Berücksichtigung des VA in Betracht kommen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass im Rahmen des Rentenverfahrens ein bevollmächtigter Rechtsanwalt eingeschaltet war. Dieser war ersichtlich nur zu dem Zweck beauftragt, einen früheren Rentenbeginn zu verhindern, ungeachtet der weiteren Frage, ob die Rechtswidrigkeit von dem Anwalt hätte erkannt werden können. Dies hätte zumindest erfordert, dass dem Rechtsanwalt die Durchführung des VA bekannt war. Das lässt sich nicht feststellen.
Da die Beklagte sonach nicht befugt war, den Bescheid vom 20. August 2000 zurückzunehmen, hat das SG zu Recht den Bescheid vom 25. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 aufgehoben. Die Berufung ist deswegen zurückzuweisen.
Nachdem die Beklagte schon nicht befugt war, den Bescheid vom 25. August 2000 zurückzunehmen und der Bescheid vom 25. Januar 2005 rechtswidrig ist, war die Beklagte aus denselben Gründen, deretwegen der Bescheid vom 25. Januar 2005 rechtswidrig ist, nicht befugt, diesen weiter zum Nachteil des Klägers abzuändern und die Rente auf nunmehr 982,61 EUR herabzusetzen. Der Bescheid vom 3. März 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 sind deshalb auf die Anschlussberufung aufzuheben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger auch seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht Rentenbescheide teilweise zurückgenommen hat und der Kläger verpflichtet ist, überzahlte Rentenleistungen zurückzuzahlen.
Die Ehe des 1941 geborenen Klägers mit E. K. wurde im Oktober 1978 geschieden und in Durchführung des Versorgungsausgleichs (VA) wurden vom Konto des Klägers bei der damals kontoführenden Landesversicherungsanstalt W. (LVA) Rentenanwartschaften auf ein bei der LVA errichtetes Konto der E. K. übertragen. Die LVA sandte an den Kläger ein Schreiben vom 3. Juni 1980, wonach die Rentenanwartschaften auf den früheren Ehegatten teilweise übertragen seien und sich die Übertragung sofort auswirke, wenn künftig eine Rente zu zahlen sei. Der Kläger behauptet, dessen Zugang sei ihm nicht erinnerlich.
Im April 1999 beantragte der Kläger eine "fiktive Berechnung" seiner Rente. In der Folge stellte er einen Antrag auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, in welchem er angab, ein VA wegen Ehescheidung sei durchgeführt. Unterhalt an die frühere Ehefrau zahle er nicht, er wisse nicht, ob diese noch lebe, und deren Anschrift sei ihm nicht bekannt. Im Rentenverfahren erklärte der Kläger - vertreten durch einen Rechtsanwalt -, er habe im April 1999 noch keinen Rentenantrag stellen wollen und begehre Rente frühestens ab 1. Oktober 1999.
Mit Bescheid vom 25. August 2000 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 24. November 1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, ohne den VA zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Rentenbescheid Bezug genommen.
Im Mai 2004 erhielt die Beklagte Kenntnis von einem Rentenantrag der geschiedenen E. K. und vom erfolgten VA. Im Rahmen der Anhörung teilte die Beklagte dem Kläger u. a. mit, es sei beabsichtigt, die Rente rückwirkend neu festzustellen, wobei sich bei richtiger Berechnung ab Januar 2005 ein Zahlbetrag von 982,61 EUR und eine Überzahlung bis 31. Dezember 2004 von 9.456,42 EUR ergebe.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2005, dem Kläger am 4. Februar 2005 zugegangen, nahm die Beklagte den Bescheid vom 25. August 2000 mit Wirkung vom 24. November 1999 hinsichtlich der Rentenhöhe zurück, stellte die Rente ab diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung eines Abschlags für den VA neu fest (Zahlbetrag ab 1. März 2005 1.057,39 EUR) und entschied, die Überzahlung bis 28. Februar 2005 sei zu erstatten. Die Rückforderung werde allerdings in Ausübung von Ermessen auf 4.876,42 EUR (die Hälfte) begrenzt. Über diesen Betrag hinaus könne nicht auf eine Bescheidrücknahme verzichtet werden, weil insoweit besondere Gründe nicht erkennbar seien, die eine günstigere Entscheidung ermöglichen könnten. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er auf Grund der im Schreiben der LVA enthaltenen Informationen habe wissen müssen, dass sich der VA mindernd auf die Rente auswirkte. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 25. Januar 2005 verwiesen. Deswegen erhob der Kläger am 4. März 2005 Widerspruch, den die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 als unzulässig zurückwies, da er verfristet sei.
Mit dem dem Kläger am 11. März 2005 bekannt gegebenen Bescheid vom 3. März 2005 und Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 nahm die Beklagte - wie zuvor bei einem Telefonat vom 2. März 2005 angekündigt (vgl. Aktenvermerk vom 2. März 2005, auf den verwiesen wird) - den Bescheid vom 25. Januar 2005 hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1. Mai 2005 zurück und bewilligte eine Rente in Höhe von nur noch 982,61 EUR. Der Kläger habe spätestens seit der Anhörung vom 16. November 2004 wissen müssen, dass ihm nur dieser Betrag zustehe.
Am 18. Mai 2005 hat der Kläger auf den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, der Bescheid sei erst am 4. Februar 2005 zugegangen und der Widerspruch sei am 4. März 2005 eingelegt worden. Im Übrigen sei die Neuberechnung der Rente für die Vergangenheit und für die Zukunft rechtswidrig, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen. Der Erhalt der Mitteilung der LVA sei ihm nicht erinnerlich und aus dem Bescheid vom 25. August 2000 sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Rente zu hoch gewesen sei.
Die Beklagte hat u. a. vorgetragen, der Bescheid vom 25. August 2000 sei rechtswidrig gewesen, da der VA nicht berücksichtigt worden sei. Vertrauensschutz des Klägers sei zu verneinen, da dieser von den Auswirkungen des VA auf Grund des Scheidungsurteils und des Schreibens der LVA Kenntnis gehabt habe und der Rentenbescheid habe an keiner Stelle einen Hinweis auf eine Minderung der Rente wegen des VA enthalten, was dem Kläger hätte auffallen müssen.
Wegen des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2005 hat der Kläger am 30. Juni 2005 Klage beim SG erhoben, die er inzwischen nach erfolgreichem Klageverfahren (Urteil vom 15. November 2006, S 7 R 1640/05) auf Hinweis des Senats, der Bescheid vom 3. März 2005 und der Widerspruchsbescheid seien Gegenstand des Verfahrens S 7 R 1213/05 geworden, im Berufungsverfahren L 10 R 6221/06 am 29. Juni 2006 zurückgenommen hat.
Mit Urteil vom 15. Februar 2006 hat das SG den Bescheid vom 25. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 aufgehoben. Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids vom 25. August 2000 sei keine grob fahrlässige Unkenntnis des Klägers festzustellen. Damit scheide eine rückwirkende Rücknahme aus, ebenso eine Rücknahme für die Zukunft, da diese nicht binnen zwei Jahren nach Erlass des Rentenbescheids erfolgt sei.
Gegen das am 1. März 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte im selben Monat Berufung eingelegt. Sie trägt im Wesentlichen vor, der Kläger sei im Rentenverfahren von einem Rechtsanwalt vertreten gewesen. Dieser habe zumindest grob fahrlässig die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheides nicht erkannt, nachdem er von der Durchführung des VA gewusst und die Hinweise der LVA vom 3. Juni 1980 erhalten habe. Deren Zugang sei vom Kläger nicht ernsthaft bestritten. Insofern liege eine Schutzbehauptung vor. Da der Bescheid vom 20. August 2000 keinen Hinweis auf den VA enthalten habe, habe der Kläger nicht davon ausgehen können, dass er berücksichtigt gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Februar 2006 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide vom 25. Januar 2005 und 3. März 2005 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 15. April 2005 und 26. Mai 2005 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 15. Februar 2005 zurückzuweisen und den Bescheid vom 3. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Mai 2005 aufzuheben.
Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vorlägen, sei auf seine subjektive Sicht abzustellen. Ob dem früher bevollmächtigten Rechtsanwalt die Durchführung des VA bekannt gewesen sei, sei aus den Akten nicht zu entnehmen. Dieser Rechtsanwalt habe auch nur einen beschränkten Auftrag gehabt, nämlich die Klarstellung, dass das Schreiben vom 19. April 1999 keinen Rentenantrag darstelle, und die Akten nie eingesehen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 15. Februar 2006 ist gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässig, aber nicht begründet. Demgegenüber ist die Berufung des Klägers begründet.
Der den Bescheid vom 25. Januar 2005 für die Zeit ab 1. Mai 2005 abändernde und dem Kläger am 11. März 2005 bekannt gegebene Bescheid vom 3. März 2005 wurde gemäß § 86 SGG Gegenstand des ersten Widerspruchsverfahrens wegen des Bescheids vom 25. Januar 2005 (Widerspruch am 4. März 2005). Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 wurde allerdings nur über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Januar 2005 entschieden. Die zunächst unterbliebene Widerspruchsentscheidung wegen des Bescheids vom 3. März 2005 wurde während des Klageverfahrens mit Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 nachgeholt. Damit ist dieser gemäß § 95 SGG auch Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden. Die davon unabhängig erhobene weitere und inzwischen zurückgenommene Klage war von Anbeginn unzulässig. Dass das SG den Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 nicht in das (erste) Klageverfahren einbezogen und über ihn im Urteil vom 15. Februar 2006 nicht entschieden hat, steht einer Entscheidung des Senats auch über den Bescheid vom 3. März 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 im Berufungsverfahren L 10 R 1498/06 nicht entgegen (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. November 2005, B 11a/11 AL 57/04 R in SozR 4-1500 § 96 Nr. 4). Der Senat entscheidet insoweit auf Anschlussberufung des Klägers.
Zunächst ist festzustellen, dass der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Januar 2005 entgegen der Widerspruchsentscheidung zulässig war, weil ein Zugang des Bescheids vor dem 4. Februar 2005 nicht erfolgte (ein früherer Zugang ergibt sich weder aus den Akten, noch wird er von der Beklagten behauptet) und der Widerspruch am 4. März 2005 (wie von der Beklagten zuletzt bestätigt) eingelegt wurde. Damit war die einmonatige Widerspruchsfrist gewahrt (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Aufhebung des Rentenbescheids vom 20. August 2000 durch den Bescheid vom 25. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2005 bzw. - für die Zeit ab 1. Mai 2005 - in der Fassung des Bescheides vom 3. März 2005 war auch rechtswidrig, denn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Rücknahme sind nicht erfüllt.
Als Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 20. August 2000 kommt alleine § 45 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 dieser Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bei dem Bescheid vom 20. August 2000 handelte es sich um einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt. Rechtswidrig war er insofern, als bei der Berechnung der Rente die Durchführung des VA von Seiten der Beklagten nicht berücksichtigt wurde. Begünstigend war er insofern, als mit ihm eine zu hohe Rente gewährt wurde.
Die Voraussetzungen des § 45 SGB X für eine Rücknahme des Bescheids liegen indes nicht vor.
Ein solcher rechtwidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Dies gilt nach § 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung (ZPO) vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X, die einen Vertrauensschutz ausschließen, gegeben sind oder der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X). In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde (§ 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X).
Diese Voraussetzungen sind bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes vom 25. Januar 2005 nicht erfüllt, denn mit diesem hat die Beklagte den Bescheid vom 20. August 2000 erst nach Ablauf von mehr als zwei Jahren zurückgenommen. Ein Fall, der eine Rücknahme auch nach mehr als zwei Jahren zulässt, liegt nicht vor.
Wiederaufnahmegründe nach § 580 ZPO liegen nicht vor und auch die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X, dass nämlich der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigten vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, sind nicht erfüllt. Der Kläger gab vielmehr zu seinem Rentenantrag zutreffend an, dass der VA durchgeführt wurde. Seine Angaben waren weder unrichtig, noch unvollständig. Einen Widerruf hat sich die Beklagte nicht vorbehalten.
Der Kläger hat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes vom 20. August 2000 nicht erkannt. Dies wird selbst von der Beklagten nicht behauptet.
Er hat die Rechtswidrigkeit aber auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt. Dies wäre der Fall, wenn er schlechthin wissen musste, dass der VA bei dem Rentenbescheid nicht berücksichtigt war und der Bescheid deswegen falsch war. Nachdem der Kläger zutreffend im Rentenantrag angegeben hatte, dass der VA durchgeführt worden war, er nicht wisse ob seine frühere Ehefrau noch lebe und deren Anschrift nicht kenne, durfte er auf ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln vertrauen. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn der Betroffene "auf Grund einfachster und (ganz) nahe liegender Überlegungen" die Rechtswidrigkeit hätte erkennen können bzw. wenn dass "dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Falle einem jeden hätte einleuchten müssen". Hierbei sind auch die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit und das Einsichtsvermögen des Betroffenen zu berücksichtigen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 SGB X Rdnr. 39; BSG im BSGE 62, 103 ff). Ein Versicherter kann sich zwar offensichtlichen Unrichtigkeiten eines Bescheids nicht verschließen, doch darf er - ohne sich dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen - in der Regel darauf vertrauen, dass der Bescheid, wenn er selbst alle erforderlichen Angaben wahrheitsgemäß gemacht hat, rechtmäßig ist. Eine offenbare Unrichtigkeit, die gerade der Kläger unter Berücksichtigung seines Bildungsstandes und seiner Kenntnisse hätte erkennen können, lag somit nicht vor. Allein die Tatsache, dass der Bescheid keine Ausführungen zum VA enthielt, verpflichtete den Kläger nicht, ihn daraufhin zu überprüfen oder fachkundig überprüfen zu lassen, ob der VA Berücksichtigung gefunden hatte bzw. falls nicht - ob besondere Gründe vorlagen (z.B. Tod der Ausgleichsberechtigten, vgl. § 4 Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich), deretwegen der VA keine Auswirkung auf die Rentenhöhe hatte und - bei Fehlen solcher Gründe - rechtswidrig war. Eine solche kritische Betrachtung und umfassende Prüfung der Rechtslage war auch nicht auf Grund des Schreibens der LVA vom 3. Juni 1980 geboten. Es kann dabei dahinstehen, ob der Kläger dieses erhielt oder nicht, denn ggf. im Jahr 1980 gegebene Hinweise, der VA wirke sich unmittelbar beim Beginn einer Rente aus, mussten dem Kläger in Anbetracht des Zeitablaufs bei Erhalt des Rentenbescheids ohnehin nicht präsent sein, ganz abgesehen davon, dass dieses Schreiben keine Hinweise dazu enthält, wie sich die Berücksichtigung des VA aus dem Rentenbescheid ersehen lässt und ob bzw. welche Ausnahmen von der Berücksichtigung des VA in Betracht kommen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass im Rahmen des Rentenverfahrens ein bevollmächtigter Rechtsanwalt eingeschaltet war. Dieser war ersichtlich nur zu dem Zweck beauftragt, einen früheren Rentenbeginn zu verhindern, ungeachtet der weiteren Frage, ob die Rechtswidrigkeit von dem Anwalt hätte erkannt werden können. Dies hätte zumindest erfordert, dass dem Rechtsanwalt die Durchführung des VA bekannt war. Das lässt sich nicht feststellen.
Da die Beklagte sonach nicht befugt war, den Bescheid vom 20. August 2000 zurückzunehmen, hat das SG zu Recht den Bescheid vom 25. Januar 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 15. April 2005 aufgehoben. Die Berufung ist deswegen zurückzuweisen.
Nachdem die Beklagte schon nicht befugt war, den Bescheid vom 25. August 2000 zurückzunehmen und der Bescheid vom 25. Januar 2005 rechtswidrig ist, war die Beklagte aus denselben Gründen, deretwegen der Bescheid vom 25. Januar 2005 rechtswidrig ist, nicht befugt, diesen weiter zum Nachteil des Klägers abzuändern und die Rente auf nunmehr 982,61 EUR herabzusetzen. Der Bescheid vom 3. März 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 26. Mai 2005 sind deshalb auf die Anschlussberufung aufzuheben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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