Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VG 7756/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 2181/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Mai 2005 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zustehen.
Der 1929 geborene Kläger zu 1. und die 1932 geborene Klägerin zu 2. beantragten beim Beklagten am 24. Mai 2004 und am 16. Juli 2004 jeweils Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Als schädigendes Ereignis gaben sie einen beim Bau ihres Wohnhauses in T. am 11. April 1983 von dritter Seite verursachten Erdrutsch an. Dieser habe zu psychischen und somatischen Erkrankungen und einer Pflegebedürftigkeit geführt. Der Beklagte lehnte die Anträge mit den Bescheiden vom 30. Juli 2004 ab. Weder habe ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff noch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen vorgelegen.
Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies der Beklagte mit den Widerspruchsbescheiden vom 9. und 10. November 2004 zurück.
Hiergegen erhoben die Kläger am 22. November 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung wurde ausgeführt, das Stadtbauamt der Stadt T. habe das Vorhandensein einer unterirdischen Trinkwasseranlage im Nahbereich des Baugebietes arglistig verschwiegen, die Architekten S. und G.n hätten grob fahrlässig Planungsfehler begangen, der Statiker H. habe grob fahrlässig eine Fehlstatik verursacht, die Bauunternehmung H. habe grob fahrlässig die Baugrube ohne Absicherung der 8 m tiefen fast senkrechten Abgrabung ausgeschachtet, der Nachbar S. habe illegal eine meterhohe Geländeaufschüttung vorgenommen und der Bauplatzverkäufer S. habe die unterirdische Kalchenquelle arglistig verschwiegen. Mit Beschluss vom 23. März 2005 verband das SG die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die Kläger legten mit einer Vielzahl von Schriftsätzen die verschiedensten auf die Gewährung eines Schadensersatzes bzw. die Strafverfolgung der nach ihrer Ansicht bau- und schadensverantwortlichen Personen gerichteten gerichtlichen Vorgänge sowie ärztliche Unterlagen vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2005 wies das SG die Klagen ab.
Hiergegen haben die Kläger am 31. Mai 2005 Berufung eingelegt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Mai 2005 und die Bescheide vom 30. Juli 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. und 10. November 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v. H.) zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften und nach § 151 SGG zulässigen Berufungen sind unbegründet. Denn der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 17. Mai 2005 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klagen zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Einem tätlichen Angriff in diesem Sinne steht die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen gleich (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG).
Als tätlicher Angriff in diesem Sinne ist grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen. Dabei erfüllt die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - versuchten oder vollendeten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben im Sinne der §§ 211 ff. Strafgesetzbuch (StGB) oder gegen die körperliche Unversehrtheit im Sinne der §§ 223 ff. StGB. Deshalb ist - für den inneren Tatbestand (Vorsatz) - in der Regel auch das Wissen und Wollen des strafrechtlich relevanten Erfolges (Verletzung, Tötung) von Belang. Fehlt einer Handlung die erforderliche unmittelbare (feindliche) Ausrichtung auf andere Menschen, so kann sie nicht als tätlicher Angriff gegen eine Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG angesehen werden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VG 3/02 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 5).
Um ein Verbrechen handelt es sich bei rechtswidrigen Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB).
Vorliegend ist weder eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper der Kläger zielende gewaltsame Einwirkung noch ein Verbrechen ersichtlich.
Nach alledem hat der Beklagte zu Recht mit den Bescheiden vom 30. Juli 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. und 11. November 2004 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG abgelehnt. Daher hat das SG zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2005 die hiergegen gerichteten Klagen abgewiesen.
Die Berufungen waren daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob den Klägern Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) zustehen.
Der 1929 geborene Kläger zu 1. und die 1932 geborene Klägerin zu 2. beantragten beim Beklagten am 24. Mai 2004 und am 16. Juli 2004 jeweils Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Als schädigendes Ereignis gaben sie einen beim Bau ihres Wohnhauses in T. am 11. April 1983 von dritter Seite verursachten Erdrutsch an. Dieser habe zu psychischen und somatischen Erkrankungen und einer Pflegebedürftigkeit geführt. Der Beklagte lehnte die Anträge mit den Bescheiden vom 30. Juli 2004 ab. Weder habe ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff noch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen vorgelegen.
Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies der Beklagte mit den Widerspruchsbescheiden vom 9. und 10. November 2004 zurück.
Hiergegen erhoben die Kläger am 22. November 2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung wurde ausgeführt, das Stadtbauamt der Stadt T. habe das Vorhandensein einer unterirdischen Trinkwasseranlage im Nahbereich des Baugebietes arglistig verschwiegen, die Architekten S. und G.n hätten grob fahrlässig Planungsfehler begangen, der Statiker H. habe grob fahrlässig eine Fehlstatik verursacht, die Bauunternehmung H. habe grob fahrlässig die Baugrube ohne Absicherung der 8 m tiefen fast senkrechten Abgrabung ausgeschachtet, der Nachbar S. habe illegal eine meterhohe Geländeaufschüttung vorgenommen und der Bauplatzverkäufer S. habe die unterirdische Kalchenquelle arglistig verschwiegen. Mit Beschluss vom 23. März 2005 verband das SG die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Die Kläger legten mit einer Vielzahl von Schriftsätzen die verschiedensten auf die Gewährung eines Schadensersatzes bzw. die Strafverfolgung der nach ihrer Ansicht bau- und schadensverantwortlichen Personen gerichteten gerichtlichen Vorgänge sowie ärztliche Unterlagen vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2005 wies das SG die Klagen ab.
Hiergegen haben die Kläger am 31. Mai 2005 Berufung eingelegt.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Mai 2005 und die Bescheide vom 30. Juli 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. und 10. November 2004 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v. H.) zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten, der beigezogenen Akten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften und nach § 151 SGG zulässigen Berufungen sind unbegründet. Denn der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 17. Mai 2005 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klagen zu Recht als unbegründet abgewiesen.
Wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (§ 1 Abs. 1 Satz 1 OEG). Einem tätlichen Angriff in diesem Sinne steht die wenigstens fahrlässige Herbeiführung einer Gefahr für Leib und Leben eines anderen durch ein mit gemeingefährlichen Mitteln begangenes Verbrechen gleich (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 OEG).
Als tätlicher Angriff in diesem Sinne ist grundsätzlich eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen. Dabei erfüllt die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer - versuchten oder vollendeten - vorsätzlichen Straftat gegen das Leben im Sinne der §§ 211 ff. Strafgesetzbuch (StGB) oder gegen die körperliche Unversehrtheit im Sinne der §§ 223 ff. StGB. Deshalb ist - für den inneren Tatbestand (Vorsatz) - in der Regel auch das Wissen und Wollen des strafrechtlich relevanten Erfolges (Verletzung, Tötung) von Belang. Fehlt einer Handlung die erforderliche unmittelbare (feindliche) Ausrichtung auf andere Menschen, so kann sie nicht als tätlicher Angriff gegen eine Person im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG angesehen werden (BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - B 9 VG 3/02 R - SozR 4-3800 § 1 Nr. 5).
Um ein Verbrechen handelt es sich bei rechtswidrigen Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB).
Vorliegend ist weder eine in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper der Kläger zielende gewaltsame Einwirkung noch ein Verbrechen ersichtlich.
Nach alledem hat der Beklagte zu Recht mit den Bescheiden vom 30. Juli 2004 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 9. und 11. November 2004 die Gewährung von Leistungen nach dem OEG abgelehnt. Daher hat das SG zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 17. Mai 2005 die hiergegen gerichteten Klagen abgewiesen.
Die Berufungen waren daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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