Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 1449/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1068/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 9. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für das Medikament Nitoman, das erst seit 01.03.2007 in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen ist, zur Behandlung von Dyskinesien im Zeitraum November 2005 bis Februar 2007.
Die 1939 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit Jahren an oralen Dyskinesien und einem Ruhetremor vorwiegend der rechten Hand. Das Krankheitsbild wurde mit dem Medikament Tetrabenacine und nach Entwicklung eines Parkinson-Syndroms mit einer Kombination aus Tetrabenacine und Pramipexol behandelt.
Im November 2005 beantragte die Klägerin durch den sie behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. bei der Beklagten die Kostenübernahme für das Medikament Nitoman. Dr. W. teilte mit, die im Alltag stark beeinträchtigenden Dyskinesien seien nach mehrfachen Therapieversuchen nur durch das Medikament Tetrabenacine (Nitoman R) wenig-stens einigermaßen zu kompensieren, obwohl es sich hierbei um eine sogenannte off-label-Anwendung gehandelt habe. Nach dem Wegfall der Kostenerstattungsmöglichkeiten habe die Klägerin noch zwei weitere alternative Therapie-Optionen erhalten, im Ergebnis sei es jedoch jetzt zu einer erheblichen Zunahme ihrer oralen Dyskinesien, zwischenzeitlich auch mit Ausbreitung auf beide Beine, gekommen.
Nach Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. - MDK - (Dr. B.) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2005 eine Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, dass das Medikament Tetrabenacine (Nitoman) in Deutschland nicht zugelassen und verkehrsfähig sei. Es handle sich eindeutig um ein Importarzneimittel. Entsprechende Studien bei Dyskinesien seien im oralen oder im Gesichtsbereich möglich und vereinzelt schon durchgeführt worden. Bei der Erkrankung handle es sich, wie man aus den durchgeführten Studien erkennen könne, keineswegs um eine singuläre Erkrankung. Da es sich um ein Importarzneimittel handle, müsste die Erkrankung singulär sein, da ansonsten keine Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sei.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, nur das verschriebene Medikament helfe ihr, ihr Leben einigermaßen lebenswert zu erhalten. Sie bitte daher, die Kosten weiter wie bisher zu übernehmen.
Die Beklagte befragte hierauf Dr. W., ob das Krankheitsbild der Klägerin als nicht systematisch erforschbarer Einzelfall anzusehen sei, und ob bzw. welche Behandlungsalternative zur Verfügung stehe. Dr. W. äußerte sich dahingehend, dass es sich bei oralen Dyskinesien keineswegs um eine sogenannte singuläre Erkrankung handle. Allerdings sei man in Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Bewegungssprechstunde der Neurologischen Universitätsklinik H. übereingekommen, dass Tetrabenacine aktuell tatsächlich das einzige Medikament sei, das der Klägerin zu einer Linderung der Hyperkinesien verhelfe. Sie fühle sich wegen dieser Hyperkinesien eindeutig stigmatisiert und schäme sich, mit dieser Symptomatik das Haus zu verlassen.
Nach erneuter Vorlage an den MDK teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Beratung mit und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2006 zurück: Bei Nitoman handle es sich nicht um ein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel. Die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.12.2005 festgestellten Ausnahmekriterien lägen nicht vor. Auch handle es sich nicht um eine singuläre extrem seltene Erkrankung, die einer systematischen Erforschung nicht zugänglich sei.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie machte im wesentlichen geltend, obwohl sie an einer seltenen und hartnäckigen Krankheit leide, verweigere die Beklagte die Kostenübernahme des Arzneimittels mit dem Wirkstoff Tetrabenacine, weil es ein Importmittel aus England sei. Dieses Medikament, welches ihr als einziges überhaupt einigermaßen helfe, mit der Krankheit zu leben, nehme sie schon seit einigen Jahren. Als sie nach dem Wegfall der Kostenübernahme durch die Beklagte das Medikament für kurze Zeit abgesetzt gehabt habe, habe sich ihr Zustand dramatisch verschlechtert. Ohne dieses Medikament könne sie nicht weiter leben.
Das SG hörte Dr. W. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit, die Klägerin befinde sich seit April 2001 in ambulanter Behandlung. Es handle sich bei ihr um ausgeprägte Spontanbewegungen sowohl der Lippen als auch der Zungen- und Schlundmuskulatur, die dem Gesichtsausdruck einen grimassierenden Charakter gäben und von der Klägerin nicht willkürlich zu kontrollieren bzw. zu unterbinden seien. Als wahrscheinlichste Diagnose würde er eine persistierende medikamentös induzierte Dyskinesie sehen (sog. tardive Dyskinesie). Nach dem Einsatz verschiedener Medikamente habe die Klägerin erst bei Umstellung auf einen sog. Dopamin-Depletor in Form des Tetrabenacines, welches in Deutschland über keine Zulassung verfüge, eine weitgehende Verminderung und phasenweise ein Sistieren ihrer lästigen Hyperkinesien, allerdings um den Preis eines mäßiggradigen medikamenteninduzierten Parkinson-Syndroms, erlebt. Es existierten eine Fülle von kleineren Studien, die fast alle den positiven Effekt des Tetrabenacins (Nitoman) beschreiben würden. Allerdings erfüllten diese Studien schon alleine wegen der geringen Fallzahl und auch wegen ihrer Konzeption nicht die Kriterien für eine Zulassungsrelevanz. Dr. W. fügte beispielhaft eine Kopie der Zusammenfassung der Arbeit von J. und O. in Neurology 1988 und einen Musterbrief an die Krankenkasse bezüglich des Einsatzes von Tetrabenacine bei der Behandlung der Chorea bei.
Die Beklagte trat der Klage unter Beifügung einer MDK-Stellungnahme von Dr. B. entgegen. Dr. B. legte dar, dass die Klägerin zwar in ihrer Lebensqualität sicher eingeschränkt sei, eine direkte Lebensgefahr bestehe aber nicht. Tetrabenacine sei derzeit in Großbritannien außer Verkehr, Nitoman ebenfalls. Noch im Verkehr befänden sich die Präparate Nitoman in Kanada, Dänemark und als Xenazine in Großbritannien. Die Zulassungen im Ausland von Tetrabenacine seien nicht ganz eindeutig definiert, zum Teil sei Nitoman zugelassen zur Behandlung von Bewegungsstörungen, typisch sei es zugelassen zur Behandlung der hyperkinetischen Bewegungsstörung, wie Huntingtens Disease und anderen Erkrankungen mit Chorea, Hemiballismus und tardive Dyskinesie. In Dänemark sei es generell zugelassen für Dyskinesien, in Kanada für eine ganze Anzahl von Bewegungsstörungen. Xenazine sei für Dyskinesien, die nicht durch einen Morbus Parkinson hervorgerufen seien, zugelassen sowie für die Behandlung der Chorea, verbunden mit Huntingtens Erkrankung. Es sei ebenso effizient bei einer ganzen Anzahl von Bewegungsstörungen, eingeschlossen Hemiballismus, senile Chorea, Dystonie und Tourette-Syndrom.
Mit Urteil vom 09.02.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, das Medikament Nitoman habe in der Bundesrepublik Deutschland keine Zulassung. Die in einigen EU-Staaten erteilte Zulassung wirke rechtlich nicht automatisch in Deutschland. Vielmehr dürfe ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel trotz seiner Zulassung in einem anderen Mitgliedsstaat der EU nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen habe. Eine Ausnahme sei nach der Überzeugung der Kammer weder aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sogenannten Off-Label-Use noch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 ableitbar. Die für den Off-Label-Use entwickelten Grundsätze könnten nur dann greifen, wenn es sich grundsätzlich um ein im Inland zugelassenes Medikament handle, dessen Zulassung sich lediglich nicht auf einen bestimmen Personenkreis oder eine bestimmte Erkrankung beschränke. Fehle es aber - aus welchen Gründen auch immer - gänzlich an der Zulassung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland, würde die Versorgung ein verbotswidriges Handeln der Krankenkasse darstellen, zu dem sie auch nicht im Wege des Off-Label-Use veranlasst werden könne. Im übrigen würden dessen Voraussetzungen auch nicht vorliegen, da es sich bei der oralen Dyskinesie nicht um einen Seltenheitsfall handle, der sich einer systematischen Forschung entziehe. Die durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 aufgestellten Kriterien seien bei der Klägerin nicht gegeben. Auch wenn bei ihr ohne Zweifel eine schwere Erkrankung vorliege, die sie erheblich beeinträchtige, so könne aber nach der Aussage von Dr. W. nicht von einer lebensbedrohlichen Erkrankung ausgegangen werden.
Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 28.02.2007 eingelegte Berufung. Sie trägt vor, die Beklagte habe im Rahmen ihrer Kostensenkung den Leistungskatalog bereinigt und Sachen herausgestrichen, für die es bis heute keine Alternative gebe. Sie leide schon seit mehreren Jahren an einer hartnäckigen Krankheit, die nur durch ein Medikament mit dem Wirkstoff "Tetrabenacine" gelindert werden könne. Es könne nicht zulässig sein, dass ein Medikament, das einem Menschen helfe, nicht gewährt werde, obwohl es auch diesbezüglich Ausnahmeregelungen gebe. Sie habe den Wirkstoff Tetrabenacine schon fünf Jahre davor erhalten, er sei für sie lebensnotwenig. Bis zum Jahr 2005 habe die Beklagte die Kosten übernommen, auch die gegenwärtige Kostenübernahme durch die Beklagte sei durch die zwischenzeitliche Zulassung des Medikaments geklärt. In der Zwischenzeit habe sie das Medikament auf Verordnung des Arztes in der Apotheke gekauft, wodurch ihr Kosten in Höhe von 2.775,- EUR entstanden seien.
Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für das Medikament Nitoman in Höhe von 2.775,- EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Die Beklagte hat die ihr von der Klägerin vorgelegten Verordnungen des Dr. W. für Tetrabenacine bzw. Nitoman (Zeitraum Februar bis Dezember 2006) sowie die Verordnung von Xenazine durch Dr. Deist vom Februar 2007 vorgelegt (über insgesamt 2.537,94 EUR).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Arzneimittel Nitoman in dem hier streitbefangenen Zeitraum zwischen November 2005 und März 2007.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften für das Begehren der Klägerin maßgeblich sind und weshalb ihr der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch reicht. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteil des BSG vom 18.05.2004 - B 1 KR 21/02 R -). Nach § 31 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind. Nitoman war bis März 2007 kein solches von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind unter Arzneimitteln u.a. solche Substanzen zu verstehen, die gerade dazu bestimmt sind, durch ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper, Krankheitszustände zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Tetrabenacine (Nitoman) ist danach als (Fertig)-Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG einzustufen, weshalb es grundsätzlich der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG bedurfte. Daran fehlt es hier unstreitig, da das Arzneimittel Tetrabenacine (Nitoman) erst ab März 2007 in Deutschland zugelassen wurde.
Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch unterliegt - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ergebenden Einschränkungen. Umfasst sind danach nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Insoweit reicht es nicht aus und führt auch nicht zur Leistungspflicht der Beklagten, wenn die Therapie mit dem streitigen Arzneimittel im Falle der Klägerin positiv gewirkt haben soll und daher anderen medikamentösen Behandlungsmaßnahmen vorzuziehen war (BSGE 76, 194, 198 = SozR 3 - 2500 § 27 Nr. 5 S. 11). Es muss vielmehr zur Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG fehlt es daher an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit speziell einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18.05.2004 - a.a.O. - m. w. N.). Dies gilt auch bei einer Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Selbst in diesem Fall darf dieses Arzneimittel, wenn es in Deutschland nicht zugelassen ist, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen hat (BSG, Urteil vom 18.05.2004 - a.a.O.-). Mangels Zulassung käme auch eine die Zulassung überschreitende Verordnung nach Maßgabe der Kriterien zum sog. "Off-Label-Use" nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 31 Nr. 8).
An dieser Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R - grundsätzlich festgehalten. Eine Modifizierung erfolgte nur für sog. Seltenheitserkrankungen (singuläre Krankheitsfälle). Bei dem Krankheitsbild der Klägerin handelt es sich allerdings, wie Dr. W. ausdrücklich bestätigt hat, nicht um einen Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Forschung entzieht (vgl. Urteil des BSG vom 26.09.2006 - B 1 KR 14/06 R).
Die Klägerin kann auch keinen Leistungsanspruch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - herleiten. Dieser ist nicht einschlägig in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Erkrankung den Versicherten zwar erheblich beeinträchtigt, aber weder lebensbedrohlich ist noch regelmäßig tödlich verläuft noch wertungsmäßig vergleichbar schwer und folgenreich ist.
Dass ab 1. März 2007 Tetrabenacine (Nitoman) die arzneimittelrechtliche Zulassung erhielt und dieses Arzneimittel auch im Falle der Klägerin nunmehr verordnungsfähig ist, führt hinsichtlich der Leistungspflicht der Beklagten für das im Zeitraum November 2005 bis Februar 2007 von der Klägerin selbstbeschaffte Mittel zu keinem anderen Ergebnis; denn der Einsatz bislang nicht anerkannter Mittel und Methoden zu Lasten der Krankenkasse erfordert regelmäßig, dass bereits vor der Behandlung eine Anerkennung erfolgt war (BSGE 81, 84, 58 = SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4 S. 13 f. - immunbiologische Therapie; SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 2 S. 56 f. - ASI, jeweils für Festlegungen in den Richtlinien des Bundesausschusses). Dies gilt auch für zulassungspflichtige Arzneimittel (BSG SozR 4 - 2500 § 27 Nr. 1).
Schließlich kann sich die Klägerin gegenüber der Beklagten auch nicht auf Vertrauensschutz im Hinblick auf erfolgte Leistungen bis November 2005 berufen. Denn Bewilligungen im Krankenversicherungsrecht kommt grundsätzlich nur eine eingeschränkte Bindungswirkung zu, indem diese grundsätzlich nur für den nächsten Bewilligungsabschnitt gelten (BSG, Urteil vom 16. November 1999 - B 1 KR 9/97 R -, BSGE 85, 132), d.h. hier für die einzelne Verordnung.
Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung mit Nitoman, da bis einschließlich Februar 2007 eine Verordnung von Nitoman zu Lasten der Beklagten grundsätzlich ausgeschlossen war.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung für das Medikament Nitoman, das erst seit 01.03.2007 in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen ist, zur Behandlung von Dyskinesien im Zeitraum November 2005 bis Februar 2007.
Die 1939 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin leidet seit Jahren an oralen Dyskinesien und einem Ruhetremor vorwiegend der rechten Hand. Das Krankheitsbild wurde mit dem Medikament Tetrabenacine und nach Entwicklung eines Parkinson-Syndroms mit einer Kombination aus Tetrabenacine und Pramipexol behandelt.
Im November 2005 beantragte die Klägerin durch den sie behandelnden Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. bei der Beklagten die Kostenübernahme für das Medikament Nitoman. Dr. W. teilte mit, die im Alltag stark beeinträchtigenden Dyskinesien seien nach mehrfachen Therapieversuchen nur durch das Medikament Tetrabenacine (Nitoman R) wenig-stens einigermaßen zu kompensieren, obwohl es sich hierbei um eine sogenannte off-label-Anwendung gehandelt habe. Nach dem Wegfall der Kostenerstattungsmöglichkeiten habe die Klägerin noch zwei weitere alternative Therapie-Optionen erhalten, im Ergebnis sei es jedoch jetzt zu einer erheblichen Zunahme ihrer oralen Dyskinesien, zwischenzeitlich auch mit Ausbreitung auf beide Beine, gekommen.
Nach Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung B.-W. - MDK - (Dr. B.) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.11.2005 eine Kostenübernahme ab. Zur Begründung führte sie aus, dass das Medikament Tetrabenacine (Nitoman) in Deutschland nicht zugelassen und verkehrsfähig sei. Es handle sich eindeutig um ein Importarzneimittel. Entsprechende Studien bei Dyskinesien seien im oralen oder im Gesichtsbereich möglich und vereinzelt schon durchgeführt worden. Bei der Erkrankung handle es sich, wie man aus den durchgeführten Studien erkennen könne, keineswegs um eine singuläre Erkrankung. Da es sich um ein Importarzneimittel handle, müsste die Erkrankung singulär sein, da ansonsten keine Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sei.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, nur das verschriebene Medikament helfe ihr, ihr Leben einigermaßen lebenswert zu erhalten. Sie bitte daher, die Kosten weiter wie bisher zu übernehmen.
Die Beklagte befragte hierauf Dr. W., ob das Krankheitsbild der Klägerin als nicht systematisch erforschbarer Einzelfall anzusehen sei, und ob bzw. welche Behandlungsalternative zur Verfügung stehe. Dr. W. äußerte sich dahingehend, dass es sich bei oralen Dyskinesien keineswegs um eine sogenannte singuläre Erkrankung handle. Allerdings sei man in Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Bewegungssprechstunde der Neurologischen Universitätsklinik H. übereingekommen, dass Tetrabenacine aktuell tatsächlich das einzige Medikament sei, das der Klägerin zu einer Linderung der Hyperkinesien verhelfe. Sie fühle sich wegen dieser Hyperkinesien eindeutig stigmatisiert und schäme sich, mit dieser Symptomatik das Haus zu verlassen.
Nach erneuter Vorlage an den MDK teilte die Beklagte der Klägerin das Ergebnis der Beratung mit und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.04.2006 zurück: Bei Nitoman handle es sich nicht um ein in Deutschland zugelassenes Arzneimittel. Die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 06.12.2005 festgestellten Ausnahmekriterien lägen nicht vor. Auch handle es sich nicht um eine singuläre extrem seltene Erkrankung, die einer systematischen Erforschung nicht zugänglich sei.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Sie machte im wesentlichen geltend, obwohl sie an einer seltenen und hartnäckigen Krankheit leide, verweigere die Beklagte die Kostenübernahme des Arzneimittels mit dem Wirkstoff Tetrabenacine, weil es ein Importmittel aus England sei. Dieses Medikament, welches ihr als einziges überhaupt einigermaßen helfe, mit der Krankheit zu leben, nehme sie schon seit einigen Jahren. Als sie nach dem Wegfall der Kostenübernahme durch die Beklagte das Medikament für kurze Zeit abgesetzt gehabt habe, habe sich ihr Zustand dramatisch verschlechtert. Ohne dieses Medikament könne sie nicht weiter leben.
Das SG hörte Dr. W. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit, die Klägerin befinde sich seit April 2001 in ambulanter Behandlung. Es handle sich bei ihr um ausgeprägte Spontanbewegungen sowohl der Lippen als auch der Zungen- und Schlundmuskulatur, die dem Gesichtsausdruck einen grimassierenden Charakter gäben und von der Klägerin nicht willkürlich zu kontrollieren bzw. zu unterbinden seien. Als wahrscheinlichste Diagnose würde er eine persistierende medikamentös induzierte Dyskinesie sehen (sog. tardive Dyskinesie). Nach dem Einsatz verschiedener Medikamente habe die Klägerin erst bei Umstellung auf einen sog. Dopamin-Depletor in Form des Tetrabenacines, welches in Deutschland über keine Zulassung verfüge, eine weitgehende Verminderung und phasenweise ein Sistieren ihrer lästigen Hyperkinesien, allerdings um den Preis eines mäßiggradigen medikamenteninduzierten Parkinson-Syndroms, erlebt. Es existierten eine Fülle von kleineren Studien, die fast alle den positiven Effekt des Tetrabenacins (Nitoman) beschreiben würden. Allerdings erfüllten diese Studien schon alleine wegen der geringen Fallzahl und auch wegen ihrer Konzeption nicht die Kriterien für eine Zulassungsrelevanz. Dr. W. fügte beispielhaft eine Kopie der Zusammenfassung der Arbeit von J. und O. in Neurology 1988 und einen Musterbrief an die Krankenkasse bezüglich des Einsatzes von Tetrabenacine bei der Behandlung der Chorea bei.
Die Beklagte trat der Klage unter Beifügung einer MDK-Stellungnahme von Dr. B. entgegen. Dr. B. legte dar, dass die Klägerin zwar in ihrer Lebensqualität sicher eingeschränkt sei, eine direkte Lebensgefahr bestehe aber nicht. Tetrabenacine sei derzeit in Großbritannien außer Verkehr, Nitoman ebenfalls. Noch im Verkehr befänden sich die Präparate Nitoman in Kanada, Dänemark und als Xenazine in Großbritannien. Die Zulassungen im Ausland von Tetrabenacine seien nicht ganz eindeutig definiert, zum Teil sei Nitoman zugelassen zur Behandlung von Bewegungsstörungen, typisch sei es zugelassen zur Behandlung der hyperkinetischen Bewegungsstörung, wie Huntingtens Disease und anderen Erkrankungen mit Chorea, Hemiballismus und tardive Dyskinesie. In Dänemark sei es generell zugelassen für Dyskinesien, in Kanada für eine ganze Anzahl von Bewegungsstörungen. Xenazine sei für Dyskinesien, die nicht durch einen Morbus Parkinson hervorgerufen seien, zugelassen sowie für die Behandlung der Chorea, verbunden mit Huntingtens Erkrankung. Es sei ebenso effizient bei einer ganzen Anzahl von Bewegungsstörungen, eingeschlossen Hemiballismus, senile Chorea, Dystonie und Tourette-Syndrom.
Mit Urteil vom 09.02.2007 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, das Medikament Nitoman habe in der Bundesrepublik Deutschland keine Zulassung. Die in einigen EU-Staaten erteilte Zulassung wirke rechtlich nicht automatisch in Deutschland. Vielmehr dürfe ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel trotz seiner Zulassung in einem anderen Mitgliedsstaat der EU nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen habe. Eine Ausnahme sei nach der Überzeugung der Kammer weder aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum sogenannten Off-Label-Use noch aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 ableitbar. Die für den Off-Label-Use entwickelten Grundsätze könnten nur dann greifen, wenn es sich grundsätzlich um ein im Inland zugelassenes Medikament handle, dessen Zulassung sich lediglich nicht auf einen bestimmen Personenkreis oder eine bestimmte Erkrankung beschränke. Fehle es aber - aus welchen Gründen auch immer - gänzlich an der Zulassung für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland, würde die Versorgung ein verbotswidriges Handeln der Krankenkasse darstellen, zu dem sie auch nicht im Wege des Off-Label-Use veranlasst werden könne. Im übrigen würden dessen Voraussetzungen auch nicht vorliegen, da es sich bei der oralen Dyskinesie nicht um einen Seltenheitsfall handle, der sich einer systematischen Forschung entziehe. Die durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 06.12.2005 aufgestellten Kriterien seien bei der Klägerin nicht gegeben. Auch wenn bei ihr ohne Zweifel eine schwere Erkrankung vorliege, die sie erheblich beeinträchtige, so könne aber nach der Aussage von Dr. W. nicht von einer lebensbedrohlichen Erkrankung ausgegangen werden.
Hiergegen richtet sich die von der Klägerin am 28.02.2007 eingelegte Berufung. Sie trägt vor, die Beklagte habe im Rahmen ihrer Kostensenkung den Leistungskatalog bereinigt und Sachen herausgestrichen, für die es bis heute keine Alternative gebe. Sie leide schon seit mehreren Jahren an einer hartnäckigen Krankheit, die nur durch ein Medikament mit dem Wirkstoff "Tetrabenacine" gelindert werden könne. Es könne nicht zulässig sein, dass ein Medikament, das einem Menschen helfe, nicht gewährt werde, obwohl es auch diesbezüglich Ausnahmeregelungen gebe. Sie habe den Wirkstoff Tetrabenacine schon fünf Jahre davor erhalten, er sei für sie lebensnotwenig. Bis zum Jahr 2005 habe die Beklagte die Kosten übernommen, auch die gegenwärtige Kostenübernahme durch die Beklagte sei durch die zwischenzeitliche Zulassung des Medikaments geklärt. In der Zwischenzeit habe sie das Medikament auf Verordnung des Arztes in der Apotheke gekauft, wodurch ihr Kosten in Höhe von 2.775,- EUR entstanden seien.
Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 09. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für das Medikament Nitoman in Höhe von 2.775,- EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Die Beklagte hat die ihr von der Klägerin vorgelegten Verordnungen des Dr. W. für Tetrabenacine bzw. Nitoman (Zeitraum Februar bis Dezember 2006) sowie die Verordnung von Xenazine durch Dr. Deist vom Februar 2007 vorgelegt (über insgesamt 2.537,94 EUR).
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat (§ 124 Abs. 2 SGG), ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für das Arzneimittel Nitoman in dem hier streitbefangenen Zeitraum zwischen November 2005 und März 2007.
Das SG hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, welche Rechtsvorschriften für das Begehren der Klägerin maßgeblich sind und weshalb ihr der geltend gemachte Anspruch nicht zusteht. Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat auch auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auszuführen, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch reicht. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Urteil des BSG vom 18.05.2004 - B 1 KR 21/02 R -). Nach § 31 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel in der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähig sind. Nitoman war bis März 2007 kein solches von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung mit umfasstes Arzneimittel. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) sind unter Arzneimitteln u.a. solche Substanzen zu verstehen, die gerade dazu bestimmt sind, durch ihre Anwendung am oder im menschlichen Körper, Krankheitszustände zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Tetrabenacine (Nitoman) ist danach als (Fertig)-Arzneimittel nach § 2 Abs. 1 AMG einzustufen, weshalb es grundsätzlich der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG bedurfte. Daran fehlt es hier unstreitig, da das Arzneimittel Tetrabenacine (Nitoman) erst ab März 2007 in Deutschland zugelassen wurde.
Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch unterliegt - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ergebenden Einschränkungen. Umfasst sind danach nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Insoweit reicht es nicht aus und führt auch nicht zur Leistungspflicht der Beklagten, wenn die Therapie mit dem streitigen Arzneimittel im Falle der Klägerin positiv gewirkt haben soll und daher anderen medikamentösen Behandlungsmaßnahmen vorzuziehen war (BSGE 76, 194, 198 = SozR 3 - 2500 § 27 Nr. 5 S. 11). Es muss vielmehr zur Qualität und Wirkungsweise eines Arzneimittels zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Nach der Rechtsprechung des BSG fehlt es daher an der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit speziell einer Arzneimitteltherapie, wenn das verwendete Mittel nach den Regelungen des Arzneimittelrechts einer Zulassung bedarf und diese Zulassung nicht erteilt worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. BSG, Urteil vom 18.05.2004 - a.a.O. - m. w. N.). Dies gilt auch bei einer Zulassung des Arzneimittels in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Selbst in diesem Fall darf dieses Arzneimittel, wenn es in Deutschland nicht zugelassen ist, nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, wenn es weder das zentrale noch das dezentrale europarechtliche Anerkennungsverfahren durchlaufen hat (BSG, Urteil vom 18.05.2004 - a.a.O.-). Mangels Zulassung käme auch eine die Zulassung überschreitende Verordnung nach Maßgabe der Kriterien zum sog. "Off-Label-Use" nicht in Betracht (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 31 Nr. 8).
An dieser Rechtsprechung hat das BSG im Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 27/02 R - grundsätzlich festgehalten. Eine Modifizierung erfolgte nur für sog. Seltenheitserkrankungen (singuläre Krankheitsfälle). Bei dem Krankheitsbild der Klägerin handelt es sich allerdings, wie Dr. W. ausdrücklich bestätigt hat, nicht um einen Seltenheitsfall, der sich einer systematischen Forschung entzieht (vgl. Urteil des BSG vom 26.09.2006 - B 1 KR 14/06 R).
Die Klägerin kann auch keinen Leistungsanspruch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 - 1 BvR 347/98 - herleiten. Dieser ist nicht einschlägig in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Erkrankung den Versicherten zwar erheblich beeinträchtigt, aber weder lebensbedrohlich ist noch regelmäßig tödlich verläuft noch wertungsmäßig vergleichbar schwer und folgenreich ist.
Dass ab 1. März 2007 Tetrabenacine (Nitoman) die arzneimittelrechtliche Zulassung erhielt und dieses Arzneimittel auch im Falle der Klägerin nunmehr verordnungsfähig ist, führt hinsichtlich der Leistungspflicht der Beklagten für das im Zeitraum November 2005 bis Februar 2007 von der Klägerin selbstbeschaffte Mittel zu keinem anderen Ergebnis; denn der Einsatz bislang nicht anerkannter Mittel und Methoden zu Lasten der Krankenkasse erfordert regelmäßig, dass bereits vor der Behandlung eine Anerkennung erfolgt war (BSGE 81, 84, 58 = SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 4 S. 13 f. - immunbiologische Therapie; SozR 3 - 2500 § 135 Nr. 2 S. 56 f. - ASI, jeweils für Festlegungen in den Richtlinien des Bundesausschusses). Dies gilt auch für zulassungspflichtige Arzneimittel (BSG SozR 4 - 2500 § 27 Nr. 1).
Schließlich kann sich die Klägerin gegenüber der Beklagten auch nicht auf Vertrauensschutz im Hinblick auf erfolgte Leistungen bis November 2005 berufen. Denn Bewilligungen im Krankenversicherungsrecht kommt grundsätzlich nur eine eingeschränkte Bindungswirkung zu, indem diese grundsätzlich nur für den nächsten Bewilligungsabschnitt gelten (BSG, Urteil vom 16. November 1999 - B 1 KR 9/97 R -, BSGE 85, 132), d.h. hier für die einzelne Verordnung.
Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung mit Nitoman, da bis einschließlich Februar 2007 eine Verordnung von Nitoman zu Lasten der Beklagten grundsätzlich ausgeschlossen war.
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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